Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (6. Senat) - 6 B 40/11

Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs im Wege der Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Er ist der Ansicht, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, indem es die Prognose der Wiederholungsgefahr für die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers nach § 81b Alt. 2 StPO auf unzureichende Tatsachenfeststellungen gestützt habe. Zur Begründung führt er fünf unterscheidbare Rügen mangelnder Sachverhaltsaufklärung an (1. bis 5.). Die darauf gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

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Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss dementsprechend substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26).

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1. Der Kläger rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe die erforderlichen Tatsachenfeststellungen dazu nicht getroffen, weshalb bei einem - theoretisch denkbaren - erneuten illegalen Waffenbesitz des Klägers Lichtbildaufnahmen oder Fingerabdrücke zur Aufklärung führen sollten. Die Entdeckung eines erneuten illegalen Waffenbesitzes des Klägers sei auch ohne erkennungsdienstliche Maßnahmen denkbar.

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Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat sich mit der Geeignetheit und Erforderlichkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen beschäftigt und sie dem Grunde und dem Umfang nach bejaht. Die im Einzelnen vorgesehenen Maßnahmen, nämlich die Aufnahme von Lichtbildern, die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Erstellung einer Personenbeschreibung sowie die Feststellung unveränderlicher äußerlicher körperlicher Merkmale - ohne Leibesvisitation - hat es für geeignet gehalten. Bei Waffendelikten liege es auf der Hand, dass daktyloskopische Spuren bei der Aufklärung hilfreich sein könnten. Die Feststellung und Erhebung der unveränderlichen äußerlichen körperlichen Merkmale und der Personenbeschreibung - etwa Körpergröße, Körpergestalt, Haarfarbe, Haarbeschaffenheit etc. - können mit den Angaben von Zeugen verglichen werden. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts leuchten ohne die Notwendigkeit weiterer Tatsachenfeststellungen unmittelbar ein. Demgegenüber hat der Kläger nicht dargelegt, welche darüber hinausgehenden Aufklärungsmaßnahmen das Gericht hätte ergreifen müssen und welches Ergebnis dabei zu erwarten gewesen wäre. Stattdessen verbleibt das Beschwerdevorbringen nach Art einer Berufungsbegründung lediglich im Widerspruch zur Urteilsbegründung.

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2. Der Kläger rügt außerdem, das Amtsgericht Göppingen habe das Verfahren 13 Js 22324/08 wegen illegalen Waffenbesitzes gegen den Kläger gemäß § 153a StPO nach Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 750 € nach vorheriger Zustimmung der Staatsanwaltschaft Ulm endgültig eingestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hätte daher Tatsachenfeststellungen treffen müssen, weshalb - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Göppingen und der Staatsanwaltschaft Ulm - "die Art und die Schwere" des Tatvorwurfes eine Wiederholungsgefahr begründen solle.

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Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Sie wendet sich nicht gegen eine unzulängliche Aufklärung der Tatsachen, sondern gegen die rechtlichen Schlussfolgerungen, welche das Berufungsgericht aus den zugrunde gelegten Tatsachen gezogen hat. Der Umfang der entscheidungserheblichen Tatsachen bestimmt sich nach der von dem Gericht vertretenen Rechtsauffassung. Im Berufungsurteil ist insofern ausgeführt, die Notwendigkeit der Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen bemesse sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte für die Annahme biete, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könne und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten (Berufungsurteil S. 8). Im Falle des waffenrechtlichen Verstoßes hat das Berufungsgericht zur Feststellung der Gefahrenprognose den im Ermittlungsverfahren festgestellten Sachverhalt zugrunde gelegt; nähere Einzelheiten etwa zum Erwerb und zur Dauer des Besitzes hätten nicht aufgeklärt werden können, weil der Kläger im Strafverfahren keine Angaben zur Sache gemacht und es keine weiteren Ermittlungsansätze gegeben habe. Bei dieser Sachlage hat es die Gefahrenprognose des Beklagten, dass der Kläger, nachdem er einmal illegal Waffen erworben habe, sich auch künftig durch das gesetzliche Verbot nicht von einem Waffenbesitz werde abhalten lassen, als sachgerecht und vertretbar angesehen (Berufungsurteil S. 12 ff.). Es hat sich damit innerhalb des eigenen rechtlichen Ansatzes bewegt, der zusätzliche tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich machte. Seine rechtlichen Schlussfolgerungen sind nicht zulässiger Gegenstand einer Aufklärungsrüge. Insbesondere liegt dem Berufungsurteil entgegen der klägerischen Unterstellung nicht "die Art und die Schwere" des Tatvorwurfes als Begründung für eine Wiederholungsgefahr zugrunde. Darüber hinaus wäre für den Erfolg einer Aufklärungsrüge nicht das Vorbringen ausreichend, das Gericht "hätte daher Tatsachenfeststellungen treffen müssen", sondern der Beschwerdeführer muss benennen, welche Tatsachen mit welchen Beweismitteln hätten aufgeklärt werden müssen. Dies hat er nicht getan.

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3. Der Kläger rügt ferner, der Verwaltungsgerichtshof habe keine Tatsachenfeststellungen dazu getroffen, weshalb seine Ehefrau und seine Schwiegereltern ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO nachträglich ausgeübt hätten. Das Gericht hätte bedenken müssen, dass die Ehefrau des Klägers und dessen Schwiegereltern ihn aus Motiven der Eifersucht einseitig belastet oder ihre Aussagen völlig übertrieben hätten und, als dies ihnen bewusst geworden sei, sich eines anderen besonnen hätten. Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Sie ist unsubstantiiert. Der Kläger benennt kein genaues Beweisthema, keine Beweismittel und stellt nicht klar, wie sich hypothetisch das Ergebnis einer solchen Beweisaufnahme auf das angegriffene Urteil ausgewirkt hätte.

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4. Der Kläger rügt außerdem, völlig unhaltbar sei die Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger "neige zur Aggressivität", wie "seine Cousine" durch ihre Aussagen im nach § 170 StPO eingestellten Verfahren der Staatsanwaltschaft Ulm - 16 Js 2215/09 - bestätigt habe und die Annahme "eines Resttatverdachts" gegen ihn wegen einer Körperverletzung zu Lasten des Partners seiner Cousine rechtfertige. Mit Vor- und Zunamen nenne sich der Kläger "A. L.-M.". Dazu stehe es im völligen Widerspruch, dass sich das Ermittlungsverfahren der Staatanwaltschaft Ulm - 16 Js 2215/09 - gegen einen gewissen "A. M." richte.

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Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Es kann offenbleiben, ob sich dem Verwaltungsgerichtshof wegen dieser Namensverschiedenheit von sich aus aufdrängen musste, den Sachverhalt weiter aufzuklären, oder ob ihm eine verfahrensfehlerhaft unterbliebene Aufklärung des Sachverhalts deshalb nicht vorgeworfen werden kann, weil dem Kläger bekannt war, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ermittlungsakte 16 Js 2215/09 der Staatsanwaltschaft Ulm beigezogen hatte, sein Prozessbevollmächtigter Einsicht in diese Akte genommen hatte und der Kläger mit ihrer Verwertung rechnen musste, aber gleichwohl nicht behauptet hatte, er sei mit dem in dieser Ermittlungsakte erwähnten A. M. nicht identisch, mit der Folge, dass der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlass hatte, von sich aus die Identität in Zweifel zu ziehen. Denn das angefochtene Urteil beruht nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler. Dass (auch) künftig von dem Kläger nur Körperverletzungsdelikte im engen Familienkreis zu besorgen sind, für deren Aufklärung Lichtbilder des Klägers nicht erforderlich sind, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht allein mit der Überlegung verneint, der Kläger sei auch außerhalb des engen Familienkreises gewalttätig geworden, wie das Ermittlungsverfahren 16 Js 2215/09 der Staatsanwaltschaft Ulm zeige. Der Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr insoweit entscheidungstragend zusätzlich darauf abgestellt, dass der Kläger nach Aussagen seiner Ehefrau in bestimmten Situationen auch Dritten gegenüber unbeherrscht sei und die Kontrolle verlieren könne und dass auch bei Beziehungsdelikten die Aussagen anderer Zeugen als der geschädigten Opfer zur Aufklärung oft notwendig seien und hierfür die anzufertigenden erkennungsdienstlichen Unterlagen herangezogen werden müssten.

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Unabhängig davon ist der schwerstwiegende Umstand, auf den die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers als Maßnahme der Strafverfolgungsvorsorge sich stützt, der illegale Besitz von Schusswaffen mit nicht unerheblichen Mengen von Munition, deren nähere Umstände er nicht erklärt hat. Der illegale Besitz von Schusswaffen unter unklaren Erwerbsumständen indiziert die erkennungsdienstliche Behandlung als notwendige und geeignete Maßnahme der Strafverfolgungsvorsorge, denn es handelt sich dabei um ein virulentes gesetzeswidriges Verhalten, dessen strafrechtlicher Gesamtzusammenhang sich oftmals erst zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt. Das Berufungsurteil ist daher im Ergebnis als richtig anzusehen.

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5. Schließlich rügt der Kläger, soweit es das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Ulm 13 Js 7913/09 betreffe, fehle es ebenfalls an ausreichenden Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs. Der darin enthaltene angebliche Vorfall solle am 19. April 2009 gegen 20 Uhr stattgefunden haben. Dabei solle der Personenkraftwagen der Ehefrau des Klägers hinter dem Fahrzeug des Zeugen M. D. vor der Lichtzeichenanlage W.straße/H.straße in G. zum Halten gekommen sein. Zum Zeitpunkt des angeblichen Vorfalls sei es bereits dunkel gewesen. Daher sei es diesem Zeugen nicht möglich gewesen, über den Rückspiegel irgendwelche Beobachtungen zu machen. Der Verwaltungsgerichtshof hätte daher Feststellungen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen treffen müssen.

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Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Die Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen D. musste sich dem Berufungsgericht nicht aufdrängen, und der anwaltlich vertretene Kläger hat auch keinen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellt. Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen ergaben sich aus der Sicht des Berufungsurteils schon deshalb nicht, weil sich dessen Bekundungen über Tätlichkeiten des Klägers gegen seine Ehefrau mit deren eigenen zeugenschaftlichen Bekundungen deckten (Berufungsurteil S. 11/12). Das Berufungsgericht hat im Einzelnen dargelegt, weshalb es sich trotz der später erklärten Zeugnisverweigerung der Ehefrau rechtlich nicht gehindert sah, von deren früheren Aussagen Gebrauch zu machen (Berufungsurteil S. 10).

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