Urteil vom Bundesgerichtshof (8. Zivilsenat) - VIII ZR 215/15

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 8. Juni 2016 wird aufrechterhalten.

Die Entscheidung über die durch den Einspruch verursachten weiteren Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Berufungsgericht vorbehalten.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Vergütung von Stromlieferungen, die nach ihrer Behauptung im Rahmen der Grundversorgung erfolgt sind; in der Revisionsinstanz steht nur noch ein Teil der Zinsforderung im Streit.

2

Die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, belieferte den Beklagten mit Allgemein- und Heizstrom für seinen Haushalt. Mit Schreiben vom 6. September 2010 erteilte sie ihm eine "Schlussrechnung" in Höhe eines Gesamtbetrags von 6.312,05 €.

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In dem Rechnungsschreiben vom 6. September 2010 heißt es:

"[...] Bitte begleichen Sie unsere Forderung in Höhe von 6.312,05 € bis zum 21.09.2010 unter Angabe Ihrer Vertragskontonummer [...].

Die Zusammensetzung des Nettobetrags wird auf den nachfolgenden Seiten erläutert. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Ansprechpartner in unserem Hause.

Freundliche Grüße [...]"

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Die Klägerin hat ihre Forderung mit am 1. Februar 2011 dem Beklagten zugestellten Mahnbescheid geltend gemacht, gegen den der Beklagte Widerspruch eingelegt hat.

5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dies hat die Klägerin in Höhe von 450 € wegen einer vom Beklagten insoweit erklärten Aufrechnung akzeptiert und im Übrigen Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und der Klage unter deren Abweisung im Übrigen in Höhe von 5.189,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2011 stattgegeben. Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Klägerin die Verzinsung der ihr zugesprochenen Vergütungsforderung bereits ab dem 22. September 2010 erstrebt hat, hat der Senat durch Versäumnisurteil vom 8. Juni 2016 das Urteil des Berufungsgerichts im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Zinsforderung zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist und im Umfang der Aufhebung die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Entscheidungsgründe

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Das Versäumnisurteil des Senats ist aufrechtzuerhalten (§ 555 Abs. 1, § 343 Satz 1 ZPO).

I.

7

Der Senat (Urteil vom 8. Juni 2016 - VIII ZR 215/15, MDR 2016, 1439 [vollständig abgedruckt in juris]) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung könne ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Verzugszinsen (§ 280 Abs. 1, 2, § 288 Abs. 1, § 286 BGB) für den noch im Streit stehenden Zeitraum vom 22. September 2010 bis zum 31. Januar 2011 nicht verneint werden. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass dem Grundversorger durch § 17 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung - StromGVV) vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2391) ein einseitiges Recht zur Bestimmung der Leistungszeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eingeräumt werde. Das Berufungsgericht habe daher rechtsfehlerhaft angenommen, der Beklagte könne nicht gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen einer nach dem Kalender bestimmten Leistungszeit ohne Mahnung in Verzug geraten sein. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des vorbezeichneten Senatsurteils Bezug genommen.

II.

9

Die mit seinem Einspruch erhobenen Ausführungen des Beklagten rechtfertigen keine anderweitige Beurteilung; das Versäumnisurteil des Senats vom 8. Juni 2016 ist daher aufrechtzuerhalten (§ 555 Abs. 1, § 343 Satz 1 ZPO). Denn die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV ist - auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten in der Einspruchsbegründung vorgebrachten Argumente - dahin auszulegen, dass sie dem Grundversorger ein einseitiges Recht im Sinne des § 315 BGB zur Bestimmung der Fälligkeit und damit auch der Leistungszeit (§ 271 BGB) gewährt.

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1. § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV bestimmt, dass Rechnungen und Abschläge zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten spricht jedoch nicht bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV gegen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Abgesehen davon, dass eine reine Wortinterpretation schon deshalb ausscheidet, weil der Wortlaut eines Gesetzes im Regelfall keine starre Auslegungsgrenze zieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. April 2016, 1 BvR 1147/12, juris Rn. 7; BVerfGE 88, 145, 166 f.; BVerfGE 118, 212, 243), will die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nach ihrem Sinn und Zweck sowie ihrer Entstehungsgeschichte erkennbar nicht im buchstäblichen Sinne des Wortes "Fälligkeit" dem Grundversorger allein die Bestimmung des Zeitpunkts überlassen, von dem ab er die Zahlung fordern kann, sondern auch das Recht einräumen, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem der Kunde leisten soll. Auf die Ausführungen im Versäumnisurteil des Senats (Rn. 29 ff.) wird Bezug genommen.

11

2. Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich auch aus der - von ihm unter dem Gesichtspunkt der Gesetzessystematik angeführten - Formulierung "frühestens" in § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nicht ableiten, dass dann, wenn zwischen dem angegebenen Zahlungszeitpunkt und dem Zugang der Zahlungsaufforderung nicht mindestens zwei Wochen liegen, die Fälligkeit "eben" erst zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung eintrete, so dass dann die Leistungszeit nicht gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB wirksam nach dem Kalender bestimmt sei, sondern nur bestimmbar sei (so Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Band 5, Stand August 2003, § 27 AVBEltV Rn. 57).

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Hierfür bestünde im Hinblick auf § 271 Abs. 1 BGB und § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV kein Bedürfnis. Denn wenn es nur darum gegangen wäre, die Fälligkeit um zwei Wochen hinauszuschieben, hätte es nahe gelegen, die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV dahin abzufassen, dass Forderungen des Grundversorgers erst zwei Wochen nach Zugang der Rechnung fällig werden; die Angabe eines Zahlungszeitpunkts durch den Versorger wäre dann entbehrlich gewesen. Vor diesem Hintergrund kommt der genannten Regelung die weitergehende Bedeutung einer Leistungszeitbestimmung zu. Allerdings hält der Grundversorger die durch § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV vorgegebene (Ermessens-)Grenze bei der Bestimmung der Leistungszeit nicht ein, wenn der von ihm in der Rechnung angegebene Zeitpunkt für die Fälligkeit nicht wenigstens zwei Wochen nach dem Zugang der Rechnung liegt. Die Leistungszeitbestimmung ist dann unbillig und - wie im Versäumnisurteil des Senats (Rn. 34) näher ausgeführt - insgesamt unwirksam, so dass der Kunde in diesem Fall keine Verzugszinsen zu zahlen hätte.

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Soweit der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der Revisionsverhandlung meinte, aus dem in § 17 Abs. 2 StromGVV genannten Begriff "Zahlungsverzug" sei im Umkehrschluss herzuleiten, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV keine den Verzug begründende Regelung enthalten könne, weil dort diese Formulierung nicht verwendet wird, trifft dies schon im Ansatz nicht zu. Vielmehr setzt § 17 Abs. 2 StromGVV nach seinem Regelungsgehalt umgekehrt gerade einen nach § 17 Abs. 1 StromGVV eingetretenen Zahlungsverzug voraus.

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3. Entgegen der Auffassung des Beklagten spricht auch nicht die Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 1 AVBEltV - der Vorgängervorschrift, die in § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV übernommen wurde - gegen die vom Senat vorgenommene Auslegung. Aus dem Umstand, dass anstelle der ursprünglich vom Verordnungsgeber vorgesehenen Formulierung, dass Rechnungen zu dem angegebenen Zeitpunkt "zu zahlen sind", die Worte "fällig werden" gewählt wurden, kann - anders als der Beklagte meint - nicht geschlossen werden, dass die Fälligkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nicht mit dem Eintritt des Schuldnerverzugs verbunden sei (vorausgesetzt, dass der angegebene Zeitpunkt für die Fälligkeit wenigstens zwei Wochen nach dem Zugang der Rechnung liegt). Denn eine inhaltliche Veränderung sollte nach dem Willen des Verordnungsgebers mit dieser rein redaktionellen Änderung nicht verbunden sein. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats im Versäumnisurteil (Rn. 31) verwiesen.

15

4. Der Beklagte verkennt zudem, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nach dem Willen des Verordnungsgebers (BR-Drucks. 76/79, S. 63) nicht nur den Kundenbelangen dadurch Rechnung tragen soll, dass der Versorger bei seiner einseitigen Leistungszeitbestimmung zu beachten hat, dass dem Kunden eine Zahlungsfrist von wenigstens zwei Wochen ab Zugang der Rechnung verbleibt, um seinerseits ausreichend Zeit zur Prüfung der Rechnung und zur finanziellen Disposition zu haben. Im Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Elektrizitätsversorgung soll sie vielmehr - wie im Versäumnisurteil des Senats (Rn. 32 f.) näher ausgeführt - auch ein zügiges Inkasso für den Grundversorger ermöglichen. Ein zügiges Inkasso wird aber gerade dadurch gefördert, dass der Kunde bereits ohne das Erfordernis einer Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verzug gerät und die damit verbundenen Verzugsfolgen ihn zur baldigen Zahlung für die bereits erhaltene Stromlieferung anhalten.

III.

16

Nach alledem verbleibt es bei der im Versäumnisurteil des Senats ausgesprochenen Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung des Verfahrens zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dr. Milger     

       

Dr. Hessel     

       

Dr. Fetzer

       

Dr. Bünger     

       

Kosziol     

       

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