Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 1 Sa 211/20
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.01.2020 – 6 Ca 1146/19 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 907,87 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem Monat Mai 2019 Vergütung nach der Entgeltgruppe 13, Stufe 3 gemäß dem Entgeltrahmenabkommen in der M vom 18.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
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Arbeitsgericht Bielefeld |
Verkündet am 17.07.2020 |
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Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil In dem Rechtsstreit |
für Recht erkannt:
4Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.01.2020 – 6 Ca 1146/19 abgeändert.
5Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 907,87 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen.
6Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem Monat Mai 2019 Vergütung nach der Entgeltgruppe 13, Stufe 3 gemäß dem Entgeltrahmenabkommen in der M vom 18.12.2003 zu zahlen.
7Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
8Die Revision wird zugelassen.
9Tatbestand
10Die Parteien streiten um die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
11Der 1960 geborene Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten beschäftigt. Das Tarifwerk der M findet kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung, so auch das Entgeltrahmenabkommen in der M vom 18.12.2003 (im Folgenden: ERA) und der ERA-Einführungstarifvertrag vom 30.09.2004 (im Folgenden: ERA-ETV).
12Der Kläger erhielt bis einschließlich März 2018 eine Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe EG 13 Stufe 3 ERA, die sich einschließlich einer Leistungszulage von 12,5 % auf 5.852,91 € belief. Die Beklagte beantragte am 27.03.2018 bei ihrem Betriebsrat, den Kläger mit Wirkung ab dem 01.04.2018 von der Entgeltgruppe EG 13 ERA in die Entgeltgruppe EG 12 ERA umzugruppieren. Mit Wirkung ab dem 01.04.2018 setzte die Beklagte diese Eingruppierung vorläufig um, zahlte für die Dauer von 12 Monaten bis einschließlich März 2019 das bisherige Entgelt entsprechend § 3 des Tarifvertrages zur Entgeltsicherung in der M vom 18.12.2003 (im Folgenden: TV-EGS) weiter und vergütet den Kläger nun seit dem 01.04.2019 aus der Entgeltgruppe EG 12, Stufe 2 ERA. Einschließlich einer Leistungszulage von 12,5 % erhielt der Kläger im Monat April 2019 eine Vergütung in Höhe von 4.944,94 €.
13Der Umgruppierung war vorausgegangen, dass die Beklagte den Kläger 2016 in eine andere Abteilung versetzte und eine Neubewertung der Eingruppierung vornahm. Mit ihrem Betriebsrat konnte sich die beklagte Arbeitgeberin über die von ihr beabsichtigte und ab dem 01.04.2018 vorläufig erfolgte Umgruppierung in die Entgeltgruppe EG 12 ERA nicht verständigen. Auf Antrag des Betriebsrats wurde sodann das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren eingeleitet, dessen Anwendung die Beklagte mit ihrem Betriebsrat auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung vom 23.06.2006 vereinbarte. Dazu bestimmt § 7 ERA-ETV:
141 Im Rahmen der Einführung des Entgeltrahmenabkommens können die Betriebsparteien aufgrund einer freiwilligen unbefristeten Betriebsvereinbarung das folgende besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren vereinbaren, das die Reklamationsrechte nach § 4 Nr. 1 und 2 ERA sowie die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei Eingruppierungen und Umgruppierungen nach §§ 99 ff. BetrVG ablöst.
152 Es wird eine paritätische Kommission eingerichtet, der je zwei vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat bestellte Betriebsangehörige angehören.
163 Die paritätische Kommission wird auf schriftlichen Antrag des Betriebsrats (Einspruch) tätig, wenn sich die Betriebsparteien nicht auf die vom Arbeitgeber unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen beantragte Eingruppierung verständigen können.
174 Kommt es in der paritätischen Kommission innerhalb von acht Wochen nach Antragsstellung nicht zu einer einvernehmlichen Entscheidung über die Eingruppierung, so entscheidet auf Antrag einer Betriebspartei die tarifliche Einigungsstelle gem. § 24 EMTV die Eingruppierung des Beschäftigten verbindlich. Beiden Betriebsparteien steht gegen die Entscheidung der Einigungsstelle innerhalb einer Frist von zwei Wochen der Rechtsweg im Hinblick auf Verfahrensfehler und grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze offen.
185 Das Reklamationsrecht des Beschäftigten und Betriebsrats nach § 4 Nr. 2 ERA bei Änderungen der Arbeitsaufgaben gilt mit der Maßgabe, dass auf Antrag einer Betriebspartei die tarifliche Einigungsstelle gem. § 24 EMTV die Frage der Eingruppierung verbindlich entscheidet, wenn die paritätische Kommission nicht innerhalb von acht Wochen zu einer Entscheidung kommt. Nr. 4 Satz 2 gilt entsprechend.
196 Bis zum Abschluss des Verfahrens gilt die beantragte Eingruppierung des Arbeitgebers als vorläufig. Erfolgt innerhalb von vier Wochen bei der betrieblichen ERA-Einführung, in allen anderen Fällen innerhalb von zwei Wochen auf die vorläufige Eingruppierung kein Einspruch des Betriebsrates gemäß Nr. 3, gilt die Eingruppierung als endgültig. Bei Einspruch gilt die vorläufige Eingruppierung bis zur verbindlichen Entscheidung. Weicht die verbindliche Entscheidung von der vorläufigen Eingruppierung ab, so gilt diese neue Eingruppierung rückwirkend vom Zeitpunkt der Mitteilung an die paritätische Kommission.
207 Ist das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren zwischen den Betriebsparteien vereinbart worden, ist eine Kündigung dieser freiwilligen Betriebsvereinbarung frühestens zum Ende des sechsten Jahres ihrer Laufdauer zulässig, es sei denn, die Tarifvertragsparteien stimmen einer früheren Kündigung zu.
21In der auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 23.06.2006 bei der Beklagten eingerichteten paritätischen Kommission gem. § 7 Ziff. 2 ERA-ETV kam eine einvernehmliche Entscheidung über die beabsichtigte Umgruppierung nicht zustande. Die in der Folge angerufene tarifliche Einigungsstelle wies den dort gestellten Antrag der Arbeitgeberin zurück, die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe 12 zu ersetzen. Der Spruchbegründung ist zu entnehmen, dass die tarifliche Einigungsstelle davon ausgegangen ist, bei richtiger Bewertung der Grundlagen für die Einstufung des Klägers hätte die ihm übertragene und auszuführende Arbeitsaufgabe, die sich seit dem Zeitpunkt seiner Ersteingruppierung nicht wesentlich verändert habe, nicht in die Entgeltgruppe EG 13 ERA eingestuft werden dürfen, sondern lediglich in die Entgeltgruppe EG 12 ERA. Die vom Kläger eingenommene „Stelle 457 Verpackungsauslegung für Produkte und Versand“ würde hinsichtlich des Anforderungsmerkmals „Erforderliches Können“ nicht voraussetzen, dass neben einer abgeschlossenen Berufsausbildung als Packmitteltechnologe und einer Berufserfahrung von mindestens einem bis drei Jahren auch noch eine zusätzliche Fachausbildung von zwei Jahren erforderlich sei, wie es im Rahmen der Ersteingruppierung angenommen worden sei. Ausreichend sein dürfte eine zusätzliche Fachausbildung von einem Jahr oder anstelle einer solchen lediglich eine erhöhte Berufserfahrung von mehr als 3 Jahren. Die Fachkenntnisse des Stelleninhabers hätten daher lediglich mit 69 Punkten und die Berufserfahrung mit 6 Punkten, alternativ mit 58 Punkten und weiteren 12 Punkten für die erhöhte Berufserfahrung bewertet werden dürfen. Unter Berücksichtigung der jeweils aus der Stufe 4 zu bewertenden Anforderungsmerkmale „Handlungs- und Entscheidungsspielraum“ (30 Punkte) und „Kooperation“ (15 Punkte) hätte die Einstufung der dem Kläger übertragenen Arbeitsaufgabe von Anbeginn mit nicht mehr als 120 bzw. 115 Punkten zu einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 12 führen müssen. Tatsächlich sei der Kläger aber einvernehmlich von den Betriebsparteien bei Annahme von 132 Punkten in die EG 13 eingruppiert worden. Der Antrag der (beklagten) Arbeitgeberin an die tarifliche Einigungsstelle, die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung zu ersetzen, sei gleichwohl abzulehnen. Die Betriebsparteien hätten im Zeitpunkt der Eingruppierung des Klägers eine einvernehmliche Entscheidung herbeigeführt. Der Tarifsystematik sei zu entnehmen, dass es der (beklagten) Arbeitgeberin verwehrt sei, die einvernehmlich getroffene Ersteingruppierung nachträglich zu korrigieren.
22Die Beklagte griff den Spruch der tariflichen Einigungsstelle arbeitsgerichtlich an. Das diesbezügliche Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bielefeld ist noch nicht abgeschlossen.
23Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei rechtlich nicht in der Lage, ihm eine niedriger bewertete Tätigkeit dauerhaft zuzuweisen. Dies setze nach § 2 Ziff. 6 ERA eine Änderungskündigung oder eine Änderungsvereinbarung voraus. Eine Änderungskündigung habe die Beklagte – unstreitig – nicht ausgesprochen. Dieser Weg sei ihr auch verwehrt. Angesichts seines Lebensalters und seiner Betriebszugehörigkeit sei der Ausspruch einer ordentlichen Änderungskündigung nach § 3 Ziff. 3.3 des Manteltarifvertrages (MTV) für die M vom 08.11.2018 ausgeschlossen. Stütze die Beklagte sich darauf, sie nehme angesichts einer fehlenden Aufgabenänderung eine korrigierende Rückgruppierung vor, könne sie auch das aus rechtlichen Gründen nicht umsetzen. Eine solche korrigierende Rückgruppierung sei ausgeschlossen. Die Betriebsparteien hätten ihn – insoweit unstreitig – im Zeitpunkt der betrieblichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens einvernehmlich in die Entgeltgruppe 13 ERA eingruppiert. Diese Entscheidung könne die Beklagte nicht einseitig rückgängig machen. Dies lasse sich schon den Regelungen der §§ 4 Nr. 1, 2 sowie 2 Nr. 6 ERA entnehmen. So könne der Betriebsrat nur bei eingruppierungsrelevanten Änderungen der Arbeitsaufgabe im Wege des besonderen Reklamationsverfahrens gem. § 7 ERA-ETV eine Höhergruppierung erreichen. Für ihn hätten sich die Arbeitsaufgaben aber gerade nicht verändert. Gleichwohl solle eine Herabgruppierung erfolgen. Eine Herabgruppierung sei für die beklagte Arbeitgeberin nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 ERA aber nur dann möglich, wenn bei dauerhafter Zuweisung einer niedriger bewerteten Tätigkeit eine Änderungskündigung ausgesprochen oder ein Änderungsvertrag vereinbart werde. Beide Voraussetzungen seien – insoweit unstreitig - nicht gegeben. Nach § 7 Nr. 4 ERA-ETV entscheide die tarifliche Einigungsstelle verbindlich über die Eingruppierung des Beschäftigten. Außerhalb des tariflichen Regelungsmechanismus stünde die einmal getroffene Eingruppierungsentscheidung damit nicht mehr zur Disposition der beklagten Arbeitgeberin.
24Der Kläger hat beantragt,
25die Beklagte zu verurteilen, an ihn 907,87 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 01.05.2019 zu zahlen,
26festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem Monat Mai 2019 Vergütung nach der Entgeltgruppe 13 Stufe 3 gemäß dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall-und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18.12.2003 zu zahlen.
27Die Beklagte hat beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie hat die Auffassung vertreten, aus den im Einigungsstellenverfahren erhobenen Feststellungen ergebe sich, dass die dem Kläger übertragenen Arbeitsaufgaben mit 115, maximal mit 120 Punkten zu bewerten seien. Die für die Entgeltgruppe EG 13 ERA erforderliche Zahl von 129 Punkten werde daher nicht erreicht. Der Kläger sei demgemäß entsprechend § 2 Nr. 3 ERA in die Entgeltgruppe EG 12.2 ERA eingruppiert.
30Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 25.09.2018 – 8 AZR 26/18) erkenne an, dass eine korrigierende Rückgruppierung im Anwendungsbereich des Entgeltrahmenabkommens in Betracht komme. Sei das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren – wie hier – entsprechend § 7 ERA-ETV vereinbart, verdränge dies nur den gesetzlichen Konfliktlösungsmechanismus, der ohne die tariflichen Regelungen bei einer Verweigerung der nach § 99 BetrVG erforderlichen Zustimmung des Betriebsrats greife. Wäre das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren des § 7 ERA-ETV nicht durch Betriebsvereinbarung festgelegt worden, müsste sie – die Beklagte – das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren beschreiten. Sowohl das gesetzliche als auch das besondere tarifliche Eingruppierungsverfahren hätten zum Ziel, die objektiv richtige Eingruppierung festzustellen. Dem Beschäftigten stünde bei fehlerhafter Eingruppierung der Rechtsweg offen. Auch dem Arbeitgeber müsse möglich sein, eine als objektiv falsch erkannte Eingruppierung korrigieren zu können. § 7 Ziff. 5 ERA-ETV räume dem Betriebsrat ein Initiativecht für eine Korrektur ein, das er ohne die tarifliche Regelung auf der Basis der dann - lediglich - greifenden gesetzlichen Bestimmungen nicht hätte. Dies spräche dagegen, dem Arbeitgeber den ansonsten bestehenden Weg einer korrigierenden Rückgruppierung aberkennen zu wollen.
31Mit Urteil vom 08.01.2020 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, der Kläger sei gem. §§ 2, 3 ERA in die Entgeltgruppe EG 12 ERA eingruppiert. Die Einigungsstelle habe festgestellt, dass die im Jahr 2016 durchgeführte Umorganisation keine tatsächlichen Änderungen der Tätigkeiten des Klägers mit sich gebracht hätte. Der Kläger sei den Feststellungen der Einigungsstelle nicht entgegengetreten. Das Arbeitsgericht habe daher annehmen müssen, die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe 13 ERA sei von Anbeginn an fehlerhaft gewesen. Richtig wäre damit eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe EG 12 ERA. Die Beklagte sei nicht gehindert, die fehlerhafte Ersteingruppierung zu korrigieren.
32Gegen das dem Kläger am 22.01.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts richtet sich dessen am 18.02.2020 eingereichte und innerhalb der bis zum 23.04.2020 verlängerten Berufungsbegründungsfrist im Wesentlichen wie folgt begründete Berufung:
33Die seinerzeitige Ersteingruppierung des Klägers sei – unstreitig – zwischen der Beklagten und ihrem Betriebsrat einvernehmlich erfolgt. Angesichts des noch nicht abgeschlossenen Verfahrens zur Anfechtung des Spruchs der Einigungsstelle hätte das Arbeitsgericht die Klage nicht abweisen dürfen, sondern das Verfahren bis zum Abschluss des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens aussetzen müssen.
34Das Arbeitsgericht gehe unzutreffend davon aus, dass es sich über die fehlende Zustimmung des Betriebsrats hinwegsetzen könne, weil die Anwendung der Eingruppierungsbestimmungen lediglich Normvollzug sei. Anders als im Bereich des öffentlichen Dienstes sei auf der Grundlage des Entgeltrahmenabkommens ein Eingruppierungsakt erforderlich. Für die Wirksamkeit der zunächst nur vorläufigen Eingruppierung bedürfte es nach § 7 ERA-ETV der Zustimmung des Betriebsrats oder einer ersetzenden Entscheidung durch die paritätische Kommission oder die tarifliche Einigungsstelle. Unzutreffend nehme das Arbeitsgericht an, dass eine korrigierende Rückgruppierung im Anwendungsbereich des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens des § 7 ERA-ETV rechtlich möglich sei. Die ersten vier Ziffern des § 7 ERA-ETV befassten sich mit der Ersteingruppierung und legten die Schritte bis zur verbindlichen Wirkung der vorläufigen Eingruppierung fest. Änderungen der als verbindlich geltenden Eingruppierung seien dem in § 7 Ziff. 5 ERA-ETV geregelten Verfahren vorbehalten. Dies setze voraus, dass sich die Arbeitsaufgabe des Beschäftigten ändern würde.
35Die Beklagte sei in tatsächlicher Hinsicht ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. So obliege es ihr, im Rahmen der korrigierenden Rückgruppierung Tatsachen vorzutragen, die die aus ihrer Sicht zutreffende Eingruppierung tragen würden. Die tarifliche Einigungsstelle habe gerade keine abschließenden Feststellungen getroffen, sondern lediglich Zweifel an der Richtigkeit der Eingruppierung in die Entgeltgruppe EG 13 ERA geäußert. Alleine die Wiedergabe des Inhalts der Einigungsstellensitzungen stelle keinen ausreichenden Sachvortag seitens der Beklagten dar, zumal sie selbst bisher davon ausgegangen sei, das Anforderungsmerkmal „Fachliches Können“ sei mit 81 Punkten zu bewerten. Unklar bleibe, ob und inwieweit sich die Arbeitsaufgabe des Klägers geändert habe
36Der Kläger beantragt,
37das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 08.01.2020, Az.: 6 Ca 1146/19 abzuändern und
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 907,87 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen,
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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem Monat Mai 2019 Vergütung nach der Entgeltgruppe 13, Stufe 3 gemäß dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektronindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
43die Berufung zurückzuweisen.
44Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, eine korrigierende Rückgruppierung sei auch im Rahmen der sie bindenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen möglich. Die Eingruppierung sei kein Gestaltungsakt, sondern Normvollzug. Die Mitbeurteilung des Betriebsrats trage zu einer größeren Richtigkeitsgewähr bei. Dies bedeute jedoch nicht, dass die individualrechtliche Frage, ob die Eingruppierung zutreffend sei, nun nicht mehr überprüft werden könne.
45Trage der Kläger nun in der Berufung erstmals neue Tatsachen zur Einstufung der ihm übertragenen Aufgaben und Tätigkeiten vor, könne dies nicht mehr berücksichtigt werden. Es bleibe dabei, dass die Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe EG 13 ERA unzutreffend sei. Dies sei im Rahmen des tariflichen Einigungsstellenverfahrens überzeugend herausgearbeitet worden. Die Einwände des Klägers gegen diese Feststellungen würden nicht durchgreifen. Erstmals in der Berufungsinstanz ziehe der Kläger nun auch in Zweifel, dass es zu keiner Änderung der Arbeitsaufgabe gekommen sei. Bis dahin hätten sowohl der Betriebsrat als auch der Kläger selbst darauf hingewiesen, es sei auch nach der Versetzung des Klägers in eine andere Abteilung nicht zu einer Änderung der Arbeitsaufgabe gekommen sei.
46Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
47Entscheidungsgründe
48I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig, § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG. Sie wurde nach den §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG am 18.02.2020 gegen das dem Kläger am 22.01.2020 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt sowie innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist des § 66 Abs. 1 S. 2, S. 5 ArbGG ordnungsgemäß im Sinne der §§ 520 Abs. 3, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG am 23.04.2020 begründet.
49II. Die damit zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch ebenso wie die begehrte Feststellung zu.
501. Die Klage ist insgesamt zulässig. Das gilt sowohl für den mit dem Leistungsklageantrag zu Ziff. 1 geltend gemachten Zahlungsanspruch hinsichtlich des in rechnerischer Höhe unstreitigen Differenzbetrag als auch für die Feststellungsklage, die der Kläger mit seinem Antrag zu Ziff. 2 verfolgt.
51a) Insbesondere besteht das für den Antrag zu Ziff. 2 erforderliche Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat seinen zunächst mit der Klage angekündigten Antrag festzustellen, er sei in die Entgeltgruppe EG 13 Stufe 3 ERA NRW einzugruppieren, bereits im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens umgestellt und einen, nun auch nach seinem Wortlaut eindeutigen, auch in der Privatwirtschaft allgemein zulässigen Eingruppierungsfeststellungsantrag (vgl. nur BAG Urt. v. 19.11.2014 - 4 AZR 996/12; Urt. v. 19.05.2010 - 4 AZR 903/08; LAG Hamm Urt. v. 08.02.2008 – 10 Sa 1355/07; Urt. v. 07.12.2007 - 7 Sa 1354/07) eingebracht, der darauf gerichtet ist, die Verpflichtung festzustellen, die Beklagte müsse den Kläger aus einer bestimmten Entgeltgruppe vergüten. Auch der vom Kläger mit seinem Leistungsantrag verfolgte Anspruch auf Zahlung der – in rechnerischer Höhe unstreitigen - Differenzvergütung für den Monat April 2018 macht deutlich, dass es dem Kläger nicht um die Verpflichtung der Beklagten geht, ihn – mit einer wie auch immer gearteten Handlung - einzugruppieren. Das Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich aus der Zukunftsorientierung seines Begehrens.
52b) Dem nach dem Wortlaut des Antrags eindeutige Rechtsschutzziel des Klägers ist nicht etwa mit Blick auf den weiteren Sachvortrag im Wege der Auslegung eine andere Zielrichtung zu geben. Dafür gibt auch die vom Kläger zweitinstanzlich eingenommene Rechtsauffassung keinen Anlass, es bestünde im Entgeltrahmenabkommen der gerade keine Tarifautomatik, wie sie für die Eingruppierung nach den tarifvertraglichen Bestimmungen des öffentlichen Dienstes anzunehmen sei. Zwar nimmt der Kläger den Standpunkt ein, nach den Bestimmungen des Entgeltrahmenabkommens bedürfe es eines „Eingruppierungsaktes“, ohne dass er den rechtsgeschäftlichen Vollzug dieses Aktes in seinem Antrag zum Ausdruck bringt. Doch ist mit der Beklagten davon auszugehen, dass die Eingruppierung nach den Bestimmungen des Entgeltrahmenabkommens Nordrhein-Westfalens keines Gestaltungsakt bedarf, sondern bloßer Normvollzug ist. Der Arbeitnehmer ist eingruppiert, er wird es nicht (vgl. zu den insoweit vergleichbaren Bestimmungen des Entgeltrahmenabkommens Baden-Württemberg BAG Beschl. vom 12.01.2011 – 7 ABR 34/09). Dies ergibt sich bereits aus der Passivkonstruktion in der Formulierung des § 2 Ziff. 2 ERA, wird dort ausgeführt, der Beschäftige habe Anspruch auf die Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe, „in die er eingruppiert ist.“ Auch macht die nachfolgende Regelung in § 2 Ziff. 3 ERA deutlich, dass „Grundlage der Eingruppierung des Beschäftigten“ (..) „die Einstufung der übertragenen und auszuführenden Arbeitsaufgabe“ ist. Diese, der eigentlichen Eingruppierung vorausgehende Einstufung der Arbeitsaufgabe ist alleine abhängig von der (Punkte-) Bewertung der Anforderungsmerkmale und damit von einem bloßen Normvollzug, an dem beide Betriebsparteien beteiligt sind. Ein weiterer Zwischenakt muss dem nicht hinzutreten. Der Kläger erreicht damit mit seinem gestellten Antrag das gewünschte Rechtsschutzziel.
532. Die Zahlungsklage ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 907,87 € brutto aus §§ 2 Ziff. 2 ERA, 4 Abs. 1 S. 1 TVG, § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag zu. Der Kläger kann von die Beklagte für den Monat April 2019 weiterhin eine Vergütung in Höhe des ERA-Monatsgrundentgelts aus der Entgeltgruppe EG 13, Stufe 3 ERA nebst einer Leistungszulage von 12.5 % verlangen. Gezahlt hat die Beklagte an den Kläger für diesen Monat lediglich das der Entgeltgruppe EG 12, Stufe 2 ERA entsprechende ERA-Monatsgrundentgelt nebst der dazugehörigen Leistungszulage. Zwischen den beiderseitig tarifgebundenen Parteien ist unstreitig, dass sich der Differenzbetrag auf 907,87 € brutto beläuft. In dieser Höhe ist der Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat April 2019 demgemäß noch nicht durch Zahlung entsprechend § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
54a) Die von der Beklagten bereits mit Wirkung vom 01.04.2018 vorläufig vollzogene Umgruppierung des Klägers von der Entgeltgruppe EG 13 ERA in die Entgeltgruppe EG 12 ERA führt nicht dazu, dass die Beklagte nach Ablauf eines sich daran anschließenden Zeitraums von 12 Monaten, für den sie sich zur Weiterzahlung des bisherigen Entgelts im Wege der Entgeltsicherung nach § 3 TV EGS gebunden fühlte, mit Wirkung ab dem 01.04.2019 nur noch zur Zahlung eines Monatsgrundentgelts der Entgeltgruppe EG 12 ERA nebst weiterer Entgeltbestandteilen verpflichtet ist.
55b) Diese Wirkung ergibt sich nicht aus § 7 Nr. 6 ERA-ETV. Danach gilt die von der beklagten Arbeitgeberin beantragte Eingruppierung des Klägers in die Entgeltgruppe EG 12 ERA bis zum Abschluss des besonderen Reklamations- und Eingruppierungsverfahrens mit der Rechtsfolge als vorläufig, dass der Arbeitnehmer im Falle einer Herabgruppierung bis zum Abschuss des besonderen Reklamationsverfahrens auch nur eine der vorläufigen Herabgruppierung angepasste, also herabgesetzte Vergütung vorläufig beanspruchen kann.
56Diese vorläufige Wirkung greift nach § 7 Ziff. 6 S. 2 ERA-ETV bis zum Abschluss des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens. Abgeschlossen ist das Verfahren mit einer verbindlichen Entscheidung. Dies ist nach § 7 Ziff. 4 ERA-ETV entweder die einvernehmliche Entscheidung der paritätischen Kommission oder die (streitige) Entscheidung der tariflichen Einigungsstelle. Verbindlich entschieden hat die tarifliche Einigungsstelle durch Spruch am 17.06.2019, also in zeitlicher Hinsicht nach Ablauf des Monats, für den der Kläger nun die Zahlung des Differenzlohns einfordert. Für den Monat April 2019 galt damit noch die verbindliche Wirkung der Herabgruppierung von der Entgeltgruppe EG 13 ERA in die Entgeltgruppe EG 12 ERA.
57c) Die Berufungskammer lässt offen, wie sich tarifvertraglich vorgesehene vorläufige Wirkung der Ein- und Umgruppierung letztlich auf den individualvertraglichen Vergütungsanspruch des Klägers auswirkt. Sie lässt auch unberücksichtigt, ob die von der Beklagten entsprechend § 7 Ziff. 4 S. 2 ERA-ETV erfolgte Anfechtung der zu ihren Lasten ausgegangenen Entscheidung der Einigungsstelle vor dem Arbeitsgericht Bielefeld die vorläufige Wirkung der erfolgten Herabgruppierung weiter aufrechterhält.
58Denn die Beklagte kann diese vorläufige Herabsetzung der Vergütung des Klägers für den Monat April 2019 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erreichen. Das Berufungsgericht musste deshalb nicht in Erwägung ziehen, den Rechtsstreit nach § 148 ZPO auszusetzten, bis über das Verfahren der Anfechtung des Spruchs der Einigungsstelle entschieden ist, das vor dem Arbeitsgericht Bielefeld unter dem Aktenzeichen 6 BV 9/20 (vormals 3 BV 69/19) anhängig ist. Eine Vorgreiflichkeit dieses Verfahrens im Sinne des § 148 ZPO ist nicht gegeben, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass eine erfolgreiche Anfechtung des Spruchs der tariflichen Einigungsstelle vom 17.06.2019 dazu führen könnte, das tarifliche Einigungsstellenverfahren fortsetzen zu müssen mit der Folge, dass die vorläufige Wirkung der Umgruppierung für den Monat April 2019 erneut Wirkung entfalten würde.
59Den tariflichen Bestimmungen des § 7 ERA-ETV ist zu entnehmen, dass im Anwendungsbereich des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens eine Korrektur der erfolgten (Erst-) Eingruppierung ausgeschlossen ist. Die von der Beklagten vorgenommene Herabgruppierung des Klägers entfaltet damit keine Wirkungen, eben auch nicht diejenige einer vorläufigen Herabsetzung der Vergütung.
60aa) Die Berufungskammer nimmt zugunsten der Beklagten an, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine sog. korrigierende Rückgruppierung vorliegen. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber bei einer unveränderten Aufgaben- und Tätigkeitszuweisung des Arbeitnehmers annehmen kann, seine im Zeitpunkt der Ersteingruppierung vorgenommene Eingruppierungsentscheidung sei fehlerhaft zu hoch gewesen. Eine solche fehlerhafte Eingruppierung kann der Arbeitgeber grundsätzlich korrigieren (BAG Urt. v. 11.07.2018 - 4 AZR 488/17; Urt. v. 20.03.2013 – 4 AZR 521/11).
61Es kann unentschieden bleiben, ob zwischen den Parteien der Umstand unstreitig ist, dass es seit der Ersteingruppierung des Klägers zu keinen wesentlichen Änderungen der übertragenen Arbeitsaufgabe gekommen ist. Dafür spricht indes vieles. So bestand zwischen den Parteien ursprünglich Streit darüber, ob die im Jahr 2016 erfolgte Zuordnung des Klägers in eine andere Abteilung auch zu einer Veränderung der dem Kläger zugewiesenen Arbeitsaufgabe geführt hat. Der Kläger hat dazu erstinstanzlich den Rechtsstandpunkt eingenommen, der Beklagten sei der Weg verwehrt, bei einer Änderung der tatsächlich zugewiesenen Tätigkeiten eine Änderungskündigung zur Herabgruppierung auszusprechen, weil ihm ein Sonderkündigungsschutz nach § 3 Ziff. 3.3. MTV zu Seite stünde. Eine deshalb alleine mögliche korrigierende Rückgruppierung halte er für unzulässig. Der vom Kläger eingenommene Rechtsstandpunkt macht nur Sinn, wenn er ihm unausgesprochen die Tatsache zugrunde legt, die Arbeitsaufgabe habe sich nicht verändert. Die Beklagte hat sich nicht zuletzt mit Blick auf die Feststellungen der tariflichen Einigungsstelle ihrerseits darauf gestützt, eine solche korrigierende Rückgruppierung durchführen zu wollen. Zweitinstanzlich hat sie darauf hingewiesen, sowohl der Betriebsrat als auch der Kläger selbst hätten zuvor behauptet, es sei nach einer Versetzung des Klägers in eine andere Abteilung nicht zu einer Änderung der Arbeitsaufgabe gekommen. Erstmals in der Berufungsinstanz stelle der Kläger nun in Zweifel, dass es zu keinen tatsächlichen Änderungen der Arbeitsaufgabe gekommen sei, ohne dies näher zu konkretisieren.
62Es mag dahinstehen, ob die Tatsache, dass die dem Kläger zugewiesene Arbeitsaufgabe sich seit dessen Ersteingruppierung nicht verändert hat, unter Berücksichtigung dieses wechselseitigen Sachvortrags nach § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zu gelten hat. Denn die Beklagte kann eine zwar grundsätzlich mögliche korrigierende Rückgruppierung, mit der sie einen bei der Ersteingruppierung des Klägers vermeintlich begangenen Fehler korrigieren will, im Anwendungsbereich des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens des § 7 ERA-ETV ohnehin nicht durchführen. Eine Änderungskündigung zur Herbeiführung einer Herabgruppierung, die ansonsten nötig wäre, hat sie unstreitig nicht ausgesprochen.
63bb) So ergeben die tariflichen Bestimmungen des hier kraft freiwilliger Betriebsvereinbarung vom 23.06.2006 herbeigeführten besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens des § 7 ERA-ETV, dass in dessen Anwendungsbereich eine korrigierende Rückgruppierung nicht in Betracht kommt. Dies lässt sich im Wege der systematischen und teleologischen Auslegung der tariflichen Bestimmungen ermitteln.
64Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung den Grundsätzen, die für die Auslegung von Gesetzen gelten. Dabei findet die Auslegung ihren Ausgangspunkt im Wortlaut der tarifvertraglichen Bestimmungen, wobei der eigentliche Sinngehalt der Worte zu ermitteln ist. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und somit der von den Tarifvertragsparteien beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm ist dabei mit in den Blick zu nehmen, soweit dies in den tariflichen Bestimmungen Niederschlag gefunden hat. Dabei ist auch der tarifliche Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Verbleiben zuletzt Ungewissheiten, können weitere Kriterien herangezogen werden, wobei im Zweifelsfall die Tarifauslegung zu wählen ist, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG Urt. v. 12.12.2018 – 4 AZR 147/17; Urt. v. 20.06.2018 - 4 AZR 339/17; Urt. v. 02.11.2016 - 10 AZR 615/15; Urt. v. 26.04.2017 – 10 AZR 589/15).
65(1) Dem Wortlaut der tariflichen Bestimmungen kann nicht ausdrücklich entnommen werden, ob eine Umgruppierung durch den Arbeitgeber auch dann in Betracht kommen kann, wenn sich an der dem Arbeitnehmer zugewiesenen Arbeitsaufgabe nichts geändert hat und lediglich das Ziel erreicht werden soll, eine als fehlerhaft – weil zu hoch – erfolgte Eingruppierung zu korrigieren. Den in der juristischen Fachsprache mit einem definierten Inhalt belegten Begriff der „korrigierenden Rückgruppierung“ haben die Tarifvertragsparteien weder in § 7 ERA-ETV noch in den Bestimmungen des Entgeltrahmenabkommens verwandt.
66Doch spricht zumindest § 7 Nr. 1 ERA-ETV unterschiedslos die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierung nach den §§ 99 BetrVG an, die durch das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren abgelöst werden sollen. Eine Umgruppierung, die als personelle Einzelmaßnahme die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG auslöst, ist nicht nur die Umgruppierung nach einer erfolgten Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Das Beteiligungsrecht des § 99 BetrVG erfasst jeglichen Umgruppierungsvorgang, also sowohl die Überleitung in eine andere Entgeltgruppe nach einer Änderung der zugewiesenen Arbeitsaufgabe als auch eine Umgruppierung ohne eine solche Änderung, also auch die sog. korrigierende Rückgruppierung (vgl. dazu BAG Beschl. v. 19.10.2016 – 4 ABR 27/15; Beschl. v. 22.01.2003 - 4 ABR 12/02; Beschl. v. 22.04.2009 - 4 ABR 14/08).
67Wird eine Wortauslegung vorgenommen, ist bei der Verwendung eines Fachbegriffs durch die Tarifvertragsparteien, dem allgemein eine bestimmte Bedeutung beigemessen wird, grundsätzlich anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien diesen Begriff in seinem üblichen Sinne verwenden wollten (BAG Urt. v. 26.04.2017 – 10 AZR 589/15; Urt. v. 02.11.2016 - 10 AZR 615/15). Bei einer am Wortsinn festhaltenden Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens wäre damit auch die korrigierende Rückgruppierung dem Verfahren nach § 7 ERA-ETV unterworfen.
68(2) Wenn auch die Wortauslegung von besonderer Bedeutung ist, um den Inhalt tarifvertraglicher Bestimmungen zu ermitteln (BAG Urt. v. 18.05.2016 – 10 AZR 183/15; Urt. v. 13.01.2016 – 10 AZR 42/15), verbleibt es dennoch dabei, dass die Auslegung nicht dem bloßen Buchstaben verhaftet ist. So ist über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Tarifnorm zu beachten, vorausgesetzt, dies hat in den tariflichen Regelungen und in ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden (BAG Urt. v. 26.04.2017 – 10 AZR 589/15). Soll in diesem Zusammenhang trotz der Verwendung eines Fachbegriffs ein anderes als das Wortlautergebnis diesem Sinn und Zweck entsprechen, bedarf es sicherer Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung, die aus dem Tarifwortlaut selbst oder aus anderen Gründen erkennbar sein müssen (BAG Urt. v. 26.04.2017 – 10 AZR 589/15).
69(3) Hier lassen sich sichere Anhaltspunkte für ein abweichendes Auslegungsergebnis deutlich ermitteln. Der Tarifsystematik kann entnommen werden, dass die Tarifvertragsparteien die Korrektur der einmal getroffenen und verbindlich gewordenen Eingruppierungsentscheidung ohne eine Veränderung der diese Entscheidung bestimmenden tatsächlichen Grundlagen im Geltungsbereich des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens des § 7 ERA-ETV ausgeschlossen haben.
70Die Tarifvertragsparteien haben den Eingruppierungsvorgang einem Verfahrensablauf unterworfen, der die Eingruppierungsentscheidung des Arbeitgebers mit einer während des Verfahrensablaufs steigenden Verbindlichkeit versieht. So bestimmt § 7 Ziff. 6 ERA, dass die vom Arbeitgeber zunächst beantragte Eingruppierung als vorläufig gilt. Ist das Verfahren endgültig abgeschlossen – ggf. auf der Grundlage einer einvernehmlichen Entscheidung der paritätischen Kommission oder einer Entscheidung der tariflichen Einigungsstelle – gilt diese Entscheidung als verbindlich. Bereits der Wortlaut, den die Tarifvertragsparteien gewählt haben, macht deutlich, dass dieser Eingruppierungsentscheidung Unsicherheiten innewohnen können, ohne dass dies die Verbindlichkeit der einmal getroffenen Entscheidung infrage stellen soll.
71Die Tarifvertragsparteien formulieren in § 7 Ziff. 6 S. 2 ERA-ETV, erfolge „auf die vorläufige Eingruppierung des Arbeitgebers kein Einspruch des Betriebsrats gemäß Nr. 3, gilt die Eingruppierung als endgültig“. Um die Wirkungen des abgeschlossenen Eingruppierungsvorgangs zu umschreiben, nutzen die Tarifvertragsparteien eine Formulierung, die rechtstechnisch einer Fiktion gleicht. Eine Fiktion im Rechtssinne ist die im Gesetz festgelegte Annahme eines Sachverhalts, der in Wirklichkeit nicht besteht. Über den Weg einer gesetzlichen Fiktion lässt sich eine Rechtsfolge als verbindlich festzulegen, deren tatbestandliche Ableitung ansonsten nicht gegen wäre (Creifelds, Rechtswörterbuch, Fiktion, 24. Aufl. 2020).
72Selbstverständlich geht es den Tarifvertragsparteien mit dem von ihnen gebildeten besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens darum, auf der Grundlage eines zutreffenden Sachverhalts die richtige Eingruppierung festzulegen. Schließen sie aber den Entscheidungsfindungsprozess begrifflich mit einer Fiktion ab, machen sie deutlich, dass diesem Ergebnis – trotz aller Rechtsunsicherheiten - eine Richtigkeitsgewähr innewohnt, der verbindliche Wirkung zukommen soll.
73Damit stimmt überein, dass der Anfechtungsprozess einer streitigen Entscheidung des Eingruppierungsvorgangs für die Betriebsparteien nur begrenzt möglich sein soll. So legt § 7 Nr. 4 S. 2 ERA-ETV fest, dass beiden Betriebsparteien gegen die Entscheidung der Einigungsstelle (lediglich) eine zeitlich befristete Anfechtungsmöglichkeit offensteht. Der Rechtsweg kann nur im Hinblick auf Verfahrensfehler und eine grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze beschritten werden.
74Die nur begrenzte Möglichkeit, den Spruch der tariflichen Einigungsstelle überprüfen zu können, rückt die Entscheidung der Einigungsstelle in die Nähe einer schiedsgutachterlichen Entscheidung, deren Überprüfung alleine in den Grenzen der §§ 317 ff BGB möglich ist (vgl. dazu BAG Urt. v. 17.03.2005 – 8 AZR 179/04 m.w.N.). Es stellte einen unauflösbaren Wertungswiderspruch dar, würde man den Arbeitgeber bei Anwendung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens einerseits verpflichten, das sehr aufwändige tarifliche Einigungsstellenverfahren mit einer nur begrenzten Rechtskontrolle zu durchlaufen, um ihm sodann und gleichwohl den Weg zu eröffnen, das aus seiner Sicht als falsch – weil zu hoch – empfundene Ergebnis des Erkenntnisprozesses zur (Erst-) Eingruppierung schlicht korrigieren zu können. Er müsste lediglich dem Betriebsrat eine erneute Vorlage zur beabsichtigten korrigierenden Rückgruppierung antragen, dem sich sodann im Rahmen des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren eine Befassung in der paritätischen Kommission sowie das tarifliche Einigungsstellenverfahren anschließen würde. Dieser Vorgang ließe sich – in den Grenzen von Treu und Glauben – beliebig wiederholen, im Übrigen jedes Mal erneut mit der Wirkung, dass die vom Arbeitgeber beantragte Rückgruppierung nach § 7 Ziff. 6 S. 1 ERA-ETV vorläufig gelten würde.
75Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber sinnentleerte Verfahrensabfolgen aufgeben wollten, kann nur der Schluss gezogen werden, dass im Geltungsbereich des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren des § 7 ERA-ETV ein Durchlaufen der dort genannten Verfahrensschritte die verbindliche Wirkung der gefundenen Eingruppierung dauerhaft begründen soll und eine Änderung der einmal vorgenommenen Eingruppierung nur in den durch die tarifvertraglichen Bestimmungen genannten Fälle möglich ist.
76Diese Fälle regelt § 7 Ziff. 5 ERA-ETV als Reklamationsrechte für den Beschäftigten und den Betriebsrat nach § 4 Nr. 2 ERA. Nach § 4 Nr. 2 ERA kommt eine Prüfung der Eingruppierung durch den Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrats oder des Beschäftigten nur dann in Betracht, wenn sich die Anforderungen aus der Arbeitsaufgabe maßgeblich geändert haben oder weitere Aufgaben übertragen worden sind und sich daraus Auswirkungen auf die Eingruppierung der Beschäftigten ergeben können. Die Tarifvertragsparteien haben nach dem Wortlaut dieser Bestimmung die „korrigierende Höhergruppierung“ damit ausdrücklich ausgeschlossen. Betriebsrat und Beschäftigter sind nicht in der Lage, eine im Zeitpunkt der Ersteingruppierung fehlerhaft als zu niedrig erfolgte Eingruppierung korrigieren zu lassen. Voraussetzung für eine solche Korrektur ist nach den tarifvertraglichen Bestimmungen stets, dass sich auch die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich geändert haben und sich daraus Auswirkungen auf die Eingruppierung der Beschäftigten ergeben können.
77Der Reklamation des Beschäftigen und des Betriebsrats nach den §§ 7 Ziff. 5 ERA-ETV, 4 Nr. 2 ERA entspricht auf Seiten des Arbeitgebers das Verfahren zur Herabgruppierung, das § 2 Nr. 6 Abs. 2 ERA vorgibt. Danach setzt eine dauerhafte Ausübung einer niedriger bewerteten Tätigkeit über sechs Monate hinaus eine Änderungskündigung oder eine Änderungsvereinbarung voraus und führt zu einer Neueingruppierung des Beschäftigten. Auch hier ist Voraussetzung, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse in Bezug auf die übertragene und auszuführende Arbeitsaufgabe des Beschäftigten maßgeblich geändert haben.
78Die Beklagte hat im Übrigen von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Eine Änderungskündigung ist ihr aus rechtlichen Gründen verwehrt. Eine ordentliche Änderungskündigung ist nach § 3 Ziff. 3.3 MTV ausgeschlossen. Der Kläger ist älter als 55 Jahre und länger als 10 Jahre beschäftigt. Eine Änderungskündigung ist damit nur noch aus wichtigem Grund möglich.
79Könnte der Arbeitgeber neben den in § 2 Ziff. 6 Abs. 2 ERA vorgegebenen Möglichkeiten der Herabgruppierung auch noch auf den Weg einer voraussetzungslosen korrigierenden Rückgruppierung zurückgreifen, obwohl dem Betriebsrat ein solcher Weg angesichts der Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Ziff. 2 ERA verschlossen wäre, geriete aus dem Blick, dass es stets der Arbeitgeber ist, der die Ersteingruppierung beantragt. Seinem Antrag geht eine von ihm verantwortete Eingruppierungsprüfung voraus, auf die der Betriebsrat zunächst keinen Einfluss nehmen kann. Das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren hat die nach § 2 Ziff. 2 ERA-ETV seit dem 01.03.2005 mögliche ERA-Einführung begleitet. In den tarifgebundenen Betrieben war die ERA-Ersteinführung ein aufwändiges Verfahren. Im Rahmen der zahlreichen Ersteingruppierungen in den Betrieben werden die Betriebsparteien im Wege wechselseitigen Nachgebens häufig betriebliche Lösungen gefunden haben. Bliebe es alleine dem Arbeitgeber offen, diesen Kompromisslösungen mit dem Einwand der korrigierenden Rückgruppierung begegnen zu können, ohne dass der Betriebsrat mangels einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 4 Ziff. 2 ERA seinerseits in der Lage wäre, einer aus seiner Sicht als misslich empfundenen Eingruppierung im Nachgang mit einer „korrigierenden Höhergruppierung“ begegnen zu können, liefe dies auf eine innerbetriebliche Schieflage hinaus, die mit einem möglichst effektiven und wirksamen innerbetrieblichen Schlichtungsinstrument, wie es das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren des § 7 ERA-ETV ist, nicht in Übereinstimmung zu bringen wäre.
80Einem Ausschluss der korrigierenden Rückgruppierung im Anwendungsbereich des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens des § 7 ERA-ETV steht nicht entgegen, dass dem Beschäftigten nach § 4 Ziff. 2 ERA der Rechtsweg uneingeschränkt eröffnet ist. So bleibt es ihm unbenommen, eine Eingruppierungsfeststellungsklage zu erheben, um seine als falsch empfundene Eingruppierung gerichtlich zur Überprüfung zu stellen. Der Beklagten ist nicht zuzustimmen, nimmt sie an, es sei unbillig, dem Betriebsrat durch die Vereinbarung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens mehr Recht einräumen zu wollen, als ihm nach den §§ 99 ff BetrVG zustehen würden, dem Arbeitnehmer zu gestalten, den Weg der Individualklage beschreiten zu können und zugleich dem Arbeitgeber das ansonsten bestehende Recht der korrigierenden Rückgruppierung nehmen zu wollen.
81Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen der ERA-Eingruppierung gewollt, vor einer gerichtlichen Überprüfung einer streitigen Eingruppierung zunächst betriebsnahe Feststellungen zu treffen und eine Einigung mit den Betriebsparteien – ggf. unter Hinzuziehung der Tarifvertragsparteien - zu versuchen (vgl. BAG Urt. v. 17.03.2005 – 8 AZR 179/04; zum vergleichbaren Verfahren der Leistungsbeurteilung nach ERA BAG Urt. v. 20.01.2004 – 9 AZR 393/03). Schalten die Tarifvertragsparteien dem staatlichen Rechtsschutz ein innerbetriebliches und ggf. tarifliches Konfliktlösungsverfahren voran, verfolgen sie erkennbar den Zweck, den innerbetrieblichen Sachverstand und den der Tarifvertragsparteien bei der Bewertung des betrieblichen Sachverhalts zu nutzen (BAG Urt. v.19.02.2020 – 10 AZR 19/19). Es geht ihnen ersichtlich darum, innerbetriebliche Konflikte zwischen den Betriebsparteien zu schlichten und außergerichtlich beizulegen. Durch die Vereinbarung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens sollen langwierige Rechtsstreitigkeiten vermieden werden (vgl. ERA NRW Leitfaden II, Ausgabe 2007, Kap. 6, S. 1, Herausgeber: Metall NRW). Die Wirkungen der vorläufigen Eingruppierung sollen herbeigeführt werden (Leitfaden a.a.O., S. 2). Die Tarifvertragsparteien erhoffen sich vom innerbetrieblichen Klärungsprozess der paritätischen Kommission und der tariflichen Einigungsstelle, dass die dortigen Entscheidungen angesichts der sehr umfangreichen und sachverständigen Prüfung dazu führen, dass die Arbeitsgerichte materiell regelmäßig nicht von den gefundenen Entscheidungen abweichen werden, sodass durch das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren des § 7 ERA-ETV Individualklagen weitgehend vermieden werden (Leitfaden, a.a.O., S. 10f). Sie haben ein in sich geschlossenes Konzept für die Bewertung von Arbeitsaufgaben entwickelt (vgl. zu den insoweit vergleichbaren Bestimmungen des Entgeltrahmenabkommens in C BAG Beschl. v. 12.01.2011 – 7 ABR 34/09). Im Rahmen ihrer tarifvertraglichen Einschätzungsprärogative haben die Tarifvertragsparteien die innerbetrieblichen Rechte und Durchsetzungsmöglichkeiten des Betriebsrats gestärkt (Leitfaden a.a.O., S. 10), um eine Befassung der Arbeitsgerichte mit den ansonsten zu erwartenden Individualverfahren zu vermeiden. Es ist bei dieser Erwartungshaltung der Tarifvertragsparteien deshalb kein Wertungswiderspruch, trotz einer Ausweitung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats die Möglichkeit einer korrigierenden Rückgruppierung auszuschließen.
82(4) Das Berufungsgericht vermochte der Beklagten nicht zu folgen, ist sie der Auffassung, bereits aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgericht vom 11.07.2018 – 4 AZR 488/17 – ergebe sich, dass eine korrigierende Rückgruppierung auch für sie möglich sein müsse. Zwar ist es richtig, dass sich das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung mit einer korrigierenden Rückgruppierung im Anwendungsbereich des Entgeltrahmenabkommens N – im Wesentlichen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast - befasst hat. Zutreffend ist auch, dass das Bundesarbeitsgericht keinen Anlass gehabt hätte, sich mit den aufgeworfenen Rechtsfragen zu befassen, wenn es ohnehin der Auffassung gewesen wäre, eine korrigierende Rückgruppierung sei bereits tarifsystematisch ausgeschlossen. Doch hatte das Bundesarbeitsgericht in dieser Entscheidung keine Gelegenheit, sich mit der Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer korrigierenden Rückgruppierung im Anwendungsbereich des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens nach § 7 ERA-ETV auseinanderzusetzen. Dem Tatbestand der bundesarbeitsgerichtlichen Entscheidung und auch der vorausgegangenen landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung (LAG Hamm Urt. v. 24.05.2017 – 4 Sa 1400/16) ist nicht zu entnehmen, dass das besondere Eingruppierungs- und Reklamationsverfahren des § 7 ERA-ETV vereinbart worden war. Es war jedenfalls für die Entscheidung – anders als hier – nicht von Relevanz.
83d) Da der Beklagten eine korrigierende Rückgruppierung aus rechtlichen Gründen verschlossen ist, musste sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage befassen, ob die dem Kläger zugewiesene und übertragene Arbeitsaufgabe in materieller Hinsicht zu einer Bewertung entsprechend Entgeltgruppe EG 13 ERA führt. Den im Einzelnen zwischen den Parteien streitigen Tatsachen zur Eingruppierung war damit nicht nachzugehen.
843. Der Zinsanspruch ab dem 01.05.2019 folgt aus § 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 1, 614 BGB. Der noch offene Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat April 2019 war spätestens mit Ablauf des 30.04.2019 fällig.
854. Aus den dargestellten Gründen ist die Klage auch begründet, soweit der Kläger mit seinem Antrag zu Ziff. 2 die Feststellung begehrt, die Beklagte sei verpflichtet, ihm eine Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe EG 13 Stufe 3 ERA entsprechend § 2 Ziff. 2 ERA ab dem 01.05.2019 zu zahlen.
86III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen, weil der Rechtsfrage, ob eine korrigierende Rückgruppierung im Anwendungsbereich des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens des § 7 ERA-ETV möglich ist, grundsätzliche Bedeutung hat.
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Referenzen
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
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- 6 Ca 1146/19 4x (nicht zugeordnet)
- §§ 519 ZPO, 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG 1x (nicht zugeordnet)
- 6 BV 9/20 1x (nicht zugeordnet)
- 3 BV 69/19 1x (nicht zugeordnet)
- 7 Sa 1354/07 1x (nicht zugeordnet)
- 4 ABR 12/02 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 TV 1x (nicht zugeordnet)
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- 7 ABR 34/09 2x (nicht zugeordnet)
- 4 AZR 339/17 1x (nicht zugeordnet)
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- ArbGG § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung 2x
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- 4 AZR 488/17 1x (nicht zugeordnet)
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- 10 AZR 19/19 1x (nicht zugeordnet)
- BetrVG § 99 Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen 4x
- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 1x
- BGB § 611a Arbeitsvertrag 1x
- ZPO § 256 Feststellungsklage 1x
- 10 AZR 183/15 1x (nicht zugeordnet)
- 10 AZR 42/15 1x (nicht zugeordnet)
- 4 AZR 903/08 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Bundesarbeitsgericht (4. Senat) - 4 AZR 488/17 1x
- BGB § 247 Basiszinssatz 1x
- 1 Sa 211/20 1x (nicht zugeordnet)
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