Beschluss vom Bundesgerichtshof (3. Strafsenat) - 3 StR 644/17

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 10. August 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat,

b) im Ausspruch über die Einziehung der sichergestellten Mobilfunkgeräte (Samsung S2 Galaxy, Samsung S3, ASUS-Tablet, Nokia-Mobiltelefon).

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3

2. Die Einziehungsentscheidung hat ebenfalls weitgehend Bestand. Im Hinblick auf die sichergestellten Mobilfunkgeräte (Samsung S2 Galaxy, Samsung S3, ASUS-Tablet, Nokia-Mobiltelefon) stößt sie indes auf durchgreifende rechtliche Bedenken.

4

Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte eine sog. Indoor-Cannabisplantage zum gewinnbringenden Verkauf des dadurch gewonnenen Marihuanas. Die Einziehung der Mobilfunkgeräte hat die Strafkammer auf § 74 Abs. 1 StGB gestützt und zur Begründung ausgeführt, sie sei "davon überzeugt, dass der Angeklagte" die Geräte eingesetzt habe, "um den Verkauf des Marihuanas vorzubereiten". Den Urteilsgründen lässt sich jedoch nicht entnehmen, worauf diese Überzeugung beruht. Die Sache bedarf deshalb insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

5

3. Auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

6

a) Den Feststellungen des Landgerichts zufolge konsumierte der Angeklagte etwa seit seinem 16. Lebensjahr Marihuana und rauchte seitdem täglich mindestens ein bis zwei Joints. Als er 19 Jahre alt war, begann er mit dem Konsum von Kokain, das er zwei bis drei Jahre lang neben seiner üblichen Dosis Marihuana einnahm. Nachdem er einige Zeit auf Kokain verzichtet hatte, fing er im Jahr 2005 wieder an, täglich Kokain zu konsumieren. Etwa ein Jahr später begann er, zusätzlich regelmäßig Heroin zu sich zu nehmen. 2007 machte er während einer Haftzeit eine Entgiftung und schaffte es, sowohl dem Kokain als auch dem Heroin zu entsagen. Marihuana konsumierte er jedoch weiterhin. Zuletzt sowie zur Tatzeit rauchte er davon in der Regel 1,5 bis 2 g pro Woche. Außerdem nahm er an den Wochenenden ein bis zwei Ecstasy-Tabletten sowie gelegentlich Ketamin zu sich. Einer Entziehungsbehandlung unterzog sich der Angeklagte bislang nicht.

7

Ihre Entscheidung, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abzusehen, hat die - sachverständig beratene - Strafkammer damit begründet, dass er zwar an einer Betäubungsmittelabhängigkeit leide, ein Hang des Angeklagten, Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, aber nicht sicher feststellbar sei, weil sein Betäubungsmittelkonsum "zur Tatzeit" nur äußerst moderat gewesen sei. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheits-, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Angeklagten - der nur indizielle Bedeutung zukomme und deren Fehlen einen Hang nicht ausschließe - sei nicht erkennbar. Auch erscheine der Angeklagte aufgrund seiner Konsumgewohnheiten nicht als sozial gefährdet oder gefährlich. Insbesondere handele es sich bei der dem Angeklagten zur Last fallenden Tat nicht um einen Fall von Beschaffungskriminalität. Der Angeklagte habe durch die Errichtung und das Betreiben der Indoor-Cannabisplantage zwar auch seinen eigenen Marihuana-Konsum decken können. "Hauptsächlich" habe das Betreiben der Anlage aber der Finanzierung seines allgemeinen Lebensbedarfs gedient.

8

b) Diese Ausführungen stoßen auf durchgreifende rechtliche Bedenken. Das Landgericht hat seiner Prüfung, ob der Angeklagte einen Hang im Sinne des § 64 StGB hat, zwar einen zutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt, diesen aber nicht rechtsfehlerfrei angewendet.

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Die Strafkammer hat verkannt, dass die Annahme eines Hangs des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln ungeachtet seines "zur Tatzeit" moderaten Konsums aufgrund seiner ausdrücklich festgestellten Betäubungsmittelabhängigkeit äußerst nahe liegt. Zudem ist sie mit nicht tragfähiger Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei der dem Angeklagten zur Last fallenden Tat nicht um einen Fall von Beschaffungskriminalität gehandelt habe. Dafür spricht bereits, dass die Errichtung und der Betrieb der Cannabisplantage dem Angeklagten jedenfalls auch dazu dienten, seinen Eigenkonsum zu decken. Auf einen Fall von Beschaffungskriminalität deutet außerdem hin, dass der Angeklagte den Feststellungen zufolge schon mehrfach in den Niederlanden wegen Straftaten verurteilt wurde, die er im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln begangen hatte.

10

Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss deshalb auch über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt - wiederum unter Hinzu-ziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO, BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).

11

c) Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt den Strafausspruch unberührt. Es ist auszuschließen, dass das Landgericht bei einer Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte.

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