Beschluss vom Bundesgerichtshof (5. Zivilsenat) - V ZB 52/15

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer VII - vom 13. März 2015 aufgehoben und der Beschluss des Amtsgerichts Schopfheim vom 8. September 2014 geändert.

Der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zu 1 vom 6. August 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.109,92 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit der gegen die übrigen Wohnungseigentümer (Beklagte zu 1) erhobenen Anfechtungsklage wandte sich der Kläger gegen Beschlüsse, die die Rechtsstellung des Verwalters (Beklagter zu 2) betreffen. Mit einem weiteren Klageantrag begehrte er von dem Verwalter die Erteilung von Auskünften. Einen Ersatzzustellungsvertreter hatten die Wohnungseigentümer nicht bestellt. Das Gericht bestellte eine Rechtsanwältin zur Ersatzzustellungsvertreterin und ordnete die Zustellung an diese an. Das Verfahren endete durch beiderseitige Erledigungserklärung. Von den Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger 80 % und den Beklagten jeweils 10 % auferlegt.

2

Am 8. September 2014 hat das Amtsgericht einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, wonach der Kläger den Beklagten die Kosten der Ersatzzustellungsvertreterin in Höhe von 1.109,92 € zu erstatten hat; diese Kosten (insgesamt 1.387,40 €) sind im Wesentlichen durch die Anfertigung von Kopien der Klageschrift und deren Versand an die übrigen Wohnungseigentümer entstanden. Die Beschwerde des Klägers hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kosten (nur) den übrigen Wohnungseigentümern zu erstatten sind. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, will der Kläger erreichen, dass der Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen wird.

II.

3

Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in ZWE 2015, 226 ff. veröffentlicht ist, sieht die Kosten der Ersatzzustellungsvertreterin nicht als reine Verwaltungskosten der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern als prozessbezogene eigene Kosten der beklagten übrigen Wohnungseigentümer an. Nur durch die Bestellung der Ersatzzustellungsvertreterin habe die Klage rechtshängig werden können. Mit der Entgegennahme der Zustellung und der Unterrichtung der übrigen Wohnungseigentümer sei die Ersatzzustellungsvertreterin im Interesse der von ihr vertretenen Eigentümer tätig geworden und habe ein „auch fremdes“ Geschäft geführt, weshalb die übrigen Wohnungseigentümer die Kosten gestützt auf Geschäftsführung ohne Auftrag zu ersetzen hätten. Nichts anderes ergebe sich aus der Überlegung, dass die Kosten nur entstanden seien, weil die Wohnungseigentümer entgegen § 45 Abs. 2 Satz 1 WEG keinen Beschluss über die Bestellung des Ersatzzustellungsvertreters gefasst hätten. Es werde mit guten Gründen vertreten, dass auch die Kosten eines durch Mehrheitsbeschluss bestellten Ersatzzustellungsvertreters zu den erstattungsfähigen Prozesskosten gehörten. Im Übrigen sei der gerichtlich bestellte Ersatzzustellungsvertreter mit einem gemäß § 57 ZPO gerichtlich bestellten Prozesspfleger vergleichbar, dessen Kosten bei der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen seien.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Anders als das Beschwerdegericht meint, können die Kosten der Ersatzzustellungsvertreterin im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden.

5

1. Welche Ansprüche einem gemäß § 45 Abs. 3 WEG gerichtlich bestellten Ersatzzustellungsvertreter aus seiner Tätigkeit erwachsen, ist allerdings ebenso umstritten wie die Frage, wer die entstehenden Kosten zu tragen hat. Das Gesetz regelt diese Fragen nicht ausdrücklich. Jedenfalls im Ergebnis einig ist man sich darüber, dass ein Ersatzzustellungsvertreter zumindest Auslagenersatz erhalten muss. Dagegen herrscht Uneinigkeit über die - hier vorrangig zu beantwortende - Frage, ob die Kosten des Ersatzzustellungsvertreters zu den nach § 91 ZPO erstattungsfähigen Verfahrenskosten gehören.

6

a) Nach einer Auffassung, der das Beschwerdegericht folgt, zählen die Kosten des Ersatzzustellungsvertreters zu den Kosten des Rechtsstreits, weil die Rechtshängigkeit nur durch dessen Bestellung eintreten könne (vgl. Jennißen/Suilmann, WEG, 5. Aufl., § 45 Rn. 49, 57; Timme/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 45 Rn. 74; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 91 Rn. 13 „Wohnungseigentümer“ unter d; Drabek, ZWE 2008, 22, 25). Zur Begründung wird vereinzelt darauf verwiesen, dass ein gerichtlich bestellter Ersatzzustellungsvertreter wie ein Prozesspfleger gemäß § 57 ZPO zu behandeln sei (Jennißen/Suilmann, WEG, 5. Aufl., § 45 Rn. 57).

7

b) Nach anderer Ansicht sind diese Kosten als interne Verwaltungskosten einzuordnen, die nicht dem Gegner zur Last fallen (LG Düsseldorf, NZM 2012, 426 f.; AG Dortmund, NJW 2009, 85, 86; AG Heilbronn, ZMR 2011, 336 f.; Bärmann/Roth, WEG, 13. Aufl., § 45 Rn. 54 und § 50 Rn. 32; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 45 Rn. 27; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 4. Aufl., § 45 Rn. 8; BeckOGK Karkmann [1.3.2017] WEG § 45 Rn. 17). Nur die Kosten der „Erstunterrichtung“ durch den Ersatzzustellungsvertreter müssten jedenfalls bei konsequenter Umsetzung der Entscheidung des Senats vom 14. Mai 2009 (V ZB 172/08, NJW 2009, 2135 Rn. 11 f.) ausnahmsweise erstattungsfähig sein (so Bärmann/Roth, WEG, 13. Aufl., § 50 Rn. 32; ähnlich Bärmann/Seuß/Bergerhoff, Praxis des Wohnungseigentums, 5. Aufl., F. Rn. 316).

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2. Richtigerweise gehören die Kosten eines Ersatzzustellungsvertreters nicht zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, und zwar unabhängig davon, ob der Ersatzzustellungsvertreter gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WEG durch Beschluss der Wohnungseigentümer oder - wie hier - gemäß § 45 Abs. 3 WEG durch das Gericht bestellt worden ist.

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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Kosten der Unterrichtung der einzelnen beklagten Wohnungseigentümer durch die Verwalterin in Beschlussmängelverfahren Kosten der internen Kommunikation und als solche grundsätzlich nicht erstattungsfähig (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1980 - VII ZR 276/79, BGHZ 78, 166, 173; Senat, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135 Rn. 11 f.; Beschluss vom 7. Mai 2014 - V ZB 102/13, ZfIR 2014, 746 Rn. 10). Eine Ausnahme hat der Senat für die Kosten der Erstunterrichtung durch den Verwalter in dem in § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 Alt. 2 WEG geregelten Fall anerkannt, wenn also aufgrund des Streitgegenstands die Gefahr besteht, der Verwalter werde die Wohnungseigentümer nicht sachgerecht unterrichten (Senat, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135 Rn. 12). Daraus ist vielfach der Schluss gezogen worden, dass dann, wenn eine solche Gefahr besteht und gemäß § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG nicht an den Verwalter, sondern an einen Ersatzzustellungsvertreter zugestellt wird, die Kosten der Erstunterrichtung ebenfalls erstattungsfähig sein müssten; auf diese Überlegung stützt sich auch die Rechtsbeschwerdeerwiderung.

10

b) Der Senat hält jedoch nicht daran fest, dass die Kosten der Unterrichtung der beklagten Wohnungseigentümer durch einen Zustellungsvertreter unter bestimmten Voraussetzungen als Kosten des Rechtsstreits anzusehen sind. Diese Kosten sind stets Kosten der internen Verwaltung und nicht gemäß § 91 ZPO erstattungsfähig, ohne dass es darauf ankommt, ob der Verwalter oder ein Ersatzzustellungsvertreter die Aufgaben des Zustellungsvertreters wahrnimmt (vgl. Bärmann/Roth, WEG, 13. Aufl., § 50 Rn. 32 Fn. 100).

11

aa) Ob im Sinne von § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 Alt. 2 WEG aufgrund des Streitgegenstands die konkrete (vgl. dazu Senat, Urteil vom 9. März 2012 - V ZR 170/11, ZMR 2012, 567 Rn. 8) Gefahr besteht, der Verwalter werde die Wohnungseigentümer nicht sachgerecht unterrichten, muss das Gericht aufgrund einer Prognose ex ante beurteilen. Ist eine solche Gefahr zu verneinen, kann an den Verwalter zugestellt werden. Besteht sie dagegen, ist der Verwalter nicht Zustellungsvertreter und die Zustellung darf gemäß § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG nicht an ihn erfolgen. Wird ungeachtet dessen an ihn zugestellt, ist die Zustellung unwirksam. Unterrichtet der Verwalter - anders als es die Prognose erwarten ließ - alle beklagten Wohnungseigentümer über die Zustellung, kommt ggf. eine Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 189 ZPO in Betracht. In jedem Fall sind die Kosten der Unterrichtung ausnahmslos solche der internen Verwaltung.

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bb) Nichts anders gilt, wenn die Zustellung an einen Ersatzzustellungsvertreter erfolgt.

13

(1) Der Ersatzzustellungsvertreter tritt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG in die dem Verwalter als Zustellungsvertreter zustehenden Aufgaben und Befugnisse ein, sofern das Gericht die Zustellung an ihn anordnet (vgl. dazu BT-Drucks. 16/887, S. 37). Schon daraus ergibt sich, dass die entstehenden Kosten ebenso zu behandeln sind wie die durch den Verwalter verursachten Kosten; hier wie dort handelt es sich um Kosten der internen Organisation der Wohnungseigentümer. Insbesondere ist der Ersatzzustellungsvertreter nicht mit einem Prozesspfleger im Sinne von § 57 ZPO vergleichbar. Die Aufgaben eines Prozesspflegers beschränken sich nämlich nicht auf die Zustellungsvertretung; in dem Prozess, für den er bestellt wird, nimmt er insgesamt die Stellung eines gesetzlichen Vertreters der nicht prozessfähigen Partei ein.

14

(2) Der Umstand, dass die Zustellungskosten dann erstattungsfähig sind, wenn sich das Gericht gegen die Bestellung eines Ersatzzustellungsvertreters entscheidet und an die beklagten Wohnungseigentümer selbst zustellt, stellt die fehlende Erstattungsfähigkeit der Kosten des Ersatzzustellungsvertreters nicht in Frage (aA Jennißen/Suilmann, WEG, 5. Aufl., § 45 Rn. 57). Diese „Ungereimtheit“ (so Schmid, MDR 2012, 561, 563) ist nämlich keine mit der Bestellung eines Ersatzzustellungsvertreters einhergehende Besonderheit, sondern beruht darauf, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, die Zustellung an den Verwalter (oder einen Ersatzzustellungsvertreter) gesetzlich vorzuschreiben. Er hat es bewusst in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt, ob es an jeden Beklagten zustellt oder an den Verwalter als Zustellungsvertreter bzw. (unter den Voraussetzungen von § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG) an einen Ersatzzustellungsvertreter (vgl. BT-Drucks. 16/887, S. 37; Senat, Urteil vom 11. Februar 2011 - V ZR 136/10, NZM 2011, 752 Rn. 7). Ohnehin wird es - abgesehen von kleineren Wohnungseigentümergemeinschaften - regelmäßig sachgerecht sein, an den Verwalter bzw. an einen (ggf. zu bestellenden) Ersatzzustellungsvertreter zuzustellen, und zwar gerade deshalb, weil hierdurch die Kosten gering gehalten werden können (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 36 f.; Bärmann/Roth, WEG, 13. Aufl., § 45 Rn. 45). Es reicht nämlich aus, wenn dem Zustellungsvertreter eine Abschrift übergeben wird (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 37; MüKoZPO/Häublein, 5. Aufl., § 170 Rn. 9 f.); die anschließende Unterrichtung der beklagten Wohnungseigentümer kann in kostensparender Form erfolgen, etwa durch Unterrichtung auf einer Versammlung oder per E-Mail (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135 Rn. 11 mwN).

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(3) Schließlich sind die Kosten des gerichtlich bestellten Ersatzzustellungsvertreters - anders als das Beschwerdegericht meint - nicht Kosten der beklagten Wohnungseigentümer. Vielmehr schuldet die Wohnungseigentümergemeinschaft Auslagenersatz und ggf. eine Vergütung. Denn die Bestellung durch das Gericht ersetzt den Beschluss der Wohnungseigentümer gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WEG (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 76. Aufl., § 45 WEG Rn. 9). Nimmt der Ersatzzustellungsvertreter die Bestellung durch das Gericht an, kommt - wie bei einer Bestellung durch Beschluss der Wohnungseigentümer - ein Vertrag zwischen ihm und der Wohnungseigentümergemeinschaft zustande (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 76. Aufl., § 45 WEG Rn. 6, 9; Bärmann/Roth, WEG, 13. Aufl., § 45 Rn. 49 mN. auch zur Gegenansicht). Der Ersatzzustellungsvertreter tritt nämlich partiell in die Aufgaben und Befugnisse des Verwalters ein, dessen Vertragspartner ebenfalls die Wohnungseigentümergemeinschaft ist (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 7. Juli 2016 - V ZB 15/14, ZfIR 2016, 846 Rn. 9). Ob und ggf. in welcher Höhe eine Vergütung geschuldet ist, muss das Gericht bei der Bestellung - oder ggf. nachträglich - festlegen, wobei es sich an der üblichen Vergütung im Sinne von § 675, § 612 Abs. 2 BGB orientieren kann; auch hat es die Berechnung des Auslagenersatzes vorzugeben (zutreffend AG Dortmund, NJW 2009, 85, 86; AG Heilbronn, ZMR 2011, 336 f.; ebenso zum Notverwalter nach altem Recht BGH, Urteil vom 10. Juli 1980 - VII ZR 328/79, BGHZ 78, 57, 66; aA Bärmann/Roth, WEG, 13. Aufl., § 45 Rn. 53; Schmid, MDR 2012, 561, 562). Diese Fragen müssten nämlich in dem (durch das Gericht zu ersetzenden) Beschluss der Wohnungseigentümer gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WEG ebenfalls geregelt werden (so für die Verwalterbestellung Senat, Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 114/14, NJW 2015, 1378 Rn. 12). Zudem entspricht es einem praktischen Bedürfnis, dass das Gericht vorab die Konditionen festlegt, auf deren Grundlage der Ersatzzustellungsvertreter die ihm zugedachte Aufgabe annehmen und ausüben soll. In der Jahresabrechnung sind die Kosten des Ersatzzustellungsvertreters als Kosten der Verwaltung nach dem von § 16 Abs. 2 WEG vorgegebenen Maßstab zu verteilen, also ohne Berücksichtigung der Kostenentscheidung des Gerichts. Die Wohnungseigentümer haben es in der Hand, solche Verwaltungskosten gering zu halten, indem sie einen Ersatzzustellungsvertreter gemäß § 45 Abs. 2 WEG bestellen und diesem eine kostensparende Unterrichtung - etwa durch die Überlassung einer vollständigen E-Mail-Adressliste - ermöglichen; unterlassen sie dies, tragen sie die hierdurch entstehenden Kosten anteilig.

IV.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Stresemann     

      

Brückner     

      

Weinland

      

Kazele     

      

Hamdorf     

      

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