Urteil vom Arbeitsgericht Ulm - 1 Ca 201/03

Tenor

I.    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Vergütung nach Maßgabe der Tarifgruppe E 6, sowie der Entgeltgarantie gem. § 9 BETV E6/4J. des Vergütungstarifvertrages für die Beschäftigten der Chemischen Industrie Nordrhein vom 1.5.2003 seit dem 1.5.2003 zu bezahlen.
II.   Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III.  Der Streitwert wird auf 3.180,64 EUR festgesetzt.
IV.   Soweit die Berufung nicht kraft Gesetzes zulässig ist, wird sie gesondert zugelassen.

gez. Bierer

gez. Dr. Bayreuther

gez. Schöntag

Tatbestand

 
Die Parteien streiten, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine Tariflohnerhöhung an die Klägerin weiterzugeben.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte in deren Betrieb in Erbach tätig. Vom 1.4.1998 bis einschließlich zum 1.1.2002 war sie bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma ... im selben Betrieb beschäftigt.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war am Standort der Gesellschaft in 50170 Kerpen im Arbeitgeberverband der Chemischen Industrie im Bezirk Köln e. V. organisiert. Entsprechend war sie an diesem Standort an die durch diesen Verband abgeschlossenen Tarifverträge (Tarifverträge für die Beschäftigten der Chemischen Industrie in Nordrhein) normativ gebunden.
Im Arbeitsvertrag (Ziffer 10, Bl. 10 d. A.) vereinbarten die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Klägerin:
"Im Übrigen gelten für das Anstellungsverhältnis (...) die gesetzlichen Bestimmungen, die am Sitz der Firma geltenden Tarifverträge der Chemischen Industrie und die Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung."
Mit Ergänzungsvereinbarung vom 1.5.1999 (Bl. 11 d. A.) wurde zudem vereinbart, dass die Klägerin ein monatliches Gehalt nach der "Tarifgruppe E 6" jenes Tarifvertrags erhalten solle.
Mit Schreiben vom Juni 1999, Juni 2000, Mai 2001 und letztmalig vom 20.4.2002 (Bl. 12 ff. d. A.) wurde die Klägerin jeweils darüber informiert, dass ihr Gehalt
"in Anlehnung an die Bestimmungen der Tarifverträge für die Chemische Industrie in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln"
entsprechend den jeweils durch die Tarifpartner vereinbarten Tariflohnerhöhungen erhöht wurde.
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Zudem wurde zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Klägerin im Juni 2000, nachdem es zwischen beiden zu Differenzen über die Berechnung des Gehalts der Klägerin gekommen war und insoweit im Raum stand, dass die Klägerin einer freien Gehaltsvereinbarung unterliegen könnte, eine Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag geschlossen (Bl. 15 d. A.). In dieser erklärte sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten gegenüber der Klägerin dahingehend, dass die Besoldung der Klägerin
11 
"mit Wirkung vom 1.5.2000 durch Eingruppierung in den Entgelttarifvertrag der Chemischen Industrie korrigiert (wurde)."
12 
Des Weiteren wurde der Klägerin seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausdrücklich und explizit zugesichert:
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"Diese Eingruppierung (...) sichert Ihnen derzeit und zukünftig alle tariflichen Rechte als Arbeitnehmerin."
14 
Mit Wirkung vom 1.1.2002 erwarb die Beklagte das Unternehmen der ..., mit der Folge, dass der Beschäftigungsbetrieb der Klägerin im Wege eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte überging.
15 
Die Beklagte ist nicht tariflich gebunden. Die Beklagte ist lediglich Mitglied im Arbeitgeberverband Mitte e. V., in diesem jedoch ohne Tarifbindung. Mit Schreiben vom 30.1.2002 kündigte sie zudem die Mitgliedschaft des erworbenen Unternehmensträgers ... im tarifschließenden Arbeitgeberverband Nordrhein. Mit Schreiben vom 5.2.2002 bestätigte dieser die Kündigung mit Wirkung zum 31.12.2002.
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Im Jahr 2003 verweigerte die Beklagte der Klägerin die Gehaltserhöhung nach jenem Tarifvertrag (Erhöhung des Grundgehalts der Klägerin in Höhe von 2.181,00 EUR um 2,6 %). Zudem gab sie weder die Entgeltgarantie gemäß § 9 BETV E 6/2 J. (123,00 EUR brutto/Jahr) noch die tarifliche Einmalzahlung in Höhe von 40,00 EUR an die Klägerin weiter.
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Die Klägerin ist der Meinung, sie sei weiterhin entsprechend der Tarifgruppe E 6 des Tarifvertrags für die Beschäftigten der Chemischen Industrie Nordrhein in der jeweils gültigen Fassung zu entlohnen. Ihr sei nämlich zugesichert worden, dass dieser Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finde. Sie beantragt daher zu erkennen:
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Vergütung nach Maßgabe der Tarifgruppe E 6, sowie der Entgeltgarantie gem. § 9 BETV E6/4J. des Vergütungstarifvertrages für die Beschäftigten der Chemischen Industrie Nordrhein vom 1.5.2003 seit dem 1.5.2003 zu bezahlen.
19 
Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
21 
Sie hält die Rechtsmeinung der Klägerin für unzutreffend. Die fraglichen Vertragsabreden der Klägerin wirkten sich lediglich als dynamische Gleichstellungsklauseln. Mit ihnen sollten im Unternehmen ihrer Rechtsvorgängerin lediglich tarifgebundene und tarifungebundene Arbeitnehmer gleichgestellt werden. Nachdem eine solche Gleichstellung auf Grund des Betriebsübergangs und zusätzlich des seitens der Beklagten erklärten Verbandsaustritts nicht mehr möglich sei, verliere diese Klausel zwangsläufig ihre Dynamik. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe daher nur solange an der Tarifentwicklung teilgenommen, solange der Tarifvertrag bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten normativ gegolten habe. Folglich komme es für ihr Arbeitsverhältnis zu einem statischen Einfrieren der Arbeitsbedingung auf dem Stand des Tarifvertrags zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs.
22 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
23 
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
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Die Klage ist zulässig. Namentlich besteht für den erhobenen Feststellungsantrag das nach § 256 ZPO notwendige Feststellungsinteresse. Zwar fehlt es einer Feststellungsklage regelmäßig dann am notwendigen Feststellungsinteresse, wenn eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist. Ausnahmsweise ist ein Feststellungsinteresse aber dann zu bejahen, wenn der Kläger seine Leistungsklage zur Zeit noch nicht eindeutig beziffern kann, weil ihm die weitere Konkretisierung des festzustellenden Anspruchs Schwierigkeiten bereitet und schon das Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung führen wird, namentlich weil der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf das Feststellungsurteil hin leisten wird (s. Zöller/Greger, § 253 RdNr. 8, jüngst auch: BGH v. 15.5.2003, I ZR 277/00 n.V.; BAG v. 05.11.1964, 5 AZR 405/63, BAGE 16, 293 = NJW 1965 787; BAG v. 19.4.1994, 9 AZR 462/99, AP Nr. 2 zu § 74 SGB V = NZA 1995, 123; BAG v. 23.7.1987, 8 AZR 20/86, AP Nr. 11 zu § 7 BUrlG).
25 
Das ist hier der Fall. Der Klägerin konnte nicht zugemutet werden, den Zeitraum, für den sie die im Jahr 2003 eingetretene Tariflohnerhöhung beansprucht, konkret zu benennen. Denn sie ist naturgemäß nicht in Kenntnis darüber, wann ein neuer Tarifvertrag geschlossen werden wird. Für sie kommt es zudem nicht darauf an, dass ihr für die zurückliegenden Monate die Differenz zwischen dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Tariflohn und dem aktuellen Tarifstandard gewährt wird. Vielmehr richtet sich ihr Interesse auf die grundsätzliche Feststellung, dass sie an der letzten Tariflohnerhöhungen teilnimmt.
26 
Umgekehrt war es ihr dann aber auch nicht möglich, einen noch weitergehenden Feststellungsantrag dahingehend zu erheben, dass die fragliche Klausel generell dynamisiert, also, dass ihr Arbeitsverhältnis sich ganz allgemein nach den Rechtsnormen des einschlägigen Tarifvertrags in seiner jeweiligen Fassung richtet. Denn ein solcher Antrag müsste zwangsläufig unbestimmt ausfallen. Die Klägerin kann nämlich die genaue Bezeichnung bzw. Bezifferung der einzelnen Tarifnormen und Ergänzungsvereinbarungen zum Tarifvertrag, die durch die Tarifparteien in Zukunft getroffen werden, zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht kennen und daher nicht benennen.
27 
Zudem ist anerkannt, dass die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann, obwohl es sich dabei nicht um das Rechtsverhältnis der Partei insgesamt, sondern nur um einen Teil dieses Rechtsverhältnisses handelt (so explizit in Bezug auf den Streit um die dynamisierende Wirkung einer Bezugnahmeklausel: BAG v. 26.9.2001, 4 AZR 544/00, BAGE 99, 120 = NZA 2002, 634).
II.
28 
Die Klage ist begründet. Die tarifliche Gehaltserhöhung per 1.5.2003 ist nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. mit den im Arbeitsvertrag vom 1.4.1998 und den späteren Ergänzungsvereinbarungen enthaltenen Bezugnahmeklauseln auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwenden.
29 
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Klägerin vereinbarten sowohl im Arbeitsvertrag vom 1.4.1998, als auch mit den Ergänzungsvereinbarungen vom 1.6.1999 und 2.6.2000 (Bl. 10 und 15 d. A.) dynamische Bezugnahmeklauseln. Mithin findet der Tarifvertrag für die Beschäftigten in der chemischen Industrie in Nordrhein in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung auf das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin. Die Beklagte ist nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB an diese Abreden in vollem Umfang gebunden.
30 
Hieran ändert nichts, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten normativ tarifgebunden war und ihr Betrieb per 1.1.2002 auf die nichttarifgebundene Beklagte überging. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte zum 31.12.2002 die Mitgliedschaft des Beschäftigungsbetriebs der Klägerin im tarifschließenden Arbeitgeberverband kündigte, folgt nichts anderes.
31 
Die Beklagte beruft sich insoweit zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag typischerweise als Gleichstellungsabrede zu bewerten sei, so dass diese bei einem Verbandsaustritt des Arbeitgebers ihre dynamisierende Wirkung verliert (BAG v. 26.9.2001, 4 AZR 544/00, aaO; BAG v. 20.2.2002, 4 AZR 741/00, n.V.; BAG v. 20.2.2002, 4 AZR 524/00, n.V.; BAG v. 21.8.2002, 4 AZR 263/01, AP Nr. 21 zu § 157 BGB = NZA 2003, 442; BAG v. 16.10.2002, 4 AZR 467/01; BAG v. 16.10.2002, 4 AZR 467/01, AP NR. 22 zu § 1 TVG Bezugnahme = DB 2003, 617; BAG v. 27.11.2002, 4 AZR 540/01 und 4 AZR 662/01, z. Veröffentlichung vorgesehen; BAG v. 19.3.2003, 4 AZR 331/02 u. 332/02 n.V.).
32 
Ebensowenig konnte der von der Beklagten gegebene Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Erfolg führen, wonach der Betriebsübernehmer bei fehlender eigener Tarifgebundenheit die tarifvertraglichen Bestimmungen in Folge eines Betriebsübergangs nur mit dem Inhalt anzuwenden habe, den diese im Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatten (BAG v. 21.8.2002, 4 AZR 263/01, aaO; BAG v. 16.10.2002, 4 AZR 467/01, aaO).
33 
Zutreffend ist zwar, dass das Bundesarbeitsgericht in jüngster Zeit mehrfach entschieden hat, dass eine von einem organisierten Arbeitgeber abgeschlossene Bezugnahmeklausel "in aller Regel" sich nur als vertragliche Gleichstellungsabrede erweise, die lediglich eine Gleichstellung von Gewerkschaftsmitgliedern und Tarifaußenseitern im Unternehmen bewirken soll. Sie könne daher nur die Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers, nicht aber die fehlende Tarifbindung des Arbeitgebers ersetzen. Verliere der Arbeitgeber seine Tarifbindung, etwa weil er aus dem tarifschließenden Verband austritt oder weil der Betrieb auf einen nicht gebundenen Erwerber übergeht, so verliere auch die Bezugnahmeklausel ihre Dynamik. Sie könne ihren Gleichstellungszweck nämlich nicht mehr erfüllen, weil künftige Tarifabschlüsse im Betrieb nicht mehr tarifrechtlich gelten könnten. Folglich komme es auch zu einem Einfrieren der Arbeitsbedingung auf dem zum Zeitpunkt des Verbandsaustritts bzw. des Betriebsübergangs geltenden Stand.
34 
Dessen ungeachtet dynamisiert die im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilende Klausel aber trotz des erfolgten Betriebsübergangs auf die Beklagte und trotz deren "Austritts" aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband auch weiterhin. Denn auf Grund der besonderen Eigenheiten des vorliegenden Falles scheidet eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die zur Diskussion stehende Bezugnahmeklausel aus.
35 
Denn das Bundesarbeitsgericht ist zwar der Ansicht, dass Bezugnahmeklauseln "in aller Regel" als bloße Gleichstellungsabreden zu bewerten seien. Doch erkennt es ausdrücklich an, dass sich aus der vertraglichen Vereinbarung selbst oder aus den Umständen bei Vertragsschluss durchaus etwas anderes ergeben kann. Das ist hier der Fall.
36 
1.    Nach §§ 133, 157 BGB sind Bezugnahmeklauseln so auszulegen, wie sie die Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zwar zunächst von ihrem Wortlaut auszugehen. Doch sind zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände bei der Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Insoweit hatte die Kammer dann zu beurteilen, wie die Klägerin unter Berücksichtigung aller ihr erkennbaren Umstände bei gehöriger Aufmerksamkeit die fraglichen Abreden verstehen konnte und durfte.
37 
Die Klägerin ist nach ihrem im Termin unwidersprochen gebliebenen Vortrag bei Vertragsschluss jedenfalls rein tatsächlich davon ausgegangen, dass ihr auf Grund der Bezugnahmeklausel stets und ohne jeden Gleichstellungsvorbehalt das jeweilige Tarifniveau gewährt werden würde. Darüber hinaus konnte, durfte und musste sie aber auch auf Grund ihres objektiven Empfängerhorizonts hiervon ausgehen.
38 
a)    Anders als in den durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen handelt es sich bei der vorliegenden Klausel nämlich bereits nicht um eine vom Arbeitgeber vorformulierte und standardisiert verwendete Bezugnahmeklausel, die an hinterer Stelle lediglich als eine Bestimmung von vielen Eingang in den Arbeitsvertrag findet und mit der – meist ohne jeglichen eigenen Aussagewert – lediglich "ergänzend" auf den fraglichen Tarifvertrag hingewiesen wird. Das zeigt ein Vergleich zwischen der vorliegenden Abrede und den Bezugnahmeklauseln sehr deutlich, die das Bundesarbeitsgericht in den einschlägigen Entscheidungen zu bewerten hatte (s. insbesondere die Tatbestände der Entscheidungen vom 26.9.2001, 20.2.2002, 21.8.2002 und 25.9.2002, alle aaO).
39 
Ganz im Gegensatz dazu wurden zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Klägerin mit den Schreiben vom 1.5.1999 und vor allem vom 2.6.2000 jeweils individuelle Verhandlungen geführt und folglich auch individuelle Vereinbarungen getroffen.
40 
Schon deshalb konnte die Kammer die fragliche Klausel nicht auf Grund von vorstrukturierten arbeitsrechtlichen Bedingungen beurteilen, auf die sich der Arbeitnehmer – nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts – regelmäßig ungeachtet seines subjektiven Verständnishorizonts und ungeachtet des Wortlauts der vertraglichen Vereinbarung verweisen lassen muss. Vielmehr hatte die Kammer alleine auf das durch die Parteien wirklich und tatsächlich Erklärte abzustellen.
41 
b)    Erheblich gegen die Rechtsauffassung der Beklagten spricht dann auch, dass Anlass und Zweck insbesondere der letzten Vereinbarung vom 2.6.2002 es ausschließlich war, die zuvor eingetretene Unsicherheit über die der Klägerin zu gewährende Vergütung zu beseitigen. Angestrebt war eindeutig, dass die Entlohnung der Klägerin auf eine – so wörtlich – "befriedigende" Basis gestellt werden sollte. Danach hatte die Klägerin noch nicht einmal annäherungsweise davon ausgehen müssen, dass ihr damaliger Arbeitgeber – entgegen dem ausdrücklich erklärten Regelungszweck – lediglich eine Gleichstellung der Klägerin mit den organisierten Arbeitnehmern im Betrieb angestrebt habe, was dieser erkennbar ja auch gar nicht gewollt hatte.
42 
c)    Weiteres hierzu tut die Häufigkeit, aber auch die besondere – und insoweit völlig ungewöhnliche – sprachliche Klarheit und Eindringlichkeit der jeweils verabredeten Bezugnahmeklauseln. Namentlich im Schreiben vom 2.6.2000 wurde der Klägerin nämlich explizit und unmissverständlich zugesichert, dass ihr "derzeit und künftig" alle tariflichen Rechte gewährt werden sollen. Ein irgendwie dahingehender Vorbehalt, dass dies nur solange gelten solle, solange ihr Arbeitgeber tarifgebunden ist, ist nicht ersichtlich und war offensichtlich auch nicht angestrebt.
43 
d)    Selbst wenn man also mit dem Bundesarbeitsgericht davon ausgehen wollte, dass die "arbeitsrechtlich vorstrukturierten" Bedingungen bei Vertragsschluss es rechtfertigten, bei der Auslegung von Bezugnahmeklauseln im Sinne einer Gleichstellungsabrede primär auf die typischerweise vorliegende Zweckbestimmung der Bezugnahme und damit auf die üblicherweise gegebenen Interessen und Vorverständnisse abzustellen, so könnte nach der Auffassung der Kammer die vorliegende Bezugnahmeklausel jedenfalls nicht ohne Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB als bloße Gleichstellungsabrede bewertet werden. Denn vorliegend war eine solche weder gewollt noch verabredet.
44 
2.    Selbst wenn man dem nicht folgen würde und insgesamt davon ausgehen wollte, dass dynamische Bezugnahmeklauseln sich ohne Wenn und Aber stets als bloße Gleichstellungsabreden erweisen, so wäre das Ergebnis kein anderes.
45 
Denn die Kammer hätte dann zu berücksichtigen gehabt, dass die Beklagte der Klägerin im April 2002 – also nach erfolgtem Betriebsübergang – selbst erklärt hat, dass sie ihr Arbeitsbedingungen "in Anlehnung an die Bestimmungen der Tarifverträge der Chemischen Industrie in Düsseldorf und Köln" gewähren will (s. Schreiben vom 20.4.2002, Bl. 18 d. A.), und ihr dann auch tatsächlich das aktuelle Tarifniveau hat zukommen lassen.
46 
a)    Unterstellt man nämlich, dass es sich bei den fraglichen Regelungen tatsächlich nur um Gleichstellungsabreden gehandelt hätte, so hätte die Beklagte zwar in der Tat die tarifvertraglichen Bestimmungen nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB nur mit dem Inhalt übernommen, den diese im Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatten. Wenn die Beklagte der Klägerin dann aber mit Schreiben vom 20.4.2002 erklärte, dass sie die Klägerin dessen ungeachtet auch weiterhin in Anlehnung an die aktuell geltenden Tarifbestimmungen entlohnen möchte, so konnte die Klägerin dies nur dahingehend verstehen, dass die Beklagte will, dass die fragliche Bezugnahmeklausel auch weiterhin dynamisiert, so wie das auch bislang der Fall war.
47 
b)    Diese durch die Beklagte letztlich selbst begründete dynamisierende Wirkung der Bezugnahmeklausel konnte die Beklagte dann auch nicht mehr durch ihren bloßen Verbandsaustritt zum 31.12.2002 abschütteln, und zwar selbst dann nicht, wenn man insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht folgen würde.
48 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag aber nur dann als Gleichstellungsabrede zu bewerten, wenn der Arbeitgeber bei Abschluss des Vertrages selbst normativ an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebunden ist (BAG vom 25.9.2002, 4 AZR 294/01, 4 AZR 295/01, NZA 2003, 807 = DB 2003, 1280). Verwendet dagegen ein unorganisierter Arbeitgeber eine Bezugnahmeklausel, so kann diese nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerade nicht als Gleichstellungsabrede ausgelegt werden, weil in dessen Betrieb eine Gleichstellung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern von vorne herein nicht möglich ist. In der Folge dynamisiert die von einem nicht organisierten Arbeitgeber verwendete Bezugnahmeklausel ohne ersichtliche Grenzen weiter. Will der Arbeitgeber diese abschütteln, so muss er in Verhandlungen mit seinen Arbeitnehmern treten oder gegen diese eine Änderungskündigung durchsetzen (BAG vom 25.9.2002, 4 AZR 294/01, 4 AZR 295/01, aaO).
49 
So liegen die Dinge hier. Die Beklagte war nach eigenem Vortrag nicht im tarifschließenden Arbeitgeberverband organisiert und damit zu keinem Zeitpunkt selbst normativ an den fraglichen Tarifvertrag gebunden. Auch hat sie nicht die normative Tarifbindung ihrer Rechtsvorgängerin durch den Erwerb des fraglichen Betriebs übernommen. Denn der Betriebsübernehmer kann die Tarifbindung des Betriebsveräußerers nicht übernehmen, wenn er nicht selbst tarifgebunden ist. Die Tarifbindung hängt nämlich originär an der Mitgliedschaft des jeweiligen Unternehmensträgers im tarifschließenden Arbeitgeberverband: § 3 Abs. 1 TVG. Zwar kann (unter Umständen) die Mitgliedschaft des Betriebsveräußerers im tarifschließenden Verband in vereinsrechtlicher Hinsicht auf einen Betriebsübernehmer übergehen. Wie § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB jedoch unmissverständlich klarstellt, geht die normative Tarifbindung des Veräußerers aber niemals auf den Übernehmer über, wenn dieser nicht selbst Verbandsmitglied ist. Dies folgt bei einer bloßen Einzelrechtsnachfolge zwingend aus der in Art. 9 Abs. 3 GG verankerten negativen Koalitionsfreiheit des Betriebsübernehmers (herrschende Meinung, siehe nur: Wiedemann/Oetker, TVG, § 3 Rdnr. 79 m. w. N.; Löwisch/Rieble, TVG § 3 Rdnr. 49 und 81 ff. m. w. N.). Der zum 31.12.2002 erklärte Verbandsaustritt beseitigte folglich nur die vereinsrechtliche Mitgliedschaft des übernommenen Betriebs beim tarifschließenden Arbeitgeberverband.
50 
Ansonsten aber machte die Beklagte von der fraglichen Abrede als unorganisierter Arbeitgeber Gebrauch. Notwendigerweise konnte sie sich der dadurch bekräftigten dynamischen Tarifbindung dann auch nicht mehr durch den vermeintlichen Verbandsaustritt zum 31.12.2002 entledigen. Dieser ging im Hinblick auf die rein schuldrechtliche Tarifbindung der Beklagten vielmehr ins Leere.
51 
3.    Nachdem die streitgegenständliche Vereinbarung selbst unter Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohne Weiteres als "ständig" dynamisierende Bezugnahmeklausel auszulegen gewesen wäre, hätte die Kammer letztlich offen lassen können, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist.
52 
Die Kammer führt insoweit jedoch vorsorglich aus, dass sie der Auffassung ist, dass die Bedenken an der einschlägigen Senatsrechtsprechung überwiegen. Sie kann sich insoweit auf die fast einhellig im Schrifttum vertretene Meinung stützen, die dieser Rechtsprechung mit Vehemenz entgegentritt und zudem auf die abweichende Rechtsprechung zahlreicher Instanzgerichte zurückgreifen (Hanau/Kania, in: Festschrift Schaub, S. 239ff.; Thüsing, EWiR 2003, 687; ders., EWiR 2003, 317; ders., AP Nr. 21 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Thüsing/Lambrich, RdA 2002, 193ff.; dies., NZA 2002, 1361, 1368; Lambrich, BB 2002, 1267ff.; B. Gaul, DB 2000, 1086, 1087f.; Waas, Anm. zu BAG AP Nr. 12 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Reichold, EWiR 2003, 319; Reichel, AuA 2002, 445; Rieble, EzA § 4 TVG Beschäftigungssicherung Nr. 7, unter I.3.; Annuß, BB 1999, 2558ff.; ders., ArbuR 2002 361, 364; Däubler, BB 2002, 1643f.; ders., RdA 2002, 303; Stein, Anm. zu BAG AP Nr. 13 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Melms, NZA 2002, 296, 299; Seitz/Werner, NZA 2000, 1257, 1261; Fischer, FA 2001, 2ff.; Preis, Arbeitsvertrag, 2002, II V 40, Rn. 3; Reichel, Die arbeitsvertragliche Bezugnahme, 2001, S. 82; LAG Hamburg v. 15. 11. 2000, NZA 2001, 562 = LAGE § 3 TVG Bezugnahme auf TV Nr. 8; LAG Düsseldorf v. 23. 2. 2000, DB 2000; LAG Düsseldorf v. 25. 7. 2001 – 12 Sa 353/01, n.v.; LAG Hamm v. 1. 2. 2001 – 8 Sa 1439/00, NZA-RR 2000, 93; LAG Rostock v. 27. 8. 2001, 5 Sa 279/00, n.v.).
53 
Die Kammer weist daher ergänzend darauf hin, dass sie der Auffassung ist, dass der vorliegende Fall selbst dann nicht anders hätte entschieden werden können, wenn man nicht der Meinung wäre, dass er sich auf Grund der vorstehend geschilderten Besonderheiten deutlich von der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht abhebt.
54 
Nach Meinung der Kammer drängt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich – wie gerade der vorliegende Fall nachdrücklich zeigt – die anerkannten Auslegungsmethoden und damit die Regelungen der §§ 133 und 157 BGB zu sehr in den Hintergrund.
55 
Denn der Wortlaut der streitgegenständlichen Vertragsabreden ist eindeutig. Er bildet zwar nur einen Anhaltspunkt für deren Auslegung. Deshalb durfte die Kammer dann zwar in der Tat nicht alleine auf den Wortlaut der streitgegenständlichen Abreden abstellen. Vielmehr hatte sie nach dem wirklich von den Parteien Gewollten zu fragen. Gerade dann aber ist die Willenserklärung der Rechtsvorgängerin der Beklagten wie erläutert auszulegen. Denn die Klägerin konnte, musste und durfte diese nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und aller ihr erkennbaren Umstände nur als "ständig" dynamisierende Bezugnahmeklausel und gerade nicht als Gleichstellungsabrede verstehen. Die Kammer zeigt sich daher zurückhaltend, wenn ihr auferlegt werden soll, dementgegen Vertragsabreden nicht mehr nach dem Empfängerhorizont, sondern nach (vermeintlich) "arbeitsrechtlich vorstrukturierten Bedingungen" abstrakt auszulegen. Denn das läuft auf eine weithin verobjektivierende Auslegung hinaus, auf Grund derer die höchstrichterliche Rechtsprechung schlicht zum Empfängerhorizont der Klägerin deklariert würde.
56 
Bedenklich wäre nach Auffassung der Kammer auch, dass derart das (mögliche) Motiv vieler Arbeitgeber zur Verwendung einer Bezugnahmeklausel, nämlich eine Gleichstellung von organisierten und unorganisierten Arbeitnehmern herbeizuführen, zum Vertragsinhalt selbst erhoben würde. Das erscheint im vorliegenden Fall umso bedenklicher, als dem früheren Arbeitgeber der Klägerin selbst ein dahingehendes Motiv fehlte. Das Bundesarbeitsgericht unterstellt mithin mit dem Hinweis, dass Arbeitgeber mit Bezugnahmeklauseln mehr oder weniger häufig einen Gleichstellungszweck verfolgen, sämtlichen Vertragsparteien ein solchen Regelungswillen. Das wirkt sich besonders gravierend aus, wenn – wie hier der Fall – der Arbeitgeber bei Vertragsschluss keinen Gleichstellungszweck verfolgte, im Nachhinein dann aber behauptet er (bzw. sein Rechtsvorgänger) habe einst einen solchen verfolgt, weil er der einst begründeten schuldrechtlichen Tarifbindung auf zwanglose Weise entfliehen will. Zudem wäre bedenklich, dass die Klägerin bei den verschiedenen Vertragsverhandlungen hätte darauf bestehen müssen, dass in den einzelnen gewechselten Schreiben explizit festgeschrieben wird, dass die fragliche Klausel auch im Fall eines Verbandsaustritts ihres Arbeitgebers oder eines Betriebsübergangs an einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber weiterhin dynamisiert. Das aber wäre der Klägerin nicht zumutbar, vor allem aber nicht möglich gewesen. Denn dazu hätte sie wissen müssen, dass ihr einstiger Arbeitgeber tarifgebunden war und zudem, dass bei diesem organisierte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dass aber hat sie nach ihrem im Termin unwidersprochen gebliebenen Vortrag gerade nicht gewusst. Sie hätte also ihren Arbeitgeber explizit danach fragen müssen, was ihr ebenfalls nicht zumutbar gewesen wäre. Im Übrigen bliebe unklar, warum sie ihn hätte überhaupt danach fragen sollen, wenn ihr die Bezugnahmeklausel doch zusicherte, dass das einschlägige Tarifwerk in seiner jeweils aktuellen Fassung den Inhalt ihres Tarifvertrags "in aller Zukunft" bestimmen soll.
57 
Die Kammer vermag schließlich auch nicht die Konsequenz zu ziehen, die das Bundesarbeitsgericht aus seiner Gleichstellungsannahme zieht. Das Bundesarbeitsgericht ist insoweit der Meinung, dass nach dem Verlust der Tarifbindung durch den Arbeitgeber auch eine dynamische Bezugnahmeklausel ihre Wirkung verliere. Das ergebe sich daraus, dass nach dem Verbandsaustritt künftige Tarifverträge im Betrieb keine normative Anwendung finden würden, so dass tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer nicht mehr gleichgestellt werden könnten. Die Kammer ist insoweit anderer Auffassung. Denn der Beklagte bräuchte lediglich sämtlichen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern den jeweils aktuell geltenden Tarifstandard auf einer schuldrechtlichen Basis gewähren. Dadurch könnte er organisierte und nicht organisierte Arbeitnehmer problemlos gleichstellen. Das gilt umso mehr, als nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Bezugnahmeklauseln auch gegenüber organisierten Arbeitnehmern an sich konstitutiv wirken. Das kann nur bedeuten, dass die organisierten Arbeitnehmer mit dem Tag, an dem der Arbeitgeber seine Tarifgebundenheit verliert, in den schuldrechtlichen Genuss des jeweils aktuell geltenden Tarifwerks gelangen. Zudem führt das Bundesarbeitsgericht eine Ungleichbehandlung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitgebern herbei. Wie dargelegt wirkt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich eine von einem nicht organisierten Arbeitgeber verwendete Bezugnahmeklausel nicht als Gleichstellungsabrede, sondern dynamisiert grenzenlos. Während also der tarifgebundene Arbeitgeber nur den Verband zu verlassen braucht, um sich der weiteren dynamisierenden Wirkung einer Bezugnahmeklausel zu entziehen, ist der nicht organisierte Arbeitnehmer auf die Verhandlungsbereitschaft seiner Mitarbeiter oder auf Änderungskündigungen angewiesen, um Gleiches zu erreichen.
58 
Schließlich erkennt die Kammer in der zitierten Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts einen Widerspruch zu den Urteilen des Gerichts vom 30.8.2000 (4 AZR 581/99, BAGE 95, 296 = NZA 2001, 510) und 25.10.2000 (4 AZR 506/99, BAGE 96, 177 = NZA 2002, 100). In beiden Urteilen erkennt das Bundesarbeitsgericht nämlich, dass eine Vertragsabrede, die eindeutig als kleine Bezugnahmeklausel formuliert ist, entgegen ihrem Wortlaut nicht als große Verweisungsklausel ausgelegt werden kann, falls der Betrieb in den fachlichen Geltungsbereich eines anderen Tarifwerks wechselt. Genau dies müsste aber der Fall sein, läge der Sinn einer Bezugnahmeklausel ausschließlich in der Gleichstellung von nicht organisierten und organisierten Arbeitnehmern, zumindest dann, wenn im Betrieb auch nur ein einziger Arbeitnehmer beschäftigt ist, der an das neue Tarifwerk normativ gebunden ist.
III.
59 
1.    Die Kosten des Rechtsstreits waren der Beklagten als unterlegener Prozesspartei aufzuerlegen: § 91 ZPO.
60 
2.    Der Streitwert bestimmt sich entsprechend § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG mit dem Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zu der begehrten Tarifvergütung. Zugrundegelegt wurden die durchschnittlichen Tariferhöhungen der vergangenen drei Jahre, welche für einen Zeitabschnitt von 36 Monaten hochgerechnet wurden.
61 
3.    Die Kammer sah sich nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zur gesonderten Zulassung der Berufung veranlasst, nachdem der Entscheid des vorliegenden Rechtsstreits zumindest auf einer differenzierten Betrachtung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beruht.
62 
D.Vorsitzende:
63 
Dr. Bayreuther

Gründe

 
I.
23 
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
24 
Die Klage ist zulässig. Namentlich besteht für den erhobenen Feststellungsantrag das nach § 256 ZPO notwendige Feststellungsinteresse. Zwar fehlt es einer Feststellungsklage regelmäßig dann am notwendigen Feststellungsinteresse, wenn eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist. Ausnahmsweise ist ein Feststellungsinteresse aber dann zu bejahen, wenn der Kläger seine Leistungsklage zur Zeit noch nicht eindeutig beziffern kann, weil ihm die weitere Konkretisierung des festzustellenden Anspruchs Schwierigkeiten bereitet und schon das Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung führen wird, namentlich weil der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf das Feststellungsurteil hin leisten wird (s. Zöller/Greger, § 253 RdNr. 8, jüngst auch: BGH v. 15.5.2003, I ZR 277/00 n.V.; BAG v. 05.11.1964, 5 AZR 405/63, BAGE 16, 293 = NJW 1965 787; BAG v. 19.4.1994, 9 AZR 462/99, AP Nr. 2 zu § 74 SGB V = NZA 1995, 123; BAG v. 23.7.1987, 8 AZR 20/86, AP Nr. 11 zu § 7 BUrlG).
25 
Das ist hier der Fall. Der Klägerin konnte nicht zugemutet werden, den Zeitraum, für den sie die im Jahr 2003 eingetretene Tariflohnerhöhung beansprucht, konkret zu benennen. Denn sie ist naturgemäß nicht in Kenntnis darüber, wann ein neuer Tarifvertrag geschlossen werden wird. Für sie kommt es zudem nicht darauf an, dass ihr für die zurückliegenden Monate die Differenz zwischen dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs geltenden Tariflohn und dem aktuellen Tarifstandard gewährt wird. Vielmehr richtet sich ihr Interesse auf die grundsätzliche Feststellung, dass sie an der letzten Tariflohnerhöhungen teilnimmt.
26 
Umgekehrt war es ihr dann aber auch nicht möglich, einen noch weitergehenden Feststellungsantrag dahingehend zu erheben, dass die fragliche Klausel generell dynamisiert, also, dass ihr Arbeitsverhältnis sich ganz allgemein nach den Rechtsnormen des einschlägigen Tarifvertrags in seiner jeweiligen Fassung richtet. Denn ein solcher Antrag müsste zwangsläufig unbestimmt ausfallen. Die Klägerin kann nämlich die genaue Bezeichnung bzw. Bezifferung der einzelnen Tarifnormen und Ergänzungsvereinbarungen zum Tarifvertrag, die durch die Tarifparteien in Zukunft getroffen werden, zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht kennen und daher nicht benennen.
27 
Zudem ist anerkannt, dass die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann, obwohl es sich dabei nicht um das Rechtsverhältnis der Partei insgesamt, sondern nur um einen Teil dieses Rechtsverhältnisses handelt (so explizit in Bezug auf den Streit um die dynamisierende Wirkung einer Bezugnahmeklausel: BAG v. 26.9.2001, 4 AZR 544/00, BAGE 99, 120 = NZA 2002, 634).
II.
28 
Die Klage ist begründet. Die tarifliche Gehaltserhöhung per 1.5.2003 ist nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. mit den im Arbeitsvertrag vom 1.4.1998 und den späteren Ergänzungsvereinbarungen enthaltenen Bezugnahmeklauseln auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwenden.
29 
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Klägerin vereinbarten sowohl im Arbeitsvertrag vom 1.4.1998, als auch mit den Ergänzungsvereinbarungen vom 1.6.1999 und 2.6.2000 (Bl. 10 und 15 d. A.) dynamische Bezugnahmeklauseln. Mithin findet der Tarifvertrag für die Beschäftigten in der chemischen Industrie in Nordrhein in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung auf das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin. Die Beklagte ist nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB an diese Abreden in vollem Umfang gebunden.
30 
Hieran ändert nichts, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten normativ tarifgebunden war und ihr Betrieb per 1.1.2002 auf die nichttarifgebundene Beklagte überging. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte zum 31.12.2002 die Mitgliedschaft des Beschäftigungsbetriebs der Klägerin im tarifschließenden Arbeitgeberverband kündigte, folgt nichts anderes.
31 
Die Beklagte beruft sich insoweit zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach eine dynamische Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge in einem vom tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Vertrag typischerweise als Gleichstellungsabrede zu bewerten sei, so dass diese bei einem Verbandsaustritt des Arbeitgebers ihre dynamisierende Wirkung verliert (BAG v. 26.9.2001, 4 AZR 544/00, aaO; BAG v. 20.2.2002, 4 AZR 741/00, n.V.; BAG v. 20.2.2002, 4 AZR 524/00, n.V.; BAG v. 21.8.2002, 4 AZR 263/01, AP Nr. 21 zu § 157 BGB = NZA 2003, 442; BAG v. 16.10.2002, 4 AZR 467/01; BAG v. 16.10.2002, 4 AZR 467/01, AP NR. 22 zu § 1 TVG Bezugnahme = DB 2003, 617; BAG v. 27.11.2002, 4 AZR 540/01 und 4 AZR 662/01, z. Veröffentlichung vorgesehen; BAG v. 19.3.2003, 4 AZR 331/02 u. 332/02 n.V.).
32 
Ebensowenig konnte der von der Beklagten gegebene Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Erfolg führen, wonach der Betriebsübernehmer bei fehlender eigener Tarifgebundenheit die tarifvertraglichen Bestimmungen in Folge eines Betriebsübergangs nur mit dem Inhalt anzuwenden habe, den diese im Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatten (BAG v. 21.8.2002, 4 AZR 263/01, aaO; BAG v. 16.10.2002, 4 AZR 467/01, aaO).
33 
Zutreffend ist zwar, dass das Bundesarbeitsgericht in jüngster Zeit mehrfach entschieden hat, dass eine von einem organisierten Arbeitgeber abgeschlossene Bezugnahmeklausel "in aller Regel" sich nur als vertragliche Gleichstellungsabrede erweise, die lediglich eine Gleichstellung von Gewerkschaftsmitgliedern und Tarifaußenseitern im Unternehmen bewirken soll. Sie könne daher nur die Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers, nicht aber die fehlende Tarifbindung des Arbeitgebers ersetzen. Verliere der Arbeitgeber seine Tarifbindung, etwa weil er aus dem tarifschließenden Verband austritt oder weil der Betrieb auf einen nicht gebundenen Erwerber übergeht, so verliere auch die Bezugnahmeklausel ihre Dynamik. Sie könne ihren Gleichstellungszweck nämlich nicht mehr erfüllen, weil künftige Tarifabschlüsse im Betrieb nicht mehr tarifrechtlich gelten könnten. Folglich komme es auch zu einem Einfrieren der Arbeitsbedingung auf dem zum Zeitpunkt des Verbandsaustritts bzw. des Betriebsübergangs geltenden Stand.
34 
Dessen ungeachtet dynamisiert die im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilende Klausel aber trotz des erfolgten Betriebsübergangs auf die Beklagte und trotz deren "Austritts" aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband auch weiterhin. Denn auf Grund der besonderen Eigenheiten des vorliegenden Falles scheidet eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die zur Diskussion stehende Bezugnahmeklausel aus.
35 
Denn das Bundesarbeitsgericht ist zwar der Ansicht, dass Bezugnahmeklauseln "in aller Regel" als bloße Gleichstellungsabreden zu bewerten seien. Doch erkennt es ausdrücklich an, dass sich aus der vertraglichen Vereinbarung selbst oder aus den Umständen bei Vertragsschluss durchaus etwas anderes ergeben kann. Das ist hier der Fall.
36 
1.    Nach §§ 133, 157 BGB sind Bezugnahmeklauseln so auszulegen, wie sie die Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zwar zunächst von ihrem Wortlaut auszugehen. Doch sind zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände bei der Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Insoweit hatte die Kammer dann zu beurteilen, wie die Klägerin unter Berücksichtigung aller ihr erkennbaren Umstände bei gehöriger Aufmerksamkeit die fraglichen Abreden verstehen konnte und durfte.
37 
Die Klägerin ist nach ihrem im Termin unwidersprochen gebliebenen Vortrag bei Vertragsschluss jedenfalls rein tatsächlich davon ausgegangen, dass ihr auf Grund der Bezugnahmeklausel stets und ohne jeden Gleichstellungsvorbehalt das jeweilige Tarifniveau gewährt werden würde. Darüber hinaus konnte, durfte und musste sie aber auch auf Grund ihres objektiven Empfängerhorizonts hiervon ausgehen.
38 
a)    Anders als in den durch das Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen handelt es sich bei der vorliegenden Klausel nämlich bereits nicht um eine vom Arbeitgeber vorformulierte und standardisiert verwendete Bezugnahmeklausel, die an hinterer Stelle lediglich als eine Bestimmung von vielen Eingang in den Arbeitsvertrag findet und mit der – meist ohne jeglichen eigenen Aussagewert – lediglich "ergänzend" auf den fraglichen Tarifvertrag hingewiesen wird. Das zeigt ein Vergleich zwischen der vorliegenden Abrede und den Bezugnahmeklauseln sehr deutlich, die das Bundesarbeitsgericht in den einschlägigen Entscheidungen zu bewerten hatte (s. insbesondere die Tatbestände der Entscheidungen vom 26.9.2001, 20.2.2002, 21.8.2002 und 25.9.2002, alle aaO).
39 
Ganz im Gegensatz dazu wurden zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Klägerin mit den Schreiben vom 1.5.1999 und vor allem vom 2.6.2000 jeweils individuelle Verhandlungen geführt und folglich auch individuelle Vereinbarungen getroffen.
40 
Schon deshalb konnte die Kammer die fragliche Klausel nicht auf Grund von vorstrukturierten arbeitsrechtlichen Bedingungen beurteilen, auf die sich der Arbeitnehmer – nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts – regelmäßig ungeachtet seines subjektiven Verständnishorizonts und ungeachtet des Wortlauts der vertraglichen Vereinbarung verweisen lassen muss. Vielmehr hatte die Kammer alleine auf das durch die Parteien wirklich und tatsächlich Erklärte abzustellen.
41 
b)    Erheblich gegen die Rechtsauffassung der Beklagten spricht dann auch, dass Anlass und Zweck insbesondere der letzten Vereinbarung vom 2.6.2002 es ausschließlich war, die zuvor eingetretene Unsicherheit über die der Klägerin zu gewährende Vergütung zu beseitigen. Angestrebt war eindeutig, dass die Entlohnung der Klägerin auf eine – so wörtlich – "befriedigende" Basis gestellt werden sollte. Danach hatte die Klägerin noch nicht einmal annäherungsweise davon ausgehen müssen, dass ihr damaliger Arbeitgeber – entgegen dem ausdrücklich erklärten Regelungszweck – lediglich eine Gleichstellung der Klägerin mit den organisierten Arbeitnehmern im Betrieb angestrebt habe, was dieser erkennbar ja auch gar nicht gewollt hatte.
42 
c)    Weiteres hierzu tut die Häufigkeit, aber auch die besondere – und insoweit völlig ungewöhnliche – sprachliche Klarheit und Eindringlichkeit der jeweils verabredeten Bezugnahmeklauseln. Namentlich im Schreiben vom 2.6.2000 wurde der Klägerin nämlich explizit und unmissverständlich zugesichert, dass ihr "derzeit und künftig" alle tariflichen Rechte gewährt werden sollen. Ein irgendwie dahingehender Vorbehalt, dass dies nur solange gelten solle, solange ihr Arbeitgeber tarifgebunden ist, ist nicht ersichtlich und war offensichtlich auch nicht angestrebt.
43 
d)    Selbst wenn man also mit dem Bundesarbeitsgericht davon ausgehen wollte, dass die "arbeitsrechtlich vorstrukturierten" Bedingungen bei Vertragsschluss es rechtfertigten, bei der Auslegung von Bezugnahmeklauseln im Sinne einer Gleichstellungsabrede primär auf die typischerweise vorliegende Zweckbestimmung der Bezugnahme und damit auf die üblicherweise gegebenen Interessen und Vorverständnisse abzustellen, so könnte nach der Auffassung der Kammer die vorliegende Bezugnahmeklausel jedenfalls nicht ohne Verstoß gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB als bloße Gleichstellungsabrede bewertet werden. Denn vorliegend war eine solche weder gewollt noch verabredet.
44 
2.    Selbst wenn man dem nicht folgen würde und insgesamt davon ausgehen wollte, dass dynamische Bezugnahmeklauseln sich ohne Wenn und Aber stets als bloße Gleichstellungsabreden erweisen, so wäre das Ergebnis kein anderes.
45 
Denn die Kammer hätte dann zu berücksichtigen gehabt, dass die Beklagte der Klägerin im April 2002 – also nach erfolgtem Betriebsübergang – selbst erklärt hat, dass sie ihr Arbeitsbedingungen "in Anlehnung an die Bestimmungen der Tarifverträge der Chemischen Industrie in Düsseldorf und Köln" gewähren will (s. Schreiben vom 20.4.2002, Bl. 18 d. A.), und ihr dann auch tatsächlich das aktuelle Tarifniveau hat zukommen lassen.
46 
a)    Unterstellt man nämlich, dass es sich bei den fraglichen Regelungen tatsächlich nur um Gleichstellungsabreden gehandelt hätte, so hätte die Beklagte zwar in der Tat die tarifvertraglichen Bestimmungen nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB nur mit dem Inhalt übernommen, den diese im Zeitpunkt des Betriebsübergangs hatten. Wenn die Beklagte der Klägerin dann aber mit Schreiben vom 20.4.2002 erklärte, dass sie die Klägerin dessen ungeachtet auch weiterhin in Anlehnung an die aktuell geltenden Tarifbestimmungen entlohnen möchte, so konnte die Klägerin dies nur dahingehend verstehen, dass die Beklagte will, dass die fragliche Bezugnahmeklausel auch weiterhin dynamisiert, so wie das auch bislang der Fall war.
47 
b)    Diese durch die Beklagte letztlich selbst begründete dynamisierende Wirkung der Bezugnahmeklausel konnte die Beklagte dann auch nicht mehr durch ihren bloßen Verbandsaustritt zum 31.12.2002 abschütteln, und zwar selbst dann nicht, wenn man insoweit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht folgen würde.
48 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine vertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag aber nur dann als Gleichstellungsabrede zu bewerten, wenn der Arbeitgeber bei Abschluss des Vertrages selbst normativ an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebunden ist (BAG vom 25.9.2002, 4 AZR 294/01, 4 AZR 295/01, NZA 2003, 807 = DB 2003, 1280). Verwendet dagegen ein unorganisierter Arbeitgeber eine Bezugnahmeklausel, so kann diese nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gerade nicht als Gleichstellungsabrede ausgelegt werden, weil in dessen Betrieb eine Gleichstellung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern von vorne herein nicht möglich ist. In der Folge dynamisiert die von einem nicht organisierten Arbeitgeber verwendete Bezugnahmeklausel ohne ersichtliche Grenzen weiter. Will der Arbeitgeber diese abschütteln, so muss er in Verhandlungen mit seinen Arbeitnehmern treten oder gegen diese eine Änderungskündigung durchsetzen (BAG vom 25.9.2002, 4 AZR 294/01, 4 AZR 295/01, aaO).
49 
So liegen die Dinge hier. Die Beklagte war nach eigenem Vortrag nicht im tarifschließenden Arbeitgeberverband organisiert und damit zu keinem Zeitpunkt selbst normativ an den fraglichen Tarifvertrag gebunden. Auch hat sie nicht die normative Tarifbindung ihrer Rechtsvorgängerin durch den Erwerb des fraglichen Betriebs übernommen. Denn der Betriebsübernehmer kann die Tarifbindung des Betriebsveräußerers nicht übernehmen, wenn er nicht selbst tarifgebunden ist. Die Tarifbindung hängt nämlich originär an der Mitgliedschaft des jeweiligen Unternehmensträgers im tarifschließenden Arbeitgeberverband: § 3 Abs. 1 TVG. Zwar kann (unter Umständen) die Mitgliedschaft des Betriebsveräußerers im tarifschließenden Verband in vereinsrechtlicher Hinsicht auf einen Betriebsübernehmer übergehen. Wie § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB jedoch unmissverständlich klarstellt, geht die normative Tarifbindung des Veräußerers aber niemals auf den Übernehmer über, wenn dieser nicht selbst Verbandsmitglied ist. Dies folgt bei einer bloßen Einzelrechtsnachfolge zwingend aus der in Art. 9 Abs. 3 GG verankerten negativen Koalitionsfreiheit des Betriebsübernehmers (herrschende Meinung, siehe nur: Wiedemann/Oetker, TVG, § 3 Rdnr. 79 m. w. N.; Löwisch/Rieble, TVG § 3 Rdnr. 49 und 81 ff. m. w. N.). Der zum 31.12.2002 erklärte Verbandsaustritt beseitigte folglich nur die vereinsrechtliche Mitgliedschaft des übernommenen Betriebs beim tarifschließenden Arbeitgeberverband.
50 
Ansonsten aber machte die Beklagte von der fraglichen Abrede als unorganisierter Arbeitgeber Gebrauch. Notwendigerweise konnte sie sich der dadurch bekräftigten dynamischen Tarifbindung dann auch nicht mehr durch den vermeintlichen Verbandsaustritt zum 31.12.2002 entledigen. Dieser ging im Hinblick auf die rein schuldrechtliche Tarifbindung der Beklagten vielmehr ins Leere.
51 
3.    Nachdem die streitgegenständliche Vereinbarung selbst unter Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohne Weiteres als "ständig" dynamisierende Bezugnahmeklausel auszulegen gewesen wäre, hätte die Kammer letztlich offen lassen können, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist.
52 
Die Kammer führt insoweit jedoch vorsorglich aus, dass sie der Auffassung ist, dass die Bedenken an der einschlägigen Senatsrechtsprechung überwiegen. Sie kann sich insoweit auf die fast einhellig im Schrifttum vertretene Meinung stützen, die dieser Rechtsprechung mit Vehemenz entgegentritt und zudem auf die abweichende Rechtsprechung zahlreicher Instanzgerichte zurückgreifen (Hanau/Kania, in: Festschrift Schaub, S. 239ff.; Thüsing, EWiR 2003, 687; ders., EWiR 2003, 317; ders., AP Nr. 21 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Thüsing/Lambrich, RdA 2002, 193ff.; dies., NZA 2002, 1361, 1368; Lambrich, BB 2002, 1267ff.; B. Gaul, DB 2000, 1086, 1087f.; Waas, Anm. zu BAG AP Nr. 12 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Reichold, EWiR 2003, 319; Reichel, AuA 2002, 445; Rieble, EzA § 4 TVG Beschäftigungssicherung Nr. 7, unter I.3.; Annuß, BB 1999, 2558ff.; ders., ArbuR 2002 361, 364; Däubler, BB 2002, 1643f.; ders., RdA 2002, 303; Stein, Anm. zu BAG AP Nr. 13 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Melms, NZA 2002, 296, 299; Seitz/Werner, NZA 2000, 1257, 1261; Fischer, FA 2001, 2ff.; Preis, Arbeitsvertrag, 2002, II V 40, Rn. 3; Reichel, Die arbeitsvertragliche Bezugnahme, 2001, S. 82; LAG Hamburg v. 15. 11. 2000, NZA 2001, 562 = LAGE § 3 TVG Bezugnahme auf TV Nr. 8; LAG Düsseldorf v. 23. 2. 2000, DB 2000; LAG Düsseldorf v. 25. 7. 2001 – 12 Sa 353/01, n.v.; LAG Hamm v. 1. 2. 2001 – 8 Sa 1439/00, NZA-RR 2000, 93; LAG Rostock v. 27. 8. 2001, 5 Sa 279/00, n.v.).
53 
Die Kammer weist daher ergänzend darauf hin, dass sie der Auffassung ist, dass der vorliegende Fall selbst dann nicht anders hätte entschieden werden können, wenn man nicht der Meinung wäre, dass er sich auf Grund der vorstehend geschilderten Besonderheiten deutlich von der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht abhebt.
54 
Nach Meinung der Kammer drängt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich – wie gerade der vorliegende Fall nachdrücklich zeigt – die anerkannten Auslegungsmethoden und damit die Regelungen der §§ 133 und 157 BGB zu sehr in den Hintergrund.
55 
Denn der Wortlaut der streitgegenständlichen Vertragsabreden ist eindeutig. Er bildet zwar nur einen Anhaltspunkt für deren Auslegung. Deshalb durfte die Kammer dann zwar in der Tat nicht alleine auf den Wortlaut der streitgegenständlichen Abreden abstellen. Vielmehr hatte sie nach dem wirklich von den Parteien Gewollten zu fragen. Gerade dann aber ist die Willenserklärung der Rechtsvorgängerin der Beklagten wie erläutert auszulegen. Denn die Klägerin konnte, musste und durfte diese nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und aller ihr erkennbaren Umstände nur als "ständig" dynamisierende Bezugnahmeklausel und gerade nicht als Gleichstellungsabrede verstehen. Die Kammer zeigt sich daher zurückhaltend, wenn ihr auferlegt werden soll, dementgegen Vertragsabreden nicht mehr nach dem Empfängerhorizont, sondern nach (vermeintlich) "arbeitsrechtlich vorstrukturierten Bedingungen" abstrakt auszulegen. Denn das läuft auf eine weithin verobjektivierende Auslegung hinaus, auf Grund derer die höchstrichterliche Rechtsprechung schlicht zum Empfängerhorizont der Klägerin deklariert würde.
56 
Bedenklich wäre nach Auffassung der Kammer auch, dass derart das (mögliche) Motiv vieler Arbeitgeber zur Verwendung einer Bezugnahmeklausel, nämlich eine Gleichstellung von organisierten und unorganisierten Arbeitnehmern herbeizuführen, zum Vertragsinhalt selbst erhoben würde. Das erscheint im vorliegenden Fall umso bedenklicher, als dem früheren Arbeitgeber der Klägerin selbst ein dahingehendes Motiv fehlte. Das Bundesarbeitsgericht unterstellt mithin mit dem Hinweis, dass Arbeitgeber mit Bezugnahmeklauseln mehr oder weniger häufig einen Gleichstellungszweck verfolgen, sämtlichen Vertragsparteien ein solchen Regelungswillen. Das wirkt sich besonders gravierend aus, wenn – wie hier der Fall – der Arbeitgeber bei Vertragsschluss keinen Gleichstellungszweck verfolgte, im Nachhinein dann aber behauptet er (bzw. sein Rechtsvorgänger) habe einst einen solchen verfolgt, weil er der einst begründeten schuldrechtlichen Tarifbindung auf zwanglose Weise entfliehen will. Zudem wäre bedenklich, dass die Klägerin bei den verschiedenen Vertragsverhandlungen hätte darauf bestehen müssen, dass in den einzelnen gewechselten Schreiben explizit festgeschrieben wird, dass die fragliche Klausel auch im Fall eines Verbandsaustritts ihres Arbeitgebers oder eines Betriebsübergangs an einen nicht tarifgebundenen Arbeitgeber weiterhin dynamisiert. Das aber wäre der Klägerin nicht zumutbar, vor allem aber nicht möglich gewesen. Denn dazu hätte sie wissen müssen, dass ihr einstiger Arbeitgeber tarifgebunden war und zudem, dass bei diesem organisierte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dass aber hat sie nach ihrem im Termin unwidersprochen gebliebenen Vortrag gerade nicht gewusst. Sie hätte also ihren Arbeitgeber explizit danach fragen müssen, was ihr ebenfalls nicht zumutbar gewesen wäre. Im Übrigen bliebe unklar, warum sie ihn hätte überhaupt danach fragen sollen, wenn ihr die Bezugnahmeklausel doch zusicherte, dass das einschlägige Tarifwerk in seiner jeweils aktuellen Fassung den Inhalt ihres Tarifvertrags "in aller Zukunft" bestimmen soll.
57 
Die Kammer vermag schließlich auch nicht die Konsequenz zu ziehen, die das Bundesarbeitsgericht aus seiner Gleichstellungsannahme zieht. Das Bundesarbeitsgericht ist insoweit der Meinung, dass nach dem Verlust der Tarifbindung durch den Arbeitgeber auch eine dynamische Bezugnahmeklausel ihre Wirkung verliere. Das ergebe sich daraus, dass nach dem Verbandsaustritt künftige Tarifverträge im Betrieb keine normative Anwendung finden würden, so dass tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer nicht mehr gleichgestellt werden könnten. Die Kammer ist insoweit anderer Auffassung. Denn der Beklagte bräuchte lediglich sämtlichen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern den jeweils aktuell geltenden Tarifstandard auf einer schuldrechtlichen Basis gewähren. Dadurch könnte er organisierte und nicht organisierte Arbeitnehmer problemlos gleichstellen. Das gilt umso mehr, als nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Bezugnahmeklauseln auch gegenüber organisierten Arbeitnehmern an sich konstitutiv wirken. Das kann nur bedeuten, dass die organisierten Arbeitnehmer mit dem Tag, an dem der Arbeitgeber seine Tarifgebundenheit verliert, in den schuldrechtlichen Genuss des jeweils aktuell geltenden Tarifwerks gelangen. Zudem führt das Bundesarbeitsgericht eine Ungleichbehandlung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitgebern herbei. Wie dargelegt wirkt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nämlich eine von einem nicht organisierten Arbeitgeber verwendete Bezugnahmeklausel nicht als Gleichstellungsabrede, sondern dynamisiert grenzenlos. Während also der tarifgebundene Arbeitgeber nur den Verband zu verlassen braucht, um sich der weiteren dynamisierenden Wirkung einer Bezugnahmeklausel zu entziehen, ist der nicht organisierte Arbeitnehmer auf die Verhandlungsbereitschaft seiner Mitarbeiter oder auf Änderungskündigungen angewiesen, um Gleiches zu erreichen.
58 
Schließlich erkennt die Kammer in der zitierten Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts einen Widerspruch zu den Urteilen des Gerichts vom 30.8.2000 (4 AZR 581/99, BAGE 95, 296 = NZA 2001, 510) und 25.10.2000 (4 AZR 506/99, BAGE 96, 177 = NZA 2002, 100). In beiden Urteilen erkennt das Bundesarbeitsgericht nämlich, dass eine Vertragsabrede, die eindeutig als kleine Bezugnahmeklausel formuliert ist, entgegen ihrem Wortlaut nicht als große Verweisungsklausel ausgelegt werden kann, falls der Betrieb in den fachlichen Geltungsbereich eines anderen Tarifwerks wechselt. Genau dies müsste aber der Fall sein, läge der Sinn einer Bezugnahmeklausel ausschließlich in der Gleichstellung von nicht organisierten und organisierten Arbeitnehmern, zumindest dann, wenn im Betrieb auch nur ein einziger Arbeitnehmer beschäftigt ist, der an das neue Tarifwerk normativ gebunden ist.
III.
59 
1.    Die Kosten des Rechtsstreits waren der Beklagten als unterlegener Prozesspartei aufzuerlegen: § 91 ZPO.
60 
2.    Der Streitwert bestimmt sich entsprechend § 12 Abs. 7 Satz 2 ArbGG mit dem Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrags zu der begehrten Tarifvergütung. Zugrundegelegt wurden die durchschnittlichen Tariferhöhungen der vergangenen drei Jahre, welche für einen Zeitabschnitt von 36 Monaten hochgerechnet wurden.
61 
3.    Die Kammer sah sich nach § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG zur gesonderten Zulassung der Berufung veranlasst, nachdem der Entscheid des vorliegenden Rechtsstreits zumindest auf einer differenzierten Betrachtung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beruht.
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D.Vorsitzende:
63 
Dr. Bayreuther

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