Beschluss vom Bundessozialgericht (9. Senat) - B 9 SB 73/14 B

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. März 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Klägerin, ihr zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des sie vertretenden Rechtsanwalts M, M, zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF. Bei der Klägerin waren wegen verschiedener orthopädischer und neurologisch-psychiatrischer Leiden ein GdB von 70 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt (Bescheid vom 1.8.2003). Der Antrag auf Feststellung eines höheren GdB sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF blieb ebenso erfolglos (Bescheid vom 4.9.2006, Widerspruchsbescheid vom 17.1.2007) wie das anschließende Klageverfahren vor dem SG Mainz unter Berufung auf eine seit mehr als 20 Jahren bestehende Lyme-Borreliose (Gerichtsbescheid vom 13.9.2012). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung verweist es ua darauf, dass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB X bei der Klägerin nicht eingetreten sei. Die nach den eingeholten Gutachten und vorliegenden Befunden bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Psyche sowie am Bewegungsapparat/Wirbelsäule bedingten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen höheren Gesamt-GdB als 70. Auch habe die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs RF, weil bei ihr weder eine Seh- noch eine Hörstörung oder ein GdB von wenigstens 80 bestehe (Urteil vom 11.3.2014).

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Mit ihrer Beschwerde, für die sie Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt, wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) sowie Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

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Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wie die Klägerin hier geltend macht, hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

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Die Klägerin hat es schon versäumt, eine bestimmte Rechtsfrage zu formulieren. Vielmehr hat sie ohne Darstellung des Verfahrens vor dem SG und dem LSG kritisiert, dass das LSG ihr Krankheitsbild der Lyme-Borreliose nicht in einer rechtsstaatlich angemessenen Weise beurteilt habe, unter ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Gutachten des PD Dr. W. B vom 4.11.2009. Damit kritisiert die Klägerin aber die tatsächlichen Einschätzungen und somit die tatrichterliche Beurteilung der Auswirkung von Gesundheitsstörungen durch das LSG und legt keine Rechtsfrage vor. Sie hat nicht dargestellt, welche bestimmte Rechtsfrage sich im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits stelle, die bisher noch nicht geklärt sei und über den vorliegenden Einzelfall hinaus Bedeutung habe. Insoweit wäre zudem eine intensive Auseinandersetzung mit der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Bildung des GdB sowie zum Merkzeichen RF erforderlich gewesen, um eine grundsätzliche Bedeutung darzulegen (vgl dazu allgemein BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2).

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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie diejenige der Klägerin - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist.

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Daran fehlt es hier. Die Beschwerde erwähnt bereits keinen Beweisantrag, den die vor dem LSG anwaltlich vertretene Klägerin gestellt haben könnte. Es ist nicht Aufgabe des Senats, sich einen möglichen Beweisantrag anhand der Akten selber zu erarbeiten. Allein auf der Grundlage der Beschwerdebegründung vermag der Senat nicht zu ersehen, ob die Klägerin überhaupt einen zulässigen Beweisantrag gestellt hat.

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Soweit die Beschwerde eine mangelhafte Auseinandersetzung des LSG mit verschiedenen krankheitsbedingten Auswirkungen sowie insbesondere mit dem Gutachten des PD Dr. W. B vom 4.11.2009 rügt, fehlt es neben einem Beweisantrag auch an der Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen. Denn das LSG ist als letztinstanzliche Tatsacheninstanz nur dann einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt, wenn es sich hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5). Soweit hätte es des klägerseitigen Vortrags bedurft, weshalb nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus der rechtlichen Sicht des LSG erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden haben soll (vgl Becker, Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG [Teil II], SGb 2007, 328, 332 zu RdNr 188 unter Hinweis auf BSG Beschluss vom 14.12.1999 - B 2 U 311/99 B mwN). Hieran fehlt es. Die bloße Darlegung, weshalb aus Sicht der Klägerin weitere Ermittlungen erforderlich gewesen wären, entspricht diesem Erfordernis nicht (vgl BSG Beschluss vom 4.12.2006 - B 2 U 227/06 B, RdNr 3). Tatsächlich kritisiert die Klägerin die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG), womit sie nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin eine unzureichende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

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Da die Rüge der Nichtwürdigung von Ausführungen des PD Dr. W. B bzw der Nichtbeachtung objektiver Befunde und Auswirkungen der Lyme-Borreliose letztlich eine Gehörsrüge darstellt, müssen darüber hinaus auch deren Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss die Klägerin alles getan haben, um zB eine Anhörung des Sachverständigen bzw sachverständiger Zeugen zu erreichen (vgl allgemein zu dieser Voraussetzung: BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Dieser Obliegenheit kommt ein Beteiligter nach, wenn er rechtzeitig den Antrag stellt, einen Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens anzuhören und er schriftlich Fragen im oben dargelegten Sinne ankündigt, die objektiv sachdienlich sind (vgl BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 4 RdNr 5). An Darlegungen hierfür fehlt es in der Beschwerdebegründung ebenso wie an Ausführungen, weshalb die Klägerin ggf durch die Entscheidung überrascht worden sein soll oder diese auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht habe äußern können (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19; BVerfGE 84, 188, 190). Mit der lediglich pauschal angebrachten Behauptung, das LSG habe sich mit vorliegenden medizinischen Befunden oder Äußerungen von Sachverständigen nicht hinreichend auseinandergesetzt, ist eine Verletzung des § 62 SGG schon im Ansatz nicht dargestellt.

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Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

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Da die Rechtsverfolgung nach alledem keine Aussicht auf Erfolg bietet, ist der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung von Rechtsanwalt M, M, abzulehnen (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1, § 121 ZPO).

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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

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