Beschluss vom Bundesgerichtshof (11. Zivilsenat) - XI ZR 369/18

Tenor

Die Kläger werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision gemäß § 552a ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 10.225,84 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Kläger machen gegen den beklagten Staat Ansprüche aus einer von diesem begebenen Inhaberschuldverschreibung geltend.

2

Die Beklagte emittierte im Jahr 1996 eine 7% Deutsche Mark-Anleihe im Gesamtnennbetrag von 1,5 Mrd. DM (Wertpapierkennnummer    30), die durch untereinander gleichberechtigte, auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen mit unterschiedlichen Stückelungen verbrieft ist. In den Anleihebedingungen wurden die Anwendung deutschen Rechts und der Gerichtsstand Frankfurt am Main bestimmt. Nach § 3 der Anleihebedingungen war die Schuldverschreibung mit jährlich 7% zu verzinsen, wobei die Zinsen nachträglich zum 18. März eines jeden Jahres zahlbar waren, erstmals zum 18. März 1997. Ferner verpflichtete sich die Beklagte in § 4 der Anleihebedingungen zur Rückzahlung der Schuldverschreibungen zum Nennbetrag am 18. März 2004. Schließlich wurde in § 8 Abs. 1 der Anleihebedingungen die in § 801 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmte Vorlegungsfrist für die Schuldverschreibungen auf zehn Jahre abgekürzt. Die Kläger halten an der Anleihe einen Anteil von 20.000 DM (= 10.225,84 €).

3

Die Beklagte sieht sich seit 1999 mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sich zumindest zeitweise bis zu einer Finanzkrise des Staates ausgeweitet hatten. Mit Gesetz Nr. 25.561 über den öffentlichen Notstand und die Reform des Wechselkurssystems vom 6. Januar 2002 erklärte sie den "öffentlichen Notstand auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet". Auf der Grundlage der daraufhin erlassenen Verordnung Nr. 256/2002 vom 6. Februar 2002 zur Umstrukturierung der Verbindlichkeiten und Schuldenzahlungen der argentinischen Regierung wurde der Auslandsschuldendienst durch die Beklagte ausgesetzt, um ihn neu zu ordnen. Das Gesetz über den öffentlichen Notstand wurde mehrfach verlängert. Aufgrund dessen fielen auch die Kläger mit der von ihnen gehaltenen Staatsanleihe aus.

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Die Beklagte unterbreitete in den Folgejahren, beginnend 2003 und zuletzt 2016, Angebote zur Umschuldung der Ansprüche. Die Veröffentlichung dieser Angebote erfolgte dabei unter anderem im Wege allgemeiner Bekanntmachungen. Die Kläger machten hiervon keinen Gebrauch.

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Mit der Klage verlangen die Kläger von der Beklagten die Zahlung des am 18. März 2004 fällig gewordenen Nominalbetrags von 10.225,84 € nebst Zinsen in Höhe von 7% p.a. seit dem 1. Januar 2013 gegen Aushändigung der effektiven Stücke zur Wertpapierkennnummer    30 über nominal 20.000 DM. Die Vorinstanzen haben die Klage im Hinblick auf die von der Beklagten mit Erfolg erhobene Verjährungseinrede abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main, NZG 2018, 999) zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

II.

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Der Sache kommt entgegen der Annahme des Berufungsgerichts keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

7

1. Das Berufungsgericht hat den von den Klägern geltend gemachten Zahlungsanspruch zu Recht als verjährt angesehen.

8

a) Der Rückzahlungsanspruch ist gemäß § 801 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 BGB mit Ablauf des 18. März 2016 verjährt, weil die Schuldverschreibungen am 18. März 2004 fällig gewesen sind und die Erlöschensfrist nach § 8 Abs. 1 der Anleihebedingungen auf zehn Jahre verkürzt worden ist. Die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs hat die Verjährung nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt, weil die Klage erst am 22. Dezember 2016 bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 12. Januar 2017 zugestellt worden ist.

9

b) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei in den zwischen den Jahren 2003 und 2016 veröffentlichten Angeboten der Beklagten zur Umschuldung der aus den emittierten Anleihen sich ergebenden Zahlungsansprüche kein Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB gesehen.

10

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für einen Neubeginn der Verjährung durch Anerkenntnis jedes - auch ein rein tatsächliches - Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs - wenigstens dem Grunde nach - unzweideutig ergibt und das deswegen das Vertrauen des Gläubigers begründet, dass sich der Schuldner nicht nach Ablauf der Verjährungsfrist alsbald auf Verjährung berufen wird (vgl. nur BGH, Urteile vom 20. Juni 2002 - IX ZR 444/00, WM 2002, 930, 931, vom 9. Mai 2007 - VIII ZR 347/06, WM 2007, 1982 Rn. 12 und vom 27. Januar 2015 - VI ZR 87/14, NJW 2015, 1589 Rn. 8 mwN; ähnlich BT-Drucks. 14/6040, S. 120). Für einen Neubeginn der Verjährung genügt es dagegen nicht, wenn der Verpflichtete - insbesondere bei bestehenden Einwendungen dem Grunde nach - nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits eine Leistung anbietet (vgl. BGH, Urteile vom 12. März 1968 - VI ZR 165/66, VersR 1968, 591, 592 und vom 8. Juli 1987 - VIII ZR 274/86, WM 1987, 1200, 1202 mwN). Bei der Frage, ob der Verpflichtete einen Anspruch im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anerkannt hat, sind die gesamten Umstände des Streitfalls zu berücksichtigen (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Januar 2015 aaO Rn. 9).

11

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht ein Anerkenntnis der Beklagten zu Recht verneint.

12

Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung verneint, dass die Beklagte das Bewusstsein der seitens der Kläger geltend gemachten Forderungen klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht habe. Dies hat es vor allem damit begründet, dass die Beklagte in sämtlichen Verfahren vor den Frankfurter Gerichten stets Einwendungen gegen die Forderungen der Holdout-Gläubiger dem Grunde nach erhoben habe und auch weiterhin erhebe. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Beklagte hatte in den öffentlichen Bekanntgaben vom 5., 8. und 17. Februar 2016, auf die sich die Kläger in erster Linie berufen, nur im Vergleichswege einen Umtausch der von ihr emittierten Anleihen angeboten, ohne damit ihre Einwendungen gegen die Forderungen dem Grunde nach fallen zu lassen. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass sie bereits in dem Vorschlag vom 5. Februar 2016 wie auch in dem Rahmenvertrag für eine Vergleichsvereinbarung vom 8. Februar 2016 verjährte Forderungen von ihren sämtlichen Angeboten ausgenommen hatte. Damit übereinstimmend hat die Beklagte nicht nur - was das Berufungsgericht festgestellt hat - in den Tatsacheninstanzen, sondern auch in den Verfahren vor dem Bundesgerichtshof die geltend gemachten Rückzahlungs- und Zinsansprüche stets dem Grunde nach bestritten und insbesondere auch die Einrede der Verjährung erhoben (vgl. nur Senatsurteile vom 14. Mai 2013 - XI ZR 160/12, WM 2013, 1264, vom 24. Februar 2015 - XI ZR 47/14, juris, vom 24. Februar 2015 - XI ZR 193/14, WM 2015, 766 und vom 15. März 2016 - XI ZR 336/15, WM 2016, 819; Senatsbeschluss vom 13. November 2012 - XI ZR 161/12, juris). Aufgrund dessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB verneint hat (ebenso Lakkis in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 212 Rn. 3.2). Aus der von der Revision herangezogenen Rechtsprechung des Reichsgerichts (Warneyer Rechtsprechung 1908 Nr. 357 und 1913 Nr. 294) ergibt sich nichts anderes.

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c) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht eine Hemmung der Verjährung nach § 203 BGB verneint. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sind zwischen den Parteien keine Vergleichsverhandlungen im Sinne dieser Vorschrift geführt worden.

14

d) Entgegen der Auffassung der Revision steht der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede auch nicht der Einwand des unzulässigen Rechtsmissbrauchs entgegen.

15

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann es zwar einem Schuldner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt sein, sich auf die eingetretene Verjährung zu berufen, wenn er durch sein Verhalten objektiv - sei es auch unabsichtlich - bewirkt hat, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre. Insoweit ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 14. November 2013 - IX ZR 215/12, WM 2014, 854 Rn. 15 mwN).

16

Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt fällt der Beklagten ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben nicht zur Last. Wie bereits im Einzelnen dargelegt worden ist, hat sich die Beklagte stets auf die Verjährung der geltend gemachten Rückzahlungs- und Zinsansprüche berufen. Sie hat damit bei den Anleihegläubigern - wie hier den Klägern - kein Vertrauen dahingehend erweckt, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben, falls diese auf ihre Vergleichsangebote nicht eingehen würden. Entgegen der Auffassung der Revision folgt auch nichts anderes daraus, dass die Beklagte - rechtlich zulässig und für die Kläger aus § 8 der Anleihebedingungen ohne weiteres erkennbar - gemäß § 801 Abs. 3 BGB die Vorlegungsfrist auf zehn Jahre verkürzt hat.

17

2. Es liegt auch kein Zulassungsgrund vor. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kommt dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) zu. Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob die Abfindungsangebote der Beklagten vom Februar 2016 ein Anerkenntnis im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB darstellten, lässt sich mit den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Leitlinien wie dargelegt beantworten. Dass sich die Frage in weiteren Fällen stellt, macht sie für die Allgemeinheit nicht bedeutsam. Da das Berufungsgericht den Rechtsstreit richtig entschieden hat, ist eine Entscheidung des Senats auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich.

Ellenberger     

        

Grüneberg     

        

Maihold

        

Menges      

        

Derstadt      

        

Das Verfahren ist erledigt durch Verlustigkeitsbeschluss vom 27. November 2018 nach Rücknahme der Revision mit Schriftsatz vom 21. November 2018.

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