Urteil vom Arbeitsgericht Köln - 3 Ca 5011/15
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht aufgrund der Befristungsabrede gemäß Arbeitsvertrag vom 30.12.2011 zum 31.12.2015 beendet wird.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 23.6.2015 beendet wird.
3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch sonstige Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist und über den 31.12.2015 hinaus fortbesteht.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtkräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als weiter zu beschäftigen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
6 .Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
7. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 9.870 €.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung sowie einer betriebsbedingten Kündigung zum selben Beendigungszeitpunkt und die Weiterbeschäftigung des Klägers.
3Die Beklagte ist eine TV-Filmproduktionsgesellschaft, die seit 1994 verschiedenste TV- und Filmformate produziert. Sie produzierte insbesondere im Auftrag der Raab TV GmbH die Fernsehsendung TV total, Schlag den Raab, Schlag den Star, Turmspringen, ect. Der Produktionsauftrag mit der Raab TV-Produktion GmbH lief zunächst von 2010 bis 2011 und wurde sodann für die Jahre 2012 bis 2015 verlängert. Im Juni 2015 verkündete Herr Stefan Raab, dass er sich Ende 2015 aus dem Fernsehen zurückziehe.
4Die Beklagte beschäftigt im Jahresverlauf schwankend um die 200 Mitarbeiter. Die genaue Mitarbeiterzahl ist zwischen den Parteien streitig. Gemäß der im Verfahren vorgelegten Massenentlassungsanzeige behauptet die Beklagte im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen insgesamt 182 Mitarbeiter beschäftigt zu haben (vgl. Massenentlassungsanzeige Bl. 117 ff. der Akte). Sie sprach am 23.6.2015 gegenüber insgesamt 80 Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen zum 31.12.2015 aus.
5Der am ……geborene Kläger ist seit dem 6.9.2004 bei der Beklagten beschäftigt. Das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt des Kläger beträgt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden 1.410 €. Der letzte befristete Arbeitsvertrag vom 30.12.2015 (vgl. Bl. 4 ff. der Akte) bestimmt eine Laufzeit vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2015 als Archiv- und Sichtungsassistent. In dem Arbeitsvertrag ist u.a. Folgendes geregelt:
6„1. Vertragsgegenstand
7BRAINPOOL stellt die Fernsehsendung „TV total“ sowie zahlreiche damit verbundene Shows und TV-Events im Auftrag der Raab TV-Produktion GmbH für den erstausstrahlenden Sender ProSieben her (im Folgenden insgesamt „Produktion“ genannt), wertet diese Produktion umfassend aus und beschäftigt Arbeitnehmer zur Mitwirkung an dieser Produktion zu den Bedingungen dieses Vertrages, einschließlich der diesem Vertrag als ANLAGE A beigefügten Begriffsbestimmungen.
83. Dauer, Arbeitszeit
93.1. Das Arbeitsverhältnis ist befristet auf den Zeitraum gemäß Ziffer 2.1. Die sachliche Befristung erfolgt auf Basis des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) aus folgendem Grund:
10Der Arbeitnehmer wird ausschließlich im Rahmen der Produktion gemäß Ziffer 1. angestellt. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer vorherigen Kündigung bedarf.“
11Mit Schreiben vom 23.6.2016 kündigte die Beklagte auch das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis vorsorglich zum 31.12.2015.
12Im Verfahren legte die Beklagte zudem neben den von beiden Seiten unterschriebenen Arbeitsvertrag vom 30.12.20111 noch einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag vom 8.12.2011 vor (vgl. Bl. 211 ff. der Akte), den der Kläger nicht unterschrieben hat.
13Mit seiner am 13.7.2015 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage wendet sich der Kläger zunächst gegen die Wirksamkeit der Kündigung und stellt einen allgemeinen Feststellungsantrag. In der Güteverhandlung vom 7.8.2015 erweitert er die Klage sodann und wendet sich auch explizit gegen die Befristung im Arbeitsvertrag vom 30.12.2011. Im Kammertermin am 20.11.2015 wird die Klage sodann um einen Weiterbeschäftigungsantrag erweitert.
14Der Kläger meint, die Befristung wäre mangels eines Sachgrundes unwirksam und die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die Durchführung einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl wird bestritten. Dasselbe gilt für die ordnungsgemäße Erstattung der Massenentlassungsanzeige.
15Der Kläger beantragt,
16- 17
1. festzustellen dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht aufgrund der Befristungsabrede gemäß Arbeitsvertrag vom 30.12.2011 zum 31.12.2015 beendet wird;
- 18
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 23.06.2015 beendet wird;
- 19
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch sonstige Beendigungstatbestände aufgelöst wird und über den 31.12.2015 hinaus fortbesteht;
- 20
4. im Falle des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) und 2) oder 3) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Archivassistent weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Die Beklagte ist zunächst der Auffassung, das Arbeitsverhältnis würde aufgrund wirksamer Befristung mit Ablauf des 31.12.2015 sein Ende finden. Sie könne sich vorliegend auf den Sachgrund des vorübergehenden Bedarfes nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG stützen. Hierzu behauptet sie, dass beiderseits bei Abschluss des letzten Arbeitsvertrages mit hinreichender Sicherheit zu erwarten gewesen sein, dass nach dem 31.12.2015 kein dauerhafter Bedarf an der Arbeitsleistung mehr bestehe. In 2015 habe sie ca. 75-80% der TV-Sendungen im Auftrag der Raab TV-Produktion GmbH produziert. Sie beschäftige in der Produktion mit Ausnahme von produktionsübergreifenden Mitarbeitern wie in der Herstellungsleitung und bei den Produzenten ausschließlich auf Produktionsdauer befristet beschäftigte Mitarbeiter. Bereits 1998 habe Herr Raab (geboren 1966) in einem Fernseh-Interview angekündigt, dass er seine Fernsehkarriere vor dem 50. Lebensjahr beende. In 2015 vollendet er unstreitig das 49. Lebensjahr. Bei den Showformaten handele es sich zudem auch um kraftraubende Shows, wie Schlag den Raab. Auch habe sich bereits 2010/2011 abgezeichnet, dass die Einschaltquoten zurückgingen. Zudem gebe es keinen Entertainer der nahtlos die Formate übernehmen könne. Vor diesem Hintergrund sei allen Beteiligten 2011 bei Abschluss des Vertrages klar gewesen, dass nach Ende des Auftrages zum 31.12.2015 mit der Raab TV-Produktion GmbH es keine Folgeaufträge mehr geben würde. Zudem sei die Produktion der 4 Tage die Woche laufenden TV-total-Sendung personell sehr aufwendig und man bräuchte in Vergleich zu anderen Produktionen einen größeren Stamm von ganzjährigen Mitarbeitern. Durch die Ankündigung von Stefan Raab im Juni 2015 sei ihr Prognose zudem eingetreten. Die letzte Produktion im Auftrag der Raab-Produktion GmbH (Schlag den Raab) laufe am 19.12.2015 und für 2016 habe sie aktuell nur einen zugesagten Auftrag, die Jahreshauptversammlung Schalke 04 im Sommer 2016.
24Der Kläger sei, so ihr Behauptung weiter, als Archiv- und Sichtungsassistent mit der Archivierung der Sendung „TV total“ und deren Events und Shows befasst. Ein Direktionsrecht auf andere Positionen bestehe nach Meinung der Beklagten nicht.
25Jedenfalls die Kündigung werde nach Auffassung der Beklagten aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2015 beendet; die Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß. Sie behauptet, sie habe ihr Unternehmen unterteilt in einen eigenständigen Geschäftsbereich „TV total“, der für die Produktionen im Auftrag der Raab TV-Produktion GmbH zuständig sei und in einen Bereich für die übrigen Produktionen. Daneben gebe es produktionsübergreifende Abteilungen, wie Buchhaltung, Bühnenbau, Personalabteilung, ect. Die Kündigung von 80 Mitarbeitern (65 befristet Beschäftigte und 15 unbefristet Beschäftigte) sei erfolgt, in Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung vom 22.6.2015. Aufgrund der Ankündigung von Herrn Raab sich aus dem Fernsehen zurückzuziehen, habe sie beschlossen den Geschäftsbereich „TV total“ zum 31.12.2015 zu schließen und keine weiteren Produktionsaufträge der Raab TV-Produktion GmbH mehr anzunehmen. Hinzukämen Personalanpassungen in der allgemeinen Verwaltung und den übrigen Abteilungen (vgl. Protokoll der Geschäftsführersitzung vom 22.6.2015, Bl. 372 f. der Akte).
26So habe sie insbesondre beschlossen, das Archiv zu verkleinern. Dieses werde zukünftig durch die Leiterin Frau ….. und einer weiteren Archivarin Frau ……. geführt. Beide seien produktionsübergreifend tätig. Aufgrund der Begrenzung des Direktionsrechtes beim Kläger sei auch nach Auffassung der Beklagten eine Sozialauswahl nicht erforderlich gewesen.
27Der Kläger meint hingegen, das Direktionsrecht sei nicht auf den von der Beklagten behaupteten Geschäftsbereich beschränkt. Es gibt und das ist unstreitig, auch nur ein Archiv für sämtliche Produktionen. Er sei auch, so seine Behauptung u.a. für die Archivierung, Recherche und Bereitstellung von Kopien für Einspielen und Verkaufstrailer und Erstellung von DVDs sämtlicher Produktionen tätig gewesen.
28Zudem sei nach seiner Auffassung ein sachlicher Grund für die Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG nicht gegeben, da es sich um den Kernbereich des Geschäfts der Beklagten handele. Bei der Kündigung handele es sich um eine sogenannte „Vorratskündigung“; diese sei unwirksam. Zudem, so seine Behauptung, sei bis zum Ende des Jahres 2015 noch nicht das bereits aktuell vorhandene Material abgearbeitet. Ferner habe sie, nach seiner Meinung eine Sozialauswahl durchführen müssen. Er sei jedenfalls mit Frau ……. nach seiner Behauptung, vergleichbar.
29Mit Schreiben vom 13.11.2015 räumt die Beklagte ein, dass der Kläger mit den anderen Mitarbeitern im Archiv zusammenarbeite. In diesem Sinne kümmerten sich alle Mitarbeiter, nach Behauptung der Beklagten, im Archiv um Bandkopien für die Projekte und somit auch um interne Sendemitschnitte. Die verbleibenden Mitarbeiter könnten ab 2016 die verbleibende Arbeit ohne überobligatorische Leistung erbringen, da mit der Einstellung des Geschäftsbereichs neues Material im bisherigen Umfang nicht mehr hinzukomme.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle verwiesen.
31Entscheidungsgründe
32- 33
A. Die Klage hat vollumfänglich erfolgt.
- 35
I. Die Entfristungsklage (Klageantrag zu 1)) ist zulässig und begründet.
- 37
1. Der Antrag ist zulässig. Das nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus §§ 17 S. 1 und 2 TzBfG, 7 KSchG.
- 38
2. Der Antrag ist auch begründet.
Zunächst einmal ist die 3-Wochen-Frist des § 17 S. 1 TzBfG mit Einreichung der Klage (allgemeiner Feststellungsantrag) am 13.7.2015, spätestens jedoch mit der Klageerweiterung in der Gütesitzung gewahrt. Der Kläger hatte noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Befristung im Arbeitsvertrag vom 30.12.2011 angegriffen.
40Die vereinbarte Befristung ist allerdings unwirksam, so dass das Arbeitsverhältnis nach § 16 S. 1 TzBfG auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
41- 42
a. Da der Kläger bereits länger als 2 Jahre bei der Beklagten beschäftigt ist, kommt eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG nicht mehr in Betracht.
- 43
b. Die Beklagte beruft sich dementsprechend auf den Sachgrund des vorübergehenden Bedarfes nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG. Weitere Sachgründe sind auch nicht ersichtlich.
Nach Auffassung der Kammer ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG allerdings nicht gegeben.
45aa. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Dies kann etwa bei einer Beschäftigung für ein Projekt der Fall sein. Der nur vorübergehende projektbedingte personelle Mehrbedarf stellt den Sachgrund für die Befristung des Arbeitsvertrags mit einem projektbezogen beschäftigten Arbeitnehmer für die Dauer des Projekts dar (BAG 7.11.2007 – 7 AZR 484/06, juris Rn. 19). Der Arbeitgeber kann sich zur sachlichen Rechtfertigung eines befristeten Arbeitsvertrags auf eine Tätigkeit in einem zeitlich begrenzten Projekt nur dann berufen, wenn es sich bei den im Rahmen des Projekts zu bewältigenden Aufgaben um eine auf vorübergehende Dauer angelegte und gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers abgrenzbare Zusatzaufgabe handeln. Dies ist nicht der Fall bei Tätigkeiten, die der Arbeitgeber im Rahmen des von ihm verfolgten Betriebszwecks dauerhaft wahrnimmt oder zu deren Durchführung er verpflichtet ist. Aus diesem Grund stellt z.B. die Übernahme eines Auftrags zur Erstellung eines bestimmten Bauwerks für ein Bauunternehmen kein Projekt dar, weil die Erbringung von baulichen Leistungen zu der fortlaufend verfolgten Unternehmenstätigkeit zählt, die auf die Ausführung weiterer Vorhaben gerichtet ist (BAG 7.11.2007 – 7 AZR 484/06, juris Rn. 20). Unsicherheiten der wirtschaftlichen und / oder finanziellen Situation eines Arbeitgebers rechtfertigen eine Befristung gerade nicht (APS/Backhaus, 4. Auflage, § 14 TzBfG Rn. 52, 82).
46bb. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Befristung nicht gerechtfertigt. Es handelt sich bei dem von der Beklagten behaupteten Geschäftsbereich „TV total“ nicht um eine nur vorübergehende Tätigkeit / Zusatzaufgabe sondern um die Daueraufgabe, den Geschäftszweck der Beklagten. Die Beklagte ist eine Produktionsfirma, die im Auftrag Dritter hauptsächlich Fernsehsendungen und Shows produziert. Nach eigenen Angaben hat sie in den letzten Jahren zu 80% Aufträge der Raab TV-Produktion GmbH ausgeführt. Dies war ihr Hauptauftraggeber, mit dem sie nunmehr keine Geschäfte mehr abschließen möchte. Hauptgeschäftszweck ist daher die Produktion im Auftrag Dritter, zuletzt hauptsächlich diese „Raab-Formate“. Dies ist im Vergleich zur restlichen Produktion – zwangläufig ca. 20% - keine Zusatzaufgabe. Die Beklagte versuchte vielmehr ihr eigenes unternehmerisches Risiko durch die begrenzte Laufzeit des Auftrages mit der Raab TV-Produktion GmbH an die Laufzeit der Arbeitsverträge zu koppeln, um dieses abzufedern. Die ist allerdings nicht Sinn und Zweck des Sachgrundes des vorübergehenden betrieblichen Bedarfes, sondern ein vom Unternehmer zu tragendes Risiko. Jeder Unternehmer ist von der Auftragslage abhängig, die sich verändern kann.
47- 48
II. Der punktuelle Kündigungsschutzantrag (Klageantrag zu 2)) ist ebenfalls zulässig und begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 23.6.2015 löst das Arbeitsverhältnis nicht auf.
- 50
1. Der Antrag ist zulässig. Das nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus §§ 4 S. 1, 7 KSchG.
- 51
2. Der Antrag ist auch begründet.
Zunächst einmal ist die 3-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG mit Einreichung der Klage am 13.7.2015 gewahrt. Das Kündigungsschutzgesetz findet zudem nach §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 S. 3 KSchG unstreitig Anwendung. Das Arbeitsverhältnis bestand länger als 6 Monate und die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift.
53Die Kündigung ist sozial allerdings nicht gerechtfertigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird die ausgesprochene Kündigung nicht durch dringende betriebliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gestützt.
54- 55
a. Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG können sich aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder außerbetrieblichen Gründen (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Eine Kündigung aus innerbetrieblichen Gründen, ist gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei der innerbetrieblichen Umsetzung des Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (BAG 16.12.2010 - 2 AZR 770/09, juris Rn. 13). Dabei muss der Arbeitgeber darlegen, welche organisatorischen und technischen Maßnahmen er angeordnet hat und wie sich die von ihm behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Der Vortrag muss erkennen lassen, dass durch eine innerbetriebliche Maßnahme des Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des kündigten Arbeitnehmers entfällt (BAG 17.6.1999 - 2 AZR 456/98, juris Rn. 26). Der Beschäftigungsbedarf muss bei Zugang der Kündigung nicht bereits tatsächlich entfallen sein. Entscheidend ist, dass jedenfalls die Entwicklung, die für den künftigen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit maßgeblich sind, zu diesem Zeitpunkt feststehen, also abschließend geplant sind, und dass die Erwartung berechtigt ist, sie würde sich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist realisiert haben. Erforderlich ist eine entsprechende Prognose (BAG 31.7.2014 – 2 AZR 422/13, juris Rn. 32 f.). Die unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich unvernünftig oder willkürlich ist. Dabei unterliegt der vollen Nachprüfung durch die Gerichte aber, ob eine entsprechende unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und ihre Umsetzung des Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer tatsächlich entfallen lässt (BAG 21.9.2006 – 2 AZR 607/05 – juris Rn. 13).
Die Beendigungskündigung muss darüber hinaus aber auch dringend sein. Das Erfordernis der Dringlichkeit ist Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Eine Beendigungskündigung ist demnach nur gerechtfertigten, wenn keine andere Möglichkeit besteht (ultima ratio), wobei auch der Vorrang der Änderungskündigung zu beachten ist (KR/Griebeling, 10. Auflage, § 1 Rn. 528 ff.). Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit daher ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz, auch zu geänderten Arbeitsbedingungen, weiter zu beschäftigen (BAG 21.04.2005 - 2 AZR 132/04, juris).
57- 58
b. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die ausgesprochene Beendigungskündigung unwirksam.
Die Beklagte stützt den Kündigungsentschluss vorliegend auf innerbetriebliche Umstände. Aufgrund des Rückzugs von Herrn Stefan Raab, habe sie nach ihrer Behauptung beschlossen, den Geschäftsbereich „TV total“ zu schließen und darüber hinaus auch keine Aufträge mehr von der Raab TV-Produktion GmbH anzunehmen. Diese Aufträge würden ca. 80% der Produktionen im Jahr ausmachen. Durch die Schließung des Geschäftsbereiches käme in Zukunft deutlich weniger Arbeit auf die Mitarbeiter im Archiv zu. Zudem seien, nach Auffassung der Beklagten, dem Kläger auch nur Aufgaben übertragbar, die mit den Raab-Produktionen zusammenhingen. Das Direktionsrechts sei beschränkt.
60Die Einlassung der Beklagten rechtfertigt eine betriebsbedingte Kündigung nicht. Die Kammer konnte bereits nicht feststellen, dass der Beschäftigungsbedarf des Klägers spätestens zum 1.1.2016 weggefallen ist und die verbleibenden Mitarbeiter ohne überobligatorische Leistungen auskommen.
61Das Direktionsrecht ist zunächst einmal nicht beschränkt. Dies mag die Beklagte so im Arbeitsvertrag zwar angelegt haben, gelebt haben die Parteien allerdings etwas anderes. So räumte auch die Beklagte ein, dass in dem einen Archiv die Mitarbeiter der Kläger mit dem anderen Arbeitnehmers zusammenarbeiten. Eine Trennung nach Geschäftsbereichen ist hier, in dem Archiv, nicht zu erkennen.
62Darüber hinaus hat die Beklagte keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen, aufgrund derer die Kammer in der Lage wäre den Beschäftigungsbedarf spätestens im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung zu prognostizieren. Nach der Behauptung der Beklagten fallen durch die unternehmerische Entscheidung 2016 zunächst einmal 80% der Aufträge weg. Produziert wird aber noch bis zum 19.12.2015. Allein aus dem Wegfall der Aufträge kann nicht auf den Arbeitskräftebedarf geschlossen werden. Dies kann, muss aber nicht linear sein oder zeitgleich erfolgen. Zudem müssen auch die aktuellen, Ende des Jahres anstehenden Aufträge abgearbeitet werde. Wie lange dies dauert, wird nicht dargelegt. Ferner behauptet der Kläger, dass darüber hinaus noch Rückstände in der Abteilung bestünden. Dem ist die Beklagte auch nicht substantiiert entgegengetreten. Es fehlt nach wie vor an einer nachvollziehbaren Prognose über den Arbeitskräftebedarf, spätestens zum 1.1.2016. Die Auftragszahlen sind hier wenig aussagekräftig, zumal es sich um einen Bereich handelt, der auch noch tätig wird, wenn die eigentliche Produktion bereits abgeschlossen ist.
63- 64
III. Der Klageantrag zu 3) (allgemeiner Feststellungsantrag) ist ausnahmsweise ebenfalls unzulässig und begründet.
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1. Das nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellunginteresse ist gegeben. Die Beklagte legte im Verfahren einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag vom 8.12.2011 vor, den nur die Beklagte unterschrieben hat. Es ließ sich auch in dem Kammertermin nicht aufklären, ob dies nur der Entwurf zum streitgegenständlichen, beiderseits unterschriebenen befristeten Arbeitsvertrag ist.
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2. Der Antrag ist auch begründet. Weitere Beendigungstatbestände liegen nicht vor. Nicht einmal die Beklagte hat explizit behauptet, der zweite befristete Vertrag solle eigenständig neben dem vom 30.12.2011 treten. Zudem fehlt es an der Schriftform nach § 14 Abs. 4 TzBfG.
- 69
IV. Da der Kläger mit seinen Anträgen obsiegt, ist über den Klageantrag zu 4) zu entscheiden. Dieser ist als Leistungsantrag zulässig, u.a. ist er auch hinreichend bestimmt.
Darüber hinaus ist der Antrag begründet. Die klägerische Partei ist vorliegend nach den Grundsätzen des Großen Senats des BAGs bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens wie beantragt weiter zu beschäftigen. Außerhalb der Regelung des § 102 Abs. 5 BetrVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Solange in einem Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht begründen. Hinzukommen müssen vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (BAG 27.2.1985 – GS 1/84, juris LS, Rn. 27 ff.).
71Mit dem Obsiegen hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags überwiegen nach diesen Grundsätzen die Interessen der klägerischen Partei an einer Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses zu den bisherigen Bedingungen. Überwiegende Interessen der Beklagten, die einer vorläufigen Weiterbeschäftigung entgegenstünden, sind nicht hinreichend dargelegt worden. Die Weiterbeschäftigung ist der Beklagten auch nicht unmöglich, zumindest ist dies nicht erkennbar, da sich aus ihrem Vortrag nicht der zukünftige Arbeitskräftebedarf ablesen lässt.
72- 73
B. Die Streitwertfestsetzung im Urteil hat ihre gesetzliche Grundlage in den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 42 GKG, 3 ff. ZPO. Berücksichtigt wurden jeweils 3 Bruttomonatsgehälter für den Kündigungsschutzantrag und die Entfristungsklage sowie 1 Bruttomonatsgehalt für den Weiterbeschäftigungsantrag. Der Allgemeine Feststellungsantrag (Klageantrag zu 3)) hat keinen eigenständigen Streitwert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 91 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte trägt als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits.
75Gründe, die Berufung nach § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, sind vorliegend nicht ersichtlich.
76RECHTSMITTELBELEHRUNG
77Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei Berufung eingelegt werden. Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
78Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
79Landesarbeitsgericht Köln
80Blumenthalstraße 33
8150670 Köln
82Fax: 0221-7740 356
83eingegangen sein.
84Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
85Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
86Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
87- 88
1. Rechtsanwälte,
- 89
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 90
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
92* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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