Beschluss vom Bundesgerichtshof (11. Zivilsenat) - XI ZR 549/17
Tenor
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Es wird angeordnet, dass die Klägerin wegen der Prozesskosten der Beklagten bis zum 31. Dezember 2018 eine weitere Sicherheit in Höhe von 18.622,79 € zu erbringen hat.
Gründe
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I.
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Die Klägerin, eine saudi-arabische Handelsgesellschaft, nimmt die Beklagte aus einer Bankgarantie in Anspruch. Auf Antrag der Beklagten ist der Klägerin durch Zwischenurteil des Landgerichts vom 7. Juni 2016 (LG Bamberg, 2 O 49/16, veröffentlicht bei juris) die Erbringung einer Prozesskostensicherheit für die Kosten erster und zweiter Instanz und durch Beschluss des Berufungsgerichts vom 31. Juli 2017 die Erbringung einer ergänzenden Prozesskostensicherheit für die Kosten zweiter Instanz aufgegeben worden.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Beklagte die Anordnung einer ergänzenden Prozesskostensicherheit für die Kosten der dritten Instanz.
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II.
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Die Voraussetzungen für die Anordnung einer ergänzenden Prozesskostensicherheit nach § 112 Abs. 3 ZPO sind gegeben.
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1. Die Beklagte ist mit dem Verlangen nach weiterer Sicherheitsleistung nicht nach §§ 565, 532 Satz 2 ZPO ausgeschlossen. Die Rüge der mangelnden Sicherheitsleistung für die Prozesskosten gehört zu den die Zulässigkeit der Klage betreffenden verzichtbaren Rügen, die gem. § 282 Abs. 3 ZPO grundsätzlich vor der ersten Verhandlung zur Hauptsache, und zwar für alle Rechtszüge, erhoben werden müssen (BGH, Urteile vom 1. April 1981 - VIII ZR 159/80, NJW 1981, 2646, vom 23. November 1989 - IX ZR 23/89, WM 1990, 373, 374, vom 15. Mai 2001 - XI ZR 243/00, NJW 2001, 3630 f. und vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148; Beschlüsse vom 21. Februar 2014 - IV ZR 350/13, juris Rn. 1 und vom 20. Februar 2017- IX ZR 195/16, juris Rn. 1). Da das erstinstanzliche Verlangen der Beklagten nach Sicherheitsleistung nicht eingeschränkt war, gilt es für die Kosten des gesamten Rechtsstreits einschließlich etwaiger Rechtsmittelzüge (BGH, Urteil vom 23. November 1989 - IX ZR 23/89, WM 1990, 373, 374). Überdies hat die Beklagte erklärt, dass sie sich die Nachforderung einer weiteren Sicherheit nach § 112 Abs. 3 ZPO vorbehalte, sollte der Rechtsstreit über mehr als zwei Instanzen ausgetragen werden. Damit hat sie die Rüge ausdrücklich unbeschränkt erhoben.
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Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist über die Rüge durch Beschluss zu entscheiden, auch wenn die Pflicht zur Sicherheitsleistung oder deren Höhe in Streit steht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 2014 - IV ZR 350/13, juris Rn. 1 und vom 23. August 2017 - IV ZR 93/17, WM 2017, 1944 ff.; siehe ferner BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12, WM 2012, 2289 Rn. 5 für die auf den Antrag nach § 250 ZPO ergehende streitige Zwischenentscheidung).
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2. Die Klägerin ist zur weiteren Sicherheitsleistung verpflichtet. Insoweit hat der Senat die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 und 2 ZPO ohne Bindung an das Zwischenurteil des Landgerichts selbstständig zu prüfen, weil darin - wie auch in dem Nachforderungsbeschluss des Berufungsgerichts - über eine Prozesskostensicherheit, die auch die dritte Instanz abdeckt, nicht entschieden worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 148 f.; Beschluss vom 23. August 2017 - IV ZR 93/17, WM 2017, 1944 Rn. 5).
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a) Die Klägerin als saudi-arabische Handelsgesellschaft hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt, d.h. ihren Sitz, nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.
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b) Die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung weiterer Prozesskostensicherheit ist nicht gem. § 110 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Der Ausnahmetatbestand des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, dass aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann, greift im Verhältnis zum Königreich Saudi-Arabien nicht ein.
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Der Freundschaftsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich des Hedjas, Nedjd und der zugehörigen Gebiete vom 26. April 1929 (RGBl. 1930 II S. 1063 ff. - nachfolgend: deutsch-saudischer Freundschaftsvertrag), der auch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Saudi-Arabien gilt (Bekanntmachung über die Wiederanwendung des Freundschaftsvertrages vom 31. Juli 1952 - BGBl. 1952 II S. 724), sieht eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung von Prozesskostensicherheit nicht vor.
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aa) Allerdings bestimmt Art. 3 des deutsch-saudischen Freundschaftsvertrages: "Die Angehörigen des einen vertragschließenden Staates werden in dem Gebiet des anderen Staates nach den Grundsätzen und der Übung des allgemeinen Völkerrechts aufgenommen und genießen hinsichtlich ihrer Person und ihrer Güter die gleiche Behandlung wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation". Dieser Regelung entnehmen Teile der Literatur eine Befreiung von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 76. Aufl., Anh. § 110 Rn. 22; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 110 Rn. 44 Stichwort: Saudi-Arabien mit Fn. 241; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Anhang II - Stichwort: Saudi-Arabien; Nerz, Probleme der Streitbeilegung im Verhältnis zu China und Saudi-Arabien, 2. Aufl., S. 47; vgl. auch Dilger, ZZP 85 (1972), 408, 411).
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bb) Nach anderer Auffassung enthält Art. 3 des Freundschaftsvertrages keine Befreiung von der Pflicht, Prozesskostensicherheit zu leisten. Es handele sich lediglich um eine allgemeine Meistbegünstigungs- (so Muthorst in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 110 Rn. 40 Stichwort: Saudi-Arabien) oder Inländergleichbehandlungsklausel (so - neben dem Landgericht in vorliegender Sache - auch LG Dortmund, Urteil vom 8. März 2017 - 10 O 94/16, juris Rn. 20 ff.; siehe ferner - allerdings ohne Qualifikation der Klausel - Jaspersen in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 29. Edition, § 110 Rn. 25.7).
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cc) Im Ergebnis zutreffend ist die letztgenannte Auffassung.
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(1) Wenn Art. 3 des deutsch-saudischen Freundschaftsvertrages in Bezug auf den Rechtsweg den Grundsatz der Inländergleichbehandlung enthält, befreit dieser für sich schon deswegen nicht von der Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit, weil § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht auf die Staatsbürgerschaft, sondern auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellt, mithin auch der im Ausland ansässige Inländer der Sicherheitsleistungspflicht unterliegen kann (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2005, 724 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Anhang II; Falck/Rinnert, GRUR 2005, 225 f.; Schütze, IPrax 2002, 207, 208).
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(2) Art. 3 des deutsch-saudischen Freundschaftsvertrages, der jedenfalls den Grundsatz der Meistbegünstigung enthält, kann auch nicht im Wege der Auslegung eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit entnommen werden. Die nach 1920 geschlossenen völkerrechtlichen Verträge des Deutschen Reiches, die sich - anders als der deutsch-saudische Freundschaftsvertrag - ausdrücklich mit dem freien Zugang zu den Gerichten befassten, enthielten zum Teil Klauseln über die Befreiung von der Pflicht zur Sicherheitsleistung und beschränkten sich im Übrigen auf die Gewährleistung des Rechtswegs, teils verbunden mit einer rechtswegbezogenen Gleichbehandlungsklausel (RGZ 146, 8, 18 ff.). Dies zeigt, dass die beiden letztgenannten Klauseltypen allein eine Befreiung von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit nicht bewirken (Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 110 Rn. 5; MünchKommZPO/Schulz, 5. Aufl., § 110 Rn. 20; Schmidt in Prütting/Gehrlein, ZPO, 10. Aufl., § 110 Rn. 14; Goldbeck in Kern/Diehm, ZPO, § 110 Rn. 17), da es andernfalls der spezifischen Befreiungsklauseln neben der Gewährleistung des freien und gleichen Gerichtszugangs nicht bedurft hätte (vgl. RGZ 146, 8, 25 f.; Muthorst in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 110 Rn. 23; a.A. Kößler, JW 1930, 1802, 1804 f.; vgl. auch Riezler, Internationales Zivilprozessrecht, 1949, S. 437 f. mit Nachweisen zur damaligen österreichischen, französischen und russischen Position). Nichts anderes gilt, wenn der Grundsatz der Meistbegünstigung verbürgt ist (Nußbaum, Deutsches Internationales Privatrecht, 1932, S. 407 Fn. 4), jedenfalls wenn dies - wie bei Art. 3 des deutsch-saudischen Freundschaftsvertrages - ohne spezifischen Rechtswegbezug erfolgt (letzteres übersehen von Dilger, ZZP 85 (1972), 408, 411).
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(3) Auch im Rahmen der Wiederinkraftsetzung des deutsch-saudischen Freundschaftsvertrages haben die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Saudi-Arabien weder die geschilderte Vertragspraxis noch die vorzitierte Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 146, 8, 18 ff.) zum Anlass genommen, ergänzende Regelungen oder Erklärungen zur Befreiung von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit aufzunehmen, obwohl die Wiederanwendungserklärung - wie die dort erstmals vorgesehene Beendigungsmöglichkeit belegt - Raum für ergänzende Regelungen bot.
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3. Die Höhe der weiteren Sicherheit bemisst der Senat auf Grundlage eines Streitwerts von bis zu 800.000 € nach den möglichen Anwaltskosten für die dritte Instanz (für die Nichtzulassungsbeschwerde mit möglicher anschließender Revision: 2,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 9.459,90 €, 1,5 Terminsgebühr in Höhe von 6.169,50 €, Auslagenpauschale in Höhe von 20 €, zzgl. Umsatzsteuer 2.973,39 €, insgesamt 18.622,79 €).
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Ellenberger
Joeres
Matthias
Menges
Dauber
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