Beschluss vom Bundesgerichtshof (1. Zivilsenat) - I ZB 36/16

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Landgerichts Schwerin - Zivilkammer 5 - vom 12. April 2016 aufgehoben.

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 3. Februar 2016 auszuführen.

Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

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I. Mit Schreiben vom 3. Februar 2016 beantragte die Gläubigerin, dem Schuldner gemäß § 802f ZPO die Vermögensauskunft abzunehmen. In dem Antrag bestimmte sie:

Sollte der Schuldner innerhalb der letzten zwei Jahre nach altem Recht des § 807 ZPO oder der letzten zwei Jahre gemäß § 802c ZPO eine Vermögensauskunft abgegeben haben, so wird beantragt, dem Gläubiger einen Abdruck des beim Gericht bzw. beim zentralen Vollstreckungsgericht hinterlegten Vermögensverzeichnisses zuzuleiten, wenn das Verzeichnis nicht älter als zwölf Monate ist. Bei einem älteren Verzeichnis erfolgt Antragsrücknahme. Ist das Verzeichnis älter, wird um Mitteilung gebeten, wann und wo die Vermögensauskunft abgegeben wurde.

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Der Gerichtsvollzieher hat die Durchführung des Auftrags abgelehnt, weil weder die Vermögensauskunft noch die Erteilung einer Abschrift des Vermögensverzeichnisses an eine Bedingung geknüpft werden könne.

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Die dagegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die daraufhin von der Gläubigerin beim Landgericht eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren weiter.

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II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Gerichtsvollzieher habe den Vollstreckungsauftrag zu Recht abgelehnt, weil er mit unzulässigen Einschränkungen versehen sei. Aus dem Wortlaut, dem Sinn und Zweck sowie der Gesetzesbegründung zu § 802d ZPO ergebe sich, dass der Antrag des Gläubigers auf Abnahme der Vermögensauskunft die alternative und zwingende Handlungsanweisung an den Gerichtsvollzieher enthalte, entweder die Vermögensauskunft abzunehmen, sofern eine solche in den letzten zwei Jahren nicht abgegeben worden sei, oder das vorhandene Vermögensverzeichnis aus den letzten zwei Jahren an den Gläubiger zu übersenden. Dadurch sei die Dispositionsfreiheit des Gläubigers wirksam eingeschränkt.

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III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, der Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin stehe unter einer unzulässigen Einschränkung, wenn sie eine Abschrift des Vermögensverzeichnisses nur für den Fall beantrage, dass dieses Verzeichnis nicht älter als zwölf Monate sei.

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1. Nach § 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Schuldner, der die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO innerhalb der letzten zwei Jahre abgegeben hat, zur erneuten Abgabe nur verpflichtet, wenn ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen. Ist dies nicht der Fall, bestimmt § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO, dass der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zuleitet. Nach § 802d Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ZPO, der gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung vom 21. November 2016 (BGBl. I, S. 2591 - EuKoPfVODG) angefügt worden ist, ist dabei ein Verzicht auf die Zuleitung unzulässig. Diese Gesetzesänderung ist gemäß Art. 21 Abs. 3 EuKoPfVODG am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes und damit am 26. November 2016 in Kraft getreten.

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2. Der Senat hat die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob der Gläubiger auf die Übersendung des früheren Vermögensverzeichnisses gemäß § 802d ZPO verzichten oder den Zwangsvollstreckungsauftrag in der Weise beschränken kann, dass der Gerichtsvollzieher von der Übersendung eines älteren, beispielsweise mehr als sechs oder zwölf Monate alten Vermögensverzeichnisses absehen muss, auf der Grundlage des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO aF dahingehend beantwortet, dass der Gläubiger aufgrund der das Zwangsvollstreckungsrecht beherrschenden Dispositionsmaxime den Vollstreckungsauftrag für den Fall einschränken oder zurücknehmen kann, dass der Schuldner innerhalb der Sperrfrist bereits die Vermögensauskunft abgegeben hat (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2016 - I ZB 21/16, NJW 2017, 571 Rn. 10 bis 23).

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3. Die Bestimmung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO aF, nach der ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung des Vermögensverzeichnisses beachtlich ist, gilt ungeachtet dessen, dass über ihn erst mit dem vorliegenden Senatsbeschluss endgültig entschieden wird, auch noch für den im Streitfall am 3. Februar 2016 gestellten Vollstreckungsauftrag. Die durch die Neufassung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO bewirkte Indienstnahme des einzelnen Gläubigers für die Gesamtheit der Gläubiger eines bestimmten Schuldners bedurfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, an der es zuvor gefehlt hat (vgl. BGH, NJW 2017, 571 Rn. 21 ff., 23). Die neue Regelung gilt aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Art. 21 Abs. 3 EuKoPfVODG nur für Vollstreckungsaufträge, die seit dem 26. November 2016 gestellt worden sind. Dass keine rückwirkende Änderung des Gesetzes beabsichtigt war, wird auch durch den aus Art. 21 Abs. 2 EuKoPfVODG zu ziehenden Gegenschluss bestätigt.

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4. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung erfolgt und keine weiteren tatsächlichen Feststellungen erforderlich sind (§ 577 Abs. 5 ZPO).

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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Büscher     

      

Schaffert     

      

Kirchhoff

      

Löffler     

      

Schwonke     

      

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