Beschluss vom Bundessozialgericht (9. Senat) - B 9 V 37/14 B

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. Juni 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

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Der beklagte Freistaat hat bei Klägerin nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz wegen in der ehemaligen DDR begangenen Unrechts eine posttraumatische Belastungsstörung sowie Angst und Depression anerkannt, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zunächst auf 40, später auf 60 festgesetzt, der Klägerin seit 1.7.1994 Beschädigtenversorgung gewährt, es aber abgelehnt, den Grad der Schädigung wegen besonderer beruflicher Betroffenheit höher zu bewerten (Bescheid vom 5.2.2008, Widerspruchsbescheid vom 29.12.2008). Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (SG-Urteil vom 11.12.2012; LSG-Urteil vom 26.6.2014). Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin beim BSG Beschwerde eingelegt, die sie mit dem Vorliegen einer Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sowie von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) begründet.

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Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen. Keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ist ordnungsgemäß dargetan worden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

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Eine Abweichung (Divergenz) iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann ausreichend dargetan, wenn in der Beschwerdebegründung schlüssig erklärt wird, mit welchem genau bestimmten entscheidungserheblichen Rechtssatz das angegriffene Urteil des LSG von welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 21, 29, 54). Dazu genügt es nicht darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entspricht, die etwa das BSG aufgestellt hat, sondern es ist aufzuzeigen, inwiefern das LSG diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26). Zudem ist anzugeben, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29, 54, 67).

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Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen. Sie behauptet zwar sinngemäß eine Abweichung des LSG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 11.6.2009 (L 11 VH 35/08) von dem Urteil des BSG vom 12.6.2003 (B 9 VG 1/02 R), unterlässt es jedoch, aus dem vorliegenden Urteil des Thüringer LSG vom 26.6.2014 (L 5 VU 388/13) einen konkreten abstrakten Rechtssatz herauszuarbeiten, der einer konkret zu benennenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung entgegenstehen könnte. Vielmehr kritisiert die Klägerin im Wesentlichen die Nichtverwertung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG von Prof. Dr. K vom 3.4.2012 in einem parallelen Rechtsstreit vor dem SG Gotha in dessen Urteil vom 11.12.2012 (S 36 VU 457/06). Damit kritisiert die Klägerin im Grunde einen Verfahrensmangel des LSG sowie dessen Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall. Damit ist jedoch eine Divergenz der angefochtenen Entscheidung des LSG nicht dargelegt. Auch stellt es keinen zulässigen Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde dar, ob das LSG richtig entschieden hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie von der Klägerin - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 S 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Kriterien hat die Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen.

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Eine insoweit von der Klägerin gerügte Verletzung der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG) ist nicht schlüssig dargelegt. Es fehlt bereits an der Bezeichnung eines berücksichtigungsfähigen Beweisantrags. Die Klägerin hätte darlegen müssen, welchem konkreten Beweisantrag im Sinne der ZPO das LSG nicht gefolgt sein soll. Dabei hätte sie diesen Beweisantrag so genau bezeichnen müssen, dass er für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbar ist (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; Becker, SGb 2007, 328, 331). Dies hat sie versäumt, denn sie hat nicht einmal behauptet, einen berücksichtigungsfähigen Beweisantrag gestellt und bis zuletzt aufrechterhalten zu haben (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11).

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Ebenso wenig reicht der Hinweis auf ein vom SG in einem parallelen Rechtsstreit nicht verwertetes Gutachten gemäß § 109 SGG aus, denn es geht im Beschwerdeverfahren allein um einen möglichen Mangel des gerügten Verfahrens des LSG. Zudem war die Entscheidung des SG Gotha vom 11.12.2012 (S 36 VU 457/06) nicht Teil des vorliegenden Rechtsstreits, sodass es auch hierzu Ausführungen bedurft hätte, weshalb dieses im hier zu bewertenden Verfahren beachtlich sein soll. Schließlich rügt die Klägerin das vom SG ausgesprochene Verwertungsverbot des Gutachtens Prof. Dr. K als Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 103 SGG. Dabei übersieht sie allerdings, dass ein Beweisantrag nach § 109 SGG wegen der grundsätzlichen Unterschiede zwischen beiden Anträgen nicht zugleich einen Beweisantrag nach § 103 SGG enthält (BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 4) und dass nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden kann. Ferner hätte es für das hiesige Verfahren der Darlegung bedurft, welche konkreten Tatsachen im vorliegenden Verfahren durch das streitige Gutachten hätten bewiesen werden sollen und dass dieses überhaupt geeignet gewesen sei, hierzu verlässliche Aussagen zu treffen.

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Soweit die Klägerin sinngemäß eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs geltend macht, hat sie einen Verstoß gegen § 62 SGG, der den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art 103 Abs 1 GG für das sozialgerichtliche Verfahren konkretisiert, ebenfalls nicht hinreichend dargelegt. Weder hat sie vorgetragen, dass sie durch die Entscheidung des LSG überrascht worden sei, noch, dass sie sich zu Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen nicht oder nicht ausreichend habe äußern können. Ebenso wenig hat sie dargetan, dass das LSG ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in seine Erwägungen miteinbezogen habe. Sie hat vielmehr eine Verletzung des rechtlichen Gehörs allein mit der Begründung behauptet, das LSG habe (aufgrund der Nichtverwertung des Gutachtens von Prof. Dr. K durch das SG Gotha im parallelen Verfahren gleichzeitig) seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) verletzt und zu ihrem (der Klägerin) Nachteil entschieden. Das reicht nicht aus (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22).

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Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG).

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Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

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