Beschluss vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII B 259/09
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führte im April 2004 ein antikes Goldgefäß zusammen mit anderen Antiquitäten aus der Schweiz nach Deutschland ein. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) nahm die Zollanmeldung an und überließ die Waren. Mit der Begründung, dass das Goldgefäß als irakisches Kulturgut einem Einfuhrverbot unterlegen habe, widerrief das HZA im März 2006 dessen Überlassung und ordnete die Sicherstellung an.
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Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin geltend macht, dass das Gefäß aus dem antiken Troja, also dem Gebiet der heutigen Türkei, stamme, wies das Finanzgericht (FG) ab, nachdem es zur Herkunft des Goldgefäßes ein Gutachten des Sachverständigen Dr. W eingeholt und dieser sein Gutachten in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erläutert hatte. Einen weiteren zu dieser Frage ergangenen Beweisbeschluss über die Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Dr. D hob das FG in der mündlichen Verhandlung auf. Das FG urteilte, dass das Goldgefäß nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus Südmesopotamien, also dem heutigen Staatsgebiet des Irak, stamme. Es sei davon auszugehen, dass es bei einer Grabung gefunden worden sei oder es sich um einen sonstigen Fund handele, da es keinen Anhaltspunkt dafür gebe, dass das Gefäß aus einer privaten oder staatlichen Sammlung stamme. Da außerdem der begründete Verdacht bestehe, dass das Goldgefäß unter Verstoß gegen die einschlägigen irakischen Gesetze und Bestimmungen aus dem Irak verbracht worden sei, und die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die Ausfuhr aus dem Irak vor dem 6. August 1990 stattgefunden habe, habe das Goldgefäß einem Einfuhr- und Verbringungsverbot gemäß Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1210/2003 des Rates vom 7. Juli 2003 über bestimmte spezifische Beschränkungen in den wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zu Irak und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2465/1996 (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 169/6) unterlegen. Das HZA habe deshalb gemäß Art. 9 Abs. 1 und Art. 75 Buchst. a Anstrich 4 des Zollkodex die Überlassung des Goldgefäßes widerrufen und seine Sicherstellung anordnen dürfen.
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Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind zum Teil nicht schlüssig dargelegt, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert, liegen aber jedenfalls nicht vor.
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1. Es ist aus den Gründen des angefochtenen Urteils nicht ersichtlich, dass sich das FG auf das im Einspruchsverfahren vorgelegte Gutachten des Dr. M gestützt hat. Die vorgebrachten Zweifel der Beschwerde hinsichtlich der Unparteilichkeit dieses Gutachters bzw. der Widerspruchsfreiheit seiner Ausführungen sind daher --ungeachtet der Frage, ob hiermit ein Verfahrensmangel überhaupt schlüssig dargelegt werden könnte-- nicht geeignet, die Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen.
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2. Das FG ist allein aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. W zu der Überzeugung gelangt, dass das Goldgefäß aus Südmesopotamien stammt, und es ist nicht erkennbar, dass dem FG insoweit Verfahrensfehler unterlaufen sind.
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Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass der Sachverständige seine Begutachtung nicht auf eine 100 %-ige Sicherheit, sondern lediglich auf eine 90 %-ige Wahrscheinlichkeit gestützt hat, und bemängelt, dass sich das FG gleichwohl seine Überzeugung zur Herkunft des Gefäßes aus Südmesopotamien gebildet habe, verkennt sie, dass die richterliche Beweiswürdigung dem materiellen Recht zuzuordnen ist und somit eine (angebliche) fehlerhafte Beweiswürdigung keinen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellt und nicht zur Zulassung der Revision führen kann.
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Ebenso wenig wird mit den vorgetragenen Zweifeln der Beschwerde an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt. Einen Befangenheitsantrag gegen Dr. W (§ 82 FGO i.V.m. § 406 der Zivilprozessordnung --ZPO--) hat die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren nicht gestellt, sondern hat in der mündlichen Verhandlung nach Erläuterung des Gutachtens durch Dr. W zur Sache verhandelt. Im Übrigen könnte selbst ein vom FG abgelehnter Befangenheitsantrag nicht zur Zulassung der Revision führen, da eine solche Entscheidung nicht der Beschwerde unterliegt (§ 128 Abs. 2 i.V.m. § 124 Abs. 2 FGO).
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Mit dem Umstand, dass der Sachverständige Dr. W seine erste gutachterliche Stellungnahme anhand von Farbfotos ohne unmittelbare Inaugenscheinnahme des Gefäßes erstellt hat, hat sich das FG in den Urteilsgründen auseinandergesetzt. Wenn das FG diesen Umstand nicht --wie es jedoch die Beschwerde sieht-- dahin gewürdigt hat, dass der Sachverständige mit dieser ersten Stellungnahme einen falschen Eindruck erweckt habe, so liegt hierin kein Verfahrensmangel.
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3. Soweit die Beschwerde mit ihrem übrigen Vorbringen zur Formgebung, Herstellungstechnik sowie den am Gefäß angebrachten Zwillingsösen die Herkunft des Goldgefäßes aus Südmesopotamien in Zweifel zu ziehen versucht, wendet sie sich gegen die --wie bereits ausgeführt-- dem materiellen Recht zuzuordnende Beweiswürdigung und legt somit keinen Verfahrensmangel dar.
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Dass das FG insoweit --wie die Beschwerde geltend macht-- klägerisches Vorbringen nicht berücksichtigt hat, ist nicht zutreffend. Vielmehr hat das FG ausdrücklich ausgeführt, dass die Einwendungen der Klägerin das Ergebnis des Sachverständigengutachtens nicht hätten infrage stellen können, und hat sich in den Urteilsgründen mit den Kriterien der Formgebung und den angebrachten Zwillingsösen auseinandergesetzt. Es ist lediglich mit seiner Beweiswürdigung den seitens der Klägerin gezogenen Schlussfolgerungen aus den festgestellten Merkmalen des Goldgefäßes nicht gefolgt.
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4. Ein Verfahrensmangel in Gestalt einer Verletzung der dem FG obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist auch nicht in dem Umstand zu sehen, dass das FG ein weiteres Gutachten nicht eingeholt, sondern den ergangenen, die Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Dr. D betreffenden Beweisbeschluss aufgehoben hat; vielmehr hat es verfahrensfehlerfrei von der Einholung eines weiteren Gutachtens abgesehen. Gemäß § 412 Abs. 1 ZPO, der über § 82 FGO auch für das finanzgerichtliche Verfahren gilt, kann zwar das Gericht eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Das somit dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Sachverständigengutachten zustehende Ermessen wird aber nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung weiterer Gutachten absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Beweiserhebung aufdrängen müsste. Dies ist der Fall, wenn die Grundvoraussetzungen für die Verwertbarkeit bereits vorliegender Gutachten insbesondere deswegen nicht gegeben sind, weil sie offen erkennbare Mängel aufweisen, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare Widersprüche enthalten, wenn ferner Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter bestehen oder ihnen das einschlägige spezielle Fachwissen fehlt (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2003 III B 133/02, BFH/NV 2004, 54, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das FG im Streitfall verfahrensfehlerfrei verneint, indem es nach Auseinandersetzung mit den Aussagen des Sachverständigen Dr. W dessen Ausführungen für umfassend, fundiert und überzeugend gehalten und Zweifel an seiner Unparteilichkeit nicht gesehen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Mai 2004 VIII B 107/03, BFH/NV 2004, 1533). Das FG war nicht allein deshalb verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzuholen, weil die Klägerin das bereits vorliegende Gutachten des Dr. W für keine ausreichende Erkenntnisquelle hielt (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 54).
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5. Anders als die Beschwerde meint, liegt in der Aufhebung des Beweisbeschlusses betreffend die Sachverständige Dr. D auch keine den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzende Überraschungsentscheidung. Das FG hat vielmehr diese Entscheidung in der mündlichen Verhandlung verkündet, so dass die Klägerin Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen, was sie auch getan hat.
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6. Ein den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzender Verfahrensmangel liegt auch nicht in der vom FG abgelehnten Terminsänderung, die unter Hinweis auf die am Tag der mündlichen Verhandlung bestehende Verhinderung der Klägerin beantragt worden war. Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten, weshalb ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung (§ 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO) nicht vorlag (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 91 Rz 4). Weder war ihr persönliches Erscheinen angeordnet noch war hinsichtlich des bereits vorliegenden schriftlichen Gutachtens substantiiert vorgetragen, welche Fragen an den in der mündlichen Verhandlung anwesenden Sachverständigen nur die Klägerin aufgrund ihrer Sachkunde zu stellen in der Lage sei. Auch die Beschwerde legt nicht dar, welche Fragen an den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung notwendig gewesen wären, die zu stellen der Prozessbevollmächtigte mangels eigener Sachkunde jedoch nicht vermochte. Das Vorbringen der Beschwerde, die Beteiligung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung "hätte vermutlich zu einer anderen Entscheidung geführt", reicht insoweit nicht.
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7. Anders als die Beschwerde meint, hat das FG die schriftliche Erklärung der Frau G bezüglich des Erwerbs des Goldgefäßes im Jahr 1993 nicht unberücksichtigt gelassen, sondern hat sich vielmehr hiermit in den Urteilsgründen auseinandergesetzt, ist allerdings zu der Auffassung gelangt, dass diese Angaben weder den Verdacht entkräfteten, das Goldgefäß sei unter Verstoß gegen irakische Gesetze und Bestimmungen aus dem Irak verbracht worden, noch belegten, dass die Ausfuhr aus dem Irak vor dem 6. August 1990 stattgefunden habe. Verfahrensmängel sind insoweit nicht erkennbar. Einen Antrag, die im Ausland ansässige Frau G als Zeugin zu vernehmen, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt und dem FG musste sich diese Beweiserhebung auch nicht aufdrängen, zumal es den Angaben der Frau G nicht entnehmen musste, dass eine Zeugenvernehmung zu weiteren Erkenntnissen hinsichtlich des Zeitpunkts oder anderer Umstände des Verbringens des Goldgefäßes aus dem Irak führen könnte.
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Referenzen
- 2003 III B 133/02 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 76 1x
- FGO § 115 2x
- 2004 VIII B 107/03 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 227 Terminsänderung 1x
- FGO § 124 1x
- FGO § 116 1x
- FGO § 82 2x
- FGO § 155 1x
- ZPO § 412 Neues Gutachten 1x