Beschluss vom Bundesgerichtshof (7. Zivilsenat) - VII ZB 16/13

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Schuldner gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15./21. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Schuldner haben die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

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Die Gläubiger haben am 13. Mai 2011 den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren Berufungsurteils des Oberlandesgerichts F. vom 13. April 2011 beantragt, mit dem die Schuldner zur Zahlung von 6.047.796,30 € nebst 4 % Zinsen aus einem Betrag von 270.941,93 € seit dem 23. Februar 1996 bis zum 18. Februar 1998, aus einem Betrag von 2.709.370,60 € seit dem 19. Februar 1998 bis zum 22. April 2001 und aus 6.047.796,30 € seit dem 23. April 2001 verurteilt worden waren. Nummer 5 des Urteilstenors lautet auszugsweise: "Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten."

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Nachdem die Schuldner mitgeteilt hatten, dass sie zwei Prozessbürgschaften über insgesamt 9.877.343,10 € gestellt hatten, hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 20. Januar 2012 den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen.

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Hiergegen haben die Gläubiger sofortige Beschwerde eingelegt unter anderem mit der Begründung, die gestellte Sicherheit sei angesichts der Hauptforderung von 6.047.796,30 €, bis 14. März 2012 aufgelaufener Zinsen (3.000.761,71 €) und der Verpflichtung, 110 % des Vollstreckungsbetrages leisten zu müssen (Gesamtbetrag somit 9.953.413,81 €), unzureichend.

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Die Schuldner hatten zudem Vollstreckungsgegenklage erhoben. Nach Vorlage eines den Annahmeverzug der Schuldner beseitigenden Angebots haben die Gläubiger die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung anerkannt. Das Oberlandesgericht F. erklärte daraufhin die Zwangsvollstreckung aus seinem Berufungsurteil vom 13. April 2011 durch Anerkenntnisurteil vom 6. Juni 2012 für unzulässig. Danach haben die Gläubiger das Verfahren auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und das Beschwerdeverfahren für erledigt erklärt. Die Schuldner sind der Erledigung entgegen getreten und haben die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt.

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Das Beschwerdegericht hat die Erledigung des Verfahrens festgestellt, die Kosten des Verfahrens den Schuldnern auferlegt und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.

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Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

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1. Das Beschwerdegericht ist - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - der Auffassung, dass die von den Schuldnern gestellte Sicherheit in Höhe von 9.877.343,10 € nicht geeignet gewesen sei, die Zwangsvollstreckung der Gläubiger abzuwenden, weil hierfür eine Sicherheitsleistung von mindestens 9.953.413,81 € erforderlich gewesen sei.

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Im Tenor der der Vollstreckung zugrunde liegenden Entscheidung des Oberlandesgerichts F. vom 13. April 2011 sei die Abwendung der Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abhängig gemacht worden (§ 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO). Letzterer setze sich aus der Hauptforderung, den bislang aufgelaufenen und den zukünftigen Zinsen sowie den Anwalts- und Gerichtskosten zusammen. Der Zuschlag von 10 % diene dem Schutz des Gläubigers vor weiteren Schäden, die durch den Vollstreckungsaufschub entstehen könnten, nicht aber der Absicherung der aufgelaufenen und zukünftigen Zinsen und Kosten. Die vereinzelt auch in der Literatur vertretene Rechtsmeinung der Schuldner, der "aus dem Urteil zu vollstreckende Betrag" umfasse nur die Hauptforderung und der Zuschlag decke die Zinsen und etwaige Kosten ab, sei angesichts des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes und ausweislich der Gesetzesbegründung abzulehnen. Vielmehr verdeutliche gerade der vorliegende Fall, dass die nach Schuldneransicht zu stellende Sicherheit (110 % von 6.047.796,30 € = 6.652.575,90 €) dem Schutz der Gläubiger nicht gerecht werde, denen bereits Forderungen in Höhe von über 9 Mio. € zugestanden hätten.

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2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.

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Der Antrag auf Feststellung der Erledigung des Verfahrens nach einseitiger Erledigungserklärung der Gläubiger ist begründet, weil die sofortige Beschwerde begründet gewesen wäre. Der Antrag der Gläubiger auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durfte nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass die Schuldner die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nach § 711 Satz 2 in Verbindung mit § 709 Satz 2 ZPO angeordnete Sicherheit in ausreichender Höhe geleistet hätten.

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a) Die Anordnung der Sicherheit zur Abwendung der Zwangsvollstreckung für die Schuldner aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel des Oberlandesgerichts F. vom 13. April 2011 entspricht in ihrem Wortlaut der gesetzlichen Vorgabe in § 711 Satz 2 in Verbindung mit § 709 Satz 2 ZPO. Danach ist die Sicherheit "in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten".

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Streitig ist, ob mit diesem Betrag nur die Hauptforderung gemeint ist und der prozentuale Zuschlag auch Zinsen und Kosten abdecken soll (so MünchKommZPO/Krüger, 2. Aufl., ZPO-Reform, § 709 Rn. 3; MünchKommZPO/Götz, 4. Aufl., § 709 Rn. 5; OLG Celle, NJW 2003, 73) oder ob damit die aus dem Urteil insgesamt zu vollstreckende Forderung mit Hauptforderung, Zinsen und Kosten erfasst sein soll (so Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 709 Rn. 5; Gehrlein, MDR 2003, 421, 429). Nach dieser Ansicht deckt der prozentuale Zuschlag nur den möglichen weiteren Vollstreckungs- bzw. Verzögerungsschaden ab.

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Letzteres ist richtig.

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aa) Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist der "auf Grund des Urteils vollstreckbare Betrag" Bemessungsgrundlage für die Sicherheit. Das sind neben der Hauptforderung auch Nebenforderungen, insbesondere bereits aufgelaufene Zinsen, die bis zur Vollstreckung angefallen sind, oder auch die Kosten des Rechtsstreits, soweit sie bereits durch einen Kostenfestsetzungsbeschluss beziffert sind. Alle diese Beträge können (nur) auf Grund des Urteils vollstreckt werden.

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Es besteht kein Anlass, die Vorschrift einschränkend auszulegen.

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bb) Die nach dem Gesetz vorgesehene Sicherheitsleistung eines Schuldners zur Abwendung einer Vollstreckung unterscheidet sich von einer vom Gläubiger nach § 709 Satz 2 ZPO direkt oder in Verbindung mit § 711 Satz 2 ZPO zu leistenden Sicherheit dadurch, dass dort Sicherheit im Verhältnis zur Höhe des "jeweils zu vollstreckenden Betrages", hier dagegen des "vollstreckbaren Betrages" zu leisten ist. Hiermit ist ausgedrückt, dass der Schuldner im Gegensatz zum Gläubiger keine Möglichkeit bekommen soll, Teilsicherheiten (zur teilweisen Abwendung einer Vollstreckung) zu leisten. Da der Gläubiger in den Fällen des § 708 Nr. 4 - 11 ZPO ohne Sicherheitsleistung vollstrecken darf, ist es gerechtfertigt, vom Schuldner zu verlangen, dass er in Höhe des gesamten vollstreckbaren Betrages Sicherheit leistet, wenn er die Zwangsvollstreckung nach § 711 ZPO abwenden will (vgl. BT-Drucks. 14/6036, S. 125).

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Der im Sinne von § 709 Satz 2 ZPO "zu vollstreckende Betrag" ist dagegen dann mit dem aus dem Urteil "vollstreckbaren Betrag" identisch, wenn der Gläubiger die Geldforderung aus einem Urteil nicht nur teilweise, sondern vollständig vollstrecken möchte. Es macht für keinen Beteiligten einen Unterschied, ob es sich hierbei um Hauptforderungen oder Nebenforderungen, etwa bezifferte Kosten oder Zinsen, oder die in einem Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 794 Abs. 1 Nr. 2, § 795a, § 798 ZPO) festgesetzten Kosten des Rechtsstreits handelt. Mindestens in Höhe der tatsächlich vollstreckten Gesamtsumme soll im Fall des § 709 Satz 2 ZPO die unter Umständen notwendige Rückzahlung an den Schuldner abgesichert werden. In eben dieser Höhe soll im Fall der Abwendung der möglichen Vollstreckung nach § 711 Satz 2 ZPO gesichert sein, dass der Betrag bei einer späteren Vollstreckung durch den Gläubiger realisiert werden kann.

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cc) Dieser Zielsetzung entspricht es am besten, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung nach diesen Beträgen bestimmt wird. Ein solches Verfahren begegnet auch keinen Schwierigkeiten. Der Gläubiger kann bei seinem Vollstreckungsantrag die konkrete zu diesem Zeitpunkt vollstreckbare Gesamtsumme (einschließlich etwaiger bis hierhin aufgelaufener titulierter Zinsen) aus dem Urteil (gegebenenfalls in Verbindung mit einem Kostenfestsetzungsbeschluss) errechnen und eine von ihm nach § 709 Satz 2 ZPO zu leistende Sicherheit damit genau bestimmen. Das Vollstreckungsorgan kann ebenso überprüfen, ob eine geleistete Sicherheit ausreicht. Der Schuldner, der zur Abwendung der Vollstreckung eine Sicherheit nach § 711 Satz 2 ZPO stellen will, kann ebenfalls (gegebenenfalls in Verbindung mit einem Kostenfestsetzungsbeschluss) errechnen, welcher Gesamtbetrag zu einem bestimmten Zeitpunkt vollstreckbar ist oder sein wird. Um zukünftige Vollstreckungen vorsorglich abzuwenden, muss er allerdings bei titulierten laufenden Zinsen auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt abstellen. Das ist ihm zuzumuten. Es obliegt dann ihm, notfalls bei Zeitablauf seine Sicherheiten zu erhöhen oder neue weitere Sicherheiten zu stellen, sofern er nicht sofort eine entsprechende dynamische Sicherheit stellt, die sich laufend erhöht. Auch hier kann das Vollstreckungsorgan ohne weiteres überprüfen, ob eine gegebene Sicherheit ausreicht.

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dd) Ein etwaiger verhältnismäßiger Aufschlag auf diese zu vollstreckenden oder vollstreckbaren Beträge muss dann nur weitere denkbare Schäden aus der erfolgten Vollstreckung (§ 709 Satz 2 ZPO) oder der verursachten Verzögerung (§ 711 Satz 2 ZPO) abdecken. Dieses Verfahren entspricht auch der Gesetzesbegründung im Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 14/6036, S. 125) zu § 709 Satz 2 ZPO: "Die vorgeschlagene Regelung lässt nunmehr zu, dass Urteile, die wegen einer Geldforderung für vorläufig vollstreckbar zu erklären sind, gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich eines prozentualen Zuschlags für Schäden des Schuldners, die über den beigetriebenen Betrag hinausgehen, für vollstreckbar erklärt werden können. Damit wird die Tenorierung im Bereich der Vollstreckbarkeitsentscheidung erheblich erleichtert." Hierauf nimmt die Begründung des Rechtsausschusses zu § 711 Satz 2 ZPO (BT-Drucks. 14/6036, S. 125) Bezug: "Der neu eingefügte Satz 2 ermöglicht auch in den Fällen des § 711 ZPO eine vereinfachte Bestimmung der Sicherheitsleistung."

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b) Im vorliegenden Fall war die von den Schuldnern geleistete Sicherheit nicht ausreichend, um den gesamten vollstreckbaren Betrag aus dem Urteil des Oberlandesgerichts F. vom 13. April 2011 zu sichern. Denn die Hauptforderung und die aufgelaufenen Zinsen beliefen sich bis zur antragszurückweisenden

Entscheidung des Amtsgerichts auf 9.012.106 €. 110 % hiervon ergibt 9.913.316 €. Die Prozessbürgschaften der Schuldner beliefen sich jedoch lediglich auf den Gesamtbetrag von 9.877.343,10 €.

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick                     Halfmeier                       Kartzke

          Jurgeleit                       Graßnack

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