Urteil vom Arbeitsgericht Hagen - 1 Ca 678/14
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Streitwert wird auf festgesetzt.
4. Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für 18,16 Stunden.
3Der Kläger ist bei der Beklagten als Busfahrer zu einem Stundenlohn von Euro brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen Anwendung.
4Der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 08.07.2009 in der Fassung vom 24.08.2011 sieht u. a. folgende Regelung vor:
5„§ 13
6Zuschläge
7(1) Alle Zuschläge werden auf der Basis des Stundenlohnes berechnet. Erhält der Arbeitnehmer ein monatliches Gehalt, so beträgt der Stundensatz 1/167 des Monatsgehaltes.
8(2) Für über 173 Stunden monatlich hinaus geleistete Arbeit wird ein Mehrarbeitszuschlag von 25 % gezahlt, sofern sie nicht gemäß Abs. 3 durch Freizeitgewährung ausgeglichen wird.
9(3) Mehrarbeit, die über 173 Stunden monatlich hinausgeht, kann durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden, die auf Wunsch des Arbeitnehmers ganztägig zu erfolgen hat. Der Arbeitnehmer kann jedoch verlangen, dass die über die 173. Stunde hinausgehende Mehrarbeit bis einschließlich der 185. Stunde anstelle von Freizeitgewährung ihm mit Mehrarbeitszuschlag vergütet wird. Dieses Verlangen hat der Arbeitnehmer spätestens bis zum 15. des Monats, in dem die Mehrarbeit geleistet wird, dem Arbeitgeber mitzuteilen. Mehrarbeit, die noch durch Freizeit ausgeglichen werden muss, ist in der jeweiligen Entgeltabrechnung oder einer gesonderten Aufzeichnung auszuweisen. Mehrarbeit, die im Laufe des Kalenderjahres geleistet wurde, ist spätestens bis zum 31.03. des Folgejahres auszugleichen. Mehrarbeit, die bis zum 31.03. des Folgejahres nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen wurde, ist mit der Aprilabrechnung einschließlich des Mehrarbeitszuschlages zu vergüten.
10(4) Für Sonntagsarbeit wird ein Zuschlag von 25 % gezahlt.
11(5) Arbeitnehmer, die mehr als zwei Stunden in der Nachtzeit – 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr – tätig sind, erhalten für alle in dieser Nachtzeit geleisteten Stunden einen Nachtarbeitszuschlag von 10 %.
12(6) Für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen wird ein Zuschlag von 100 % gezahlt. Für auf Werktage fallende Feiertage entfällt die Pflicht zur Gewährung eines Ersatzruhetages.
13(7) Das Fahrpersonal erhält für Arbeit am Heiligabend nach 16:00 Uhr einen Zuschlag von 25 %.
14(8) Treffen mehrere Zuschläge zusammen, so ist nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen. Dies gilt nicht für den Nachtarbeitszuschlag gemäß Absatz 6, wenn dieser mit dem Überstunden- oder Sonntagszuschlag zusammenfällt. Bei einem Zusammentreffen von Überstundenzuschlag und Sonntagszuschlag gilt der Sonntagszuschlag als der höhere Zuschlag im Sinne von Satz 1.
15(9) Im Linien-, Sonderlinien- und Freistellungsverkehr wird bei geteiltem Dienst ein Zuschlag von 5,20 Euro für jede Unterbrechung gezahlt, die zusammenhängend mehr als eine Stunde beträgt und die nicht vergütet wird.“
16Im Monat Oktober 2013 hat der Kläger insgesamt Stunden abgeleistet. Dabei hat er am Sonntag, Stunden gearbeitet, am Sonntag, Stunden, am Sonntag, Stunden sowie am Sonntag, Stunden.
17Die Beklagte rechnete den Monat Oktober 2013 wie folgt ab:
18- Linienstunden: ; Euro brutto,
19- Liniensonntagsstunden: ; Euro brutto,
20- steuerfreier Sonntagszuschlag: ; Euro brutto,
21- Linienverkehr-Zuschlag: ; Euro brutto,
22- steuerfreier Zuschlag: ; Euro brutto,
23- Mankogeld: Euro brutto,
24- Gehaltsverzicht: - Euro brutto,
25- betriebliche Altersversorgung: Euro brutto.
26Darüber hinaus ist auf der Abrechnung für den Monat Oktober 2013 eine Zeitgutschrift von 1,15 Stunden vermerkt. Dabei handelt es sich um den in Freizeitausgleich umgewandelten Mehrarbeitszuschlag für 4,60 Stunden für den Monat Oktober 2013. Wegen des konkreten Inhaltes der Entgeltabrechnung für den Monat Oktober 2013 wird auf Blatt 22 der Akte verwiesen.
27Bei der Berechnung der grundsätzlich zuschlagspflichtigen Mehrarbeitsstunden, d. h. derjenigen Stunden, die die 173-Stunden-Grenze des § 13 Abs. 3 MTV überschreiten, geht die Beklagte regelmäßig wie folgt vor: Zunächst ermittelt sie diejenigen Stunden, auf die Zuschläge wegen Arbeit an Sonntagen, Feiertagen, am 24.12. sowie für Nachtarbeit entstanden sind. Diese Stunden werden sodann von den insgesamt geleisteten Monatsstunden abgezogen. Soweit die nach diesem Rechenweg verbleibenden Stunden eines Monats die Schwelle von 173 Stunden überschreiten, gewährt die Beklagte einen Mehrarbeitszuschlag von 25 %, soweit nicht Freizeitausgleich gemäß § 13 Abs. 3 MTV erfolgt.
28Im Oktober 2013 zog die Beklagte daher von den Monatsstunden Stunden, die mit Sonntagszuschlägen und Feiertagszuschlägen behaftet waren, ab. Für die sich ergebenden 4,60 Stunden, die danach über der 173-Stunden-Grenze lagen, wandelte sie den Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des Stundenlohnes in eine Zeitgutschrift von 1,15 Stunden um.
29Zunächst wandte sich der Kläger selbst an die Beklagte und forderte eine Korrektur seiner Lohnabrechnungen für die Monate Juli, August und September 2013. Mit Schreiben vom 24.11.2013 machte dann die Gewerkschaft und Dienstleistung für den Kläger seine Forderungen aus den Monaten Juli 2013 bis Oktober 2013 geltend. Daraufhin veranlasste die Beklagte eine teilweise Korrektur. Die Berechnungsmethode hinsichtlich der Mehrarbeitszuschläge wurde allerdings nicht verändert.
30Mit seiner am 20.02.2014 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 25 % eines Stundenlohnes für weitere 18,16 Stunden.
31Er ist der Ansicht, das Kumulierungsverbot des § 13 Abs. 8 MTV berechtige die Beklagte nicht, jede Sonntagsstunde bei der Berechnung der 173-Stunden-Grenze außer Betracht zu lassen. Daher seien die am 06.10.2013, 13.10.2013 und 20.10.2013 geleisteten Stunden bei der Berechnung der angefallenen Mehrarbeitsstunden zu berücksichtigen. Erst wenn unter Berücksichtigung aller abgeleisteten Stunden die Grenze von 173 Stunden überschritten wird und darüber hinaus dann zeitgleich Arbeit an einem Sonntag anfällt, greife das Kumulierungsverbot des § 13 Abs. 8 MTV. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der tariflichen Regelung. Auch aus der Tarifhistorie würde sich keine andere Auslegung ergeben können: Auf Drängen der Arbeitgeberseite sei im Jahre 2005 durch die Tarifvertragsparteien von dem Modell der Berechnung der Mehrarbeit nach Wochenstunden abgerückt worden und 167 Stunden Monatsarbeitszeit vereinbart worden. Um den Einstieg in die Flex-Zeit zu erlangen, sei darüber hinaus zu Gunsten der Arbeitgeber vereinbart worden, dass die Arbeitszeit zwischen der 167. und der 173. Arbeitsstunde noch nicht mit Zuschlägen behaftet seien solle. Eben wegen dieser Regelung sei auch auf eine Regelung zum Arbeitszeitkonto verzichtet worden. Daher spräche auch die Historie nicht für die Möglichkeit einer Berechnung, wie sie durch die Beklagte vorgenommen wird.
32Der Kläger beantragt,
33die Beklagte zu verurteilen, an ihn Euro brutto zu zahlen.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie ist der Ansicht, Sonntagsstunden, Feiertagsstunden und Nachtstunden seien bei der Berechnung der 173-Stunden-Grenze des § 13 Abs. 8 MTV nicht zu berücksichtigen. Sinn und Zweck des § 13 Abs. 8 MTV sei es, dass zuschlagsbehaftete Arbeitszeiten nicht nochmals Zuschläge auslösen sollen. Nach diesem Sinn und Zweck dürften daher zuschlagsbehaftete Arbeitszeiten auch nicht zur Berechnung der Mehrarbeitsstunden berücksichtigt werden. Im Übrigen würde es auch vom Zufall abhängen, ob ein Mitarbeiter mehr oder weniger Überstundenzuschläge erhalte: Hätte er zu Beginn des Monats, also vor Überschreiten der 173-Stunden-Grenze, Sonntagsarbeit oder Feiertagsarbeit geleistet, würden mehr Überstundenzuschläge anfallen; hätte er nach Überschreiten der 173-Stunden-Grenze Sonntagsarbeit oder Feiertagsarbeit geleistet, würde das Kumulierungsverbot greifen und es würden daher weniger Überstundenzuschläge anfallen. Auch die Tarifhistorie spreche für die durch die Beklagte vorgenommene Berechnungsweise. Bis zum 30.06.2005 sei der Mehrarbeitszuschlag für über 38,5 Stunden wöchentlich hinausgehende Arbeit gezahlt worden. Trotz der Erweiterung des Bezugszeitraumes für die Berechnung der Mehrarbeitsstunden auf nunmehr einen Monat sei das Kumulierungsverbot im Wortlaut unverändert geblieben. Solange der Bezugszeitraum die Kalenderwoche war, fielen Mehrarbeitsstunden, sofern sie überhaupt anfielen, stets am Ende der Woche und damit häufig am Sonntag an, so dass das Kumulierungsverbot eingriff und nur ein Zuschlag gezahlt wurde. Vor diesem Hintergrund sei nach Änderung des Bezugszeitraums das Kumulierungsverbot auch bei Arbeit an Sonntagen vor Überschreiten der 173-Stunde-Grenze anwendbar. Denn zwar würden an solchen Tagen Sonntagsarbeit und Mehrarbeit nicht zusammenfallen, jedoch werde solche Arbeit sowohl als Sonntagsarbeit mit Sonntagszuschlag honoriert als auch bei der Berechnung der 173-Stunden-Grenze berücksichtigt und löse damit Sonntagszuschläge und Mehrarbeitszuschläge aus. Dies widerspreche dem Zweck des Kumulierungsverbotes und dem Willen der Tarifpartner.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
39I.
40Die Klage ist zulässig und begründet.
41Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für den Monat Oktober 2013 in Höhe von brutto gemäß § 611 BGB i. V. m. § 13 Abs. 2 Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 08.07.2009 in der Fassung vom 24.08.2011.
421.
43Die Beklagte ist nicht berechtigt, bei der Berechnung der grundsätzlich zuschlagspflichtigen Mehrarbeitsstunden, d. h. derjenigen Stunden, die die Grenze von 173 Stunden überschreiten, die an Sonntagen geleisteten Stunden außer Acht zu lassen. Diese Berechnungsmethode ist nicht durch § 13 Abs. 8 MTV gedeckt. Die tarifliche Regelung ist dahingehend auszulegen, dass bei der Ermittlung der 173-Stunden-Grenze alle geleisteten Monatsstunden zu berücksichtigen sind. Erst in dem Fall, in dem die 173-Stunden-Grenze überschritten ist und Arbeitsstunden an einem Sonntag anfallen, fällt kein Mehrarbeitszuschlag an, sondern nur der Sonntagszuschlag.
44Die Auslegung von Tarifverträgen folgt den Regelungen über die Auslegung von Gesetzen. Auszugehen ist von dem Wortlaut in dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Tarifvertragsparteien ist zu berücksichtigen, sofern und soweit er in der Tarifnorm seinen Niederschlag gefunden hat. Bestehen bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhanges im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte zurückgegriffen werden (BAG, Urteil vom 12.09.1984 – 4 AZR 336/82, NZA 1985, 160, 161; LAG Hamm, Urteil vom 26.03.2009 – 17 Sa 1898/08, BeckRS 2009, 74333).
45§ 13 Abs. 8 MTV sieht vor, dass im Falle des Zusammentreffens mehrerer Zuschläge nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen ist. Von einem Zusammentreffen mehrerer Zuschläge kann im Wortsinn jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn dieselbe konkrete Arbeit zu einem konkreten Zeitpunkt gleichzeitig zwei oder mehrere zuschlagspflichtige Tatbestände erfüllt. Sofern die 173-Stunden-Grenze noch nicht überschritten ist, lösen geleistete Stunden jedoch keinen Mehrarbeitszuschlag aus. Erst bei Überschreiten der 173-Stunden-Grenze und gleichzeitigem Vorliegen von Sonntags- oder Feiertagsarbeit bestehen zwei zuschlagspflichtige Tatbestände nebeneinander. Mit seiner Formulierung „Treffen mehrere Zuschläge zusammen …“ spricht der Wortlaut der tariflichen Regelung dagegen, dass Sonntags- und Feiertagsstunden bei der Berechnung der 173-Stunden-Grenze unberücksichtigt bleiben dürfen.
46Auch der Sinn und Zweck des § 13 Abs. 8 MTV sprechen dafür, dass Sonn- und Feiertagsstunden bei der Berechnung der 173-Stunden-Grenze zu berücksichtigen sind. Das Kumulierungsverbot soll verhindern, dass zuschlagsbehaftete Arbeitszeiten nicht mehrfach Zuschläge auslösen. Vor Erreichen der 173-Stunden-Grenze löst jedoch Sonntagsarbeit nur einen Zuschlag, nämlich den Sonntagszuschlag, aus. Hier bedarf es also noch keiner Verhinderung des Entstehens zweier verschiedener Zuschlagsansprüche.
47Ein anderes Ergebnis lässt sich auch der Systematik des Manteltarifvertrages nicht entnehmen. § 13 Abs. 3 MTV spricht von „Mehrarbeit, die über 173 Stunden monatlich hinausgeht“. Ähnlich formuliert § 13 Abs. 2 MTV, dass „für 173 Stunden monatlich hinaus geleistete Arbeit“ ein Mehrarbeitszuschlag gezahlt wird. In diesen beiden Formulierungen findet sich gerade kein Indiz, dass bei der Berechnung der 173 Stunden bestimmte Monatsstunden außer Acht zu bleiben haben.
48Ferner ist auch nicht ersichtlich, dass ein anders lautender Wille der Tarifvertragsparteien in der Tarifnorm des § 13 MTV seinen Niederschlag gefunden hat. Wenn die Tarifvertragsparteien gewollt hätten, dass bei der Bestimmung der 173 Stunden unter Anwendung des Kumulierungsverbotes bestimmte Stunden unberücksichtigt bleiben müssen, wäre der Wortlaut des § 13 MTV in den Absätzen 2, 3 und 8 unpassend gewählt. Vielmehr wäre zu erwarten gewesen, dass ein derartiger Wille durch einen Zusatz, einen Einschub oder Ähnliches zum Ausdruck gebracht wird. Da dies nicht erfolgt ist, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein dahingehender Wille der Tarifvertragsparteien, Sonntags- und Feiertagsstunden bei der Bestimmung der 173 Stunden nicht zu berücksichtigen, einen Niederschlag gefunden hat.
49Soweit die Beklagte auf die Tarifhistorie verweist, ergibt sich daraus kein anderweitiges Ergebnis. Zum einen kann nach oben genannten Grundsätzen zur Auslegung von Tarifverträgen zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf die Tarifgeschichte zurückgegriffen werden, sofern im Einzelfall noch Zweifel bestehen. Vorliegend sprechen aber gerade Wortlaut, Sinn und Zweck und Systematik dafür, alle Monatsstunden bei der Berechnung der 173-Stunden-Grenze zu berücksichtigen. Von verbleibenden Zweifeln kann insoweit nicht ausgegangen werden. Aber auch wenn die durch die Beklagte geschilderte Tarifhistorie berücksichtigt wird, führt dies nicht dazu, dass die Berechnungsmethode der Beklagten als durch den Tarifvertrag gedeckt angesehen werden kann. Aus der durch die Beklagte geschilderten Historie ergibt sich nicht, dass die Tarifvertragsparteien zwingend die Sonntagsstunden bei der Ermittlung der zuschlagspflichtigen Mehrarbeit außer Betracht lassen wollten. Allein aus der Tatsache, dass vor dem 30.06.2005 aufgrund faktischer Umstände häufig Sonntagszuschläge und Mehrarbeitszuschläge zusammenfielen, kann nicht geschlossen werden, dass nun abstrakt bei jeder Sonntagsstunde, ungeachtet des Erreichens der 173-Stunden-Grenze, von einem Zusammenfall von Sonntagszuschlag und Mehrarbeitszuschlag ausgegangen werden kann.
50Insgesamt ergibt sich daher im Wege der Auslegung, dass abgeleistete Sonntagsstunden bei der Berechnung der 173-Stunden-Grenze nicht unberücksichtigt bleiben dürfen.
51Vor diesem Hintergrund hat der Kläger einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für 18,16 Stunden. Die Beklagte hat die am 06.10.2013, 13.10.2013 und 20.10.2013 geleisteten Stunden von insgesamt 18,16 Stunden nicht bei der Berechnung der zuschlagspflichtigen Mehrarbeit im Oktober 2013 berücksichtigt. Allerdings hätte sie diese für die Berechnung der Mehrarbeit, die über 173 Stunden hinausgeht, einbeziehen müssen. Denn erst am Sonntag, 27.10.2013, fielen Mehrarbeitszuschlag und Sonntagszuschlag zusammen.
522.
53Der Anspruch des Klägers kann auch erfolgreich auf Zahlung gemäß § 611 BGBi. V. m. § 13 Abs. 2 MTV gerichtet werden. Er war nicht gehalten, einen Anspruch auf Gutschrift von Zeitstunden geltend zu machen. Zwar sieht § 13 Abs. 3 MTV vor, dass bei Vorliegen von Mehrarbeit über 173 Stunden hinaus ein Freizeitausgleich statt Zahlung erfolgen kann, es sei denn, der Arbeitnehmer hat bis zum 15. des jeweiligen Monats ein Zahlungsbegehren geltend gemacht. Eine solche Geltendmachung lag jedoch erst im November 2013 und damit zeitlich nach dem Monat Oktober 2013 vor.
54Jedoch bezieht sich die Regelung des § 13 Abs. 3 MTV auf die Mehrarbeit als solche, die durch Gewährung von Freizeit ausgeglichen werden kann, nicht lediglich auf den Mehrarbeitszuschlag. Im Oktober 2013 hat die Beklagte ausweislich der Abrechnung die Mehrarbeitsstunden als solche ausgezahlt. Nur die Mehrarbeitszuschläge wurden von ihr in Form von 1,15 Stunden in Freizeit ausgeglichen. Eine derartige Aufspaltung zwischen Mehrarbeitsstunden und Mehrarbeitszuschlägen regelt der Tarifvertrag in Bezug auf die Gewährung von Freizeitausgleich nicht. Er geht einheitlich entweder von Freizeitausgleich oder von Zahlung bezüglich der Mehrarbeitsstunden und des Mehrarbeitszuschlages aus. Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 2 MTV, in dem es wörtlich heißt, es werde ein Mehrarbeitszuschlag von 25 % gezahlt, sofern sie, das heißt die Mehrarbeit, nicht gemäß Abs. 3 durch Freizeitgewährung ausgeglichen wird.
55Da die Beklagte im Oktober 2013 die Mehrarbeitsstunden an den Kläger ausgezahlt hat, sind folglich auch die Mehrarbeitszuschläge auszuzahlen.
56Nach alledem war der Klage stattzugeben.
57II.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Die Beklagte hat als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
59III.
60Der Streitwert wurde gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festgesetzt und ergibt sich aus dem Wert des geltend gemachten Zahlungsanspruches.
61IV.
62Die Berufung war gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 2 b ArbGG zuzulassen, da eine Rechtsstreitigkeit über die Auslegung eines Tarifvertrages betroffen ist, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt.
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Referenzen
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- § 13 Abs. 3 MTV 5x (nicht zugeordnet)
- ArbGG § 64 Grundsatz 1x