Urteil vom Amtsgericht Siegburg - 102 C 118/15
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 377,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.03.2015 sowie 5,00 Euro vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht weitere Vergütung für eine zahnärztliche Behandlung.
3Im Jahr 2014 führte Herr Dr. Y bei der Beklagten eine umfangreiche Revisionswurzelkanalbehandlung am Zahn 37 durch. Vor der Behandlung erklärte die Beklagte ihr Einverständnis in die Abtretung der Vergütungsansprüche. Auf die Erklärung wird wegen der Einzelheiten verwiesen (Anlage K 1, Bl. 23 d.A.). Die Forderung für die erbrachten Leistungen trat Herr Dr. Y sodann an die Klägerin ab.
4Für die Revisionswurzelbehandlung stellte die Klägerin der Beklagten insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.427,41 Euro in Rechnung. Dabei enthält die Abrechnung u.a. folgende Kostenpositionen:
5Nr. 2170 Beseitigung von pysiologischeniatrogen verursachten Penetrationshindernissen, entsprechend Par. 6 Abs. 1 GOZ der GebNr. 2170: Einlagefüllung, mehr als zweiflächig
6201,85 Euro
7Nr. 2160 Therapie vorhandener iarogen oder als Folge eines unpysiologischen Destruktionsprozesses entstandener Läisionen, entsprechend Par. 6 Abs. 1 GOZ der GebNr: 2160, Einlagefüllung, zweiflächig
8175,41 Euro.
9Wegen der Einzelheiten wird auf die Abrechnung vom 07.08.2014 (Anlage K2, Bl. 24-28 d.A.) Bezug genommen.
10Unter dem 15.09.2014 forderte die Klägerin die Beklagte zur Begleichung der Forderung auf. Zwei weitere Mahnungen folgten.
11Die Klägerin behauptet,
12 Die Entfernung der Wurzelfüllung sei von den Abrechnungspositionen der GOZ nicht erfasst; es handele sich um eine selbstständige Leistung. Als solche sei sie aufgrund der Vergleichbarkeit mit den Leistungen von Nr. 2170 GOZ über diese Vorschrift analog abrechenbar.
13 Bei dem Verschluss der Perforation handele es sich auch um eine selbstständige Leistung. Da diese mit den Leistungen der Nr. 2160 GOZ vergleichbar sei, sei sie über diese Vorschrift analog abrechenbar.
14Darüber hinaus seien die vorgenannten Maßnahmen auch medizinisch notwendig gewesen.
15Die Klägerin hat ursprünglich Zahlung von 499,19 Euro zuzüglich Nebenforderungen beantragt. Nach Klagerücknahme im Übrigen beantragt sie nunmehr,
16die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 380,57 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.03.2015 sowie 5,00 Euro vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte ist der Ansicht, Herr Dr. Y habe sie darüber aufklären müssen, dass bei den Positionen Nr. 2170 und 2160 analog GOZ die Erstattungsfähigkeit nicht gesichert sei. Mit einem hierauf gestützten Schadensersatzanspruch erklärt sie hilfsweise die Aufrechnung.
20Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. dent. F sowie durch dessen persönliche Erläuterung des Gutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten (Bl. 104-118 d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2016 (Bl. 164-167 d.A.) Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
23Der Klägerin steht der Beklagten gegenüber ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 377,26 Euro zu. Dieser ergibt sich aus den §§ 630a Abs. 1, 398 BGB.
24Mit Abrechnung vom 07.08.2014 hat die Klägerin der Beklagten insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.427,41 Euro in Rechnung gestellt. Davon hat die Beklagte 928,22 Euro beglichen. Ein weiterer Betrag in Höhe von 121,93 Euro wird nicht mehr geltend gemacht, so dass sich ein offener Rechnungsbetrag in Höhe von 377,26 Euro ergibt. Dieser steht der Klägerin nach der Abtretung des Vergütungsanspruchs durch Herrn Dr. Y in voller Höhe zu. Insbesondere können auch die Abrechnungspositionen Nr. 2170 und 2160 GOZ analog GOZ verlangt werden. Die von der Beklagten gegen die Forderung geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.
25Zum einen hat der Sachverständige festgestellt, dass die mit den vorgenannten Positionen abgerechneten Leistungen
26 Entfernung der Wurzelfüllung
27sowie
28 Verschluss der Perforation mit MTA
29im Rahmen der Revisionsbehandlung des Zahnes 37 medizinisch notwendig gewesen seien.
30Die vollständige Entfernung vorhandener Wurzelkanalfüllmaterialien sei vor der weiteren Behandlung zwingend erforderlich gewesen. Darüber hinaus sei es vor dem Einbringen der Wurzelfüllung erforderlich gewesen, ein stabiles Widerlager in Form eines apikalen Verschlusses mit MTA zu schaffen, auch um eine Reinfektion des Wurzelkanals von apikal zu verhindern.
31Das Gericht folgt insoweit den überzeugenden und nachvollziehbar erläuterten Feststellungen des Sachverständigen, die er in der mündlichen Verhandlung nochmals verständlich erläutert hat.
32Darüber hinaus sind die Kosten für die vorbezeichneten Maßnahmen auch nach den Nrn. 2170 und 2160 analog GOZ abrechenbar.
33Gemäß § 6 GOZ können selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen wurden, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses der Verordnung abgerechnet werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
34Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Entfernung alter Wurzelfüllungen von der Nr. 2410 GOZ nicht erfasst sei. Zum einen finde sich weder in dem Leistungstext noch in den Abrechnungsbestimmungen ein entsprechender Hinweis. Zudem würden die Positionen Nr. 2360 und 2300 GOZ zeigen, dass die Entfernung von Materialien und Geweben vor der eigentlichen Aufbereitung, die sich im Wurzelkanal befinden, eine eigenständige Leistung darstellten. Zudem sei unter Berücksichtigung der Kosten für die verbrauchten Instrumente, des Zeitaufwandes und der Tatsache, dass die Leistung unter einem Dentalmikroskop erbracht wurde, die notwendige Vergleichbarkeit mit den Leistungen der Position 2170 GOZ gegeben.
35Darüber hinaus sei der Verschluss mit MTA nicht von der Position Nr. 2440 GOZ erfasst. Denn diese erfasse lediglich das eigentliche Verfüllen des Wurzelkanals. Aufgrund des Material- und Zeitaufwands sei der Verschluss nicht in der Position enthalten. Die Abrechnung über die Nr. 2160 analog GOZ sei aufgrund des Ermessensspielraums eines Zahnarztes nicht zu beanstanden.
36Das Gericht schließt sich den plausiblen und schlüssig dargestellten medizinischen Feststellungen des Sachverständigen an und kommt auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis, dass es sich bei den beiden Leistungen jeweils um selbstständige Leistungen handelt, die nach den Nrn. 2170 und 2160 analog GOZ abgerechnet werden konnten.
37Soweit die Beklagte sich darauf beruft, die Rechnung sei nicht fällig, da sie nicht verständlich sei, so verfängt dieser Einwand jedenfalls nach den Erläuterungen der Klägerin im gerichtlichen Verfahren nicht mehr.
38Schließlich steht der Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Aufklärungspflicht durch Herrn Dr. Y. Denn jedenfalls fehlt es an einem kausalen Schaden. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie bei einer Aufklärung – d.h. bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten – von einer Entfernung der Wurzelfüllung sowie einem Verschluss der Perforation mit MTA abgesehen hätte. Dies ist auch nicht naheliegend, da beide Maßnahmen nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen für einen Behandlungserfolg zwingend notwendig waren.
39Die Zins- und Mahnkosten sind unter dem Gesichtspunkt des Verzuges begründet.
40Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO in Verbindung mit der Mehrkostenmethode. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
41Der Streitwert wird auf 761,14 EUR festgesetzt.
42Rechtsbehelfsbelehrung:
43Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
441. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
452. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
46Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht X, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
47Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht X zu begründen.
48Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht X durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
49Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
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Referenzen
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- BGB § 630a Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag 1x
- ZPO § 269 Klagerücknahme 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 398 Abtretung 1x
- ZPO § 2 Bedeutung des Wertes 1x