Urteil vom Bundessozialgericht (1. Senat) - B 1 KR 20/17 R

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Mai 2017 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 31. März 2016 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 11 400 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für selbstbeschaffte Liposuktionen.

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Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin beantragte befundgestützt die Versorgung mit Liposuktionen an beiden Ober- und Unterschenkeln sowie Armen (18.9.2013). Die Beklagte holte - ohne die Klägerin hierüber zu unterrichten - eine gutachtliche Stellungnahme beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein und lehnte die Versorgung der Klägerin mit den Liposuktionen ab: Aus medizinischer Sicht seien die Liposuktionen nicht zu empfehlen, da zuvor konservative Therapiemaßnahmen im Sinne einer komplexen multimodalen stationären Behandlung angezeigt und auszuschöpfen seien (Bescheid vom 18.10.2013 und Widerspruchsbescheid vom 20.2.2014). Mit ihrer Klage auf Erstattung der Kosten von 11 400 Euro für die inzwischen selbstbeschafften ambulanten Operationen hat die Klägerin weder beim SG (Gerichtsbescheid vom 31.3.2016) noch beim LSG Erfolg gehabt. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die von der Klägerin selbstbeschafften Liposuktionen gehörten nicht zum GKV-Leistungskatalog. Auch die Voraussetzungen einer Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a SGB V) seien nicht erfüllt. Die Beauftragung des MDK habe die - eingehaltene - Fünf-Wochen-Frist ausgelöst, obwohl die Beklagte die Klägerin nicht hierüber informiert habe (Urteil vom 18.5.2017).

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Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a SGB V. Weder habe der MDK die Drei-Wochen-Frist (§ 13 Abs 3a S 3 SGB V) eingehalten noch habe die Beklagte die Klägerin über die Einholung eines MDK-Gutachtens unterrichtet.

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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Mai 2017, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 31. März 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten der selbstbeschafften Liposuktionen an Armen, Ober- und Unterschenkeln in Höhe von 11 400 Euro zu erstatten.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Der Senat kann über die Revision der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).

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Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG zu Unrecht zurückgewiesen. Die Entscheidung der Vorinstanz verletzt materielles revisibles Recht. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 11 400 Euro Kosten selbstbeschaffter ambulanter Liposuktionen aus § 13 Abs 3a S 7 SGB V (in der seit dem 26.2.2013 geltenden Fassung des Art 2 Nr 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten <PatRVerbG˃ vom 20.2.2013, BGBl I 277; dazu 1.). Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten (Bescheid vom 18.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2014) ist rechtswidrig (dazu 2.).

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1. Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt. Der Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs 3a S 7 SGB V ist eröffnet (dazu a). Die von der Klägerin beantragten Liposuktionen gelten als von der Beklagten genehmigt (dazu b). Die Klägerin beschaffte sich daraufhin die erforderlichen Leistungen selbst, während sie als genehmigt galten. Hierdurch entstanden ihr 11 400 Euro Kosten (dazu c).

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a) Der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs 3a S 7 SGB V ist eröffnet. Nach dem maßgeblichen intertemporalen Recht (vgl hierzu zB BSGE 99, 95 = SozR 4-2500 § 44 Nr 13, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 13 f mwN) greift die Regelung lediglich für Anträge auf künftig zu erbringende Leistungen, die Berechtigte ab dem 26.2.2013 stellen (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 9). Die Klägerin stellte nach dem 25.2.2013, am 18.9.2013, bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung künftig zu leistender Liposuktionen.

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Die Regelung ist auch sachlich anwendbar. Denn die Klägerin verlangt weder unmittelbar eine Geldleistung noch Erstattung für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, sondern Erstattung für selbstbeschaffte Krankenbehandlung (vgl hierzu ausführlich BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 11 ff).

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b) Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs aufgrund Genehmigungsfiktion ist nach der Rspr des erkennenden Senats, dass die beantragte Leistung im Sinne des Gesetzes nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt (§ 13 Abs 3a S 6 SGB V). Das folgt aus Wortlaut und Binnensystem der Norm, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck (vgl ausführlich BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 19 f). Gilt eine beantragte Leistung als genehmigt, erwächst dem Antragsteller hieraus ein Naturalleistungsanspruch als eigenständig durchsetzbarer Anspruch. Der Anspruch ist entsprechend den allgemeinen Grundsätzen auf Freistellung von der Zahlungspflicht gerichtet, wenn die fingierte Genehmigung eine Leistung betrifft, die nicht als Naturalleistung erbracht werden kann (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 12, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Ein solcher Anspruch auf Leistung, den ein Versicherter aufgrund fingierter Genehmigung erlangt, gehört zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 LS 1, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; aA, aber ohne neue Argumente Schneider, NZS 2018, 753, 756 ff; Felix, KrV 2018, 177, 182).

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Die von der Klägerin beantragten Liposuktionen galten in diesem Sinne wegen Fristablaufs als genehmigt. Denn die leistungsberechtigte Klägerin (dazu aa) stellte bei der Beklagten einen hinreichend bestimmten Antrag (dazu bb) auf Leistung von Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems, die sie für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen (dazu cc). Diesen Antrag beschied die Beklagte nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 3a S 1 SGB V, ohne der Klägerin hinreichende Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen (dazu dd).

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aa) Die Klägerin ist nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) als bei der Beklagten Versicherte leistungsberechtigt im Sinne der Regelung. "Leistungsberechtigter" ist derjenige, der berechtigt ist, Leistungen nach dem SGB V zu beanspruchen. Hierzu zählen ua in der GKV Versicherte im Verhältnis zu ihrer jeweiligen KK (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 22).

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bb) Die Klägerin beantragte hinreichend bestimmt die Gewährung von Liposuktionen zur Behandlung ihres Lipödems. Damit eine Leistung als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrags. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs 1 SGB X hinreichend bestimmt ist (stRspr seit BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 23). Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 18 mwN).

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Der Antrag der Klägerin genügte diesen Anforderungen. Er richtete sich auf die Versorgung mit "medizinisch indizierten Liposuktionen" ua an Armen und Beinen (Ober- und Unterschenkeln). Die Klägerin untermauerte mit den beigefügten Unterlagen ihr Begehren, ohne dieses auf die Erbringung durch nicht zugelassene Ärzte oder eine privatärztliche Leistungserbringung auszurichten. Der Antrag war auf "Kostenübernahme für die im Gutachten benannten Maßnahmen" gerichtet. Es bedarf keiner Vertiefung, ob - wofür viel spricht - ein solcher Antrag grundsätzlich auf die Behandlung durch zugelassene, jedenfalls nicht durch privatärztliche Leistungserbringer gerichtet ist. Die hier beantragten ambulanten Liposuktionen konnte die Beklagte als neue, nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthaltene Behandlungsmethode mangels Empfehlung des GBA und Verankerung im EBM ohnehin nur im Wege der Kostenfreistellung verschaffen (vgl zum Grundsatz BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 29 RdNr 8 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Hauck, NZS 2007, 461). Eine solche Beschränkung wirkte jedenfalls nach der Ablehnungsentscheidung der Beklagten nicht mehr (vgl dazu unten 1. c aa).

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cc) Der Antrag betraf eine Leistung, die die Klägerin für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lag. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, aber sinngemäß nach dem Regelungszusammenhang und -zweck. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 21 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 26).

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Dieser Auslegung steht weder das Qualitätsgebot (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) noch das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) entgegen. Die in der Durchbrechung dieser Grundsätze liegende Ungleichbehandlung Versicherter ist als gezielte, durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln vermeidbare Sanktion in eng begrenzten Ausnahmefällen noch vor dem allgemeinen Gleichheitssatz (vgl Art 3 Abs 1 GG) gerechtfertigt (vgl BSG SozR 4-2500 § 137e Nr 1 RdNr 22, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). § 13 Abs 3a SGB V weicht gerade als Sanktionsnorm von den genannten Anforderungen ab, indem er in seinem Satz 6 selbst in den Fällen, in denen eine KK einen im oben dargestellten Sinn fiktionsfähigen Antrag völlig übergeht, die Fiktion der Genehmigung anordnet und damit bewusst in Kauf nimmt, dass die Rechtsauffassung des Antragstellers nur "zufällig" rechtmäßig ist, mithin die Leistung auch dann als genehmigt gilt, wenn der Antragsteller auf diese objektiv ohne die Genehmigungsfiktion keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat. Wären nur die auf sonstige materiell-rechtlich bestehende Leistungsansprüche außerhalb von § 13 Abs 3a SGB V gerichteten Anträge fiktionsfähig, wäre die Regelung des § 13 Abs 3a S 6 SGB V obsolet (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 22 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; dies verkennend zB LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 26.5.2014 - L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR 155/14 B - Juris RdNr 26 ff = NZS 2014, 663; Schneider, NZS 2018, 753, 756 f, zudem unzutreffend auf die ursprünglich geplante Regelung in Art 2 Nr 1 PatRVerbG-Entwurf der Bundesregierung <BT-Drucks 17/10488 S 7> abstellend; ebenso v. Koppenfels-Spies, NZS 2016, 601, 603 f und Knispel, SGb 2014, 374 ff sowie GesR 2017, 749, 752 f; zur Unmaßgeblichkeit des Ursprungsentwurfs in Art 2 Nr 1 PatRVerbG vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 39 RdNr 17, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; die erst vom Ausschuss für Gesundheit eingefügte Genehmigungsfiktion sollte es dem Versicherten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen, vgl BT-Drucks 17/11710 S 29 f).

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Die von der Klägerin begehrten Liposuktionen liegen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 22). Gründe, warum die Klägerin die beantragten Liposuktionen nicht aufgrund der fachlichen Befürwortung durch ihre behandelnden Ärzte für erforderlich halten durfte, hat das LSG nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte ermittelte zudem selbst in medizinischer Hinsicht. Es ergeben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch aus den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG).

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dd) Die Beklagte beschied den Antrag nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen (§ 13 Abs 3a S 1 Fall 1 SGB V), die aufgrund der fehlenden Unterrichtung der Klägerin von der MDK-Begutachtung lief (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V). Nach der stRspr des Senats ist die Fünf-Wochen-Frist bei Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme, insbesondere des MDK, nur maßgeblich, wenn der Leistungsberechtigte durch die KK von der Einholung der gutachtlichen Stellungnahme unterrichtet wird. Das entspricht Wortlaut, Regelungssystem sowie Regelungszweck und ist mit der Entstehungsgeschichte vereinbar. Erforderlich ist, dass die KK den Berechtigten innerhalb der drei Wochen nach Antragseingang darüber informiert, dass sie eine Stellungnahme des MDK einholen will (vgl § 13 Abs 3a S 2 SGB V). Maßgeblich ist - wie im Falle der Entscheidung durch einen bekanntzugebenden Verwaltungsakt - der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Antragsteller, nicht jener der behördeninternen Entscheidung über die Information (vgl §§ 39, 37 SGB X; stRspr, vgl zB BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 28; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 36 RdNr 29 mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 8/17 R - Juris RdNr 28 = KHE 2017/81; BSG Urteil vom 11.9.2018 - B 1 KR 1/18 R - Juris RdNr 28, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; unzutreffend Bayerisches LSG Beschluss vom 25.4.2016 - L 5 KR 121/16 B ER - Juris RdNr 26). Ohne diese gebotene Information über die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme können Leistungsberechtigte nach drei Wochen annehmen, dass ihr Antrag nicht fristgerecht beschieden wurde und daher als genehmigt gilt (vgl BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 28). Die Unterrichtung durch die KK (§ 13 Abs 3a S 2 SGB V)</em> ist eine notwendige Voraussetzung, um die Fünf-Wochen-Frist (§ 13 Abs 3a S 1 Fall 2 SGB V) auszulösen. Schon der ursprüngliche Gesetzentwurf eines PatRVerbG, der noch keine Genehmigungsfiktion vorsah, begründete die Unterrichtungspflicht damit, dem Versicherten Klarheit zu verschaffen, ob die Drei- oder Fünf-Wochen-Frist gilt (vgl BT-Drucks 17/11710 S 30). Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich diese Zielrichtung durch die später Gesetz gewordene Einführung der Genehmigungsfiktion (vgl nochmals BT-Drucks 17/11710 S 30) geändert hat. Eine mittelbare Information des Leistungsberechtigten durch Dritte - etwa wie hier durch eine Befundanforderung des MDK - genügt nicht.

21

Die Frist begann am Donnerstag, dem 19.9.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1 BGB). Nach den bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) ging der Antrag der Klägerin am 18.9.2013 der Beklagten zu. Die Frist endete am 9.10.2013 (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 188 Abs 2 BGB). Die Bescheidung erfolgte nach Ablauf der Frist (Bescheid vom 18.10.2013). Die Beklagte teilte der Klägerin keine Gründe für die Fristüberschreitung mit.

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c) Die Klägerin beschaffte sich zulässig die erforderlichen genehmigten Leistungen der ambulanten Liposuktionen selbst, während sie als genehmigt galten (hierzu aa). Hierfür entstanden ihr 11 400 Euro Kosten (hierzu bb).

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aa) Die Klägerin durfte sich die Liposuktionen privatärztlich selbst verschaffen, weil die Beklagte unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt hatte. Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vornherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 33; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 24 mwN). Legen sie ehrlich und korrekt gegenüber dem ausgewählten Leistungserbringer die trotz Genehmigungsfiktion erfolgte Leistungsablehnung ihrer KK offen, muss dieser sich nicht auf eine Leistung zu Lasten der GKV einlassen.

24

Die selbstbeschafften Liposuktionen entsprachen den genehmigten Leistungen und waren legitimerweise auch noch zum Zeitpunkt der Beschaffung aus Sicht der Klägerin erforderlich. Die Klägerin beschaffte sich die Liposuktionen an Armen und Beinen zur Behandlung des Lipödems, die in dem mit dem Antrag eingereichten Gutachten beschrieben waren und auf die sich die beigefügten Kostenvoranschläge bezogen. Die Klägerin durfte diese genehmigten Leistungen, die sie sich selbst beschaffte, auch noch im Zeitpunkt der Beschaffung fü;r erforderlich halten. Sie beachtete nämlich Art und Umfang der fingierten Genehmigung und musste bei der Beschaffung nicht annehmen, die fingierte Genehmigung habe sich bereits erledigt, die Leistung sei nicht mehr (subjektiv) erforderlich.

25

Die fingierte Genehmigung bestand auch noch zur Zeit der Selbstbeschaffung der Leistungen. Auch eine fingierte Genehmigung - wie jene der Klägerin - bleibt wirksam, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (stRspr seit BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 31 mwN; § 39 Abs 2 SGB X; vgl hierzu bei nicht fingierter Genehmigung zB BSG SozR 4-2500 § 55 Nr 2 RdNr 24). Sie schützt hiermit den Adressaten. Die Beklagte nahm die Genehmigung weder zurück noch widerrief sie sie noch hob sie sie anderweitig auf. Die Ablehnung der Leistung regelte weder ausdrücklich noch sinngemäß, weder förmlich noch inhaltlich eine Rücknahme oder den Widerruf (vgl hierzu §§ 45, 47 SGB X) der fingierten Genehmigung (stRspr seit BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 32). Die Genehmigung erledigte sich auch weder durch Zeitablauf noch auf andere Weise. Eine "Erledigung auf andere Weise" einer fingierten Genehmigung einer beantragten Krankenbehandlung kann etwa - für den Versicherten erkennbar - eintreten, wenn die ursprünglich behandlungsbedürftige Krankheit nach ärztlicher, dem Betroffenen bekannter Einschätzung vollständig geheilt ist: Es verbleibt durch diese Änderung der Sachlage für die getroffene Regelung kein Anwendungsbereich mehr. Sie kann nach ihrem Inhalt und Zweck keine Geltung für den Fall derart veränderter Umstände beanspruchen. Sind Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so wird sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr besteht (stRspr seit BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33, RdNr 30 mwN). Die spätere Mitteilung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten berührte nicht die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion. Geänderte Umstände, die die Genehmigung durch Eintritt eines erledigenden Ereignisses hätten entfallen lassen können, hat weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.

26

bb) Der Klägerin entstanden durch die Selbstbeschaffung Kosten. Die Klägerin schuldete aufgrund des Behandlungsvertrags rechtswirksam Vergütung in Höhe von 11 400 Euro, die sie nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG unter Berücksichtigung der Kostenvoranschlä;ge und Rechnungen beglich. Die Rechnungen über die Behandlung durch Dr. Offermann begründeten einen rechtswirksamen Vergütungsanspruch. Die Behandlung unterfiel als ärztliche Leistung dem Anwendungsbereich der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ (§ 1 Abs 1 GOÄ) und die Rechnungen begründeten die Fälligkeit der Vergütung. Denn sie erfüllten durch Bezugnahme auf die Kostenvoranschläge die formellen Voraussetzungen der Regelung des § 12 Abs 2 bis 4 GOÄ (vgl BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 27 mwN; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 37 RdNr 29; BGHZ 170, 252, 257).

27

2. Die Ablehnungsentscheidung der Beklagten (Bescheid vom 18.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.2.2014) ist rechtswidrig. Sie verletzt die Klägerin in ihrem sich aus der fiktiven Genehmigung ihres Antrags ergebenden Leistungsanspruch (vgl dazu oben, II 1).

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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