Urteil vom Amtsgericht Siegburg - 126 C 6/15
Tenor
für Recht erkannt:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.862,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht Ansprüche gegen die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend, der sich zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1) am 19.05.2014 gegen 10:53 Uhr auf dem Parkplatzgelände des P Einkaufzentrums in T ereignete.
3Der Kläger wollte mit seinem Pkw der Marke Mercedes B 180, amtl. Kennzeichen X, auf das oberirdische Parkgelände am P-Markt fahren. Hierzu befuhr er die ansteigende Zufahrt und wollte sodann nach links zu den Parkplätzen abbiegen. Die Sicht ist dort im Auffahrtbereich nach links durch eine Mauer/Hecke eingeschränkt. Für die Örtlichkeit wird auf die Abbildungen 1 bis 4 (Bl. 78 d.A.) des Gutachtens des Sachverständigen B Bezug genommen. Von der Parkfläche, in die der Kläger einbiegen wollte, kam von links der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug um die vom Kläger befahrene Zufahrt herunter zu fahren. Im Kurvenbereich kam es zur Kollision der beiden Pkws. Der Kläger fuhr die Linkskurve nicht ganz aus. Neben dem Beklagtenfahrzeug war ausreichend Platz, so dass das klägerische Fahrzeug an dem Pkw des Beklagten hätte vorbeifahren können. Aufgrund des Unfalles sind dem Kläger ein Reparaturschaden in Höhe von 5.990,83 €, eine Wertminderung von 600,00 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 833,60 € sowie unfallbedingte Nebenkosten in Höhe von 25,00 € entstanden. Die Beklagten zu 2) lehnte am 18.06.2014 ihre Eintrittspflicht ab.
4Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) sei ebenfalls nicht ganz rechts auf seiner Spur gefahren, sondern sei nach links ausgeschert, um die Mauer besser umfahren zu können. Zudem habe der Kläger sein Fahrzeug sofort in den Stillstand abgebremst, als er das Fahrzeug des Beklagten zu 1) um die Kurve habe biegen sehen. Obwohl auch der Beklagte den Kläger in diesem Moment habe sehen müssen und bremsen können, habe dieser seine Fahrt fortgesetzt, woraufhin es zur Kollision gekommen sei. Der Beklagte zu 1) habe erheblich langsamer und vorsichtiger in den Kurvenbereich einfahren müssen. Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte zu 1) habe zudem dessen Vorfahrt missachtet, weshalb er 50 Prozent seines Schadens, d.h. 3.724,72 €, von den Beklagen ersetzt verlangen könne.
5Er beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn € 3.724,72 nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2014 zu zahlen.
6Die Beklagten beantragen,die Klage abzuweisen.
7Sie behaupten, als der Beklagte zu 1) unmittelbar davor gewesen sei, in den Kurvenbereich einzufahren, sei ihm plötzlich und für ihn völlig unvermittelt das klägerische Fahrzeug frontal entgegengekommen. Aufgrund des Zeit-Wege-Verhältnisses habe der Beklagte zu 1) nicht mehr rechtzeitig anhalten können. Der Unfall sei für ihn vor diesem Hintergrund unabwendbar gewesen. Beide Fahrzeuge hätten sich zudem in Annäherungsgeschwindigkeit befunden.
8Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
9Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 03.06.2015 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen B sowie durch Erläuterung des schriftlichen Gutachtens. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten des Sachverständigen B vom 23.10.2015 sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2016 Bezug genommen.
10Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
11Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.862,36 € aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.
12Der Unfall hat sich bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1) gefahrenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeuges sowie bei Betrieb des klägerischen Fahrzeuges im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG ereignet. Die Haftung ist nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da vorliegend keine höhere Gewalt den Unfall verursacht hat.
13Es ist nicht feststellbar, dass das Unfallereignis für einen der Unfallbeteiligten unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war. Unabwendbar ist ein Unfall nur dann, wenn auch ein besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr nicht abgewendet haben würde (vgl. Heß in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 17 Rn. 8 m.w.N.). Für die Unabwendbarkeit des Unfallereignisses trägt derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft. Der Kläger hat vorliegend nicht die Sorgfalt eines besonders umsichtigen Fahrers eingehalten, da dieser bereits unstreitig gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen hat, indem er die Linkskurve nicht ausgefahren hat, sondern teilweise die Fahrbahn des Beklagtenfahrzeugs befuhr. Des Weiteren steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts fest, dass für den Beklagten zu 1) der Unfall unvermeidbar war. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass nicht mehr rekonstruiert werden kann, mit welcher Geschwindigkeit die Fahrzeuge jeweils aufeinander zu fuhren und in welcher Position sie sich gegenseitig hätten wahrnehmen können, um gegebenenfalls noch rechtzeitig zu bremsen. So führte der Sachverständige zudem im Rahmen der Erläuterung seines Gutachtens aus, dass bei einer Geschwindigkeit beider Fahrzeuge von 10 km/H, eine Kollision durch eine Vollbremsung hätte vermieden werden können.
14Gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Hierbei sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind (BGH Urt. v. 27.6.2000 – VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 17 StVG Rn. 5) Vorliegend ergibt die nach § 17 Abs. 2 StVG vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge der Parteien eine Haftung von 25 Prozent zu 75 Prozent zu Lasten des Klägers.
15Der Unfall beruht maßgeblich darauf, dass der Kläger vor dem Unfall die Linkskurve geschnitten und das Rechtsfahrgebot missachtet hat und in die linke Fahrbahnseite geraten ist, obwohl er ausreichend Platz gehabt hätte um an dem Beklagtenfahrzeug vorbeizufahren. Dies ist unstreitig und wird zudem vom Sachverständigen in seinem Gutachten bestätigt, der eine Einordnung der relativen Anstoßkonstellation in das maßgebliche Luftbild vorgenommen hat. Insoweit wird auf Bild 25 des Gutachtens Bezug genommen. Dieser führt zudem – von den Parteien insoweit unbestritten – aus, dass der Unfall für den Kläger vermeidbar gewesen wäre, wenn dieser auf dem für ihn gedachten rechten Fahrbahnbereich der insgesamt zur Verfügung stehenden Verkehrsfläche gefahren wäre.
16Dem Beklagten zu 1) ist hingegen vorzuwerfen, dass dieser ebenfalls leicht gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 1 StVO verstoßen hat, wonach möglichst weit rechts zu fahren ist, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven oder bei Unübersichtlichkeit. Nach den Messungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung befand sich das Beklagtenfahrzeug mit dem äußeren Rand des linken Außenspiegels in einem Abstand von ca. 2,85 Metern vom rechten Fahrbahnrand und damit ca. 0,2 Meter von der gedachten Mittellinie entfernt bei einer insgesamt befahrbaren Breite von ca. 6,10 Metern an der Unfallstelle. Der Sachverständige konnte insoweit zudem nicht ausschließen, dass das Beklagtenfahrzeug evtl. auch einen Zentimeter über die gedachte Mittellinie hinaus ragte. In Zusammenschau mit der Abbildung 24 des Gutachtens ergibt sich, dass der Beklagte zu 1) insbesondere vor dem Hintergrund der vor ihm liegenden Rechtskurve und der schwer nach rechts einsehbaren Unfallstelle weiter rechts hätte fahren können und müssen.
17Hingegen konnte die Behauptung des Klägers, der Beklagte sei in das stehende Fahrzeug dessen hineingefahren, nicht beweisen werden. Der Sachverständige begründete dies in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar mit dem Umstand, dass die Fahrzeuge in einem 45 Grad-Winkel und nicht frontal kollidiert sind und die Schäden größtenteils durch die Deformation sichtbar werden. Aufgrund des 45 Grad-Winkels könne den teilweise vorhandenen Schrammen nicht entnommen werden, ob eines der Fahrzeuge, d.h. insbesondere das Klägerfahrzeug, vor der Kollision gestanden hat. Ebenso konnte eine überhöhte Geschwindigkeit des Beklagten zu 1) nicht nachgewiesen werden.
18Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich die vom Gericht vorgenommene Haftungsverteilung. Vorliegend liegt das Schwergewicht der Unfallursächlichkeit eindeutig auf Klägerseite, da dieser weit in die Fahrbahn des Beklagten zu 1) geraten ist, obwohl er diesen hätten umrunden können. Da jedoch auch der Beklagte zu 1) gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen hat und der Unfall für diesen nicht erwiesenermaßen unabwendbar war, muss sich dieser die Betriebsgefahr seines Pkws mit 25 Prozent entgegenhalten lassen.
19Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
21Der Streitwert wird auf 3.724,72 EUR festgesetzt.
22Rechtsbehelfsbelehrung:
23Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
241. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
252. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
26Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht L, X-Straße, L, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
27Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht L zu begründen.
28Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht L durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
29Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
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- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- VI ZR 126/99 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 2 Eintritt der Volljährigkeit 1x
- StVG § 17 Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge 5x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 2 Abs. 1 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
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