Beschluss vom Bundesgerichtshof (Senat für Notarsachen) - NotZ (Brfg) 18/13

Tenor

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Notarsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 5. Juni 2013 zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Streitwert: 5.000 €.

Gründe

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Der zulässige Antrag, die Berufung gegen das eingangs bezeichnete Urteil zuzulassen, ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt keiner der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO vor.

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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO). Es ist nicht davon auszugehen, dass der Bescheid des Beklagten vom 10. November 2009 über die Anordnung der Geschäftsprüfung am 12. November 2009 rechtswidrig ist und dadurch den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO).

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a) Der Kläger beanstandet unter anderem, dass neben der Vizepräsidentin des Landgerichts in ihrer Eigenschaft als ständige Vertreterin des Landgerichtspräsidenten zwei weitere Richter mit der Geschäftsprüfung betraut wurden. Diese hat in der vom Kläger beanstandeten Zusammensetzung stattgefunden, so dass die angefochtene Anordnung insoweit ihre Erledigung gefunden hat. Zugunsten des Klägers kann aber die Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO) umgedeutet und auch das dafür notwendige Feststellungsinteresse angenommen werden, da davon auszugehen ist, dass der Beklagte auch künftig Geschäftsprüfungen bei dem Kläger mit gleichartiger Besetzung durchzuführen beabsichtigt (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2003 - NotZ 13/03, NJW-RR 2004, 351 und juris Rn. 5).

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Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 DONot i.V.m. § 93 Abs. 3 Satz 1 BNotO wird die Prüfung von dem Landgerichtspräsidenten oder von Lebenszeitrichtern, die hiermit beauftragt wurden, durchgeführt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist das Wort "oder" nicht dahin zu verstehen, dass nur eine der beiden Alternativen zulässig ist. Ihrem Wortsinn nach lässt die Konjunktion "oder" auch die Kumulation der durch sie sprachlich verbundenen Möglichkeiten zu. Dass diese Verständnisvariante zutrifft, ergibt sich daraus, dass ein sachlicher Grund für eine Beschränkung der Prüfungszuständigkeit auf den Landgerichtspräsidenten oder von ihm beauftragte Richter nicht besteht. Es kann gerade auch im Interesse des von der Prüfung betroffenen Notars liegen, deren Ablauf zu beschleunigen, indem der (auch) selbst prüfende Landgerichtspräsident weitere Richter ebenfalls mit der Prüfung beauftragt.

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Soweit in der angefochtenen Prüfungsanordnung zusätzlich eine Notarin zur Geschäftsprüfung herangezogen wurde, steht dies mit § 93 Abs. 3 Satz 2 BNotO im Einklang und wird als solches auch vom Kläger nicht beanstandet.

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b) Entgegen der Ansicht des Klägers sind seine Rechte auch nicht dadurch verletzt worden, dass insgesamt vier Personen mit der Geschäftsprüfung betraut wurden. Es mag sein, dass die zeitweilige Anwesenheit von vier zusätzlichen Personen im Hinblick auf die von der Geschäftsstelle des Klägers genutzten Räumlichkeiten zu Einschränkungen und Unbequemlichkeiten bei der Abwicklung des Kanzleibetriebs führte. Der Kläger hat aber nicht konkrete Umstände vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass diese Unzuträglichkeiten derart über das zwingend mit der Durchführung einer Geschäftsprüfung verbundene Maß hinausgingen, dass es unzumutbar oder unverhältnismäßig und damit ermessensfehlerhaft war, vier Personen in seine Kanzlei zu entsenden. Ein Anhalt für einen grundrechtsrelevanten Eingriff (Art. 12 und 13 GG) besteht nicht. Soweit der Kläger die Art und Weise der Durchführung der Prüfung und insbesondere das Verhalten einzelner Beteiligter moniert, stellt dies nicht die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsanordnung in Frage.

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c) Unbegründet ist ferner die Rüge, die Vizepräsidentin des Landgerichts habe an der Geschäftsprüfung nicht teilnehmen dürfen, weil sie seinerzeit als Vorsitzende einer Zivilkammer noch mit der Beschwerde gegen eine Kostenrechnung des Klägers gemäß § 156 KostO befasst gewesen sei. Hieraus ergab sich ein Grund, die Vizepräsidentin von der Durchführung der Geschäftsprüfung auszunehmen (§§ 20, 21 VwVfG i.V.m. § 64a Abs. 1 BNotO) nicht. Ein Ausschlusstatbestand des § 20 Abs. 1 VwVfG war nicht erfüllt. Auch für die Besorgnis der Befangenheit (§ 21 VwVfG) bestand ein Anhaltspunkt nicht. Die Vizepräsidentin befand sich als Richterin in dem zum Zeitpunkt der Geschäftsprüfung noch nicht abgeschlossenen Verfahren nach § 156 KostO in einer gegenüber den Beteiligten unparteiischen Position. Die Befürchtung, sie werde die Geschäftsprüfung bei dem Kläger voreingenommen durchführen, ließ sich deshalb allein aus dem anhängigen Verfahren nicht ableiten. Anderweitige Umstände des Einzelfalls, aus denen sich die Besorgnis der Befangenheit der Vizepräsidentin hätten ergeben können, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

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d) Auch die in der angefochtenen Verfügung vom 10. November 2009 enthaltene Anordnung des Beklagten, der Kläger möge seinen Terminkalender vorlegen, ist nicht zu beanstanden. Zu Unrecht meint der Kläger, die in § 93 Abs. 2 und 3 BNotO bezeichneten Unterlagen seien eine abschließende Aufzählung der Dokumente, auf die sich die Geschäftsprüfung beziehen dürfe. Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 3. November 2003 (NotZ 13/03, NJW-RR 2004, 351, 352 und juris Rn. 10) ausgeführt hat, enthält die Vorschrift lediglich eine beispielhafte Aufstellung von Gegenständen, auf die sich die Geschäftsprüfung zu erstrecken hat. Es handelt sich um die wichtigsten Punkte der Notarprüfung, ohne dass ausgeschlossen wird, diese auf andere Unterlagen auszudehnen, soweit dies zur Beurteilung der Amtsführung des Notars von Bedeutung ist (vgl. Baumann in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 93 BNotO Rn. 10).

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Letzteres ist entgegen der Ansicht des Klägers hinsichtlich seines dienstlichen Terminkalenders der Fall. Der Notar hat als Träger eines öffentlichen Amts die Pflicht zur Amtsbereitschaft, die im allgemeinen Interesse dazu dient, in dem betreffenden Amtsbezirk und -bereich eine ausreichende, geordnete und leistungsfähige vorsorgende Rechtspflege zu gewährleisten (Frenz in Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 3. Aufl., § 15 BNotO Rn. 4; Reithmann in Schippel/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 15 Rn. 13). Um festzustellen, ob der Kläger seiner Pflicht zur Amtsbereitschaft nachkam, ist die Einsicht in seinen Terminkalender, aus dem sich Anhaltspunkte für den Umfang seiner Amtstätigkeit ergeben, geeignet und erforderlich. Der Beklagte hatte auch Anlass, Feststellungen hierzu zu treffen, da aufgrund der Mitteilung der Notarkammer Sachsen-Anhalt vom 17. August 2009 ernstzunehmende Hinweise darauf vorlagen, dass der Kläger seiner Pflicht zur Amtsbereitschaft nicht in vollem Umfang nachkam. Eine unverhältnismäßige und damit rechtswidrige Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit des Klägers (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG), die aufgrund der staatlichen Bindungen des Notaramts von vornherein besonderen Beschränkungen unterliegt (st. Rechtspr. vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2011 - NotZ(Brfg) 1/11, ZNotP 2011, 394 Rn. 13 mwN; siehe auch BVerfGE 131, 130, 140 f mwN), war damit nicht verbunden. Entgegen der Ansicht des Klägers war mit der Geschäftsprüfung auch eine nach der Rechtsprechung des Senats unzulässige "Totalkontrolle" der Beurkundungstätigkeit (Senatsbeschluss vom 9. Januar 1995 - NotZ 24/94, BGHR BNotO § 1 Selbständigkeit 1) nicht verbunden.

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2. Aus weitgehend den gleichen Gründen ist überdies die Verfügung des Beklagten vom 11. November 2009 nicht zu beanstanden, mit der dem Kläger zur Erleichterung der Geschäftsprüfung die Beantwortung von insgesamt 17 Fragen aufgegeben wurde. Die vom Kläger monierten Fragen 10-17 betreffen sämtlich Umstände, die unter anderem geeignet und erforderlich sind, Feststellungen zu seiner Amtsbereitschaft zu treffen. Dies ist aus den vorgenannten Gründen zulässiger Gegenstand der Geschäftsprüfung nach § 93 Abs. 1 BNotO; die Auskunftsverpflichtung folgt aus § 93 Abs. 4 Satz 1 a.E. BNotO. Der Kläger macht weiter zu Unrecht geltend, die Antworten auf die Fragen 15 und 17 (Vorbereitung der Beurkundungstermine und Zeitraum, in dem Ansuchen, Rückfragen bearbeitet und erbetene Rücksprachen gehalten werden), seien bereits in dem Geschäftsprüfungsbericht des Richters am Landgericht Dr. S. enthalten. Dies ist nicht der Fall.

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Soweit die dem Kläger gestellten Fragen die Organisation und die Aufgabenverteilung innerhalb der Kanzlei betreffen, dienen sie darüber hinaus zur Beurteilung, ob die anfallenden Arbeiten ordnungsgemäß verteilt sind, insbesondere ob der Kläger für die nicht von ihm wahrgenommenen Aufgaben hinreichend qualifiziertes Personal einsetzt.

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Vor dem letztgenannten Hintergrund ist auch die Frage 2, die die beim Kläger beschäftigten Mitarbeiter, Angaben zu deren Identität und beruflicher Qualifikation sowie Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen betrifft, nicht zu beanstanden. Die dem Kläger abverlangten Informationen über seine Mitarbeiter sind erforderlich, um - mit Blick auf die Amtsbereitschaft - die Ordnungsmäßigkeit der Arbeitsorganisation in seiner Geschäftsstelle feststellen zu können.

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3. Ebenfalls mit Recht hat das Oberlandesgericht den Antrag des Klägers zurückgewiesen, das Ende der Zwischenprüfung festzustellen. Zutreffend hat es ausgeführt, ein Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO) sei nicht ersichtlich. Dies wird durch Vorbringen des Klägers in der Begründung seines Zulassungsantrags nicht in Frage gestellt. Soweit er geltend machen will, der Abschluss der Zwischenprüfung könne der Verhängung von Dienstaufsichts- und Disziplinarmaßnahmen gegen ihn vorbeugen, verkennt er, dass nicht die Beendigung der Zwischenprüfung hierfür maßgeblich ist, sondern die bei ihr gewonnenen Erkenntnisse. Soweit sein Vorbringen dahin zu verstehen sein sollte, dass die Feststellung des Abschlusses der Zwischenprüfung die ihm auferlegte Beantwortung des Fragebogens obsolet werden lasse und damit die Grundlage für Dienstaufsichts- beziehungsweise Disziplinarmaßnahmen wegen Nichtbefolgung der entsprechenden Verfügung des Beklagten entfalle, scheitert die Zulässigkeit der Feststellungsklage an § 43 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 BNotO. Der Kläger konnte mit der Anfechtungsklage gegen die Verfügung des Beklagten vom 11. November 2009 geltend machen, er sei zur Beantwortung der gestellten Fragen nicht verpflichtet. Dies hat er mit seinem Klageantrag zu 2 auch getan.

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4. Die übrigen Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO Nr. 2 bis 5 i.V.m. § 111 d Satz 2 BNotO bestehen ebenfalls nicht. Weder weist die Sache besondere Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch stellen sich klärungsbedürftige Rechtsfragen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO). Entgegen der Ansicht des Klägers weicht das Urteil des Oberlandesgerichts auch nicht von Entscheidungen des Senats oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO). Insbesondere ist eine Abweichung zu dem vom Kläger angeführten Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Juni 2012 (BVerfGE 131, 130) nicht festzustellen. Verfahrensfehler, die sich auf das Ergebnis der Entscheidung hätten auswirken können (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO), sind ebenfalls nicht ersichtlich.

Galke                          Herrmann                          Wöstmann

               Doyé                                Strzyz

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