Beschluss vom Arbeitsgericht Stuttgart - 30 BV 205/03

Tenor

Die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin C. S. in die Vergütungsgruppe 4 des zwischen der Antragstellerin und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Entgeltrahmentarifvertrages vom 20.03.2002 wird ersetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt die Ersetzung der vom Betriebsrat am Standort S./L. für den Gemeinschaftsbetrieb der Unternehmen T.-GmbH, ...GmbH und ...GmbH (künftig: ...) verweigerten Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin C. S.
Bei der Antragstellerin T.-GmbH handelt es sich um die ehemalige D. GmbH, die mit Eintrag in das Handelsregister vom 28.11.2001 in die A. GmbH umfirmiert wurde. Mit Eintrag in das Handelsregister vom 11.12.2002 wurde die damalige S. GmbH auf die A. GmbH verschmolzen. Ebenfalls mit Eintrag in das Handelsregister vom 11.12.2002 wurde sodann die A. GmbH in die Firma der Antragstellerin umbenannt. Die S. GmbH hatte am 20.03.2002 mit der Gewerkschaft ver.di diverse Haustarifverträge, u. a. den Manteltarifvertrag und den Entgeltrahmentarifvertrag für die S. GmbH (künftig: ERTV), geschlossen. Diese Tarifverträge fanden ihrem Geltungsbereich nach Anwendung auf "die bei der S. GmbH beschäftigten Arbeitnehmer, soweit sie Mitglieder von ver.di sind".
Bei der A. GmbH fanden kraft Mitgliedschaft im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden- Württemberg die Flächentarifverträge Metall sowie - speziell - der Ergänzungstarifvertrag für Beschäftigte von D.-Unternehmen vom 03.09./10.09.1998 zwischen der "Tarifgemeinschaft von Dienstleistungsunternehmen, die Mitglieder im Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V. sind" und der Industriegewerkschaft Metall (künftig: DLTV) Anwendung.
Die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der A. GmbH ist am 30.06.2003 als Mitglied aus dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg ausgetreten.
Streit besteht nunmehr (schwerpunktmäßig) zwischen den Betriebsparteien, ob nach der Verschmelzung der S. GmbH auf die A. GmbH bzw. auf die Antragstellerin, in die die A. GmbH umfirmiert wurde, auf sämtliche Arbeitnehmer im Unternehmen - so der Arbeitsvertrag dies zulässt - unabhängig davon, welcher Gewerkschaft sie angehören, die Haustarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di, insbesondere der ERTV, Anwendung finden und ob - dem entsprechend - die Arbeitnehmer der ehemaligen A. GmbH in die Vergütungsordnung des ERTV umzugruppieren sind oder aber ob die Flächentarifverträge Metall, insbesondere aber der DLTV auf diese Arbeitnehmer weiterhin zur Anwendung gelangt.
Der Arbeitsvertrag (ABl. 135 ff) der im vorliegenden Verfahren betroffenen Arbeitnehmerin C. S., deren etwaige Mitgliedschaft bei einer Gewerkschaft nicht bekannt ist, enthält folgende Tarifbezugnahmeklausel:
Es finden, soweit nicht nachstehend ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, die für die Gesellschaft geltenden, betrieblich-fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Mit dem Betriebsrat am 10.09.2003 vorgelegten Listen bat die Antragstellerin den Betriebsrat um Zustimmung zur Ein- bzw. Umgruppierung u.a. der vorliegend betroffenen Arbeitnehmerin. Die Liste beinhaltete die Namen der betroffenen Arbeitnehmer, die jeweilige Kostenstelle, den Geschäftsbereich, die Personalnummer, die Tätigkeitsbezeichnung, die Vergütungsgruppe nach dem DLTV, die vorgesehene Vergütungsgruppe nach dem ERTV sowie das Richtbeispiel nach dem ERTV (Bezug). Bezogen auf die vorliegend betroffene Arbeitnehmerin C. S., deren Tätigkeit mit "MA Finanzbuchhaltung" bezeichnet worden war, teilte die Antragstellerin als vorgesehene Vergütungsgruppe die Vergütungsgruppe 4 des ERTV mit.
Mit Schreiben vom 29.10.2003 verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur Umgruppierung von Frau S. in den ERTV mit folgender Begründung:
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Bei der dem Betriebsrat von Ihnen vorgelegten Eingruppierung beziehen Sie sich auf den falschen Tarifvertrag. Der gültige Tarifvertrag für o.g. Mitarbeiter/in des Buchungskreises 49 ist der DLTV.
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Aufgrund der uns vorliegenden bzw. der fehlenden Information (z.B. Tätigkeitsbeschreibung) ist die Eingruppierung nicht nachvollziehbar.
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Am 13. Mai 2004 übermittelte die Antragstellerin dem Betriebsrat "in Ergänzung zu den Anhörungen für die Mitarbeiter" eine Funktionsbeschreibung der Funktion "Sachbearbeiter/Querschnitt Support II/VG 4" (vgl. ABl. 233). Der Eingang der Funktionsbeschreibung wurde vom Betriebsrat bestätigt, zugleich allerdings am 19.05.2004 mitgeteilt, dass der Betriebsrat nach Durchsicht festgestellt habe, dass er immer noch nicht wisse, was die konkreten, aktuellen Aufgaben/Tätigkeiten u.a. der vorliegend betroffenen Mitarbeiterin sei. Hierauf teilte die Antragstellerin dem Betriebsrat am 25.05.2004 mit, dass die vorgelegte Funktionsbeschreibung mit dem Inhalt der konkret ausgeübten Tätigkeit der Arbeitnehmerin übereinstimme. Weitere Nachfragen seitens des Betriebsrats erfolgten hierauf nicht.
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Im Rahmen des am 27.11.2003 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingeleiteten Beschlussverfahren begehrt die Antragstellerin nunmehr die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin C. S. in den ERTV. Dies begründet sie wie folgt:
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Mit der Verschmelzung der S. GmbH auf die damalige A. GmbH beanspruchten bei der Antragstellerin kollektivrechtlich zwei Tarifwerke Geltung, nämlich einerseits die Haustarifverträge der S. GmbH mit der Gewerkschaft ver.di und andererseits die Flächentarifverträge Metall, insbesondere in der Ausprägung des DLTV, kraft Verbandszugehörigkeit. Die damit eingetretene Tarifpluralität sei nach dem Prinzip der Tarifeinheit dahingehend zu lösen, dass der bzw. die jeweils spezielleren Tarifverträge zur Anwendung gelangten. Dies seien die mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Haustarifverträge. Es handele sich hierbei ersichtlich um die im Verhältnis zu den Flächentarifverträgen der Metallindustrie spezielleren Regelungen.
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Soweit die betroffene Arbeitnehmerin nicht gewerkschaftlich organisiert seien, finde der Haustarifvertrag aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklausel Anwendung.
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Die Antragstellerin beantragt:
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Die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin C. S. in die Vergütungsgruppe 4 des zwischen der Antragstellerin und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Entgeltrahmentarifvertrages vom 20.3.2002 wird ersetzt.
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Der Betriebsrat beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Der Antrag der Antragstellerin scheitere schon an der nicht ordnungsgemäßen Betriebsratsinformation. Um das Verfahren nach § 99 BetrVG einzuleiten, seien dem Betriebsrat seitens des Arbeitgebers die für die Beurteilung der Maßnahme notwendigen Informationen zu erteilen. Dabei bestimme sich der Umfang der Informationen nach dem Inhalt des Mitbestimmungsrechts. Die Mitbeurteilung des Betriebsrats bei der Ein- bzw. Umgruppierung solle eine größere Gewähr für die Richtigkeit der vorgenommenen Eingruppierung und der gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung bieten, also einer Richtigkeitskontrolle dienen. Daraus ergebe sich zwingend, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Tatsachen mitzuteilen habe, aufgrund derer er zur konkreten Eingruppierung gelange. Dies sei vorliegend jedoch nicht geschehen. Ein Blick in den von der Antragstellerin angewandten ERTV zeige, dass aufgrund der Angaben der Arbeitgeberin keine Überprüfung stattfinden könne, ob die vorgegebenen Kriterien der konkreten Vergütungsgruppe bzw. eines der Richtbeispiele gegeben seien. Neben der vom Arbeitnehmer konkret ausgeübten Tätigkeit und den sonstigen Faktoren der maßgeblichen Vergütungsgruppe habe der Arbeitgeber dem Betriebsrat im übrigen die mögliche Gewerkschaftszugehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmerin mitzuteilen. Folge der unzureichenden Unterrichtung des Betriebsrats sei, dass die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG noch nicht zu laufen begonnen habe mit der Folge, dass die Zustimmung im vorliegenden Fall auch nicht ersetzt werden könne.
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Unabhängig davon habe der Betriebsrat die Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin C. S. in die Vergütungsgruppe 4 des ERTV zu Recht verweigert. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin seien sowohl für IG-Metall-Mitglieder als auch für Unorganisierte nach der Verschmelzung der S. GmbH auf die A. GmbH weiterhin die Metalltarifverträge, konkret der DLTV, für die Eingruppierung einschlägig.
22 
Richtig sei zwar, dass die Antragstellerin an mehrere Tarifverträge gebunden sei, nämlich die Flächentarifverträge der Metallindustrie sowie speziell den DLTV vom 03.09.1998 einerseits und andererseits die von der damaligen S. GmbH mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Haustarifverträge. Auch sei zutreffend, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung Fälle der Tarifpluralität nach den Grundsätzen der Spezialität löse.
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Dieser Grundsatz müsse jedoch in einem Fall der gewillkürten Tarifpluralität, wie er vorliegend gegeben sei, durchbrochen werden. Die Antragstellerin habe sich vorliegend mit dem bewussten Versuch der Tarifflucht von für sie ungünstigen tariflichen Regelungen zu befreien versucht. Bis Frühjahr 2002 sei die S. GmbH, die ebenso wie die Antragstellerin zum F.-Konzern gehört habe, an keinen Tarifvertrag gebunden gewesen. Bei der geplanten Verschmelzung auf die A. GmbH hätten sonach die Tarifverträge der Metallindustrie fortgegolten. Um dies zu vermeiden, seien mit der Gewerkschaft ver.di unter Zeitdruck Tarifverhandlungen geführt worden, die vor dem 01.04.2002 - dem Verschmelzungsstichtag -zum Abschluss gebracht worden seien. In einem solchen Falle könne der Grundsatz der Tarifeinheit und mit ihm der Grundsatz der Spezialität keine Anwendung finden.
24 
Aber selbst wenn man diesen Grundsatz anwende, fänden die Tarifverträge der Metallindustrie - jedenfalls der zwischen der IG-Metall und der Tarifgemeinschaft von Dienstleistungsunternehmen abgeschlossene Ergänzungstarifvertrag als Sonderregelung für Datenverarbeitungsunternehmen (DLTV) - als speziellere Tarifverträge vor den mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Haustarifverträgen Anwendung. Die Behauptung der Antragstellerin, die mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Tarifverträge seien schon wegen ihres Charakters als Haustarifverträge spezieller, sei unrichtig. Die Tarifwerke unterschieden sich nämlich nicht darin, dass die ver.di Tarifverträge für ein "Haus", die IGM-Tarifverträge dagegen für die "Fläche" abgeschlossen worden seien. Vielmehr seien lediglich die Vertragspartner unterschiedlich. Mit der Gewerkschaft ver.di habe zwar die S. GmbH unmittelbar die Tarifverträge geschlossen, wohingegen mit der IG Metall von der Tarifgemeinschaft von Dienstleistungsunternehmen, der die Antragstellerin angehört habe, Ergänzungstarifverträge abgeschlossen worden seien. Entscheidend sei jedoch, dass in Anlage 2 zum Ergänzungstarifvertrag die Unternehmen der Tarifgemeinschaft einzeln genannt seien. Es sei also lediglich eine andere Konstruktion -Tarifbindung vermittelt über eine Tarifgemeinschaft mit enumerativ aufgeführten Mitgliedern, die praktisch nur D.-Unternehmen gewesen seien -gewählt worden, wobei der Tarifvertrag selbst den Charakter eines Firmentarifvertrages habe.
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Inhaltlich sei der mit der IG-Metall geschlossene DLTV spezieller, wie sich einer Vielzahl von Einzelregelungen entnehmen lasse (vgl. wegen der Einzelheiten den Schriftsatz des Betriebsrats vom 20.01.2004 (ABl. 162 ff, 167 f)).
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Im Ergebnis fänden sonach im Betrieb der Antragstellerin weiterhin die IGM-Tarifverträge als speziellere Tarifverträge Anwendung, und zwar nicht nur (zwingend) auf die IG-Metall-Mitglieder, sondern auch auf die Unorganisierten.
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Dem entsprechend kämen auch auf die Arbeitnehmer C. S. weiterhin die Metalltarifverträge und speziell der DLTV zur Anwendung. Dies gelte unbeschadet einer etwaig nicht bestehenden Gewerkschaftszugehörigkeit, denn soweit der Arbeitsvertrag eine Tarifwechselklausel beinhalte, sei diese nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, so dass es bei der bisherigen Eingruppierung in den DLTV verbleiben müsse.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
II.
29 
Der Antrag der Antragstellerin, die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin C. S. in Vergütungsgruppe 4 des ERTV zu ersetzen, ist zulässig und begründet. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zur Umgruppierung zu Unrecht verweigert.
A.
30 
Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags bestehen nicht; insbesondere ist das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis gegeben.
31 
1. In Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Betriebsrat u.a. bei jeder Ein- und Umgruppierung mitzubestimmen, § 99 BetrVG. Will der Arbeitgeber also einen oder mehrere Arbeitnehmer umgruppieren, weil er wie vorliegend von der Geltung eines anderen als des bisher angewandten Tarifvertrags ausgeht, hat er den Betriebsrat gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu unterrichten und ihm die notwendigen Informationen zu erteilen. Im Rahmen des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist der Antrag des Arbeitgebers bereits als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Betriebsrat nicht vollständig unterrichtet war, der Betriebsrat letzteres innerhalb der Frist geltend gemacht hat und die fehlende Unterrichtung auch nicht nachgeholt worden ist (MünchArbR/Matthes, § 344 RdnNr. 117).
32 
Der Umfang der vom Arbeitgeber geforderten Unterrichtung des Betriebsrats bestimmt sich nach dem Zweck der Beteiligung nach § 99 BetrVG an der jeweiligen personellen Maßnahme. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat so unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe geltend gemacht werden kann. Bei einer Umgruppierung in eine neue Lohn- und Gehaltsgruppenordnung ist, neben der Person des betroffenen Arbeitnehmers und der von dieser ausgeübten Position, die in Aussicht genommene Lohn- oder Gehaltsgruppe anzugeben. Zudem ist die bisherige Eingruppierung mitzuteilen, wenn und soweit sich hieraus Rückschlüsse auf die neue Vergütungsgruppe ziehen lassen.
33 
Hat der Arbeitgeber diese Informationen erteilt sowie um Zustimmung des Betriebsrats gebeten, so muss der Betriebsrat, wenn er die gegebenen Informationen für nicht ausreichend erachtet, um eine abschließende Stellungnahme abgeben zu können, den Arbeitgeber innerhalb einer Woche um Vervollständigung der Auskünfte bitten (BAG, Beschluss v. 14.03.1989, Az. 1 ABR 80/87). Unterlässt er dies und gibt er trotz möglicherweise unzureichender Unterrichtung eine abschließende Stellungnahme zu der Maßnahme ab, so kann er sich später nicht darauf berufen, er sei nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden.
34 
Dem steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Wochenfrist erst mit einer vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats zu laufen beginnt. Vollständig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Arbeitgeber zu der geplanten Maßnahme die notwendigen Angaben gemacht haben muss. Liegt eine Unterrichtung in diesem Sinne vor, so macht dies auch dem Betriebsrat deutlich, das der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 99 Abs. 1 BetrVG nachkommen will und dass er diese Unterrichtung als ausreichend und damit ordnungsgemäß ansieht. Gleichwohl kann die Unterrichtung des Betriebsrats noch unvollständig sein. Dem Betriebsrat können nähere Umstände unbekannt sein, deren Kenntnis der Arbeitgeber vorausgesetzt hat. Die Auskünfte des Arbeitgebers können Anlass zu Überlegungen sein, die der Arbeitgeber selbst nicht in Betracht gezogen hat. Für diese kann die Kenntnis weiterer Umstände erforderlich sein, die der Arbeitgeber nur deswegen nicht mitgeteilt hat, weil er deren möglichen Zusammenhang mit der geplanten Maßnahme selbst nicht erkannt hat.
35 
Dies macht deutlich, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht zur vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats nicht stets und in allen Fällen ohne Mithilfe des Betriebsrats nachkommen kann, will er nicht vorsorglich in jedem Einzelfall einen umfangreichen Unterrichtungsaufwand treiben, der sich in vielen Fällen als überflüssig und übertrieben herausstellen kann. Von daher erfordert das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 2 BetrVG, dass dieser den Arbeitgeber innerhalb der - ggf. verlängerten - Wochenfrist, in der der Arbeitgeber die Stellungnahme des Betriebsrats erwartet, Mitteilung macht, wenn er für eine abschließende Stellungnahme noch eine oder mehrere weitere Informationen benötigt.
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Dem Betriebsrat wird damit nicht Unzumutbares abverlangt und ihm die Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte auch nicht erschwert. Der Betriebsrat, der vom Arbeitgeber über eine geplante personelle Maßnahme unterrichtet und um Zustimmung gebeten wird, muss sich mit diesem Antrag ohnehin innerhalb einer Woche befassen, will er nicht Gefahr laufen, dass mit Ablauf der Wochenfrist seine Zustimmung als erteilt gilt. Kommt er dabei zu der Ansicht, dass er für eine endgültige Stellungnahme noch weitere Auskünfte benötigt, kann er diese innerhalb der Wochenfrist ebenso anfordern wie er bei ausreichender Unterrichtung in dieser Zeit seine Zustimmungsverweigerung erklären und begründen kann. Sein Recht, sich erst nach vollständiger Unterrichtung abschließend zu der geplanten Maßnahme äußern zu müssen, wird dadurch nicht beschränkt. Lag zunächst eine unzureichende Unterrichtung des Betriebsrats vor und hat der Betriebsrat dies fristgerecht gerügt, so führt dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allerdings nicht zwingend und notwendigerweise zur Abweisung des ggf. vom Arbeitgeber schon vor abschließender Information beim Arbeitsgerichts eingeleiteten Beschlussverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG. Der Arbeitgeber hat vielmehr die Möglichkeit -auch erst im laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren -, ergänzend die ausstehenden Informationen zu erteilen; macht er hiervon Gebrauch, so fängt die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG erneut an zu laufen. Übermittelt also der Arbeitgeber im Beschlussverfahren die ausstehenden Informationen so rechtzeitig vor der Entscheidung, dass der Betriebsrat noch die Wochenfrist zur Stellungnahme ausnutzen kann, so kann jedenfalls der Antrag nicht mangels nicht ordnungsgemäßer Unterrichtung als unzulässig zurückgewiesen werden (vgl. BAG vom 20.12.1988, DB 89, 1240).
37 
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann sich der Betriebsrat nicht (mehr) mit Erfolg darauf berufen, er sei von der Antragstellerin anlässlich der Einleitung des Verfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht vollständig über die für die Entscheidung zur Umgruppierung notwendigen Umstände informiert worden, weil einerseits die etwaige Gewerkschaftszugehörigkeit und andererseits die zur Eingruppierung nach dem ERTV maßgeblichen Informationen nicht übermittelt worden seien, so dass die Wochenfrist überhaupt noch nicht begonnen habe zu laufen.
38 
Soweit der Betriebsrat unzureichende Informationen über die Art bzw. des Inhalts der konkret ausgeübten Tätigkeit rügt, so ist zwar richtig, dass die ursprünglich von der Arbeitgeberin gemachten Angaben -nämlich allein die Mitteilung der ausgeübten Funktion nicht ausreichend waren, um dem Betriebsrat eine Ausübung seines Mitbeurteilungsrechts zu ermöglichen. Die insoweit unzureichende Unterrichtung hat der Betriebsrat gegenüber der Antragstellerin auch innerhalb der verlängerten Frist gerügt. Allerdings hat die Antragstellerin im Laufe des hiesigen Verfahrens - nämlich im Mai 2004 - dem Betriebsrat bezogen auf die Tätigkeiten der vorliegend betroffenen Arbeitnehmerin eine Funktionsbeschreibung übermittelt, in der die von Frau S. konkret ausgeübten Tätigkeiten so die nachträgliche Mitteilung der Antragstellerin gegenüber dem Betriebsrat -dargestellt sind. Mit der Übermittlung dieser Beschreibung begann die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG erneut zu laufen, ohne dass der Betriebsrat innerhalb der Frist konkrete Informationsmängel gerügt hätte. Zwar hat er weiterhin reklamiert, nach wie vor nicht zu wissen, welche Aufgaben die Arbeitnehmerin aktuell wahrnehme. Die konkrete und aktuelle Aufgabenstellung lässt sich jedoch unzweifelhaft der Funktionsbeschreibung, wenngleich in abstrakter Form, entnehmen. Wenn also der Betriebsrat tatsächlich der Auffassung war, nach wie vor für die Eingruppierung weitergehender Informationen zu bedürfen, so hätte er diese ausstehenden und notwendigen Informationen aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit heraus konkret bezeichnen müssen. Mit der Reklamation des Betriebsrats lässt sich in dieser Allgemeinheit nichts anfangen. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin ja nachträglich nochmals ausdrücklich erklärt hat, der Inhalt der Funktionsbeschreibung stellten die konkret von Frau S. ausgeübten Tätigkeiten dar. Dann aber wäre es -weil die Funktionsbeschreibung auch aus Sicht der Kammer abschließend Auskunft über die Tätigkeiten der Funktion "Sachbearbeiter Querschnitt Support II", die ersichtlich von Frau S. ausgeübt wird -Aufgabe des Betriebsrats gewesen, so es ihm tatsächlich um sein Mitbeurteilungsrecht gegangen ist, bei der Antragstellerin aus seiner Sicht noch notwendige Informationen konkret anzufordern. Eben dies ist jedoch nicht geschehen, vielmehr hat der Betriebsrat der Antragstellerin lediglich den Vorhalt gemacht, nach wie vor nicht zu wissen, welche konkreten Tätigkeiten die Mitarbeiter ausübten. Konkrete Nachfragen, die der Antragstellerin deutlich gemacht hätten, welcher Art von Informationen der Betriebsrat noch benötige, hat er demgegenüber nicht gestellt. Dann aber muss - mangels hinreichend konkreter Rüge noch fehlender Informationen, die im übrigen im vorliegenden Fall auch nicht erkennbar sind - von einer ordnungsgemäßen Information des Betriebsrats ausgegangen werden, weshalb dem hiesigen Antrag nicht schon das Rechtsschutzinteresse abgesprochen werden kann.
39 
Entsprechendes gilt, soweit der Betriebsrat im hiesigen Verfahren auch die fehlende Information über die etwaige Gewerkschaftszugehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmerin bemängelt. Abgesehen davon, dass der Betriebsrat diesen etwaigen Mangel nicht innerhalb der verlängerten Frist gerügt hat, so dass schon deshalb nicht von einer fehlerhaften Unterrichtung ausgegangen werden kann, vermag die fehlende Information der Gewerkschaftszugehörigkeit nicht zu der Wertung führen, das Verfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG sei bis dato nicht ordnungsgemäß eingeleitet und damit das hiesige Zustimmungsersetzungsverfahren unzulässig. Denn die Frage der Gewerkschaftszugehörigkeit des jeweils betroffenen Arbeitnehmers gehört - abgesehen davon, dass bereits zweifelhaft ist, ob und inwieweit die Antragstellerin überhaupt in der Lage wäre, sich die erforderlichen Kenntnisse über eine etwaige Gewerkschaftszugehörigkeit zu verschaffen und bereits aus diesem Grund eine Mitteilungspflicht zweifelhaft erscheint - nicht zu den Informationen, über die die Antragstellerin den Betriebsrat zu unterrichten hatte. Aus Sicht der Antragstellerin, der das Gericht (und möglicherweise sogar der Betriebsrat) folgt, greift aufgrund des Grundsatzes der Tarifeinheit unabhängig davon, welcher Gewerkschaft die vorliegend betroffenen Arbeitnehmer etwaig angehören, der speziellere Tarifvertrag. Die Frage der Gewerkschaftszugehörigkeit spielt also bei der Eingruppierung keine Rolle, weshalb der Betriebsrat - dem entsprechend - über diesen Umstand nicht zu unterrichten war.
B.
40 
Der sonach zulässige Antrag ist auch begründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin C. S. zu Unrecht verweigert.
41 
1. Die aus § 99 Abs. 1 BetrVG resultierende (betriebsverfassungsrechtliche) Pflicht zur Ein- und Umgruppierung, d.h. zur Einstufung des Arbeitnehmers in eine bestimmte tarifliche oder betriebliche Lohn- oder Vergütungsgruppe im Einvernehmen mit dem Betriebsrat, besteht sowohl nach der Einstellung als auch bei einer Änderung der Tätigkeit des Arbeitnehmers, aber auch dann, wenn sich die für das Arbeitsverhältnis geltende Vergütungsgruppenordnung selbst geändert hat (BAG 18.06.1991, DB 91, 2086). Voraussetzung für die Ein- bzw. Umgruppierung ist allerdings, dass eine für den Betrieb verbindliche Lohn- und Gehaltsgruppeneinteilung, also ein kollektives Entgeltschema existiert. Eine solche kann aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung bestehen. Hierbei ist unerheblich, ob der entsprechende Tarifvertrag kraft Tarifbindung oder auf Grund einer Betriebsvereinbarung oder einer einzelvertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gilt. Eine für die Eingruppierung erforderliche Lohn- und Gehaltsgruppeneinteilung kann auch auf einer sonstigen betrieblichen Regelung, insbesondere einer betrieblichen Übung, beruhen.
42 
Gegenstand der Ein- bzw. Umgruppierung ist nicht nur die Subsumtion der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit unter die in der Vergütungsordnung vorgesehenen Tätigkeitsmerkmale und den dort ggf. aufgeführten Beispielstätigkeiten, sondern auch die Entscheidung des Arbeitgebers, welcher Tarifvertrag bzw. ggf. welche Vergütungsordnung der Eingruppierung zu Grunde zu legen ist. Häufig wird zwar der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer Eingruppierung mit der Begründung verweigern, die vorgesehene Eingruppierung verstoße gegen die Vergütungsordnung selbst und stelle sich damit als unrichtige Rechtsanwendung dar (BAG, Beschluss v. 15.04.1986 -AP Nr. 36 zu § 99 BetrVG 1972). Die der Mitbeurteilung des Betriebsrats unterliegende Rechtsanwendung ist aber nicht nur dann unzutreffend, wenn die vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten falsch unter die Tätigkeitsmerkmale subsumiert werden, sondern auch dann, wenn die Subsumtion dieser Tätigkeit zwar in zutreffender Weise unter die Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsordnung subsumiert werden, diese Vergütungsordnung aber nicht die Vergütungsordnung ist, die als Teil der betrieblichen Lohngestaltung zur Anwendung gelangt (BAG, Beschluss v. 27.01.1987, AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972).
43 
2. Auch vorliegend streiten die Beteiligten nicht über die ausgeübte Tätigkeit der vom Antrag erfassten Arbeitnehmerin und deren Subsumtion unter bestimmte Tätigkeitsmerkmale. Zwischen den Beteiligten besteht vielmehr Streit darüber, ob - entsprechend der Auffassung der Arbeitgeberin - aufgrund Verschmelzung der S. GmbH auf die A. GmbH (u. a.) nach dem Grundsatz der Tarifeinheit der bisher anwendbare DLTV mit der Industriegewerkschaft Metall durch den ERTV abgelöst wurde oder aber - wie dies der Betriebsrat vertritt - der DLTV nach wie vor sowohl auf die Mitglieder der IG Metall als auch die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer zur Anwendung gelangt.
44 
Im Ergebnis ist der Antragstellerin zu folgen, wonach mit der Verschmelzung der S. GmbH auf die A. GmbH, anders als bisher, der ERTV zur Anwendung gelangt und sonach die Arbeitnehmer der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, soweit der Arbeitsvertrag dies zulässt, in den ERTV umzugruppieren waren.
45 
2.1. Zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass im Unternehmen der Antragstellerin seit der Verschmelzung der S. GmbH auf die A. GmbH, (u. a.) für die Eingruppierung maßgeblich, auf Seiten der Arbeitgeberin zwei Tarifverträge kollektivrechtliche Geltung beanspruchen.
46 
Die Verschmelzung der S. GmbH auf die A. GmbH führte zu einer Universalsukzession, so dass die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin der A. GmbH in die Stellung als Tarifvertragspartei der Firmentarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di eingetreten ist (vgl. im einzelnen BAG v. 24.06.1998 -4 AZR 208/97). Die Firmentarifverträge galten kollektivrechtlich weiter; sie sind von Gesetzes wegen auf die Antragstellerin übergegangen, die sonach im Wege der Rechtsnachfolge Partei des Firmentarifvertrags geworden ist (§ 20 ABs. 1 Satz 1 UmwG). Weil der Firmentarifvertrag kollektivrechtlich fort gilt, finden § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB wie auch die darauf beruhenden Regelungen der Sätze 3 und 4 daneben keine Anwendung (BAG 24.06.1998 aaO).
47 
Die Tarifverträge der Metallwirtschaft, insbesondere der DLTV, gelten auf Arbeitgeberseite kraft bisheriger Mitgliedschaft im tarifvertragsschließenden Verband der Metallindustrie in Verbindung mit § 3 Abs. 3 TVG.
48 
Damit ist die Antragstellerin kraft Tarifbindung sowohl an die TV-ver.di als auch an die Metall-TV, insbesondere in der Ausprägung des DLTV, gebunden.
49 
2.2. Weil sonach der Betrieb der Antragstellerin vom Geltungsbereich zweier konkurrierender Tarifwerke bzw., was konkret die Eingruppierung betrifft, von zwei Tarifverträgen erfasst wird, und die Antragstellerin an beide Tarifverträge gebunden ist, während für den jeweiligen Arbeitnehmer je nach Tarifbindung nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet, ist ein Fall der sogenannten Tarifpluralität gegeben. Je nach Tarifbindung des Arbeitnehmers im Betrieb müsste entweder der eine oder aber der andere Tarifvertrag zur Anwendung gelangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts soll jedoch in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag Anwendung finden, wobei unter mehreren Tarifverträgen nach dem Grundsatz der Spezialität dem sachnäheren Tarifvertrag der Vorzug zu geben ist. Da die gleichzeitige Anwendung konkurrierender Tarifverträge im selben Betrieb diesem Grundsatz der Tarifeinheit widersprechen würde, sind deshalb die Fälle der Tarifpluralität im Ergebnis nach den Regeln der Tarifkonkurrenz zu lösen (vgl. BAG vom 14.06.1989 -4 AZR 200/89 und vom 05.09.1990 -4 AZR 59/90).
50 
Der Grundsatz der Tarifeinheit hat zwar im Tarifvertragsgesetz keinen Niederschlag gefunden, folgt aber aus den übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Rechtliche und tatsächliche Unzuträglichkeiten, die sich aus einem Nebeneinander von Tarifverträgen in einem Betrieb ergeben, werden dadurch vermieden.
51 
Nur der betriebseinheitliche Vorrang des spezielleren Tarifvertrages ermöglicht eine rechtlich klare und tatsächlich praktikable Lösung. Wenn dadurch Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind, die den speziellen Tarifvertrag abgeschlossen hat, nicht ohne weiteres unter dessen Schutz fallen und insoweit ein "tariffreier Raum" entsteht, ist dies hinzunehmen. Ebenso wie bei einer Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG bei Bestehen einer tariflichen Regelung auch für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer ausgeschlossen werden, weil diese durch Beitritt zur tarifvertragsschließenden Gewerkschaft jederzeit den unabdingbaren Schutz der tariflichen Regelungen erlangen können, gilt dies entsprechend auch bei der Anwendung eines an die Tarifbindung des Arbeitgebers anknüpfenden Tarifvertrags. Durch Beitritt zur ver.di können die Arbeitnehmer, die bislang nicht an den Haustarifvertrag gebunden sind, dessen unabdingbaren Schutz verlangen (vgl. BAG v. 20.03.1991 -4 AZR 455/90).
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In der betriebseinheitlichen Anwendung des spezielleren Tarifvertrags ist kein Verstoß gegen die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit zu sehen. Zwar ist mit der aus dieser Vorschrift des Grundgesetzes hergeleiteten kollektiven Daseinsgarantie für Koalitionen untrennbar die Garantie verbunden, durch eine koalitionsmäßige Betätigung die dort genannten Zwecke verfolgen zu können, also die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern. Geschützt ist insoweit der Kernbereich eines Tarifvertragssystems, weil die Koalitionen andernfalls keine Möglichkeit haben, ihre Funktion, das Arbeitsleben im einzelnen durch Tarifverträge zu ordnen, sinnvoll erfüllen können. Denn Art. 9 Abs. 3 GG verbürgt verfassungskräftig gewerkschaftliche Betätigung jedenfalls nur insoweit, als diese für die Erhaltung und Sicherung der Existenz der Koalition als unerlässlich betrachtet werden muss. Das Grundrecht räumt den geschützten Personen und Vereinigungen nicht einen inhaltlich unbegrenzten und unbegrenzbaren Handlungsspielraum ein. Dieser Kernbereich wird aber durch den Grundsatz der Tarifeinheit und den der Spezialität bei weitem nicht berührt. Es bleibt jeder Koalition, deren Tarifvertrag durch einen spezielleren Tarifvertrag einer anderen Koalition verdrängt wird, unbenommen, ebenfalls einen solchen speziellen Tarifvertrag abzuschließen, dafür zu werben und sich entsprechend zu betätigen. Die Verdrängung eines Tarifvertrags durch einen anderen ist insoweit im übergeordneten Interesse der Rechtssicherheit hinzunehmen. Bei echten Tarifkonkurrenzen ist dies sogar unvermeidlich. Dadurch, dass die Gewerkschaft, deren Tarifvertrag verdrängt wird, nicht mehr unmittelbar Einfluss auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder nehmen kann, ist der Kernbereich der Koalitionsbetätigungsgarantie nicht berührt. Zum einen wird hierdurch nur ein geringer Teil des Geltungsbereiches eines Tarifvertrages betroffen, nämlich soweit Überschneidungen vorliegen. Außerdem wird ohnehin durch den Wettbewerb bestimmt, ob sich eine Koalition am Arbeitsleben behaupten kann (BAG vom 20.03.1991 aaO).
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2.3. Damit kommt in Fällen der hier vorliegenden Tarifpluralität unter Anknüpfung an die Tarifbindung des Arbeitgebers betriebseinheitlich nur ein Tarifvertrag zur Anwendung. Dabei gehen die TV-ver.di den TV-Metall als speziellere Regelungen vor und verdrängen damit die Metalltarifverträge. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt ein Firmentarifvertrag unabhängig von seinem Inhalt stets die speziellere Regelung dar (BAG v. 04.04.2001 -4 AZR 237/00). Bei den TV-Metall handelt es sich um Verbandstarifverträge, die sonach von den spezielleren Firmentarifverträgen verdrängt werden. Dies gilt auch und gerade für den DLTV, der mit dem ERTV - u.a. was die Eingruppierung betrifft - konkurriert, dies ungeachtet dessen, dass dieser Tarifvertrag sich seinem Geltungsbereich nach auf einzelne Unternehmen der tarifschließenden "Tarifgemeinschaft von Dienstleistungsunternehmen" beziehen. Dieser Umstand ändert nichts daran, dass der Ergänzungstarifvertrag seiner rechtlichen Einordnung nach einem Verbandstarifvertrag darstellt, zumal er seinem Inhalt nach gerade nicht nur auf ein einzelnes Unternehmen zugeschnitten ist, sondern geradezu den Anspruch erhebt, auf weitere Unternehmen erstreckt zu werden. Unabhängig davon ist aber auch die Gewerkschaft ver.di als Dienstleistungsgewerkschaft satzungsmäßig die fachnähere Gewerkschaft, denn die IG Metall hat nach ihrer Satzung lediglich eine Annexkompetenz für Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie anverwandte oder zugehörige Dienstleistungsunternehmen; der Abschluss des DLTV beruht denn auch historisch auf dem Umstand, dass die ehemalige Firma D. GmbH, Rechtsvorgängerin der Antragstellerin, ein Tochterunternehmen der AG war. Auch aus der satzungsmäßigen Zuständigkeit folgt insoweit die Spezialität der "ver.di Tarifverträge".
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2.4. Der Vorrang der ver.di Haustarifverträge ist vorliegend auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil es sich - so der Betriebsrat - um einen Fall der "gewillkürten Tarifpluralität" handele. Ein Fall der Willkür ist aus hiesiger Sicht nicht gegeben. Eine Willkür der Antragstellerin ist im Ansatz schon deshalb zweifelhaft, weil es sich bei der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin und der S. GmbH, die die Haustarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di geschlossen hat, um jeweils unterschiedliche juristische Personen, wenngleich unter einem Konzerndach verbunden, handelt; es kann aber schwerlich der Antragstellerin als "Willkür" ausgelegt werden, wenn ein Unternehmen, das auf sie verschmolzen wird, im Vorfeld der Verschmelzung Firmentarifverträge abschließt.
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Unabhängig davon ist aber auch ein Arbeitgeber, der an einen Verbandstarifvertrag gebunden ist, nicht gehindert, einen konkurrierenden und kraft Spezialität dann anwendbaren Firmentarifvertrag abschließen. Damit kann der Arbeitgeber zwar gegen Verbandspflichten verstoßen; der Tarifvertrag ist jedoch wirksam und geht aufgrund des Grundsatzes der Spezialität vor. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist gerade nicht gegeben (vgl. BAG vom 04.04.2001 -4 AZR 237/00). Wenn aber schon die Möglichkeit besteht, dass ein Arbeitgeber, der an einen Verbandstarifvertrag gebunden ist, einen spezielleren und damit nach dem Grundsatz der Tarifeinheit anwendbaren Haustarifvertrag zu schließen, dann muss dies erst recht gelten, wenn wie vorliegend die Haustarifverträge von einer anderen juristischen Person geschlossen worden sind, die dann im Wege der Umwandlung auf die Arbeitgeberin verschmolzen wird.
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2.5. Nach alledem haben die Haustarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di Vorrang vor den mit der Industriegewerkschaft Metall geschlossenen Metalltarifverträgen, insbesondere der ERTV vor dem DLTV; der ERTV ist insoweit als speziellere kollektive Lohn- und Gehaltsgruppenordnung im Betrieb der Antragstellerin anwendbar.
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Etwas anderes ergibt sich nicht etwa deshalb, weil die Antragstellerin durch Änderung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 missachtet hat. Dieses Mitbestimmungsrecht gilt nämlich nur, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Eben diese Voraussetzung ist vorliegend jedoch nicht gegeben, denn es besteht eine tarifliche Regelung.
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2.6. Jedenfalls auf tarifgebundene Arbeitnehmer finden sonach mit der Verschmelzung die ver.di Haustarifverträge, insbesondere aber der ERTV, Anwendung, in den dementsprechend die betroffenen Arbeitnehmer umzugruppieren waren, seien sie Mitglied der Gewerkschaft ver.di oder aber der IG-Metall.
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Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich für die vorliegend betroffenen Arbeitnehmerin C. S. auch nicht, wenn man unterstellt, sie gehörten keiner der o.g. Gewerkschaften an. Dann findet der ERTV jedenfalls aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.
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Die vertragliche Bezugnahme eines Tarifvertrages bewirkt - auch und gerade für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer - eine Geltung des in Bezug genommenen Tarifvertrags. Durch eine schuldrechtliche Abrede wird also die Gleichstellung tarifgebundener und nichttarifgebundener Arbeitnehmer erreicht. Damit ist aber die vertragliche Bezugnahme eines Tarifvertrags letztlich eine von mehreren Arten, die Bindung an einen Tarifvertrag zu bewirken. Der einzige Unterschied zur beiderseitigen Tarifbindung bzw. zur Allgemeinverbindlichkeit besteht darin, dass durch die vertragliche Bezugnahme eines Tarifvertrags keine zwingende Geltung des Tarifvertrags eintritt. Auch die vertragliche Vereinbarung der Geltung eines Tarifvertrags kann deshalb zum Entstehen einer Tarifkonkurrenz oder einer Tarifpluralität führen. Für deren Lösung ist aber der Ursprung der Tarifgeltung nicht von Bedeutung. Wenn also nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz der speziellere Tarifvertrag einem anderen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag, der gemäß § 5 Abs. 4 TVG unmittelbar und zwingend auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer gilt, verdrängen kann, so muss dies genauso für einen kraft vertraglicher Bezugnahme geltenden, also nicht gemäß § 4 Abs. 1 TVG zwingend geltenden Tarifvertrag zutreffen. Etwas anderes könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die vertragliche Bezugnahme erst und trotz Inkrafttreten des spezielleren Tarifvertrags erfolgt ist oder aber -abweichend von den übrigen Arbeitsverhältnissen -im Einzelfall auf einen branchenfremden Tarifvertrag Bezug genommen wurde. Nur in diesen Sonderfällen könnte u. U. auf den Willen der Parteien geschlossen werden, im Betrieb nebeneinander zwei Tarifverträge zur Anwendung zu bringen (vgl. dazu BAG vom 20.03.1991 -4 AZR 455/90).
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Für die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG ist insoweit kein Raum. Dieses stellt eine Kollisionsregel für das Verhältnis von schwächeren zu stärkeren Rechtsnormen dar und kann deshalb nicht angewendet werden, wenn mehrere tarifliche und damit gleichrangige Regelungen zusammentreffen. Gerade dies ist aber bei Tarifkonkurrenzen der Fall. In derartigen Fällen ist zu entscheiden, welcher Tarifvertrag Anwendung findet. Ob die jeweilige Geltung des Tarifvertrags auf Organisationszugehörigkeit, Allgemeinverbindlichkeit oder schuldrechtlicher Vereinbarung beruht, hat insoweit keine Bedeutung. In jedem Falle hat der Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis unmittelbare Geltung, so dass nicht vertragliche und tarifliche Regelungen miteinander konkurrieren, sondern nur tarifliche und damit ranggleiche Regelungen. Deren Kollision ist aber nicht nach dem Günstigkeitsprinzip sondern nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz zu lösen. (BAG vom 20.03.1991 aaO).
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Weil im Falle der Arbeitnehmerin C. S. ein Sonderfall im vorgenannten Sinne nicht gegeben ist, sondern zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart ist, dass "die für die Gesellschaft geltenden, betrieblich-fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung finden", woraus deutlich wird, dass derjenige Tarifvertrag zur Anwendung gelangen soll, der auch auf organisierte Arbeitnehmer zur Anwendung gelangt, findet auf das Arbeitsverhältnis mit Frau S. jedenfalls aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der ERTV Anwendung.
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2.7. Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass die zwischen Frau S. und der Antragstellerin vereinbarte Bezugnahmeklausel wegen Verstoßes gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist.
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Weil der Arbeitsvertrag umfassend auf die für die Gesellschaft geltenden, betrieblichen und fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Bezug nimmt, Tarifverträge aber gemäß § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB gleichstehen, die ihrerseits keiner Inhaltskontrolle unterliegen, unterliegt auch die vorliegende Gleichstellungsabrede selbst, die den Arbeitnehmer einem tarifgebundenen Arbeitnehmer gleichstellen soll, keiner Inhaltskontrolle im Sinne von § 307 Abs. 1, 2 BGB. Denn in § 307 Abs. 3 BGB ist ausdrücklich geregelt, dass § 307 Abs. 1 und 2 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Bezugnahmeklausel in ihrer Dynamik den Arbeitnehmer im Unklaren über die zukünftig geltende Regelung lässt. Auch hieraus kann jedoch keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers hergeleitet werden, gilt für ihn doch über die Bezugnahmeklausel nur das, was für die organisierten Arbeitnehmer ohnehin gilt. In der Gleichstellung der nichtorganisierten mit den organisierten Arbeitnehmern kann - dies liegt auf der Hand - keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers liegen. "Jeweiligkeitsklauseln", also Gleichstellungsabreden, genügen sonach dem Transparenzgebot, wenn sie bei Vertragsschluss den jeweils anzuwendenden Tarifvertrag bestimmbar festlegen, so dass zu jedem Zeitpunkt der Vertragsdurchführung bestimmt werden kann, welches Regelwerk gilt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben; die Klausel verweist auf den für die Gesellschaft geltenden, betrieblich-fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung; eine Bestimmbarkeit, die zu trennen ist von der Frage, ob die Bestimmung rechtlich einfach ist, ist damit gegeben.
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Die Bezugnahmeklausel ist auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil es sich insoweit um eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB handelt. Der Anwendungsbereich des § 305 c Abs. 1 BGB ist von vornherein nicht erschlossen, weil die Klausel Teil eines im o.g. Sinne privilegierten Bezugsobjekts ist. Im übrigen liegt die Verwendung einer Verweisungsklausel an sich, insbesondere aber die Gleichstellungsabrede, grundsätzlich im Rahmen dessen, was nach den Umständen in Arbeitsverträgen erwartet werden kann; Bezugnahmen auf Tarifverträge finden sich in ca. 90 % der Arbeitsverträge. Eine Bezugnahmeklausel kann insoweit allenfalls dann überraschend sein, wenn der bzw. die in Bezug genommene(n) Tarifvertrag/Tarifverträge objektiv ungewöhnlich und subjektiv überraschend ist/sind. Dies ist bei der Bezugnahme auf den jeweils geltenden, fachlich-betrieblich einschlägigen Tarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung nicht anzunehmen, denn mit der Anwendbarkeit dieses Tarifvertrags muss der Arbeitnehmer rechnen.
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Nach alledem war, nachdem der Betriebsrat - abgesehen von der Anwendbarkeit des maßgeblichen Tarifvertrags - keine weiteren Zustimmungsverweigerungsgründe im Sinne von § 99 Abs. 2 BetrVG innerhalb der Frist geltend gemacht hat, die begehrte Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin C. S. zu ersetzen.
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Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei, § 12 Abs. 5 ArbGG.

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