Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 B 4/11

Gründe

1

Der Kläger beansprucht die volle Betriebsprämie für das Jahr 2005. Diese war ihm um 1 v.H. gekürzt worden, weil er die Grundanforderungen an den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand nicht erfüllt habe; er habe nämlich auf drei von ihm bewirtschafteten Feldern zwei Knicks auf einer Länge von 444 m übermäßig seitlich zurückgeschnitten und damit Landschaftselemente (Biotope) teilweise beseitigt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

2

Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Kläger in Anspruch genommenen Zulassungsgründe liegen nicht vor.

3

1. Der Kläger rügt als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), dass das Berufungsgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei (§ 138 Nr. 1 VwGO). Das Landesrecht sieht vor, dass die Senate des Oberverwaltungsgerichts in der Besetzung von fünf Richtern entscheiden, von denen zwei ehrenamtliche Richter sind (§ 3 Abs. 1 AG-VwGO Schleswig-Holstein; vgl. § 9 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Der Kläger meint, die beiden ehrenamtlichen Richterinnen hätten entgegen § 19 VwGO nicht "mit gleichen Rechten mitgewirkt", weil sie von der Komplexität der Sache überfordert gewesen seien. Um ihnen die Möglichkeit der gleichen Mitwirkung zu geben, hätte es ihrer gründlichen Einweisung vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung bedurft, woran es gefehlt habe.

4

Die Rüge greift nicht durch. Die ehrenamtlichen Verwaltungsrichter sind Laienrichter. Sie sollen sich ihre Überzeugung aus der mündlichen Verhandlung bilden, wenn eine solche wie hier stattfindet (Beschluss vom 24. September 1969 - BVerwG 3 ER 210.69 - Buchholz 310 § 30 VwGO Nr. 4). Deshalb ist nicht vorgeschrieben, sie bereits vor der mündlichen Verhandlung mit der Sache vertraut zu machen. Nach dem Gesetz genügt vielmehr, dass sie sich während der mündlichen Verhandlung über den Streitgegenstand und den Streitstoff in Kenntnis setzen. Hierzu muss ihnen der Vorsitzende ausreichend Gelegenheit geben. Dies geschieht regelmäßig schon durch den Aktenvortrag zu Beginn der mündlichen Verhandlung (§ 103 Abs. 2 VwGO) sowie durch die tatsächliche und rechtliche Erörterung der Sache während ihres Verlaufs (§ 104 Abs. 1 VwGO). Auf Wunsch muss der Vorsitzende ihnen gestatten, Fragen zu stellen (§ 104 Abs. 2 VwGO). Ferner wirken die ehrenamtlichen Richter gleichberechtigt an der Entscheidungsfindung mit, die der mündlichen Verhandlung nachfolgt und auf ihr beruht (§ 101 Abs. 1 VwGO). Hierbei ist auf den Umstand Rücksicht zu nehmen, dass sie Rechtslaien sind. Ihnen ist deshalb die Rechtslage so zu erläutern, dass sie auch insoweit zu einem eigenständigen Urteil gelangen können (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 27. September 1989 -6 E 158/89 - NVwZ-RR 1990, 381).

5

All dies schließt nicht aus, die ehrenamtlichen Richter bereits vor der mündlichen Verhandlung in die Sache einzuführen. Besonders bei komplexen Sachen wird sich das empfehlen, schon um den Aktenvortrag zu Beginn der mündlichen Verhandlung zu entlasten (vgl. Stelkens/Panzer in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO-Kommentar, Stand November 2009, Rn. 18 zu § 19 VwGO). Rechtlich geboten ist es im Regelfall jedoch nicht. Ob in besonders schwierigen oder umfangreichen Sachen ausnahmsweise anderes gilt, bedarf keiner Entscheidung. Um eine derartige Sache handelt es sich hier nicht. Daran vermögen auch ihre europarechtliche Bezüge nichts zu ändern. Im Kern ging es um eine naturschutzrechtliche Verpflichtung, deren rechtliche Begründung und tatsächliche Beurteilung auch einem juristischen Laien ohne Weiteres möglich ist. Ob die mit der Sache befassten ehrenamtlichen Richter tatsächlich überfordert waren, wie der Kläger meint, ist angesichts dessen ohne Belang. Im Übrigen hat der Vorsitzende Richter das in seiner dienstlichen Äußerung nicht bestätigt.

6

2. Der Kläger wendet sich ferner dagegen, dass das Berufungsgericht sich seine Überzeugung in tatsächlicher Hinsicht im Wesentlichen auf der Grundlage der vom Beklagten im Herbst 2005 gefertigten Lichtbilder gebildet hat. Damit greift er in erster Linie die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an; dadurch wird ein Verfahrensmangel nicht dargetan. Soweit sich seinem Vortrag gleichwohl die Behauptung eines solchen Mangels entnehmen lässt, erweisen sich die Rügen als unbegründet.

7

Der Kläger behauptet, das Berufungsgericht habe seine Einwände gegen die Beweistauglichkeit der Lichtbilder übergangen, die er vornehmlich daraus hergeleitet habe, dass die Bilder nachträglich bearbeitet und damit verändert worden seien. Darin könnte die Rüge zu sehen sein, das Gericht habe das Gebot verletzt, ihm rechtliches Gehör zu gewähren (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG). Der Vorwurf trifft indes nicht zu. Das Berufungsgericht hat die Einwände des Klägers vielmehr zur Kenntnis genommen und sich mit ihnen (auf Seite 20 seines Urteils) auseinandergesetzt. Dass es ihnen nicht gefolgt ist, begründet keinen Verfahrensmangel.

8

Der Kläger wendet sich ferner dagegen, dass das Berufungsgericht keine zusätzlichen Erkenntnismittel herangezogen habe. Damit wird eine Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 VwGO) nicht dargetan. Der Kläger hat keine Beweisanträge gestellt. Er teilt auch nicht mit, welche zusätzlichen Erkenntnisquellen das Gericht hätte heranziehen sollen; solche drängten sich auch nicht auf.

9

3. Der Sache kommt schließlich keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Beschwerdeschrift mag immerhin entnommen werden, dass der Kläger die Frage für klärungsbedürftig hält, ob Landschaftselemente wie Knicks auch dann im Sinne von Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl Nr. L 270 S. 1) sowie im Sinne von § 2 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 4 des Direktzahlungen-Verpflichtungsgesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1763, 1767) i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 der Direktzahlungen-Verpflichtungsverordnung vom 4. November 2004 (BGBl I S. 2778) "beseitigt" werden, wenn sie weiter als bis auf einen Meter an die Senkrechte zum Knickfuß heran seitlich beschnitten werden. Diese Frage betrifft nur teilweise revisibles Recht. Mit Blick auf die genannten Bestimmungen des Bundes- und des europäischen Gemeinschaftsrechts hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, dass eine Beseitigung in diesem Sinne nicht nur bei einer vollständigen Entfernung oder Zerstörung des Landschaftselements, sondern auch dann vorliege, wenn der Eingriff zu einer vergleichbar nachhaltigen und erheblichen Funktionsbeeinträchtigung führe (Berufungsurteil S. 17). Das ist unzweifelhaft richtig, ohne dass es zur Klärung noch der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Namentlich steht es mit § 30 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes in der Fassung vom 25. März 2002 (BGBl I S. 1193) im Einklang, der der Zerstörung eines gesetzlich geschützten Biotops "sonstige erhebliche oder nachhaltige Beeinträchtigungen" gleichstellt. Welche Eingriffe bei einem Knick zu einer der vollständigen Beseitigung gleichkommenden Funktionsbeeinträchtigung führen, hat das Berufungsgericht im Weiteren in Auslegung von schleswig-holsteinischem Landesrecht, namentlich unter Rückgriff auf § 15b des Landesnaturschutzgesetzes vom 18. Juli 2003 (GVOBl S. 339) entschieden. Das betrifft nicht revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen