Urteil vom Bundesgerichtshof (3. Zivilsenat) - III ZR 71/17
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 26. November 2014 zurückgewiesen worden ist.
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In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Der Kläger verlangt vom beklagten Land Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen eines Polizeieinsatzes, bei welchem er durch Anwendung unmittelbaren Zwangs im Rahmen einer Maßnahme zur Identitätsfeststellung (§ 163b Abs. 1 StPO) eine Schulterverletzung erlitt. Die Parteien streiten, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, darum, ob ein Anspruch auf Entschädigung aus Aufopferung auch Schmerzensgeld umfasst.
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Das Landgericht hat dem Kläger Ersatz des geltend gemachten materiellen Schadens zuerkannt, die Klage hinsichtlich der Schmerzensgeldforderung und des Anspruchs auf Freistellung von hierauf entfallenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedoch abgewiesen. Die hiergegen von beiden Parteien eingelegten Rechtsmittel haben keinen Erfolg gehabt. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers, die das Oberlandesgericht zu seinen Gunsten zugelassen hat.
Entscheidungsgründe
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Die Revision führt, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I.
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Das Oberlandesgericht ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Schmerzensgeld zusteht (Urteil vom 26. Januar 2017 - 1 U 31/15, juris). Zwar umfasse der Anspruch auf Entschädigung aus Aufopferung Sonderopfer durch hoheitliche Eingriffe in nicht vermögenswerte Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Freiheit. Jedoch sei die Entschädigung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die aus dem Eingriff resultierenden vermögensrechtlichen Nachteile beschränkt und umfasse damit kein Schmerzensgeld. Diese Rechtsprechung sei auch nicht aufgrund der zum 1. August 2002 in Kraft getretenen Regelung in § 253 Abs. 2 BGB überholt. Zwar gelte nunmehr im Rahmen des Schadensersatzrechts, dass unter anderem bei einer Körperverletzung auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden sei, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden könne. Der Anspruch aus Aufopferung sei aber kein Anspruch auf Schadensersatz, sondern nur auf billige beziehungsweise angemessene Entschädigung gerichtet. Wegen dieses strukturellen Unterschieds könne § 253 Abs. 2 BGB auch nicht analog angewandt werden. Andere Anspruchsgrundlagen auf Zahlung eines Schmerzensgeldes schieden aus, wie das Landgericht, dessen diesbezügliche Ausführungen mit der Berufung auch nicht angegriffen worden seien, zutreffend festgestellt habe.
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II.
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Soweit das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht angenommen hat, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Aufopferungsanspruchs dem Grunde nach gegeben sind und andere Anspruchsgrundlagen nicht in Betracht kommen, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von keiner der Parteien in Frage gestellt. Entscheidungserheblich ist damit, ob der allgemeine Aufopferungsanspruch wegen eines hoheitlichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit auf den Ersatz materieller Schäden begrenzt ist. Insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung, die eine solche Begrenzung annimmt, nicht mehr fest.
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1. Der Senat hat in seinem Urteil vom 13. Februar 1956 (III ZR 175/54, BGHZ 20, 61, 68 ff) seine frühere Auffassung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Die Rechtsordnung und insbesondere das Schadensersatz- und Entschädigungsrecht seien beherrscht von dem in § 253 BGB festgelegten Grundsatz, dass ein Ausgleich in Geld nur für vermögensrechtliche (materielle) Einbußen verlangt werden könne. Nur ganz ausnahmsweise gewähre das Gesetz in §§ 847, 1300 BGB (a.F.) eine billige Entschädigung auch wegen des Nichtvermögensschadens. Es handele sich hierbei um Tatbestände, in denen durch ein - vermeidbares - schuldhaftes Verhalten einem Dritten Unbill zugefügt worden sei, und in diesen Fällen liege die ausnahmsweise für den Schädiger im Gesetz normierte Verpflichtung zur Entschädigungsleistung über den vermögensrechtlichen Schaden hinaus entscheidend mitbegründet in dem Gedanken der Genugtuung, die der Schädiger dem Verletzten schulde. Dementsprechend habe der Gesetzgeber bei allen sonstigen Haftungstatbeständen, die ein Verschulden nicht voraussetzten und bei denen infolgedessen auch der Genugtuungsgedanke keine entscheidende Rolle spielen könne, insbesondere bei der sogenannten Gefährdungshaftung, davon abgesehen, dem Geschädigten einen Ausgleich für immaterielle Schäden zu gewähren. Von dem Grundsatz, dass nur für vermögensrechtliche Nachteile Entschädigung zu gewähren sei, gingen auch die preußischen Bestimmungen der §§ 74, 75 EinlALR aus, auf die das auch für die Gebiete außerhalb des Landes Preußen anerkannte und gewohnheitsrechtlich fortgebildete Rechtsinstitut des allgemeinen Aufopferungsanspruchs zurückgehe. Dementsprechend sei auch in allen Fällen, in denen Aufopferungstatbestände in der Vergangenheit eine besondere gesetzliche Regelung erfahren hätten, von einer Entschädigung für nicht vermögensrechtliche Nachteile abgesehen worden. Aus all dem müsse auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass eine Entschädigung für immaterielle Schäden nur in den ausdrücklich normierten Sonderfällen der §§ 847, 1300 BGB (a.F.) gewährt werden könne, im Übrigen aber - insbesondere auch bei Vorliegen von Aufopferungstatbeständen - Schadensersatz und Entschädigung auf den Ausgleich vermögensrechtlicher Nachteile beschränkt bleiben solle. Zwar werde die Schutzwürdigkeit des Lebens und der Gesundheit und ebenso der Freiheit von der Rechtsordnung besonders betont, indem das Grundgesetz in Art. 2 neben dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit das Recht des Einzelnen auf Leben und körperliche Unversehrtheit und die Unverletzlichkeit der Freiheit der Person als verfassungsmäßig geschützte Grundrechte ausdrücklich garantiere. Dies rechtfertige angesichts der Gesetzeslage aber nicht, die zu gewährende billige Entschädigung unter Einschluss immaterieller Nachteile zu bestimmen. Vielmehr müsse es dem Gesetzgeber überlassen bleiben, aus der in der Verfassung zum Ausdruck kommenden Ordnung der Werte der einzelnen Lebensgüter gegebenenfalls Folgerungen für eine andersartige Regelung des Entschädigungsrechts zu ziehen und den in § 253 BGB normierten Grundsatz, der nicht mehr allseits befriedigen könne, zu verlassen.
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An dieser Auffassung hat der Senat in der Folgezeit in seiner älteren Rechtsprechung festgehalten (vgl. nur Urteile vom 15. Oktober 1956 - III ZR 226/55, BGHZ 22, 43, 48, 50; vom 3. November 1958 - III ZR 139/57, BGHZ 28, 297, 301; vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 77; vom 6. Juni 1966 - III ZR 167/64, NJW 1966, 1859, 1861, insoweit in BGHZ 45, 290 nicht abgedruckt; vom 8. Juli 1971 - III ZR 67/68, NJW 1971, 1881, 1883 und vom 27. Mai 1993 - III ZR 59/92, BGHZ 122, 363, 368). Im Schrifttum wird diese Senatsrechtsprechung regelmäßig ohne nähere Erörterung wiedergegeben (vgl. nur BeckOGK/Dörr BGB § 839 Rn. 1199 [Stand 1. Juli 2017]; Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., Überbl. v. § 903 Rn. 16; Schiemann in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Vorbem zu §§ 249 ff Rn. 20; Stein/Itzel/Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2. Aufl., Rn. 365), teilweise aber auch eine Abkehr von der als überholt angesehenen Rechtsprechung gefordert (vgl. Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 147 f; MüKoBGB/Oetker, 7. Aufl., § 253 Rn. 20; siehe auch OLG Frankfurt, NVwZ-RR 2014, 142, 143).
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2. Die im Urteil vom 13. Februar 1956 dargestellte Gesetzeslage hat sich zwischenzeitlich grundlegend geändert. Von einem Willen des Gesetzgebers, die Ersatzpflicht im Schadensersatz- und Entschädigungsrecht bei Eingriffen in immaterielle Rechtsgüter wie Leben, Freiheit oder körperliche Unversehrtheit grundsätzlich auf Vermögensschäden zu beschränken, kann nicht mehr ausgegangen werden.
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a) Durch Art. 2 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I 2674) ist § 253 BGB - die bisherige Regelung („Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.“) wurde nunmehr Absatz 1 - durch Einfügung eines Absatzes 2 in der Form geändert worden, dass dann, wenn wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten ist, auch wegen des Schadens, der Nichtvermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden kann. Hiermit wurde - wie es im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 7. Dezember 2001 (BT-Drucks. 14/7752 S. 1) heißt - ein allgemeiner Anspruch auf Schmerzensgeld eingeführt, der über die bereits erfasste außervertragliche Verschuldenshaftung hinaus auch die Gefährdungshaftung und die Vertragshaftung mit einbezieht. Zur Begründung (aaO S. 11, 14) wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, die das Recht der unerlaubten Handlungen und des Schadensersatzes regelten, seit dessen Inkrafttreten zum 1. Januar 1900 nahezu unverändert geblieben seien. Zwar sei es der Rechtsprechung aufgrund des hohen Abstraktionsgrades der Vorschriften möglich gewesen, durch entsprechende Auslegung, aber auch durch richterliche Rechtsfortbildung, eine Reihe von Anpassungen an die gewandelten Verhältnisse vorzunehmen. Dieser Weg sei jedoch dort an Grenzen gestoßen, wo das Gesetz selbst Entscheidungen vorgegeben habe. Im Laufe der Zeit habe sich zunehmend deutlicher gezeigt, dass manche dieser Grundentscheidungen zum Schadensersatzrecht nur noch schwer mit den heutigen Verhältnissen und Wertvorstellungen in Übereinstimmung zu bringen seien. Es entstünden Haftungslücken, auch Gerechtigkeitsdefizite, die dieses Gesetz beseitigen wolle. Dies gelte auch für den Ersatz des immateriellen Schadens bei Körper- und Gesundheitsverletzungen, der nach geltendem Recht grundsätzlich nur im Rahmen außervertraglicher Verschuldenshaftung gewährt werde, obwohl er unter Ausgleichsgesichtspunkten bei der Gefährdungs- und Vertragshaftung gleichermaßen in Betracht komme. Durch die Neuregelung werde nunmehr ein einheitlicher und übergreifender Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzungen von Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung geschaffen, der nicht mehr danach unterscheide, auf welchem Rechtsgrund die Haftung für die Verletzung beruhe.
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b) Durch diese Neuregelung hat der Gesetzgeber den bisher in § 253 BGB normierten Grundsatz, auf den der Senat sein Urteil vom 13. Februar 1956 wesentlich gestützt hat, verlassen. Nunmehr kann im Schadensersatzrecht bei Verletzungen des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schmerzensgeld verlangt werden. Auch soweit der Senat in diesem Zusammenhang auf die Verschuldenshaftung und den Gedanken der Genugtuung abgestellt hatte, ist dieser Argumentation nach der Einbeziehung der Gefährdungshaftung in die Änderung des Schadensersatzrechts die Grundlage entzogen, abgesehen davon, dass der Gedanke der Genugtuung regelmäßig nur bei besonderen Fallgestaltungen eine Rolle spielt, während für die Bemessung des Schmerzensgeldes der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund steht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. September 2016 - VGS 1/16, VersR 2017, 180 Rn. 48 f mwN; siehe auch Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 14/7752 S. 15).
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c) Auch im Bereich der vom Senat in seinem Urteil vom 13. Februar 1956 zitierten spezialgesetzlichen Regelungen haben sich Änderungen ergeben. Während zum Beispiel in § 2 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen vom 20. Mai 1898 (RGBl. 345) sowie in § 3 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft vom 14. Juli 1904 (RGBl. 321) nur für Vermögensschäden eine Haftung vorgesehen war, enthält nunmehr § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) vom 8. März 1971 (BGBl. I S. 157) eine Regelung, wonach im Falle der Freiheitsentziehung aufgrund gerichtlicher Entscheidung auch der Schaden zu ersetzen ist, der Nichtvermögensschaden ist. Die Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder - neben dem beklagten Land (§ 65 Abs. 2 HSOG) unter anderem Berlin (§ 60 Abs. 2 ASOG Bln), Niedersachsen (§ 81 Abs. 2 Nds. SOG), Rheinland-Pfalz (§ 69 Abs. 2 POG), Saarland (§ 69 Abs. 2 SPolG), Sachsen (§ 53 Abs. 2 SächsPolG), Sachsen-Anhalt (§ 70 Abs. 2 SOG LSA) und Thüringen (§ 69 Abs. 2 PAG) - enthalten inzwischen vielfach Regelungen zum Ersatz auch des immateriellen Schadens bei der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit oder bei einer Freiheitsentziehung (zu letzterem siehe auch Bayern in Art. 70 Abs. 7 Satz 2 PAG und Bremen in § 57 Abs. 1 Satz 2 BremPolG).
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d) Nur ergänzend ist auch auf die Regelung in § 198 GVG (zu deren Einordnung als staatshaftungsrechtlicher Anspruch sui generis, als Aufopferungsanspruch oder als prozessuale Risikohaftung siehe Reiter, NJW 2015, 2554, 2555 ff) hinzuweisen, die im Rahmen der angemessenen Entschädigung für überlange Verfahrensdauer auch Ersatz für immaterielle Nachteile kennt.
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e) Vor diesem Hintergrund kann - auch wenn es weiterhin in Teilbereichen spezialgesetzliche Bestimmungen gibt, in denen die Rechtsfolgen aufopferungsrechtlicher Tatbestände anders als in den vorerwähnten Bestimmungen geregelt sind (vgl. etwa für Impfschäden die versorgungsrechtliche Lösung in § 60 IfSG iVm den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes) - die Annahme des Senats in seinem Urteil vom 13. Februar 1956, das Schadensersatz- und Entschädigungsrecht sei von dem Willen des Gesetzgebers geprägt, Ersatzleistungen grundsätzlich auf Vermögensschäden zu beschränken, sodass auch der Umfang der Entschädigung aus Aufopferung nur unter Ausschluss des Schmerzensgeldes bestimmt werden könne, nicht mehr aufrechterhalten werden.
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3. Eine solche Beschränkung folgt auch nicht aus der Natur des öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs.
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a) Dieser Anspruch hat sich gewohnheitsrechtlich gemäß dem in § 75 EinlALR (1794) enthaltenen Rechtsgrundsatz entwickelt. Nach dieser Bestimmung ist der Staat gehalten, denjenigen zu entschädigen, der seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohl des Gemeinwesens aufzuopfern genötigt wird. Der Grundsatz, der in dieser Vorschrift seinen gesetzlichen Ausdruck gefunden hat, hat über den Bereich der früheren altpreußischen Provinzen hinaus allgemeine Geltung erlangt (vgl. nur Senat, Urteil vom 19. Februar 1953 - III ZR 208/51, BGHZ 9, 83, 85 f). Allerdings wurde vormals in der Rechtsprechung (vgl. nur RGZ 122, 298, 301 f; 156, 305, 310) der Ausgleich für Sonderopfer dahingehend eingeschränkt, dass er nur für Eingriffe des Staates in das Eigentum beziehungsweise vermögenswerte Rechte, nicht dagegen für Personenschäden - wie Verletzungen der Gesundheit oder des Lebens - in Betracht kommt. Dieser im Wesentlichen auf die preußische Kabinetsorder vom 4. Dezember 1831 (Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten, S. 255, 257) gestützten, den Rechtsgrundsatz des § 75 EinlALR begrenzenden Auffassung ist der Senat allerdings in ständiger Rechtsprechung nicht gefolgt (vgl. nur Urteil vom 19. Februar 1953 aaO S. 86 ff; siehe auch bereits Urteil vom 14. Juli 1952 - III ZR 95/51, BGHZ 7, 96, 99 f). Vielmehr ist auch ein Sonderopfer, das der Einzelne an immateriellen Rechtsgütern zum Wohl der Allgemeinheit zu erbringen genötigt wird, zu ersetzen (vgl. Senat, Urteil vom 19. Februar 1953 aaO S. 88 f). Bei einem hoheitlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit besteht das Sonderopfer aber nicht nur in den daraus folgenden materiellen, sondern auch in den daraus folgenden immateriellen Nachteilen.
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b) Ein Ausschluss des Schmerzensgeldes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der allgemeine Aufopferungsanspruch kein Schadensersatzanspruch im Sinne der §§ 249 ff BGB ist. Der Anspruch aus Aufopferung geht auf Leistung eines angemessenen beziehungsweise billigen Ausgleichs für das dem Betroffenen hoheitlich auferlegte Sonderopfer (vgl. nur Senat, Urteile vom 23. Oktober 1952 - III ZR 231/51, BGHZ 7, 331, 334; vom 15. Oktober 1956 - III ZR 226/55, BGHZ 22, 43, 48; vom 3. November 1958 - III ZR 139/57, BGHZ 28, 297, 301 und vom 31. Januar 1966 - III ZR 118/64, BGHZ 45, 58, 77). Der Anspruch auf Entschädigung kann insoweit - wie in der Senatsrechtsprechung verschiedentlich im Zusammenhang mit Vermögensschäden ausgeführt worden ist (vgl. nur Urteil vom 23. Oktober 1952 aaO; siehe auch BGH, Beschluss vom 10. Juni 1952 - GSZ 2/52, BGHZ 6, 270, 293, 295) - zwar im Einzelfall darin bestehen, dem Geschädigten vollen Schadensersatz zuzubilligen, aber die Kriterien der Angemessenheit und Billigkeit können auch Einschränkungen rechtfertigen. Insoweit ist der Aufopferungsanspruch - anders als grundsätzlich der Anspruch auf Schadensersatz - nicht seiner Natur nach auf restlosen Ersatz gerichtet. Dieser Unterschied, auf den im Übrigen der Senat in seinem Urteil vom 13. Februar 1956 auch nicht abgestellt hat, hat jedoch keinen inhaltlichen Bezug zu der Frage, ob die Aufopferungsentschädigung auf vermögenswerte Nachteile beschränkt ist. Die für den Umfang der Entschädigung maßgebliche Angemessenheit und Billigkeit besagt nichts darüber, welche Arten von Schäden von dem Anspruch erfasst sind.
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c) Zu Unrecht verweist das beklagte Land für seine gegenteilige Rechtsauffassung auf das Urteil des V. Zivilsenats vom 23. Juli 2010 (V ZR 142/09, NJW 2010, 3160). Diese Entscheidung betrifft den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Insoweit handelt es sich um eine aus dem Grundstückseigentum abgeleitete Forderung, die dem Interessenausgleich zwischen Nachbarn dient und auf dem Gedanken von Treu und Glauben im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis beruht (vgl. BGH aaO Rn. 7 f). Dieser Anspruch umfasst kein Schmerzensgeld. Der V. Zivilsenat (aaO Rn. 9) hat insoweit auch eine analoge Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB mit der Begründung abgelehnt, § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sei kein Schadensersatzanspruch.
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Soweit das beklagte Land hieraus ableiten will, dass auch im vorliegenden Fall Schmerzensgeld nicht in Betracht komme, weil der allgemeine Aufopferungsanspruch für hoheitliche Eingriffe in nichtvermögenswerte Rechtsgüter ebenfalls kein Schadensersatzanspruch sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es hier nicht um die Frage einer analogen Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB, sondern darum geht, ob die billige und angemessene Entschädigung für ein im Zusammenhang mit einem hoheitlichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit erbrachtes Sonderopfer von vorneherein nur materielle und keine immateriellen Nachteile erfasst. Diese Frage ist aber - soweit keine (spezial)gesetzlichen Begrenzungen bestehen - aus den vorstehenden Gründen zu verneinen.
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III.
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Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache, da es weiterer tatrichterlicher Feststellungen zur Bemessung des Aufopferungsanspruchs bedarf, an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Herrmann
Seiters
Reiter
Pohl
Arend
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