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| Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. |
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| Die Klage ist zulässig. Der Streitgegenstand ist hinreichend gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt. Der Kläger begehrt im Wege des Leistungsantrags eine Abfindungszahlung gemäß |
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| Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung gemäß § 5 Abs. 7 TV-ATZ. Die Auslegung der kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme geltenden Tarifregelung ergibt zum einen, dass eine tatsächlich Rentenkürzung entstanden sein muss. Zum anderen erfasst sie nur den Fall, dass sich die abschlagsgeminderte Rente unmittelbar an die Altersteilzeit anschließt. |
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| 1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu heften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Ist eine zweifelsfreie Auslegung nicht möglich, können ergänzend weitere Kriterien wie Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung herangezogen werden. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, zuletzt Urteil vom 14.07.2015 - 3 AZR 903/13, Rd. Nr. 17 m.w.N.). |
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| 2. Der Wortlaut des § 5 Abs. 7 S. 1 TV-ATZ könnte die Auslegung des Klägers bestätigen. Die Formulierung hat den Blickwinkel auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages und spricht die Prognose an, dass der Arbeitnehmer nach Inanspruchnahme der Altersteilzeit eine Rentenkürzung wegen einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente zu erwarten habe. Dies war beim Kläger am 01.10.2008 (Beginn des Altersteilzeitvertrages) der Fall: Die Parteien gingen davon aus, dass der am 04.05.1951 geborene Kläger am 01.06.2014 in vorgezogene, abschlagsgeminderte Rente geht. Die gesetzliche Neuregelung, die zum 1. Juli 2014 in Kraft trat und dem Kläger die Möglichkeit einer abschlagsfreien Rente gab, war nicht absehbar und wurde von den Vertragsparteien nicht einkalkuliert. |
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| Allerdings sieht § 5 Abs. 7 S. 2 TV-ATZ vor, dass die Abfindung am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses gezahlt wird. Dies spricht dagegen, allein die bei Vertragsschluss vorhandene Prognose zugrunde zu legen. Im Verlaufe des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses kann es verschiedenste Veränderungen geben (z. B. vorzeitiges Ausscheiden oder Versterben des Arbeitnehmers, Änderungen des Altersteilzeitvertrages). Die Höhe der Abfindung lässt sich ohnehin erst zum Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses errechnen. Wie die Protokollerklärung zeigt, sollten auch Bezügeerhöhungen im Altersteilzeitverhältnis berücksichtigt werden. |
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| Damit lässt sich dem Wortlaut nicht eindeutig und unmissverständlich entnehmen, dass nur die Prognose bei Vertragsabschluss maßgebend sein soll. |
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| 3. Angesichts dieser Unsicherheiten im Wortlaut kommt es maßgebend auf Sinn und Zweck der Tarifregelung an. Die Tarifvertragsparteien haben in § 5 Abs. 7 TV-ATZ eine Kompensationsregelung geschaffen. Sie wollten den Arbeitnehmer entschädigen, der im Anschluss an das Altersteilzeitarbeitsverhältnis eine abschlagsgeminderte vorgezogene Rente antritt. Sie bezogen sich auf den Fall, dass die Altersteilzeit nicht bis zum Beginn der abschlagsfreien Regelaltersgrenze heranreicht. Sie wollten den tatsächlichen Verlust beim Bezug von Altersruhegeld durch eine Abfindungszahlung kompensieren. Insoweit schließt sich die Kammer dem Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 19.05.2015 (1 Sa 370b/14) an. Zwar haben die Betriebsparteien - anders als im Fall des LAG Schleswig-Holstein - vorliegend keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Allerdings sind die Auslegungsgrundsätze für Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge identisch; auch hat das LAG Schleswig-Holstein sein Auslegungsergebnis auf § 5 Abs. 7 TV-ATZ übertragen (vgl. aaO Rd. Ziff. 85). |
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| Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine Überkompensation der betroffenen Arbeitnehmer bezweckten oder in Kauf genommen hätten. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass eine ausschließliche Berücksichtigung der Prognose bei Vertragsabschluss zu einer Überkompensation des Arbeitnehmers führen würde (abschlagsfreie Rente plus Abfindung). Auch aus den anderen Aufstockungsregelungen des § 5 TV-ATZ lässt sich nicht entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien eine Überkompensation akzeptiert hätten. Von daher kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass nur die tatsächliche vorzeitige Inanspruchnahme einer anspruchsgeminderten Rente gemeint war. |
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| 4. Kommt es damit nicht auf die Prognose bei Vertragsabschluss an, sondern auf die tatsächliche Inanspruchnahme einer vorzeitigen anspruchsgeminderten Rente, so verlangt § 5 Abs. 7 TV-ATZ zudem, dass sich die abschlagsgeminderte Rente unmittelbar an die Altersteilzeit anschließt (vgl. LAG Schleswig Holstein, aaO Rd. Ziff. 70 mwN). Stellt der Arbeitnehmer keinen Rentenantrag, so hat er demzufolge auch keinen Abfindungsanspruch. Die Rente muss nahtlos an das Altersteilzeitverhältnis anschließen. Die Tarifregelung lässt nicht erkennen, dass dem Arbeitnehmer ein „Vorratsabfindungsanspruch“ eingeräumt wird, der ihn auch dann entschädigt, wenn er erst deutliche Zeit nach Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses in Rente geht. |
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| 5. Der Abfindungsanspruch des Klägers kann auch nicht auf eine planwidrige Regelungslücke des TV-ATZ gestützt werden. Eine solche Lücke liegt nicht vor. Maßgebend ist nach dem Sinn und Zweck die tatsächliche Inanspruchnahme der vorgezogenen, abschlagsgeminderten Rente. Damit ist auch der vorliegende Fall geregelt: Da der Kläger keine anspruchsgeminderte Rente in Anspruch nimmt, sieht § 5 Abs. 7 TV-ATZ keinen Abfindungsanspruch vor (eine Lücke bejahend LAG Schleswig-Holstein, aaO Rd. Nr. 74). |
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| 6. Für einen Ausgleich des Einkommensausfalls des Klägers im Juni 2014 gibt es keine Anspruchsgrundlage. Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, ab 01.06.2014 die vorzeitige, abschlagsgeminderte Rente zu beantragen. Der Umstand, dass er dies nicht tat, sondern ab 01.07.2014 die abschlagsfreie Rente für langjährig Versicherte beantragte, beruhte auf seiner freien Entscheidung und begründet keinen Abfindungsanspruch. |
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| Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen. |
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