Urteil vom Arbeitsgericht Köln - 8 Ca 2254/15
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Die Berufung wird zugelassen.
4. Streitwert: 451,80 EUR.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Höhe einer Versorgungsleistung, welche der Beklagte als insolvenzgesicherte betriebliche Altersversorgung zu gewähren hat.
3Der am ……………… geborene Kläger stand vom …………. bis zum …………………. in einem Arbeitsverhältnis zur Fa. …………….. . Danach bezog er 5 Jahre lang Anpassungsgeld und weitere 5 Jahre lang Knappschaftsausgleichsleistungen. Ab September ………… erhält er von der Deutschen Rentenversicherung …………………. Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute gem. § 40 SGB VI.
4Im Arbeitsverhältnis mit der Fa. .................. galten die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus. Nach dessen Anlage 7 haben aktive sowie ausgeschiedene Angestellte und deren Witwen einen Anspruch auf Lieferung von Hausbrandkohlen im Umfang von 3 Tonnen pro Jahr.
5Am 1. Juni …………. wurde über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet. Aufgrund zwischenzeitlich ergangener Urteile des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom ……………… nimmt der Beklagte die dortige Bewertung hin, daß die Hausbrandleistungen für ehemalige Arbeitnehmer und deren Witwen betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung sind, für welche er als Insolvenzsicherer einzustehen hat.
6Gleichfalls unstreitig ergibt sich nach den tariflich festgelegten Tonnensätzen eine den Hausbrand ablösende Energiebeihilfe von 366,60 € pro Jahr (30,55 € monatlich). Streitig ist, ob der Beklagte berechtigt ist, diese nach dem Verhältnis der tatsächlichen Betriebszugehörigkeit im aktiven Arbeitsverhältnis des Klägers zur möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum 65. Lebensjahr zu kürzen. Der Beklagte leistet dem Kläger aufgrund ratierlicher Berechnung des Hausbrandanspruchs seit September 2007 18,00 € monatlich.
7Der Kläger ist der schriftsätzlich näher begründeten Auffassung, der Beklagte müsse ihm den Hausbrand bzw. die daraus ermittelte monatliche Geldleistung in ungekürzter Höhe gewähren. Jedenfalls müsse auf das 60. Lebensjahr als feste Altersgrenze abgestellt werden.
8Er hat am 23. März 2015 wegen der ab September 2007 angefallenen Differenzbeträge von monatlich 12,55 € das vorliegende Verfahren eingeleitet und beantragt zuletzt,
91. den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 1.255,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
102. den Beklagten zu verurteilen, an ihn für die Zeit ab Januar 2016 über den Betrag von 18,00 € monatlich hinaus weitere 12,55 € jeweils monatlich zu zahlen.
11Der Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er ist gleichfalls gemäß schriftsätzlicher Darstellung der Ansicht, er sei aufgrund der für ihn geltenden gesetzlichen Vorgaben berechtigt und verpflichtet, die Leistung ratierlich gekürzt nach dem Zeitwertfaktor 0,589134, der dem Verhältnis der tatsächlichen zur bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres möglichen Betriebszugehörigkeit entspricht, zu gewähren. Vorsorglich erhebt er die Verjährungseinrede.
14Wegen des weiteren gemäß § 313 Abs. 2 S. 1 ZPO knapp zusammengefaßten Sach- und Streitstandes wird gem. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Anlagen sowie der Sitzungsniederschriften verwiesen.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage konnte keinen Erfolg haben. Diese Bewertung beruht im wesentlichen auf folgenden gemäß § 313 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefaßten Erwägungen, welche die Kammer bei der Entscheidungsfindung angestellt hat:
17Die Leistungsklagen sind zulässig. Dies gilt auch für den Antrag zu 2.), da die Versorgungsansprüche des Klägers aufgrund des bereits eingetretenen Versorgungsfalles auch wegen der künftig fällig werdenden Monatsbeträge bereits entstanden und von keiner Gegenleistung mehr abhängig sind, wobei dies auch für den im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung als berechtigt zu unterstellenden streitigen „Erhöhungsanteil“ gilt, so daß der Kläger diesen mit einer Klage gemäß § 258 ZPO geltend machen kann.
18Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet. Der Beklagte war und ist als Insolvenzsicherer nicht verpflichtet, dem Kläger wegen des von der insolventen früheren Arbeitgeberin nicht (mehr) gewährten Hausbrandes ungekürzte Versorgungsleistungen zu gewähren.
19Jedenfalls in Bezug auf Hausbrandleistungen in der Form betrieblicher Altersversorgung war der Kläger im Zeitpunkt des Sicherungsfalls (Insolvenzeröffnung am 1. Juni 2007) noch kein Versorgungsempfänger i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 BetrAVG, dem der Beklagte im vollen Umfang einer vom insolventen Arbeitgeber geschuldeten Versorgungsleistung verpflichtet wäre, sondern erst Inhaber einer gemäß §§ 1 b Abs. 1 i.V.m. 30 f BetrAVG unverfallbaren Anwartschaft. Bis zum Sicherungsfall war bei ihm noch kein Ereignis eingetreten, welches die Versorgung mit Hausbrand (als betriebliche Altersversorgung) auslösen konnte. Nach der Bewertung des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 16. März 2010, 3 AZR 594/09 sind die biometrischen Risiken im Sinne des Betriebsrentengesetzes (Langlebigkeit, Todesfall, Invalidität), welche durch die Gewährung von Hausbrandkohlen (als betriebliche Altersversorgung) abgedeckt werden sollen, gleichlaufend mit den Voraussetzungen für den Bezug gesetzlicher Renten wegen Alters oder Invalidität, wie die im zitierten Urteil angesprochene Rente für Bergleute nach § 45 Abs. 1 SGB VI. Anpassungsgeld und Knappschaftsausgleichsleistungen werden demgegenüber nicht anläßlich eines verwirklichten biometrischen Risikos im Sinne des Betriebsrentengesetzes gewährt.
20Daher kommt für den Kläger ein insolvenzgesicherter Anspruch gegen den Beklagten auf Hausbrandleistungen in derselben Höhe, wie sie der Arbeitgeber (ohne vorherige Insolvenz) im Versorgungsfall hätte leisten müssen, nicht in Betracht. Denn der Beklagte haftet gegenüber denjenigen, die im Sicherungsfall erst Anwartschaftsinhaber sind, gemäß § 7 Abs. 2 S. 3, 4 i.V.m. § 2 Abs. 1, Abs. 5 BetrAVG nur im Umfang der anteiligen gesetzlichen Absicherung der Anwartschaft. Demnach ist auch beim als betriebliche Altersversorgung eingestuften Hausbrand die für Anwärter vorgesehene Kürzung nach dem Zeitwertfaktor gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG durchzuführen, d.h. nach dem maßgeblichen Verhältnis der tatsächlichen und fiktiven Betriebszugehörigkeiten mit dem vom Beklagten unstreitig zutreffend errechneten Wert von 0,589134.
21Der Hinweis des Klägers darauf, daß die tarifliche Regelung zum Hausbrand – logischerweise, da sie gerade keine Regelung zur betrieblichen Altersversorgung sein sollte – keinen Zeitwertfaktor enthält, ist unerheblich. Maßgeblich ist, daß § 2 Abs. 1 BetrAVG diesen Faktor vorgibt, welchen der Beklagte gemäß § 7 Abs. 2 S. 3 BetrAVG bei der Berechnung von Leistungen, welche auf bei Insolvenzeröffnung unverfallbaren Anwartschaften beruhen, anzuwenden hat, und zwar ausnahmslos, auch bei Anwärtern, die Knappschaftsversicherte und Untertagearbeiter waren.
22Die den Zähler des Kürzungsquotienten zur ratierlichen Berechnung bildende Dauer der Betriebszugehörigkeit ergibt sich nach dem Zeitraum vom 17. August 1976 bis zum 31. Oktober 1997; die Zeiten des Bezugs von Anpassungsgeld und Knappschaftsausgleichsleistungen gehören nicht zur Betriebszugehörigkeit bei der jetzt insolventen ……………………….. . Die dazu ins Verhältnis zu setzende mögliche Betriebszugehörigkeit ergibt sich aus dem Zeitraum zwischen Arbeitsvertragsbeginn ……………….. und dem Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 35 S. 2 SGB VI: Vollendung des 67. Lebensjahres), allenfalls der vom Beklagten verwendeten Altersgrenze 65. Lebensjahr (§ 38 Ziff. 1 SGB VI). Nach dem gesetzlichen Regelfall des § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG ist dieser erstgenannte Endzeitpunkt, „spätestens“ der hier konzedierte zweitgenannte, d.h. der 14. August 2012 maßgeblich, wenn in der Versorgungsregelung kein früherer Zeitpunkt als „feste Altersgrenze“ i.S.d. 2. Halbsatzes dieser Norm vorgesehen ist.
23„Feste“ Altersgrenze i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG wäre nur ein nach objektiven Kriterien bestimmbares, von vornherein feststehendes Datum, bis zu dem der Arbeitnehmer längstens im Arbeitsverhältnis stehen soll, so daß ein „früherer Zeitpunkt“ i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 2. Halbsatz BetrAVG nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann anzunehmen wäre, wenn die Versorgungsregelung vorsieht, daß die begünstigten Arbeitnehmer grundsätzlich zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Vollendung des 65. bzw. jetzt 67. Lebensjahres mit einer ungekürzten Betriebsrente in den Ruhestand treten sollen. Eine solche Anordnung ist in den tariflichen Regelungen zum Hausbrand nicht erkennbar. Ebensowenig ist § 40 SGB VI Teil einer Versorgungsregelung in Bezug auf den Hausbrand als betriebliche Altersversorgung im Lichte der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, enthält im übrigen ohnehin nur die unter bestimmten Umständen, deren Eintritt zu einem bestimmten Datum gerade nicht von vornherein feststeht, geltende Option, vorzeitig, d.h. vor Erreichen der Regelaltersgrenze des § 35 S. 2 SGB VI in den Ruhestand zu treten. Eine als Versorgungsordnung erkennbare Regelung gibt es zum Hausbrand gerade nicht, hierauf haben die 7. und die 5. Kammer des Arbeitsgerichts bereits zu Recht hingewiesen und hat die erkennende Kammer bereits zu einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, hieran wird festgehalten. Die Leistungen des Beklagten beruhen nur darauf, daß das Bundesarbeitsgericht die Lieferung von Hausbrandkohlen als insolvenzgesicherte betriebliche Altersversorgung bewertet hat.
24Demnach ergibt sich aus der insolvenzgesicherten unverfallbaren Anwartschaft, die der Kläger in der Zeit seiner Betriebszugehörigkeit zur inzwischen insolventen Arbeitgeberin erworben hat, seit dem Eintritt des Versorgungsfalles aufgrund Bezuges von gegenüber der gesetzlichen Regelaltersgrenze vorzeitiger Altersrente (i.S.d. § 6 BetrAVG) ein Anspruch gegen den Beklagten auf Lieferung von 1,767402 t Hausbrandkohle bzw. Zahlung ablösender Energiebeihilfe von 215,98 € p.a., entsprechend 18,00 € monatlich, welche der Beklagte dem Kläger gewährt hat und auch weiterhin zu gewähren bereit ist. Darüberhinausgehende Ansprüche sind weder in der Vergangenheit entstanden noch für künftige Zeiten erkennbar, so daß die Klage – unabhängig von der Verjährungseinrede - insgesamt abzuweisen war.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung nach der Anordnung des § 61 Abs. 1 ArbGG erfolgte gemäß § 3 ZPO nach der Dreijahressumme (entsprechend § 42 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 2. HS GKG) der allein im Streit stehenden Rentendifferenzforderung. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 64 Abs. 3 Ziff. 1 ArbGG, angesichts der Vielzahl gleichgelagerter Anwartschaftsfälle besteht ein Interesse an einer bislang vermiedenen ober- und ggfs. auch höchstrichterlichen Beurteilung. Zudem gründen die geprüften und bewerteten Ansprüche auf einem überbezirklich geltenden Tarifvertrag i.S.d. § 64 Abs. 3 Ziff. 2 b ArbGG.
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