Beschluss vom Bundessozialgericht (6. Senat) - B 6 KA 77/15 B

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 2015 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 127 301 Euro festgesetzt.

Gründe

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I. Im Streit steht die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des beklagten Berufungsausschusses, mit der dieser den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Anstellungsgenehmigung abgelehnt und zugleich dem zu 8. beigeladenen Arzt die Genehmigung zur Beschäftigung des Beigeladenen zu 9. erteilt hat. Nach (bedingter) Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen im Planungsbereich M-R für die Arztgruppe der Radiologen erteilte der Zulassungsausschuss dem klagenden medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in H. (in Trägerschaft der MVZ E.-H. GmbH) die Genehmigung zur Beschäftigung des zu 10. beigeladenen Arztes Dr. F. Hiergegen erhoben die zu 8., zu 11. und zu 12. beigeladenen Ärzte Widerspruch. Der beklagte Berufungsausschuss hob mit Bescheid vom 4.8.2014 (aus der Sitzung vom 22.5.2014) den Bescheid des Zulassungsausschusses teilweise auf und erteilte zugleich (ua) dem Beigeladenen zu 8. (Prof. Dr. F.) die Genehmigung zur Beschäftigung des Beigeladenen zu 9. Hiergegen hat das MVZ H. Klage erhoben. Die dem Prozessbevollmächtigten im Gerichtsverfahren erteilte Vollmacht war ausgestellt auf das "MVZ H, Ärztlicher Leiter Dr. P.R." und von Dr. R. unterschrieben. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.4.2015 mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, ein einzelnes zu der Trägergesellschaft gehörendes MVZ könne die Rechtsposition nicht im eigenen Namen geltend machen, weil sie an die Trägergesellschaft des MVZ gebunden sei.

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Das LSG hat die Berufung des MVZ als unzulässig verworfen (Urteil vom 21.10.2015). Zur Begründung hat es ausgeführt, das MVZ H. sei als unselbstständige, nicht mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Einrichtung nicht beteiligtenfähig im Sinne des § 70 SGG. Das MVZ sei lediglich eine unselbstständige Organisationseinheit der Träger-GmbH. Prozessfähig im Sinne des § 71 Abs 1 SGG könne wiederum nur ein "Beteiligter" sein. Der ärztliche Leiter des MVZ sei nicht Träger bzw Inhaber des MVZ, sondern lediglich angestellter Arzt der GmbH und als solcher nicht prozessführungsbefugt; die begehrte Anstellungsgenehmigung könne ihm nicht erteilt werden. Der Antrag auf Erteilung der Anstellungsgenehmigung sei rechtlich zutreffend von der MVZ-Träger GmbH gestellt worden; entsprechend sei auch die Anstellungsgenehmigung dem MVZ in Trägerschaft der GmbH erteilt worden. Im Gerichtsverfahren sei schriftsätzlich eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, dass Kläger das MVZ H. und nicht die natürliche Person Dr. R. sei.

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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend. Grundsätzlich bedeutsam sei die Rechtsfrage, ob "dem Medizinischen Versorgungszentrum als Einrichtung, d.h. als Konstrukt des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches, eine - ggf. partiell - eigene Rechtspersönlichkeit zu(kommt), die es ihm erlauben würde, in Statusfragen Rechte aus dem SGB V selbst (in Einvernehmen mit der Trägergesellschaft und ggf. neben dieser) vor dem(n) Zulassungsgremien und der Sozialgerichtsbarkeit geltend zu machen".

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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn sie ist unzulässig.

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1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann (nur) derjenige erheben, der (auch) Revision einlegen kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160a RdNr 2c). Daher bedarf es auch für das Beschwerdeverfahren nach § 160a SGG ua der Beteiligtenfähigkeit des Beschwerdeführers. Daran fehlt es jedoch. Vorliegend wurde die Beschwerde - wie auch die Klage und die Berufung - vom "MVZ H. Ärztlicher Leiter: Dr. P.R." erhoben. Das MVZ als solches ist jedoch nicht beteiligtenfähig. Als Kläger oder Beschwerdeführer an einem Verfahren beteiligt sein kann das MVZ vielmehr allein in der Rechtsform, in der es im Rechtsverkehr auftritt, wie der Senat bereits mit Urteil vom 4.5.2016 (B 6 KA 28/15 R - RdNr 11 f - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) klargestellt hat.

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Nach § 70 SGG sind neben Behörden und gemeinsamen Entscheidungsgremien von Leistungserbringern und Krankenkassen zum einen natürliche und juristische Personen (Nr 1 aaO) und zum anderen nichtrechtsfähige Personenvereinigungen (Nr 2 aaO) fähig, am Verfahren beteiligt zu sein. Ähnlich sieht § 10 SGB X als beteiligtenfähig an natürliche und juristische Personen (Nr 1), Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann (Nr 2) und Behörden (Nr 3). Das MVZ als ärztlich geleitete Einrichtung ist weder eine natürliche noch eine juristische Person in diesem Sinne (BSG aaO). Die Einrichtung MVZ stellt auch keine nichtrechtsfähige Personenvereinigung im Sinne des § 70 Nr 2 SGG dar, weil die im MVZ tätigen angestellten Ärzte und zugelassenen Vertragsärzte weder als "Mitglieder" des MVZ angesehen werden können, noch die Einrichtung MVZ eine "Vereinigung" der dort Tätigen darstellt (BSG aaO). Bei einem MVZ handelt es sich nur um eine besondere Organisations- und Kooperationsform im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 80 RdNr 35; BSG Urteil vom 4.5.2016 - B 6 KA 28/15 R - RdNr 11 f - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

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Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 4.5.2016 (aaO RdNr 12) dargelegt hat, werden dem MVZ zwar im Vertragsarztrecht Rechte zugewiesen. So ist das MVZ Träger der Zulassung, wie sich aus § 95 Abs 1 Satz 5, Abs 1a Satz 2, Abs 3 Satz 2, Abs 7 Satz 2 SGB V ergibt, und Adressat von Anstellungsgenehmigungen (vgl etwa BSGE 116, 173 = SozR 4-2500 § 103 Nr 14); auch werden ihm Versorgungsaufträge zur Betreuung chronisch niereninsuffizienter Patienten zugeordnet (vgl BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 39). Dementsprechend ist das MVZ neben zugelassenen und ermächtigten Ärzten und ermächtigten Einrichtungen in § 95 Abs 1 Satz 1 SGB V als Teilnehmer an der vertragsärztlichen Versorgung genannt. Der Gesetzgeber des GKV-Modernisierungsgesetzes, mit dem die MVZ eingeführt wurden, ging aber bereits davon aus, dass MVZ als juristische Personen oder Gesamthandsgemeinschaften betrieben werden können (BT-Drucks 15/1525 S 107). Das MVZ wurde mithin als reine Kooperationsform gesehen, die in einer der gesellschaftsrechtlich zulässigen Rechtsformen betrieben wird und in dieser Rechtsform am allgemeinen Rechtsverkehr teilnimmt. Prozessrechtlich folgt aus dem abschließenden Katalog in § 70 SGG, dass das MVZ Rechte nur in der Rechtsform wahrnehmen kann, in der es im Rechtsverkehr auftritt (vgl Straßfeld in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 70 RdNr 29). Als zulässige Rechtsformen nennt § 95 Abs 1a Satz 1 Halbsatz 2 SGB V idF des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983) eine Personengesellschaft, eine eingetragene Genossenschaft sowie eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Beteiligtenfähig in einem Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren ist nur ein solcher MVZ-Rechtsträger und nicht die rechtlich unselbstständige Einrichtung MVZ (vgl Pawlita in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 95 RdNr 65 unter Hinweis ua auf Bayerisches LSG Beschluss vom 26.8.2015 - L 12 KA 69/15 B ER - Juris RdNr 21; Bayerisches LSG Urteil vom 21.10.2015 - L 12 KA 65/15 - Juris RdNr 24; Arndt in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 70 RdNr 8; wohl aA LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 27.1.2010 - L 7 KA 139/09 B ER - Juris RdNr 29; dazu: Schäfer, Mangelnde Beteiligtenfähigkeit des MVZ(-Trägers)?, GesR 2010, 351 ff). Von der Rechtsform, in der das MVZ betrieben wird, zu unterscheiden ist die Gründungsberechtigung nach § 95 Abs 1a Satz 1 Halbsatz 2 SGB V, die in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung ist. Diese prozessuale Bewertung entspricht im Übrigen der Rechtslage bei den Krankenhäusern, die als solche in den Krankenhausplan aufgenommen und zugelassen werden, aber rechtsgeschäftlich und prozessual durch ihre Träger handeln.

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2. Ist damit allein die MVZ-GmbH zur Klage berechtigt, haben die Vorinstanzen die Klage des MVZ H. zu Recht als unzulässig abgewiesen. Ein Klägerwechsel, der eine Klageänderung nach § 99 SGG darstellt (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 99 RdNr 6; ders § 168 RdNr 2c), ist nach § 168 Satz 1 SGG im Revisionsverfahren unzulässig. Angesichts des Umstandes, dass die Beteiligtenfähigkeit des MVZ in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten und zudem im vorliegenden Verfahren vom SG verneint worden war, hätte es dem Bevollmächtigten des Klägers oblegen, zumindest in der 2. Instanz wenigstens hilfsweise geltend zu machen, dass alternativ zum Kläger die Betreibergesellschaft als Kläger bzw Rechtsmittelführer in Betracht kommt. Eine derartige Klarstellung ist jedoch nicht erfolgt. Dass in Anbetracht der Unzulässigkeit der vom MVZ selbst erhobenen Klage keine Entscheidung in der Hauptsache ergehen kann, ist unter diesen Umständen hinzunehmen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger auch die Kosten des von ihm ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

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Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz vom 21.10.2015, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

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