Endurteil vom Amtsgericht München - 262 C 18626/17

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.974,03 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.08.2017 sowie weitere 334,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.10.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 38% und die Beklagte 62% zu tragen, mit Ausnahme der für den Sachverständigen erforderlichen Auslagen, die der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5 zu tragen haben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn diese nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leiste.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.175,24 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Krankheitskostenversicherungsvertrag geltend.

Zwischen den Parteien besteht eine Krankheitskostenvollversicherung auf der Basis des Tarifs GesPR 750 nebst den AVB/KK der Beklagten.

Am 14.03.2017 wurde bei ihm auf beiden Augen eine Katarakt-Operation mithilfe eines Femtosekundenlasers durchgeführt.

Hierfür wurden ihm durch als Anlage K 2 vorgelegtes Schreiben vom 18.05.2017 EUR 8.027,45 berechnet.

Nachdem er diese Rechnung bei der Beklagten eingereicht hatte, erstattete diese aufgrund Leistungsabrechnung vom 26.06.2017 (Anlage K 1) EUR 4.852,21.

Hieran vermochte auch die Einschaltung der klägerischen Anwälte nichts zu andern.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe auch den Restbetrag nebst Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Insbesondere sei es nicht zu beanstanden, dass die Augenpraxisklinik den Einsatz des Femtosekundenlasers gesondert berechnet habe.

Der Kläger beantragt daher Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.175,24 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.08.2017 sowie weitere 413,64 EUR zuzüglich Zinsen hieraus seit 27.10.2017 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Ihre Leistungsabrechnung sei zutreffend.

Die GOÄ-Ziffer 5855 sei nicht analog neben der durch Ziffer 1375 honorierten Zielleistung abrechenbar, schon gar nicht mit einem höheren als dem 1,8fachen Satz, denn der Einsatz eines Femtosekundenlaser sei nicht notwendig gewesen.

Auch die diesbezüglichen Sachkosten (Liquid Optic Interface) seien daher nicht geschuldet.

Die berechneten Intraokularlinsen seien in ausreichender Höhe vergütet worden.

Darüber hinaus sei die Analogberechnung nicht ordnungsgemäß in der Rechnung erläutert worden. Der Kläger müsse daher die Arztrechnung insoweit nicht bezahlen, weshalb auch die Beklagte nicht leisten müsse.

Das Gericht hat zur Abrechenbarkeit der zwischen den Parteien streitigen Gebührenziffern gutachterliche Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. O. vom 08.05.2018 und 11.9.2018 erholt und diesen im Termin vom 14.11.2018 angehört.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Terminprotokoll Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten Bezahlung weiterer EUR 1.974,03 aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Krankheitskostenversicherungsvertrages verlangen.

Aufgrund der auch für medizinische Laien gut verständlichen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. O., insbesondere auch im Termin vom 14.11.2018, geht das Gericht von folgenden Umständen aus:

Zum Zeitpunkt der letzten Novellierung der GOÄ im Jahr 1996 gab es noch keinen Femtosekundenlaser. Hierbei handelt es sich um ein Gerät, das etwa 500.000,00 EUR kostet. Wenn es einmal eingestellt ist, arbeitet es selbständig.

In all diesen Punkten ist es vergleichbar mit einem Computer, der selbständig die Bestrahlung eines Patienten durchführt. Diese Leistung wird mit der Gebührenziffer GOÄ 5855 abgegolten.

Der Femtosekundenlaser nimmt bei der Katarakt-Operation perioperative Maßnahmen am Auge vor, die, wenn auch in anderer Weise, ansonsten mit der Hand durchgeführt werden. Nach Einstellung des Gerätes führt dieser die erforderlichen Maßnahmen korrekt durch. Es ist deshalb sicherer als Schnitte ins Auge von Hand.

Beide Vorgehensweisen sind in der Zielleistung gemäß Ziffer 1375 GOÄ enthalten. Durch den Einsatz des Femtosekundenlasers entfällt die Eröffnung des Auges, der Linsenkapsel und eine Tunnelbildung. Sämtliche dieser Maßnahmen sind ebenfalls in der Zielleistung gemäß Ziffer 1375 enthalten. Die Eröffnung des Auges ist, wenn sie separat erfolgt, durch die GOÄ-Ziffer 1356, die der Linsenkapsel durch die GOÄ-Ziffer 1348 geregelt. Für eine Tunnelbildung existiert keine eigene GOÄ-Ziffer, weil diese als selbständige Maßnahme nicht existiert.

Nach diesen Ausführungen ist es nicht zu beanstanden, dass dem Kläger von seinen Ärzten die GOÄ-Ziffer 5855 analog in Rechnung gestellt wurde. Allerdings lediglich in 1,8-facher Höhe.

Die durch den Femtosekundenlaser vorgenommenen Maßnahmen sind für die Katarakt-Operation medizinisch notwendig.

Der Umstand, dass die Katarakt-Operation auch durch Schnitte ins Auge von Hand vorbereitet werden könnte, ändert hieran nichts. Zum Zeitpunkt der Durchführung der Operation war es vertretbar, die Art und Weise, wie sie vorbereitet wurde, als medizinisch notwendig anzusehen.

Die Vorbereitung des Auges für die Operation - von Hand oder durch den Femtosekundenlaser - stellt eine (unterschiedliche) methodisch notwendige Maßnahme dar.

In diesem Zusammenhang ist es rechtlich irrelevant, dass der Einsatz des Femtosekundenlasers erheblich teurer ist, als die Operation von Hand.

Anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung existiert im Recht der privaten Krankenversicherung keine gesetzliche Regelung, die den Versicherten verpflichtet, im Interesse seiner Krankenversicherung eine kostengünstigere Behandlungsalternative zu wählen.

Dass in dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnis eine wirksame Wirtschaftlichkeitsklausel enthalten sei, wird von der Beklagten nicht behauptet.

Darüber hinaus steht aufgrund der Angaben des Sachverständigen zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Operationsvorbereitung unter Einsatz des Femtosekundenlasers für den Patienten sicherer ist, weil die Unwägbarkeiten, die bei Operationsvorbereitungen von Hand gegeben sind, entfallen.

Da dieses Gerät bei der letzten Novellierung der GOÄ im Jahr 1996 noch nicht existierte, erscheint es sachgerecht, die GOÄ Ziffer 5855 analog in Ansatz zu bringen. Aufgrund der oben genannten Parallelen bei beiden Geräten sind diese bezüglich der Abrechenbarkeit vergleichbar. Insbesondere angesichts des hohen Anschaffungspreises ist es gerechtfertigt, den relativ hohen Punktwert der GOÄ Ziffer 5855 anzuerkennen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die durch den Femtosekundenlaser vorgenommenen Maßnahmen Teil der Zielleistung 1375 sind.

Der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass die Katarakt-Operation durch die GOÄ-Ziffer 1375 als Zielleistung anzusehen ist, mit der auch die perioperativen Leistungen abgegolten sind. Da der Femtosekundenlaser 1996 noch nicht existierte, konnte er in GOÄ Ziffer 1375 jedoch keine Berücksichtigung finden. Sein Einsatz ist durch die Höhe dieser GOÄ-Ziffer nicht ansatzweise adäquat abgegolten. Auch ist der Femtosekundenlaser nicht vergleichbar einem einfachen Laser, dessen Inanspruchnahme durch Ziffer 441 geregelt ist.

Sein Einsatz ist daher gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ gesondert zu honorieren, auch wenn es sich um eine unselbständige Teilleistung der durch GOÄ-Ziffer 1375 geregelten Katarakt-Operation handelt.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass § 6 Abs. 2 die entsprechende Abrechnung ärztlicher Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, lediglich für selbständige ärztliche Leistungen vorsieht.

Da aufgrund des in § 4 Abs. 2 a festgelegten Zielleistungsprinzips unselbständige Leistungen grundsätzlich nicht gesondert berechenbar sind, bedarf es normalerweise keiner gesonderten Regelung für die analoge Abrechenbarkeit unselbständiger Maßnahmen.

Anders ausgedrückt:

Berücksichtigt man die Systematik der GOÄ, wonach unselbständige Teilleistungen gemäß dem Zielleistungsprinzip nicht gesondert berechenbar sind, und hält sich andererseits, den Willen des Gesetzgebers vor Augen, eine unausgewogene Entlohnung ärztlicher Leistungen aufgrund des Umstandes, dass heute übliche Maßnahmen nicht angemessen honoriert werden können, weil sie bei der Novellierung der GOÄ noch nicht bekannt waren, so ist § 6 Abs. 2 GOÄ nach seinem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass eine Analoganwendung auch dann möglich ist, wenn eine ärztliche Maßnahme, wegen des Zielleistungsprinzips nicht gesondert berechnungsfähig wäre.

Der Steigerungsfaktor ist jedoch für die Vornahme dieser technischen Maßnahme auf den 1,8fachen Satz beschränkt.

Auch werden durch die GOÄ-Ziffer 1375 Maßnahmen mit entlohnt, die bei Einsatz des Femtosekundenlasers entfallen, mit der Folge, dass entsprechende Abzüge vorzunehmen sind. Die GOÄ-Ziffern 1356 für die Eröffnung des Auges und 1348 für die der Linsenkapsel sind in Abzug zu bringen. Dies hat mit dem 3,5-fachen Wert zu erfolgen, da auch die GOÄ-Ziffer 1375 mit diesem Steigerungsfaktor in Ansatz gebracht wurde. Für die in Wegfall kommende Tunnelbildung erscheint gemäß § 287 ZPO in Übereinstimmung mit den Sachverständigenausführungen der Abzug eines 1,2-fachen Satzes der GOÄ-Ziffer 1356 angemessen.

Soweit der Sachverständige darauf hinweist, dass diese GOÄ-Ziffern auch Sachkosten mit entlohnen, die nicht gesondert berechenbar sind, wie zum Beispiel Gebäude und Personal rechtfertigt dies nicht, sie lediglich mit einem Bruchteil von 75% ihres Wertes in Abzug zu bringen, wie der Sachverständige vorschlägt, denn diese Sachkosten sind sowohl in GOÄ-Ziffer 1375, als auch in GOÄ-Ziffer 5585 ebenfalls enthalten.

Liquid Optic Interface ist als notwendiger Sachaufwand beim Einsatz des Femtosekundenlaser zu erstatten.

Soweit die Klagepartei Bezahlung weiterer EUR 178,00 an Sonderkosten für Linsen verlangt, besteht hierauf kein Anspruch, weil angesichts des Umstandes, dass die Beklagtenseite hierfür bereits EUR 1.320,00 erstattet hat und nach den Ausführungen des Sachverständigen selbst dann, wenn es sich um Sonderlinsen gehandelt haben sollte, die zur Korrektur der Hornhautverkrümmung geeignet sind, pro Linse lediglich etwa 400,00 EUR angemessen sind.

Hieraus ergibt sich folgende Berechnung:

GOÄ 5585 x 1,8facher Satz x 2 Augen EUR 1447,86 abzüglich GOÄ 1356 x 3,5facher Satz x 2 Augen (Eröffnung des Auges)

GOÄ 1348 x 3,5facher Satz x 2 Augen (Eröffnung der Linsenkapsel)

GOÄ 1356 x 1,2 facher Satz x 2 Augen (Tunnelbildung) ./. EUR 271,13.

GOÄ 10 EUR 398,65 x 2 Augen (Liquid Optic Interface) EUR 797,30.

Die Beklagte hat daher zu bezahlen: EUR 1974,03.

Sie kann sich auch nicht darauf berufen, die Analoganwendung sei in der Rechnung nicht ausreichend erläutert. Es mag sein, dass der Kläger gegen seine Ärzte Anspruch auf eine derartige Ergänzung der Rechnung hat und hieraus Rechte herleiten kann.

Die Beklagte hat sich vorgerichtlich nicht hierauf berufen und eine Erstattung der Kosten mit dieser Begründung abgelehnt.

Sie leugnete vielmehr grundsätzlich die analoge Abrechenbarkeit des Einsatzes des Femtosekundenlasers in umfassender Kenntnis der Problematik aus Rechtsgründen.

Ihre Berufung auf die fehlende Begründung der Analogabrechnung ist daher rechtsmissbräuchlich.

Im Übrigen war die Klage aus den oben genannten Gründen abzuweisen.

Die Entscheidung über die Nebenforderungen beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Beauftragung der Anwälte durch ihre mehrfache Ablehnung der Erstattung des Einsatzes des Femtosekundenlaser in Verzug.

Sie schuldet daher Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren aus einem Streitwert von EUR 1.974,03.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.

Hinsichtlich der Gutachtenskosten erschien es sachgerecht, diese nicht gemäß § 92 Abs. 1 ZPO zu quoteln, sondern gemäß § 96 ZPO im geschätzten Verhältnis der verursachten Auslagen zueinander zu verteilen, wobei zu berücksichtigen war, dass der Hauptanteil des Gutachtens sich damit zu befassen hatte, ob die Analoganwendung der Ziffer 5585 gerechtfertigt ist.

Vorläufige Vollstreckbarkeit. §§ 709, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

Streitwert: § 3 ZPO.

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