Beschluss vom Bundesgerichtshof (1. Strafsenat) - 1 StR 387/17

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 9. März 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und davon sechs Monate wegen überlanger Verfahrensdauer für vollstreckt erklärt.

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Die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die der Verurteilung zugrunde liegende Beweiswürdigung weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

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1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

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Der Angeklagte und der geschädigte Zeuge H.   vereinbarten im Jahr 2005, dass der Angeklagte einen Betrag von 250.000 € für den Zeugen H.    zinsgünstig in der Schweiz anlegen sollte. Den Betrag hatte der Geschädigte H.    zuvor als Darlehen von der Sparkasse S.     in Österreich erhalten. Weiter wurde vereinbart, dass der Angeklagte dem Zeugen H.   zu Beginn eines jeden Jahres einen Betrag in Höhe von 25.000 € zurückzahlen sollte, damit der Zeuge H.   bei der Sparkasse S.     Zins und Tilgung leisten konnte. Ferner sollte der Zeuge H.     das Geld vollständig zurückfordern können, wenn er es benötigte.

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Der Zeuge H.    überwies am 13. Mai 2005 den Betrag von 250.000 € auf ein Konto der „o.  or.                                            GmbH“ (im Folgenden: o.   GmbH). Alleingesellschafterin der o.  GmbH war die Ehefrau des Angeklagten; faktische Geschäftsführer der o.  GmbH waren der Angeklagte und seine Ehefrau.

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Der Angeklagte wollte von Anfang an die an die o.  GmbH überwiesenen Beträge vollständig für sich, seine Ehefrau und die o.  GmbH vereinnahmen, so dass die Beträge nach den Feststellungen des Landgerichts im Zeitpunkt der Überweisung bereits verloren waren. Sicherheiten waren nicht bestellt. Der Angeklagte wusste, dass der Zeuge H.     den Betrag von 250.000 € nicht überwiesen hätte, wenn er die wahren Absichten des Angeklagten gekannt hätte.

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In der Folgezeit kam es zu folgenden Zahlungen an den Geschädigten H.   : Die o.  GmbH überwies im Januar 2006 einen Betrag von 25.000 €; zudem übergab der Angeklagte dem Geschädigten H.     im Januar 2007 einen Betrag von 25.000 € in bar sowie am 31. Januar 2008 weitere 8.000 € und am 14. August 2008 weitere 17.000 €.

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2. Der Angeklagte hat ein betrügerisches Handeln bestritten. Das Landgericht stützt seine Überzeugung, der Angeklagte habe von Anfang an keinen Rückzahlungswillen gehabt, auf ein Schreiben des Zeugen B.   , eines Rechtsanwalts, vom 16. Juni 2008, das den Inhalt eines anwaltlichen Erstberatungsgesprächs am 11. Juni 2008 wiedergibt (UA S. 30 f.). In dem Schreiben ist ausgeführt, der Angeklagte habe in dem Beratungsgespräch angegeben, dem Zeugen H.     sei bereits am 13. Mai 2005 ein Betrag von 250.000 € (zurück-)gezahlt worden und er – der Angeklagte – habe dem Zeugen H.    mit den Zahlungen in den Jahren 2006 und 2007 sowie im Januar 2008 in Höhe von insgesamt 58.000 € jeweils Darlehen zur Verfügung gestellt. Daraus sei – so die Strafkammer – zu schließen, dass der Angeklagte „von Anfang an nicht gewillt war, dem Zeugen H.    etwas zurückzuzahlen“, da er erklärt habe, dass von vornherein keine Ansprüche des Zeugen H.     bestanden (UA S. 31).

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Auf dieser Grundlage hat das Landgericht sowohl den Eintritt eines Vermögensschadens in Höhe der gesamten 250.000 € als auch einen entsprechenden Betrugsvorsatz und eine Bereicherungsabsicht bejaht.

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3. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN). Das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Beweiswürdigung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 178, 179). Die revisionsgerichtliche Prüfung erstreckt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 1. Februar 2017 – 2 StR 78/16, juris Rn. 20; vom 13. Juli 2016 – 1 StR 94/16, juris Rn. 9 und vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15, NStZ-RR 2016, 47, 48).

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4. Gemessen an diesem Maßstab begegnet die Beweiswürdigung des Landgerichts zu dem Eintritt eines Vermögensschadens und einem entsprechenden Vorsatz durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

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Dabei ist das Landgericht im Ansatz rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Übergabe später zurückzuzahlender Gelder zum Zwecke der Vermögensanlage ein Vermögensschaden – im maßgeblichen Zeitpunkt der Vermögensverfügung – in voller Höhe vorliegt, wenn der Täter von Anfang an keine Anlage tätigen und das Geld nicht zurückzahlen will (BGH, Beschluss vom 15. März 2017 – 4 StR 472/16, Rn. 5, wistra 2017, 317; Urteile vom 23. November 1983 – 3 StR 300/83 und vom 3. Juni 1960 – 4 StR 121/60, BGHSt 15, 24, 26 f.).

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Allerdings ermöglicht der in dem Schreiben des Zeugen B.    vom 16. Juni 2008 festgehaltene Inhalt des anwaltlichen Erstberatungsgesprächs den Schluss auf eine bereits im Zeitpunkt der Übergabe der 250.000 € fehlende Rückzahlungsbereitschaft des Angeklagten nicht. Dies folgt zunächst daraus, dass die Äußerungen des Angeklagten gegenüber Rechtsanwalt B.     erst drei Jahre nach der maßgeblichen Vermögensverfügung am 13. Mai 2005 erfolgt sind. Zudem stehen sie im Zusammenhang mit der gerichtlichen Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch den Zeugen H.    im Jahr 2008 und sind daher erkennbar interessengeleitet allein auf die Abwehr einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme gerichtet. Unabhängig davon ist die Beweiswürdigung des Landgerichts auch lückenhaft. Denn die Strafkammer erörtert nicht, dass der Angeklagte in der Folgezeit nach der Übergabe des Geldes im Mai 2005 vereinbarungsgemäß jährlich (Rück-)Zahlungen geleistet hat, was für einen Rückzahlungswillen im Zeitpunkt der Übergabe sprechen könnte. Das Landgericht stellt in seine Beweiswürdigung zudem nicht die Gewährung eines kurzfristigen Darlehens am 7. Juli 2005 in Höhe von 100.000 € durch die o.  GmbH an die W.    AG und die Zwischenfinanzierung einer Verpackungsmaschine für den Metzgereibetrieb des Zeugen H.    durch die o.  GmbH (UA S. 15, 16) ein. Diese Umstände könnten für eine Anlage des Geldes und damit ebenfalls für die tatsächliche Durchführung der Vereinbarung sprechen und somit Indizien für einen bestehenden Rückzahlungswillen des Angeklagten sein.

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5. Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist auch nicht sicher davon auszugehen, dass ein tatbestandlicher Vermögensschaden in jedem Fall – gegebenenfalls auch in Höhe eines Teilbetrages des überlassenen Geldes – entstanden ist und ein dementsprechender Vorsatz beim Angeklagten gegeben war, mit der Folge, dass der Schuldspruch wegen Betrugs bestehen bleiben könnte (BGH, Beschlüsse vom 15. März 2017 – 4 StR 472/16, Rn. 7, wistra 2017, 317, 318 und vom 26. November 2015 – 3 StR 247/15, NStZ 2016, 343, 344 mwN).

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Allerdings hat der Angeklagte nach den Feststellungen durch die Zahlungen in Höhe von insgesamt 80.390,88 € vom Konto der o.  GmbH an ihn selbst und seine Ehefrau in den Jahren 2005 bis 2008 einen Teil der Gelder für private Zwecke vereinnahmt (UA S. 5, 16-18). Dies könnte dafür sprechen, dass der Angeklagte (lediglich) die Absicht hatte, die zugesagten Anlagegeschäfte nicht vorzunehmen und das Geld bei fortbestehender Rückzahlungsbereitschaft anderweitig zu verwenden. Für das Vorliegen eines Vermögensschadens im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB kommt es in dieser Konstellation darauf an, ob und inwieweit der Rückzahlungsanspruch entwertet wird. Ein eventueller Minderwert ist dabei nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu beurteilen und der Vermögensschaden unter Berücksichtigung banküblicher Bewertungsansätze konkret festzustellen und zu beziffern (BGH, Beschlüsse vom 15. März 2017 – 4 StR 472/16, Rn. 5, wistra 2017, 317 und vom 26. November 2015 – 3 StR 247/15, Rn. 8, NStZ 2016, 343 f.; BVerfG, Beschlüsse vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229 zu § 266 StGB und vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47 zu § 263 StGB).

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Angesichts der vom Landgericht festgestellten Beträge, über die der Angeklagte zur Schuldentilgung verfügen konnte, kann jedoch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt der täuschungsbedingten Vermögensverfügung keinerlei Aussicht bestand, den Rückzahlungsanspruch zu realisieren, dieser mithin vollständig oder auch nur teilweise wertlos war. So wurde nach den Feststellungen im Jahr 2008 im Rahmen eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens nach der Insolvenz des von dem Angeklagten geführten Unternehmens S.         GmbH & Co. KG im Jahr 2003, für deren Verbindlichkeiten der Angeklagte und seine Ehefrau persönlich hafteten, eine Restforderung der Gläubiger, die zu einem großen Teil auf ihre Forderungen verzichtet hatten, in Höhe von 8 % der Gesamtforderungen durch Zahlung von 104.876,85 € beglichen (UA S. 8-11). Zudem zahlte der Angeklagte über die bereits erwähnten 75.000 € hinaus auf der Grundlage eines Vergleichs vom 30. September 2010 im Rahmen eines zivilrechtlichen Rechtsstreits des Zeugen H.   gegen den Angeklagten und dessen Ehefrau, der die Rückzahlung des verfahrensgegenständlichen Betrages zum Gegenstand hatte, weitere 110.000 € an den Zeugen H.    (UA S. 7).

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6. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Sollte die neue Strafkammer erneut zu einem Schuldspruch und der Verhängung einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr gelangen, wird bei der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung auch § 56 Abs. 2 Satz 2 StGB im Hinblick auf die Zahlung des Angeklagten an den Geschädigten H.    in Höhe von insgesamt 185.000 € in den Blick zu nehmen sein.

Raum     

      

Bellay     

      

Fischer

      

Bär     

      

Hohoff     

      

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