Urteil vom Bundesarbeitsgericht (10. Senat) - 10 AZR 42/15

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 2014 - 6 Sa 17/14 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 17. Januar 2014 - 6 Ca 222/13 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen erst ab dem 4. Dezember 2012 zu zahlen sind.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung der Höhe der betrieblichen Sonderzahlung und der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2012 und in diesem Zusammenhang über die Einbeziehung tariflicher Ausgleichszahlungen zur Verdienstsicherung älterer Arbeitnehmer.

2

Der 1952 geborene Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IGM) und seit 1973 bei der Beklagten beschäftigt, die ihrerseits Mitglied des Verbands der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. ist. Der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 (im Folgenden MTV) gewährt Arbeitnehmern, die das 54. Lebensjahr vollendet haben, in § 6 einen Anspruch auf Verdienstsicherung. Die Vorschrift lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 6 Alterssicherung

        

6.1     

Beschäftigte, die das 54. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens ein Jahr angehören, haben Anspruch auf Verdienstsicherung.

                 

Die tarifliche Verdienstsicherung bezieht sich nicht auf das Tarifentgelt, sondern auf das Effektiventgelt und wird wie folgt verwirklicht:

        

6.1.1 

Der Alterssicherungsbetrag … wird als Mindestverdienst garantiert.

        

6.1.2 

Der laufende Verdienst innerhalb des nach § 6.9 zu regelnden Vergleichszeitraums wird mit dem Alterssicherungsbetrag verglichen.

        

6.1.3 

Ist der laufende Verdienst niedriger als der Alterssicherungsbetrag, so ist ein Ausgleich bis zur Höhe des Alterssicherungsbetrages zu bezahlen.

        

…       

        
        

6.3     

Zusammensetzung und Errechnung des Alterssicherungsbetrages

                 

Der Alterssicherungsbetrag errechnet sich wie folgt:

        

6.3.1 

aus dem Monatsgrundentgelt der Entgeltgruppe zu Beginn der Verdienstsicherung

        

6.3.2 

aus den in den letzten 12 Monaten vor Beginn der Verdienstsicherung durchschnittlich erzielten leistungsabhängigen variablen Bestandteilen

        

6.3.3 

der Belastungszulage zu Beginn der Verdienstsicherung

        

6.3.4 

aus der übertariflichen Zulage zu Beginn der Verdienstsicherung

        

6.3.5 

aus den in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Verdienstsicherung erzielten (tariflichen und/oder übertariflichen) durchschnittlichen Zuschlägen für Sonn-, Feiertags-, Spät-, Nacht-(Schicht-), Montagearbeit sowie Erschwerniszulagen gemäß § 8 BMTV, …

        

…       

        
        

6.5     

Nicht in den Alterssicherungsbetrag einzubeziehen sind:

                 

Zuschläge für Mehrarbeit und sonstige unregelmäßige Bezüge, vermögenswirksame Leistungen, Auslösungen, Gratifikationen, zusätzliche Urlaubsvergütung und andere einmalige Zuwendungen.

        

6.6     

Alterssicherungsbetrag

                 

Durch die Berechnung gemäß §§ 6.3 und 6.4.2 ergibt sich der Alterssicherungsbetrag als durchschnittlicher Monatsverdienst, bezogen auf die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit … zu Beginn der Alterssicherung.

        

…       

        
        

6.7     

Festschreibung des Alterssicherungsbetrages

                 

Der sich aus der Berechnung nach §§ 6.3 und 6.4.2 ergebende Alterssicherungsbetrag ist mit den dort genannten Entgeltbestandteilen aufgegliedert festzuschreiben. Die Mindestverdienstgarantie (§ 6.1.1) bezieht sich auch auf diese Entgeltbestandteile.

        

…       

        
        

6.9     

Durchführung der Verdienstsicherung

                 

Der Verdienstausgleich gemäß § 6.1 ist monatlich (Vergleichsmonat) vorzunehmen.

                 

…       

                 

Der Vergleichszeitraum ist mit dem Betriebsrat festzulegen. Er darf einschließlich des Vergleichsmonats drei Monate nicht übersteigen. …

                 

Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung sind in den laufenden Verdienst des Vergleichszeitraums einzubeziehen.“

3

Nach § 2.1 iVm. § 2.2 des Tarifvertrags über die tarifliche Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in den Tarifgebieten Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 (im Folgenden TV SoZa) haben Beschäftigte, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung in Höhe von 60 % eines Monatsverdienstes je Kalenderjahr. Zur Berechnung bestimmt § 2.4 TV SoZa:

        

„2.4   

Für die Berechnung eines Monatsverdienstes sind zugrunde zu legen:

                 

-       

die festen und leistungsabhängigen variablen Bestandteile des Monatsentgelts und

                 

-       

die zeitabhängigen variablen Bestandteile des Monatsentgelts der letzten abgerechneten drei Monate vor Auszahlung der Sonderzahlung einschließlich aller Zulagen und Zuschläge in dem betreffenden Zeitraum, soweit diese nicht in den festen Bestandteilen des Monatsentgelts enthalten sind, jedoch ohne Mehrarbeitsgrundvergütung und Mehrarbeitszuschläge, Auslösungen und ähnliche Zahlungen (Reisespesen, Trennungsentschädigungen), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Krankengeldzuschüsse, Urlaubsvergütung, die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers sowie einmalige Zuwendungen, geteilt durch die Anzahl der in diesem Zeitraum bezahlten Tage ohne Krankheits- und Urlaubstage. Der sich hieraus ergebende Betrag ist mit dem Faktor 21,75 zu multiplizieren.

                                   
                 

Protokollnotiz zu § 2.4:

                 

Für die Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2.4 sind die Grundsätze, wie sie für die Berechnung der Urlaubsvergütung gelten, maßgebend.“

4

Beschäftigte der Beklagten mit mindestens 15-jähriger Firmenzugehörigkeit hatten nach Maßgabe der „MITTEILUNG PERS 2002 - NR. 22“ vom 16. Oktober 2012 darüber hinaus Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation iHv. 40 % des Monatsentgelts. Zur Berechnung heißt es in der Mitteilung, es seien „grundsätzlich die unmittelbar anwendbaren oder in Bezug genommenen tariflichen Vorschriften entsprechend anzuwenden. Danach sind … die festen und leistungsabhängigen Bestandteile des laufenden Monatsentgelts sowie die zeitabhängigen variablen Bestandteile der letzten drei abgerechneten Monate … (August, September, Oktober) zugrunde zu legen. Eine etwaige Mehrarbeitsvergütung ... ist … nicht in den durchschnittlichen Arbeitsverdienst einzubeziehen.“

5

Mit der Vergütung für November 2012 zahlte die Beklagte an den Kläger 2.442,18 Euro brutto als betriebliche Sonderzahlung und weitere 1.632,82 Euro brutto als Weihnachtsgratifikation aus. Bei der Berechnung dieser Zahlungen berücksichtigte die Beklagte nicht die Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung, die der Kläger in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Auszahlung der betrieblichen Sonderzahlung erhalten hatte. Die Einbeziehung dieser Ausgleichszahlungen hätte zu einer Erhöhung der Sonderzahlung um 87,74 Euro brutto und der Weihnachtsgratifikation um 53,80 Euro brutto geführt. Diese Differenzbeträge hat der Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

6

Der Kläger hat gemeint, die Ausgleichszahlungen seien in die Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2.1 TV SoZa und dementsprechend auch in die Berechnung der Weihnachtsgratifikation einzubeziehen. Der Alterssicherungsbetrag sei nach § 6.1.1 MTV als Mindestverdienst garantiert und werde gemäß § 6.7 MTV mit den dort näher bezeichneten Entgeltbestandteilen aufgegliedert festgeschrieben, auf die sich die Mindestverdienstgarantie ebenfalls beziehe. Damit sei der Alterssicherungsbetrag Bestandteil des „Monatsverdienstes“ iSv. § 2.4 TV SoZa.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 141,54 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, die Ausgleichszahlungen seien keine Bestandteile des Monatsentgelts iSv. § 2.4 TV SoZa. Es handele sich auch nicht um eine Zulage oder einen Zuschlag, sondern vielmehr um eine Vergütungskomponente sui generis, die bei der Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2.4 TV SoZa nicht zu berücksichtigen sei.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zu Unrecht entsprochen. Der Kläger hat Anspruch auf die von ihm begehrte Zahlung.

11

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 2.1 Satz 1 iVm. § 2.2 TV SoZa Anspruch auf die der Höhe nach unstreitige restliche betriebliche Sonderzahlung von 87,74 Euro brutto für das Kalenderjahr 2012.

12

1. Der TV SoZa fand im Kalenderjahr 2012 aufgrund beiderseitiger Tarifbindung auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).

13

2. Nach § 2.1 Satz 1 iVm. § 2.2 TV SoZa haben Beschäftigte, die am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach einer Betriebszugehörigkeit von 36 Monaten Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von 60 % eines Monatsverdienstes. Diese Anspruchsvoraussetzungen erfüllt der Kläger.

14

3. Der Monatsverdienst iSv. § 2.2 TV SoZa schließt die in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Auszahlung der betrieblichen Sonderzahlung erbrachten Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung ein. Das ergibt die Auslegung der einschlägigen Tarifvorschriften.

15

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 701/12 - Rn. 13 mwN). Die Auslegung eines Tarifvertrags durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 11. November 2015 - 10 AZR 719/14 - Rn. 17).

16

b) Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in den fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen (BAG 8. Juli 2009 - 10 AZR 672/08 - Rn. 23 mwN). Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel weiter davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen (vgl. BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 936/07 - Rn. 15, BAGE 133, 62).

17

c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie ergibt vielmehr, dass der in § 2.2 TV SoZa verwendete Begriff „Monatsverdienst“ in einem umfassenden Sinn zu verstehen ist (so bereits BAG 28. März 2007 - 10 AZR 66/06 - Rn. 18 f.) und damit dem nach § 6.1.1 MTV als „Mindestverdienst“ garantierten Alterssicherungsbetrag entspricht, wenn und soweit der laufende Verdienst niedriger als der Alterssicherungsbetrag ist.

18

aa) § 2.2 TV SoZa stellt für die Berechnung der Höhe der betrieblichen Sonderzahlung auf die Betriebszugehörigkeit und den „Monatsverdienst“ ab. Dabei haben die Tarifvertragsparteien den Begriff „Monatsverdienst“ im TV SoZa nicht selbst bestimmt, so dass davon auszugehen ist, dass sie diesen Tarifbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verstanden wissen wollen. Danach ist der Verdienst das durch Arbeit erworbene Geld, das dadurch erzielte Einkommen oder auch das Entgelt für eine Tätigkeit, der Lohn, das Gehalt oder eine sonstige Vergütung (BAG 28. März 2007 - 10 AZR 66/06 - Rn. 20 mwN). Auf diesem weiten Verständnis beruhen ersichtlich auch die Regelungen in § 11.3 MTV. Bereits dies spricht dafür, den in § 6.1.1 MTV als Mindestverdienst garantierten Alterssicherungsbetrag als Monatsverdienst iSd. § 2.2 TV SoZa anzusehen.

19

bb) Die mit § 2.2 TV SoZa systematisch zusammenhängende Regelung in § 2.4 TV SoZa, nach der alle in § 11.3.1 und § 11.3.2 MTV genannten Vergütungsbestandteile mit Ausnahme der „sonstigen variablen Bestandteile“ für die Berechnung eines Monatsverdienstes zu berücksichtigen sind, bestätigt dieses dem Wortlaut entnommene Auslegungsergebnis. Der Alterssicherungsbetrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ein „fester Bestandteil“ des Monatsentgelts iSv. § 2.4 TV SoZa und kein „sonstiger variabler Bestandteil“ des Monatsentgelts. Er wird nach § 6.6 und § 6.7 MTV als durchschnittlicher Monatsverdienst festgeschrieben. Auch die Regelung in § 6.10 Abs. 5 MTV, nach der zur Fortschreibung des Alterssicherungsbetrags von dessen Festschreibung nach § 6.7 MTV auszugehen ist, bestätigt dessen Charakter als festen Bestandteil des Monatsverdienstes. Dass die von der Höhe des laufenden Verdienstes abhängige Ausgleichszahlung (§ 6.1.3 MTV) variieren kann, ändert daran nichts. Entscheidend ist vielmehr, dass der Alterssicherungsbetrag gemäß § 6.1.1 MTV als fester Mindestverdienst garantiert ist. Die tarifliche Alterssicherung beinhaltet mithin nach der Tarifsystematik eine Verdienstsicherung (§ 6.1 Abs. 2 MTV) bzw. einen Verdienstausgleich (§ 6.9 Abs. 1 MTV) für die Vergütungsbestandteile, die ein nicht altersgesicherter Arbeitnehmer allein durch Verwertung seiner Arbeitskraft erwirtschaften kann und für die er durch die betriebliche Sonderzahlung nach § 2 TV SoZa honoriert werden soll. Die Nichtberücksichtigung dieser Verdienstsicherung bei der Berechnung des für die betriebliche Sonderzahlung maßgeblichen Monatsverdienstes würde zu einer mit der tariflichen Systematik nicht zu vereinbarenden Reduzierung der Sonderzahlung bei altersgesicherten Beschäftigten führen.

20

cc) Die tarifsystematische Bestätigung der mit dem Wortlaut übereinstimmenden Auslegung des Begriffs „Monatsverdienst“ in § 2.2 TV SoZa wird durch die in § 6.5 und § 6.9 MTV enthaltenen Regelungen nicht infrage gestellt. Soweit § 6.5 MTV Sonderzahlungen bei der Berechnung der Alterssicherung ausnimmt, belegt dies lediglich, dass diese hierbei nicht zu berücksichtigen sind. Daraus ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, eine durch die Alterssicherung bedingte Ausgleichszahlung ihrerseits bei der Berechnung der Sonderzahlung nicht zu berücksichtigen. § 6.9 Abs. 5 MTV verlangt ebenfalls keine andere Auslegung. Es handelt sich dabei lediglich um eine abrechnungstechnische Durchführungsvorschrift zur Berechnung des Verdienstes im Vergleichszeitraum.

21

dd) Für das hier zugrunde gelegte Normverständnis spricht schließlich der Sinn und Zweck der in § 6 MTV geregelten Alterssicherung. Sie ist erkennbar darauf ausgerichtet, Beschäftigte vor einem durch das altersbedingte Nachlassen ihrer körperlichen Kräfte bedingten Einkommensverlust zu bewahren. Die Nichtberücksichtigung der Alterssicherungsbeträge bei der Berechnung der betrieblichen Sonderzahlung würde dieses System konterkarieren, weil sie zu dem mit diesem Alterssicherungsgedanken nicht zu vereinbarenden Ergebnis führte, dass altersgesicherte Beschäftigte finanzielle Einbußen erleiden, vor denen sie durch das detaillierte Regelungswerk in § 6 MTV explizit bewahrt werden sollen.

22

4. Da die Beklagte den Alterssicherungsbetrag bei der Berechnung der betrieblichen Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2012 zu Unrecht außer Acht gelassen hat, kann der Kläger die Zahlung der rechnerisch unumstrittenen Differenz in Höhe von 87,74 Euro brutto von der Beklagten verlangen.

23

II. Der Kläger hat aus Ziff. 1.1 iVm. Ziff. 1.2 der „Mitteilung Nr. 22“ einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer 53,80 Euro brutto als Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2012.

24

1. Die „Mitteilung Nr. 22“ ist eine Gesamtzusage, aus der dem Kläger dem Grunde nach ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2012 gegen die Beklagte zusteht (zum Charakter von Gesamtzusagen als Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB und zu ihrer Auslegung vgl. BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 260/14 - Rn. 18 f. mwN).

25

2. Der Kläger erfüllte im Kalenderjahr 2012 die in der „Mitteilung Nr. 22“ beschriebenen Anspruchsvoraussetzungen für eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 40 % des Monatsentgelts. Er stand am Auszahlungstag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Beklagten und war zu diesem Zeitpunkt mehr als 15 Jahre bei ihr beschäftigt. Da der Monatsverdienst iSv. § 2.2 TV SoZa dem Alterssicherungsbetrag gemäß § 6.1.1 MTV entspricht, wenn und soweit der laufende Verdienst der letzten abgerechneten drei Monate vor Auszahlung der Sonderzahlung niedriger als der Alterssicherungsbetrag ist, gilt dies aufgrund der Bezugnahme in der „Mitteilung Nr. 22“ auch für das Monatsentgelt, auf dessen Grundlage die Weihnachtsgratifikation berechnet wird. Nachdem die Beklagte den Alterssicherungsbetrag bei der Berechnung der Weihnachtsgratifikation zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung des rechnerisch unumstrittenen Differenzbetrags in Höhe von 53,80 Euro brutto verlangen.

26

3. Der Zinsausspruch beruht auf § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

27

a) Dem Kläger stehen nach § 187 Abs. 1 BGB Verzugszinsen ab dem Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit zu (vgl. BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 27 mwN). Soweit dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag (BAG 19. November 2014 - 5 AZR 121/13 - Rn. 32).

28

b) Nach § 3.2 TV SoZa ist Auszahlungsstichtag für die betriebliche Sonderzahlung der 1. Dezember des jeweiligen Jahres. Einen davon abweichenden Fälligkeitstag hat der Kläger nicht behauptet. Nach Ziff. 1.3 Abs. 2 der „Mitteilung Nr. 22“ gilt dieser Stichtag auch für die Weihnachtsgratifikation. Der 1. Dezember 2012 war ein Samstag. Die betriebliche Sonderzahlung und die Weihnachtsgratifikation waren daher am Montag, den 3. Dezember 2012, fällig. Zinsen schuldet die Beklagte mithin erst ab Dienstag, den 4. Dezember 2012.

29

III. Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit der Kläger Zinsen bereits ab dem 1. Dezember 2012 begehrt hat, handelt es sich um eine geringfügige Zuvielforderung iSv. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    W. Reinfelder    

        

    Brune    

        

        

        

    D. Kiel    

        

    Züfle    

                 

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