Nichtannahmebeschluss vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat 1. Kammer) - 1 BvR 562/13

Gründe

I.

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Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Vaterschaftsanfechtung.

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1. Der Beschwerdeführer ist unstreitig leiblicher Vater einer im Jahr 2002 geborenen Tochter. Er war mit deren Mutter nicht verheiratet. Nach der Geburt lebten der Beschwerdeführer, die Kindesmutter und die Tochter in einem gemeinsamen Haushalt, wobei der Beschwerdeführer in die Versorgung und Betreuung des Kindes eingebunden war. Im Jahr 2008 trennten sich der Beschwerdeführer und die Kindesmutter. Die Tochter blieb bei der Mutter. Zwischen dem Beschwerdeführer und der Tochter fanden weiterhin Umgangskontakte statt. Ebenfalls im Jahr 2008 nahm die Mutter eine eheähnliche Gemeinschaft mit einem anderen Mann auf. Seit April 2009 hielt sich der neue Partner der Mutter bis auf einen Tag in der Woche im Haushalt der Mutter und ihrer Tochter auf und nahm dort am Familienleben teil. Im April 2011 bezog er mit der Mutter und deren Tochter die umgebaute gemeinsame Wohnung und erkannte die Vaterschaft für das Kind an. Im September 2012 schlossen die Kindesmutter und ihr neuer Partner die Ehe. Sie leben nach wie vor mit der Tochter in einem gemeinsamen Haushalt.

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2. Im März 2012 machte der Beschwerdeführer ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren anhängig und beantragte festzustellen, dass nicht der Ehemann der Kindesmutter, sondern er der Vater des betroffenen Kindes ist. Er machte geltend, dass er seit der Geburt des Kindes bis 2008 in einer sozial-familiären Beziehung mit dem Kind gelebt habe. Eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zum Ehemann der Mutter bestehe nicht. Dieser trage nicht dauerhaft Verantwortung für das Kind.

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3. Mit angegriffenem Beschluss vom 19. Oktober 2012 wies das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers zurück. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 8. Januar 2013 zurück. Beide Gerichte kamen zu dem Ergebnis, dass der Ehemann der Kindesmutter aufgrund wirksamer Vaterschaftsanerkennung rechtlicher Kindesvater sei und eine Vaterschaftsanfechtung an der Regelung des § 1600 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 1600 Abs. 2 BGB scheitere, da zwischen Kind und rechtlichem Vater seit April 2009 eine sozial-familiäre Beziehung bestehe. Die Gerichte seien nach dem Ergebnis der amtsgerichtlichen Beweisaufnahme überzeugt, dass der rechtliche Vater seit April 2009 mit Mutter und Kind in häuslicher Gemeinschaft lebe und tatsächlich Verantwortung für das Kind trage. Die gesetzliche Regelung, die den leiblichen Vater auch dann von einer Anfechtung ausschließe, wenn dieser mit dem Kind früher in einer sozial-familiären Beziehung gelebt habe, verstoße nicht gegen die Verfassung und stehe auch in Einklang mit der Europäischen Konvention für Menschenrechte.

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4. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer der Sache nach eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 und 2 GG sowie von Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 6, 8, 14 EMRK. Bereits das Vaterschaftsanerkennungsverfahren sei von seiner Ausgestaltung her verfassungswidrig, da der Gesetzgeber eine Vaterschaftszuordnung durch Vaterschaftsanerkenntnis und Zustimmung der Mutter vorsehe, ohne dabei die Rechte und Interessen des Kindes sowie des leiblichen Vaters angemessen zu berücksichtigen. Auch sei der Ausschluss des Anfechtungsrechts des leiblichen Vaters verfassungswidrig, wenn nicht berücksichtigt werde, dass der leibliche Vater - so wie der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall - ebenfalls in einer sozial-familiären Beziehung mit dem Kind gelebt habe. Die konkrete Rechtsanwendung im Einzelfall sei ebenfalls verfassungswidrig, nachdem die Gerichte bei der Frage nach der Anfechtungsberechtigung des Beschwerdeführers keinen angemessenen Ausgleich der Interessen herbeigeführt hätten. Auch hätten es die Gerichte versäumt zu prüfen, ob der rechtliche Vater überhaupt dauerhaft für die Zukunft Verantwortung für das Kind tragen werde.

II.

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Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und deren Annahme nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

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1. Die gesetzliche Ausgestaltung des Vaterschaftsanerkenntnisverfahrens und der Vaterschaftsanfechtung verletzt den Beschwerdeführer insbesondere nicht in seinem verfassungsrechtlichen Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Zwar schützt Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG das Interesse des leiblichen Vaters eines Kindes, auch die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen; die Verpflichtung des Gesetzgebers, hierfür ein Verfahren bereitzustellen, ist Teil der verfahrensrechtlichen Gewährleistung aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 108, 82 <104 f.>). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch bereits festgestellt, dass es verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, den mutmaßlichen biologischen Vater zum Schutz der rechtlich-sozialen Familie von der Vaterschaftsanfechtung auszuschließen (vgl. BVerfGE 108, 82 <106 ff.>). Es hat dies auch in Fällen für verfassungsgemäß gehalten, in denen der biologische Vater vor und in den Monaten nach der Geburt eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind aufgebaut hat und hat für diese Konstellation lediglich aus Art. 6 Abs. 1 GG ein Umgangsrecht abgeleitet (vgl. BVerfGE 108, 82 <87 f., 90, 106, 109, 112 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. Dezember 2013 - 1 BvR 1154/10 -, juris, Rn. 5). Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgt nichts anderes. Der Gerichtshof hat insbesondere klargestellt, dass die Entscheidung darüber, ob dem biologischen Vater in dem Fall, dass die rechtliche Vaterschaft mit der Rolle als sozialer Vater übereinstimmt, die Anfechtung der Vaterschaft gestattet werden soll, innerhalb des Regelungsspielraums des Staates liegt (EGMR, Kautzor v. Deutschland, Urteil vom 22. März 2012, Nr. 23338/09, juris, Rn. 78 ff.; Ahrens v. Deutschland, Urteil vom 22. März 2012, Nr. 45071/09, juris, Rn. 74 ff.; Koppikar v. Deutschland, Entscheidung vom 11. Dezember 2012, Nr. 11858/10, juris).

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Auch der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Ausgestaltung des Zugangs biologischer Väter zur rechtlichen Elternschaft mit deren Grundrechten zu zweifeln. Zwar unterscheidet sich der hier zu entscheidende Fall von den früher beurteilten Sachverhalten insofern als der Beschwerdeführer hier von der Geburt des Kindes im Jahr 2002 bis zur Trennung der Eltern im Jahr 2008 mit dem Kind zusammengelebt und auch nach der Trennung eine tatsächliche Verbindung zum Kind durch Umgangskontakte aufrechterhalten hat. Trotz der sozialen Beziehungen zu seinem Kind hatte der Beschwerdeführer rechtlich keine Möglichkeit, die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft durch den Lebenspartner der Mutter im Jahr 2011 in dessen Vaterschaftsanerkennungsverfahren zu verhindern; eine Prüfung der biologischen Vaterschaft ist im Vaterschaftsanerkennungsverfahren nicht vorgesehen. Gleichwohl war das Interesse des Beschwerdeführers daran, die rechtliche Elternstellung einzunehmen, aber auch hier rechtlich hinreichend geschützt. Da hier, anders als in früher entschiedenen Fällen, für das im Jahr 2002 geborene Kind bis zur Vaterschaftsanerkennung durch den neuen Partner der Mutter im Jahr 2011 keine Vaterschaft irgendeines Mannes für das Kind bestand, hätte der Beschwerdeführer als leiblicher Vater bis zu diesem Zeitpunkt jederzeit die rechtliche Vaterstellung einnehmen können, ohne dass die Mutter oder Dritte dies hätten verhindern können. Dass dies nicht geschehen ist, liegt daran, dass der Beschwerdeführer bis zur Vaterschaftsanfechtung im Jahr 2012 die erforderlichen Schritte nicht unternommen hat, ohne dass er daran erkennbar gehindert gewesen wäre. Die rechtliche Vaterstellung zu erlangen, wäre ihm bis zur Vaterschaftsanerkennung durch den neuen Partner der Mutter im Jahr 2011 rechtlich ohne Weiteres möglich gewesen. Er hätte die Vaterschaft bis dahin nach § 1592 Nr. 2, § 1594 BGB anerkennen können. Hätte die Mutter die Zustimmung hierzu nach § 1595 Abs. 1 BGB verweigert, hätte der Beschwerdeführer die Vaterschaft nach § 1600d BGB gerichtlich feststellen lassen können. Dies war ihm auch nach der Trennung von der Mutter noch bis zum Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung durch deren neuen Partner möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte auch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem neuen Partner und dem Kind der Erlangung der rechtlichen Vaterstellung durch den Beschwerdeführer, sei es durch Anerkennung sei es aufgrund gerichtlicher Feststellung, nicht entgegengestanden, weil diese nur die Anfechtung (§ 1600 Abs. 2 BGB), nicht aber die Anerkennung und gerichtliche Feststellung der Vaterschaft ausschließt. Ein weitergehender Schutz des Interesses des leiblichen Vaters, auch die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen, ist von Verfassungs wegen nicht geboten.

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2. Unbegründet ist die Verfassungsbeschwerde auch, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Anwendung des § 1600 Abs. 2 BGB in seinem konkreten Fall wendet.

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Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers waren die Gerichte nicht verpflichtet, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der rechtliche Vater der Tochter auch künftig elterliche Verantwortung ausüben werde. Nach der Vorschrift des § 1600 Abs. 2 und 4 Satz 1 BGB reicht es zur Annahme einer das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters ausschließenden sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater aus, dass der rechtliche Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt. Der maßgebliche Zeitpunkt ist grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 164/04 -, juris, Rn. 17). Davon sind die Fachgerichte nach der durchgeführten Beweisaufnahme ausgegangen, ohne dass dagegen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Die Beweiswürdigung wird vom Beschwerdeführer auch nicht angegriffen. Ob der rechtliche Vater auch in Zukunft Verantwortung tragen wird, ist unerheblich, da jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt eine durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte, intakte, sozial-familiäre Verbindung zwischen Kind und rechtlichem Vater bestand, die nach der vom Gesetzgeber getroffenen und mit der Verfassung in Einklang stehenden Wertentscheidung des § 1600 Abs. 2 BGB nicht durch den außerhalb des sozial-familiären Verbands stehenden leiblichen Vater gefährdet werden soll (vgl. BVerfGE 108, 82 <109>).

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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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