Urteil vom Amtsgericht Münster - 62 C 2883/13
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, den an der Treppenhauswand des Hauses T-Straße ## in 48151 Münster im zweiten Obergeschoss angebrachten Hängeschuhschrank zu entfernen.
Der Kläger und Widerbeklagten wird verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Podest vor der Wohnungstüre seiner vermieteten Wohnung im dritten Obergeschoss des Hauses T-Straße ## in 48151 Münster Gegenstände zu platzieren oder von seinen Mietern platzieren zu lassen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Berufungsinstanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 1000 EUR abzuwenden, falls nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Parteien sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft T-Straße ## in Münster. Der Kläger ist Eigentümer einer Wohnung im Dachgeschoss, der Beklagte ist Eigentümer einer Wohnung im zweiten Obergeschoss.
3Schon seit längerer Zeit befinden sich im Treppenhaus vor der Wohnung des Beklagten und auch vor der Wohnung eines weiteren mit Eigentümers Schuhschränke, die dort an der Wand aufgehängt sind. Der Schuhschrank vor der Wohnung des Beklagten hängt dort mindestens seit dem Jahr 2008; in Form und Größe unterscheidet er sich von dem von dem weiteren Miteigentümer angebrachten Schuhschrank.
4Über das Abstellen von Fahrrädern im Kellerflur sowie das Anbringen von Schuhschränken im Treppenhaus wurden in der Vergangenheit er Diskussionen innerhalb der Eigentümergemeinschaft geführt.
5In der Eigentümerversammlung vom 15.5.2013 wurde mit drei Ja- und einer Nein- stimme eine Hausordnung verabschiedet, die unter anderem vorsah, dass Schuhschränke bzw. Hängeschränke nur in einer bestimmten Farbe und einer bestimmten Größe aufgehängt werden dürfen. Diese Regelung wurde durch Urteil des Amtsgerichts Münster vom 12.02.2014 – 62 C 2121/13 - für ungültig erklärt, weil nach Auffassung des Gerichts die Befugnis, einen Schuhschrank im Hausflur, der im Gemeinschaftseigentum steht, aufzuhängen, was wiederum nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht durch einen Mehrheitsbeschluss erfolgen kann.
6Mit der am 9.8.2013 bei Gericht eingegangenen Klage beantragte der Kläger zunächst, den Beklagten zu verpflichten, es zu unterlassen, entgegen der Hausordnung/Nutzungsregelung im Treppenhaus und insbesondere auf dem Podest vor der Wohnungstüre im zweiten Obergeschoss Gegenstände zu platzieren sowie es zu unterlassen, Fahrräder entgegen der Hausordnung/Nutzungsregelung im Kellergang oder auf der Kellertreppe abzustellen. Durch Urteil vom 26.3.2014 wurde der Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, Gegenstände auf dem Podest vor seiner Wohnung zu platzieren sowie Fahrräder im Kellergang abzustellen.
7Auf die Berufung des Klägers wurde das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 26.3.2014 aufgehoben, weil die Beiladung der übrigen Wohnungseigentümer unterblieben war.
8Im jetzigen Verfahren verfolgt der Kläger nur noch das Ziel, dass der Beklagte verurteilt wird, den Hängeschuhschrank zu entfernen. Gegenüber diesem Anspruch beruft sich der Beklagte auf Verjährung.
9Hinsichtlich des Abstellen von Fahrrädern im Kellergang haben die Parteien einen Teilvergleich geschlossen und den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
10Der Kläger vertritt die Auffassung, durch die Anbringung des Hängeschrankes im Gemeinschaftseigentum verletze der Kläger fortlaufend und permanent das Eigentum, weshalb keine Verjährung eintrete.
11Der Kläger beantragt,
12den Beklagten zu verurteilen, den an der Treppenhauswand im zweiten Obergeschoss angebrachten Hängeschuhschrank zu entfernen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Hilfsweise beantragt er widerklagend,
16den Kläger zu verurteilen, es zu unterlassen, auf dem Podest vor der Wohnungstüre seiner vermieteten Wohnung im dritten Obergeschoss des Hauses T-Straße ## in 48151 Münster Gegenstände zu platzieren oder von seinen Mietern platzieren zu lassen.
17Der Beklagte vertritt die Auffassung, der Beseitigungsanspruch sei mit Anbringung des Schuhschrankes im Jahre 2008 entstanden und deshalb zwischenzeitlich verjährt. Zumindest sei die Durchsetzung des Anspruchs treuwidrig, weil auch der Kläger es dulde, dass die Mieter seiner Wohnung auf dem Podest im Hausflur vor der Wohnung ein Regal abstelle und Gegenstände platziere.
18Entscheidungsgründe:
19Der Kläger hat gemäß §§ 1004 Abs. 1, 985 BGB einen Anspruch gegen den Beklagten auf Beseitigung des Schuhschrankes; der Beseitigungsanspruch erfasst inhaltlich zum einen die Beseitigung des vorhandenen Schuhschrankes und darüber hinaus aber auch die Zurverfügungstellung des in Anspruch genommenen Raumes zu Gunsten der Eigentümergemeinschaft.
20Die Beseitigung einer Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums kann von jedem Eigentümer geltend gemacht werden. Der Hausflur steht im Gemeinschaftseigentum. Wenn im Hausflur Gegenstände aufgestellt oder an der Wand angebracht werden, wird damit Gemeinschaftseigentum in Anspruch genommen.
21Ohne eine einvernehmliche Regelung zwischen allen Miteigentümern kann ein Sondernutzungsrecht am Hausflur nicht ausgeübt werden. Auch durch eine rein tatsächliche bisherige Übung entsteht kein Sondernutzungsrecht. Allein eine längere, von anderen Wohnungseigentümern gegebenenfalls geduldete Nutzung lässt dieses Recht nicht entstehen; hinzu kommen muss vielmehr, dass die Wohnungseigentümer die Nutzung in dem Bewusstsein hinnehmen, sich dadurch auch in der Zukunft binden zu wollen (vergleiche Schulsky, in Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, § 13 Randnote 86).
22Der Anspruch ist auch nicht verjährt.
23Es kann dahingestellt bleiben, ob ein alleiniger Beseitigungsanspruch möglicherweise verjährt ist (vergleiche zum Stand der Diskussion: Greiner, Wohnungseigentumsrecht, Randnote 572). Denn mit der Beseitigung des Schuhschrankes verbunden ist auch der Umstand, dass der Eigentümergemeinschaft faktisch der Besitz und die tatsächliche Nutzung der durch den Schuhschrank in Anspruch genommenen Fläche wieder eingeräumt wird. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 985 BGB und unterliegt gemäß § 902 Abs. 1 BGB nicht der Verjährung (vergleiche BGH, Urteil vom 12.12.2003 – V ZR 98/03 ; OLG München, Urteil vom 16.11.2007 - 32 Wx 111/07).
24Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Umstände, dass der Kläger mit der Duldung eines Schuhschrankes in den Ausmaßen, wie sie der vor der Wohnung des Beklagten aufgehängte Schuhschrank ausweist, einverstanden sein könnte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat gerade die vom Kläger betriebene Änderung der Hausordnung mit dem Ziel, kleinere Schuhschränke mit einem einheitlichen Erscheinungsbild anzubringen, deutlich gemacht, dass der Kläger mit dem vorhandenen Schuhschrank nicht einverstanden ist. Diese Regelung, die eine Kompromisslösung dargestellt hätte, ist letztendlich vom Beklagten angefochten worden.
25Dass der Kläger nur den Beklagten verklagt und nicht auch gegen den Miteigentümer I vorgeht, vor dessen Wohnung ebenfalls ein Schuhschrank aufgehängt ist, hat der Kläger nachvollziehbar damit erläutert, dass der vor der Wohnung des Beklagten aufgehängte Schuhschrank wesentlich größere und aus seiner Sicht störende Ausmaße habe.
26Es ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Kläger die Beseitigung eines aus seiner Sicht zu großen Schuhschrank verlangt, wenn er gleichzeitig deutlich macht, dass er mit der Anbringung eines weniger großen und weniger störenden Schuhschrank einverstanden war.
27Auf den Widerklageantrag hin war der Widerbeklagte zu verurteilen, dafür Sorge zu tragen, dass auf dem Podest vor seiner Wohnung im dritten Obergeschoss keine Gegenstände platziert werden. Ebenso wie der Kläger hat auch der Beklagte und Widerkläger gemäß § 1004 BGB einen Anspruch, die unberechtigte Nutzung des Gemeinschaftseigentums zu unterbinden.
28Zum Nachweis seiner Behauptung hat der Widerkläger Fotos von auf dem Treppenhauspodest abgelegten Gegenständen vorgelegt; zudem hat der Widerbeklagte im Schriftsatz vom 18.6.2014 auch eingeräumt, dass sich ein Schuhregal auf dem Treppenpodest für wenige Tage befunden habe. Eine Wiederholungsgefahr ist damit begegnet gegeben und der Anspruch deshalb begründet.
29Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 91 Buchst. a ZPO.
30Soweit die Parteien den Rechtsstreit in Bezug auf den Teilvergleich für erledigt erklärt haben, waren die Kosten gegeneinander aufzuheben. Die von beiden Seiten gestellten Anträge sind in gleichem Maße begründet.
31Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Z. 11, 711 ZPO.
32Rechtsbehelfsbelehrung:
33Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
341. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
352. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
36Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstraße 34, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
37Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
38Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
39Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
- BGB § 985 Herausgabeanspruch 2x
- V ZR 98/03 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 902 Unverjährbarkeit eingetragener Rechte 1x
- BGB § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch 2x
- 62 C 2121/13 1x (nicht zugeordnet)
- 32 Wx 111/07 1x (nicht zugeordnet)