Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (1. Senat) - 1 C 8/11

Tatbestand

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Der Kläger, ein als Flüchtling anerkannter türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt die Verlängerung seiner humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG.

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Auf seinen Asylantrag stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - im Februar 1996 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen. Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger immer wieder befristete Aufenthaltsbefugnisse. Zuletzt wurde ihm eine bis zum 1. August 2008 gültige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt.

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Im März 2005 widerrief das Bundesamt die zu § 51 Abs. 1 AuslG getroffene Feststellung wegen der veränderten Verhältnisse in der Türkei. Das Verwaltungsgericht hat den Widerrufsbescheid aufgehoben und die Beklagte zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG verpflichtet. Dem kam das Bundesamt mit Bescheid vom 23. September 2005 nach.

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Den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. März 2008 ab. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Juli 2009 ab. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG dem Anspruch des Klägers aus § 26 Abs. 3 AufenthG entgegenstehe. Der Kläger sei seit 2004 für den KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistan), die Nachfolgeorganisation der verbotenen PKK, aktiv. Er habe regelmäßig das dem KONGRA-GEL nahestehende "Kurdische Kulturzentrum M." besucht und an zahlreichen Veranstaltungen, internen Sitzungen ("Frontarbeitertreffen") sowie PKK-Demonstrationen teilgenommen. PKK und KONGRA-GEL unterstützten den Terrorismus. Den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2010 ab.

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Im Oktober 2009 forderte der Kläger die Beklagte auf, nunmehr über seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG zu entscheiden. Mit Bescheid vom 12. Februar 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG auch diesen Aufenthaltstitel sperre. Der Stadtrechtsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2010 zurück.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG auch der Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG entgegenstehe, da er nicht von § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG als spezieller Regelung verdrängt werde. Im Falle des Klägers liege der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG wegen seiner Aktivitäten für den KONGRA-GEL vor.

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Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Klägers mit Urteil vom 24. März 2011 stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG zu erteilen (InfAuslR 2011, 257). Es ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG in der Person des Klägers vorlägen, dieser Versagungsgrund jedoch durch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG als spezieller Ausschlussregelung verdrängt werde. Obwohl die Systematik des Aufenthaltsgesetzes mit seinen vielfältigen Absehens- und Ausnahmeregelungen eher für die Gegenauffassung spreche, sehe sich der Senat durch dessen Entstehungsgeschichte bestätigt. Denn vor 2005 habe der § 5 Abs. 4 AufenthG entsprechende, damals in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG 1990 enthaltene Versagungsgrund nur für die im Ausländergesetz selbst geregelten Aufenthaltsgenehmigungen, nicht aber für die auf § 68 und § 70 AsylVfG beruhenden Ansprüche anerkannter Asylberechtigter und Flüchtlinge gegolten. Die Gesetzesmaterialien enthielten keinen Hinweis auf eine beabsichtigte Verschlechterung der Rechtslage. Zudem könne das primäre Ziel der Vorschrift, Terroristen und Unterstützer vom Bundesgebiet fernzuhalten, bei Asylberechtigten und Flüchtlingen, die Abschiebungsschutz genössen, in der Regel nicht erreicht werden. Schließlich vermeide diese Auffassung Ergebnisse, die Art. 21 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie widersprächen. Deren sicherheitsrechtlich motivierte Schranken griffen nicht in allen Fällen des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG durch. Dann aber wäre eine Versagung der Aufenthaltserlaubnis unionsrechtswidrig.

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Die Beklagte macht zur Begründung der Revision geltend, das Berufungsgericht verkenne die Regelungssystematik der genannten Versagungsgründe. Auch die historische Auslegung überzeuge nicht, denn vom Gesetzgeber könne nicht verlangt werden, eine Verschlechterung der Rechtslage stets in der Gesetzesbegründung ausdrücklich zu kennzeichnen. Schließlich übersehe die Auslegung der unionsrechtlichen Vorgaben, dass die Mitgliedstaaten die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß Art. 21 Abs. 3 der Qualifikationsrichtlinie ablehnen könnten, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gebe, dass der Ausländer eine Gefahr für die Sicherheit eines Mitgliedstaates darstelle. Das sei beim Kläger wegen seiner Aktivitäten für den KONGRA-GEL der Fall.

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Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Nach seiner Auffassung findet § 5 Abs. 4 AufenthG keine Anwendung. Einem Flüchtling dürfe die Aufenthaltserlaubnis nur dann verweigert werden, wenn er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden sei.

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Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt und tritt der Entscheidung des Berufungsgerichts entgegen. Er macht geltend, der Gesetzgeber habe mit der Übernahme der §§ 68 und 70 AsylVfG in § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG auch bezüglich der Ausnahmen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen in § 5 Abs. 3 AufenthG eine zusammenfassende Neuregelung getroffen und diese nicht auf § 5 Abs. 4 AufenthG erstreckt. Selbst wenn die Ausreisepflicht eines anerkannten Flüchtlings nicht durchsetzbar sei, bestehe ein berechtigtes Interesse, dessen Aufenthaltsverfestigung zu verhindern. Schließlich habe das Berufungsgericht den 28. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie übersehen. Dort sei unionsrechtlich klargestellt, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch für die Fälle gelte, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehöre, die den internationalen Terrorismus unterstütze oder er eine derartige Vereinigung unterstütze.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen anerkannten Flüchtling nicht anwendbar ist (1.). Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gebietet jedoch eine Einschränkung dieses Versagungsgrundes auf Fälle, in denen der Flüchtling aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist (2.). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts selbst nicht abschließend entscheiden kann, ob das Verhalten des Klägers diese erhöhte Gefahrenschwelle überschreitet, ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (3.).

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Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Klagen auf Verpflichtung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (hier: 24. März 2011). Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, etwa Urteil vom 11. Januar 2011 - BVerwG 1 C 1.10 - BVerwGE 138, 371 Rn. 10 m.w.N.). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2011 (BGBl I S. 2854).

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Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger als anerkannter Flüchtling die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erfüllt. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist von der Regelerteilungsvoraussetzung, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG), bei Erteilung eines Aufenthaltstitels u.a. nach § 25 Abs. 2 AufenthG abzusehen. Auch der besondere Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG, wonach einem Flüchtling kein Aufenthaltstitel erteilt wird, wenn er aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen worden ist, greift nicht durch. Denn der Kläger ist nicht ausgewiesen worden.

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1. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG verdränge den Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG, trifft nicht zu (Bäuerle, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2007, II-§ 5 AufenthG Rn. 197; Wenger, in: Storr/Wenger, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2008, § 5 AufenthG Rn. 13; Maaßen, in: Kluth/Hund/Maaßen, Zuwanderungsrecht, 2008, § 4 Rn. 542; a.A. OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. November 2010 - 2 B 290/10 - juris Rn. 19 ff.; VG Hamburg, Urteil vom 31. Januar 2006 - 10 K 2710/05 - juris Rn. 46 ff.; Burr, in: GK-AufenthG, Stand: Juni 2007, II-§ 25 AufenthG Rn. 18; Hailbronner, AuslR, § 25 AufenthG Rn. 13; Fränkel, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht (Handkommentar), 2008, § 25 AufenthG Rn. 9; Huber, AufenthG, 2010, § 5 Rn. 28).

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Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen, wenn einer der Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 bis 5b vorliegt. Nach Satz 2 können von Satz 1 in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zugelassen werden, wenn sich der Ausländer gegenüber den zuständigen Behörden offenbart und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt.

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Bereits vom Wortlaut her stützt die uneingeschränkt formulierte Rechtsfolge des § 5 Abs. 4 AufenthG eher die Annahme, dass dieser Versagungsgrund Geltung für alle Aufenthaltstitel hat. Des Weiteren spricht der systematische Auslegungsbefund - wie vom Berufungsgericht selbst eingeräumt - für diese Auffassung. Denn der Gesetzgeber hat mit dem Zuwanderungsgesetz im Jahr 2004 die zuvor in §§ 68 und 70 AsylVfG 1992 enthaltenen aufenthaltsrechtlichen Ansprüche anerkannter Asylberechtigter und Flüchtlinge in das Aufenthaltsgesetz eingefügt (BTDrucks 15/420 S. 79) und den humanitären Aufenthaltstiteln zugeordnet. Gleichzeitig wurden in § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 AufenthG differenzierte Regelungen getroffen, nach denen von (einzelnen) Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG bei einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Gesetzes abgesehen werden muss bzw. kann. Im Anschluss an diese obligatorischen und fakultativen Absehensvorschriften findet sich der hier im Streit stehende Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG mit dem spezifischen Ausnahmegrund in Satz 2 der Vorschrift. Diese Vorgehensweise belegt, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Anwendbarkeit der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für die humanitären Aufenthaltstitel eine in sich geschlossene Regelung geschaffen hat. Zu demselben Ergebnis führt die systematische Betrachtung aus der Perspektive der aufenthaltsrechtlichen Anspruchsnormen: Die Zusammenschau der bei den jeweiligen Aufenthaltstiteln geregelten Vorschriften, die ein Absehen bzw. Abweichen von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG ermöglichen bzw. gebieten (vgl. § 18a Abs. 3, § 27 Abs. 3 Satz 2, § 28 Abs. 1 Satz 2 - 4, § 29 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1, § 30 Abs. 3, § 33 Satz 1, § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1, § 38 Abs. 3, § 104a Abs. 1 Satz 1 und § 104b AufenthG), lässt insoweit ein ausdifferenziertes und damit abschließendes Regelungskonzept erkennen. Die gesetzliche Systematik erhellt, dass § 5 Abs. 4 AufenthG - anders als die Vorgängernorm des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG 1990 i.d.F. des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom 9. Januar 2002 (BGBl I S. 361) - auch für den nunmehr im Aufenthaltsgesetz geregelten Anspruch eines Flüchtlings auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis aus § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG Geltung beansprucht.

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Vor diesem Hintergrund vermag die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG werde durch § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG als spezielle und abschließende Regelung verdrängt, nicht zu überzeugen. Denn ebenso wie die nahezu wortgleichen früheren Regelungen in § 29 Abs. 2 AsylVfG 1982 und § 68 Abs. 2 und § 70 Abs. 2 AsylVfG 1992 dient die Norm lediglich der Synchronisierung mit dem besonderen Ausweisungsschutz für anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 AufenthG). Bei diesen ist eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung möglich. Ist der Ausländer aber bereits vor der bestandskräftigen Anerkennung ausgewiesen worden, sperrt nur eine auf qualifizierten Gründen beruhende Ausweisung die Titelerteilung (vgl. BTDrucks 9/1630 S. 24 zu § 29 Abs. 2 AsylVfG 1982, BTDrucks 12/2062 S. 38 f. zu § 68 Abs. 2 und § 70 Abs. 2 AsylVfG 1992 und BTDrucks 15/420 S. 111).

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Dieser Auslegungsbefund wird - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - durch die Gesetzesmaterialien zu § 5 Abs. 4 AufenthG sogar noch verstärkt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Zuwanderungsgesetz darf "Personen, bei denen es sich um gewaltbereite Extremisten, Terroristen oder Unterstützer von Terroristen handelt, <...> kein Aufenthaltstitel erteilt werden. ... Der Versagungsgrund gilt uneingeschränkt sowohl für Aufenthaltstitel, die im Ermessenswege erteilt werden können, als auch für solche, auf die ein gesetzlicher Anspruch besteht." (BTDrucks 15/420 S. 70). Daraus folgt zweifelsfrei, dass § 5 Abs. 4 AufenthG auch für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG gilt.

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2. Die unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) - sog. Qualifikationsrichtlinie - stehen der Versagung der befristeten Aufenthaltserlaubnis an einen anerkannten Flüchtling gemäß § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG nicht prinzipiell entgegen. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gebietet jedoch eine Einschränkung dieses Versagungsgrundes auf Fälle, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist.

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Die Qualifikationsrichtlinie enthält in Art. 24 Abs. 1 Satz 1 auf Unionsebene erstmalig eine Anspruchsgrundlage für die Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels an einen anerkannten Flüchtling. Insoweit geht sie über die sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - ergebenden völkerrechtlichen Verpflichtungen hinaus, die für die Signatarstaaten keine Vorgaben hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Stellung eines Flüchtlings enthalten. Nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG stellen die Mitgliedstaaten so bald wie möglich nach Zuerkennung des Schutzstatus und unbeschadet des Art. 21 Abs. 3 Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen. Daneben gilt nach Art. 21 der Richtlinie das Refoulement-Verbot: Gemäß Absatz 1 der Vorschrift achten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Nach Absatz 2 kann ein Mitgliedstaat, sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist, einen Flüchtling unabhängig davon, ob er als solcher förmlich anerkannt ist oder nicht, zurückweisen, wenn a) es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält, oder b) er eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde. Schließlich können die Mitgliedstaaten gemäß Absatz 3 den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, beenden oder seine Verlängerung bzw. die Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen, wenn Absatz 2 auf die betreffende Person Anwendung findet.

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Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein abgestuftes unionsrechtliches Regelungskonzept für den Fall, dass einem Flüchtling der befristete Aufenthaltstitel aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung versagt werden soll: Mit dem Verweis "unbeschadet des Art. 21 Abs. 3" stellt die Richtlinie in Art. 24 Abs. 1 klar, dass beide Vorschriften nebeneinander anwendbar sind. Während die Richtlinie in Art. 24 Abs. 1 im 2. Halbsatz den Mitgliedstaaten die Versagung des befristeten Aufenthaltstitels bei Vorliegen zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung verbindlich vorgibt, eröffnet ihnen Art. 21 Abs. 3 die Möglichkeit, die Verlängerung oder Erteilung eines Aufenthaltstitels ablehnen zu können, wenn Absatz 2 auf den Flüchtling Anwendung findet. Der Verweis auf die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 bezieht sich sowohl auf die dort in den Buchstaben a) und b) genannten Gefahren als auch auf den Vorbehalt des Einleitungssatzes "sofern dies nicht aufgrund der in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist". Mit diesem Rekurs auf die in Absatz 1 genannten völkerrechtlichen Verpflichtungen hat Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie das völkerrechtliche Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK als eigenständige unionsrechtliche Schranke der Zurückweisung übernommen. Damit sind auch die Voraussetzungen für die Durchbrechung dieses Verbots in Art. 33 Abs. 2 GFK und insbesondere die dort verankerte Gefahrenschwelle der schwerwiegenden Gründe Bestandteil des sekundären Unionsrechts geworden. Diese erhöhte Gefahrenschwelle gilt aber nicht nur für die Zurückweisung in Art. 21 Abs. 2, sondern auch für die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, einem Flüchtling gemäß Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie keinen befristeten Aufenthaltstitel zu erteilen. Demzufolge darf ein Mitgliedstaat, wenn er von der durch Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie eröffneten Option Gebrauch macht, einem Flüchtling den befristeten Aufenthaltstitel nur dann versagen, wenn dieser aus schwerwiegenden Gründen (2.2) als eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats (2.1) anzusehen ist.

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2.1 Der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG bezweckt den Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in dem genannten unionsrechtlichen Sinne. Denn nach dem 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83/EG gilt der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch für die Fälle, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Damit ist in der Qualifikationsrichtlinie selbst klargestellt, dass die mit § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG beabsichtigte effektive Bekämpfung der Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus durch Absenkung der Eingriffsschwelle (Urteil vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <126 ff.>) auch bei Anwendung auf anerkannte Flüchtlinge grundsätzlich unionsrechtlich gedeckt ist.

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2.2 Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gebietet - wie bereits erläutert -mit Blick auf die in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und 1 der Qualifikationsrichtlinie enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle bei anerkannten Flüchtlingen eine Einschränkung dieses Versagungsgrundes auf Fälle, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Anders als das nationale Aufenthaltsrecht, das in § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in der Regel auch in Fällen des § 54 Nr. 5 AufenthG als gegeben ansieht, enthält das Unionsrecht insoweit keine Regelvermutung, sondern verlangt eine individuelle Prüfung unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles.

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Die Maßstäbe für die Schwelle der schwerwiegenden Gründe lassen sich in Anlehnung an die ebenfalls an Art. 33 Abs. 2 GFK ausgerichtete Rechtsprechung zu der Ausschlussvorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990 (jetzt: § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG) entwickeln. Danach reicht die bloße Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG für sich genommen noch nicht aus; vielmehr muss sich die von der Organisation ausgehende Gefährdung in der Person des Ausländers konkretisieren. Schwerwiegende Gründe liegen regelmäßig nicht schon dann vor, wenn der Betreffende sich für die Organisation etwa durch Teilnahme an deren Aktivitäten oder durch einzelne finanzielle Zuwendungen einsetzt. Vielmehr müssen bei einer am Gewicht des Ausschlussgrundes ausgerichteten Wertung die vom Ausländer ausgehenden Gefahren so gravierend sein, dass sie es rechtfertigen, das Refoulement-Verbot des Art. 33 GFK zurücktreten zu lassen. Das ist typischerweise erst dann der Fall, wenn der Flüchtling eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, in qualifizierter Weise, insbesondere durch eigene Gewaltbeiträge oder als Funktionär, unterstützt. Das kann sich daraus ergeben, dass er durch eigene erhebliche Gewalttätigkeit oder -bereitschaft für die Ziele der Organisation eintritt oder dass er durch seine strukturelle Einbindung in die Organisation, etwa durch Ausübung einer aktiven Funktionärstätigkeit, deren Gefährdungspotential mitträgt. Welche Art der Einbindung des Ausländers in die Organisation erforderlich und ausreichend ist, um in seiner Person die erhöhte Gefahrenschwelle zu erreichen, lässt sich nicht abstrakt beantworten, sondern hängt von einer wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalles ab, u.a. auch von dem Grad der Gefährlichkeit der jeweiligen Organisation, der etwa durch ihre Struktur, Größe und Gewaltbereitschaft bestimmt wird (vgl. Urteil vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 31.98 - BVerwGE 109, 1 <7 f., 10 f.> zu § 51 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1990).

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3. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung in der Sache mangels tatsächlicher Feststellungen zu der Frage, ob der Kläger wegen seiner Aktivitäten für den KONGRA-GEL aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist, nicht möglich. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung der Berufungsentscheidung an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

26

In dem neuen Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht seine revisionsgerichtlich nicht zu beanstandende Würdigung, dass der KONGRA-GEL eine Vereinigung ist, die den Terrorismus unterstützt, aktualisieren müssen. Des Weiteren wird es vor allem der Frage nachzugehen haben, ob der Kläger dem KONGRA-GEL angehört (hat) oder diesen unterstützt (hat) und ob ggf. seine Aktivitäten für diese Organisation in einer wertenden Gesamtbetrachtung die erhöhte Gefahrenschwelle überschreiten. Dazu ist der Sachverhalt zuallererst unter Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel gemäß § 86 Abs. 1 VwGO dahingehend aufzuklären, ob der Kläger - was er selbst bestritten hat - bei den ihm von der Beklagten entgegengehaltenen Veranstaltungen tatsächlich anwesend war. Bei der Aufklärung von Einzelheiten und Hintergründen der betroffenen Veranstaltungen sowie der Rolle des Klägers hat das Berufungsgericht, wenn es auf die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zurückgreift, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verwertung von V-Mann-Aussagen durch Ermittlungsbeamte als sog. Zeugen vom Hörensagen zu beachten (vgl. zuletzt BVerfG, Kammer-Beschluss vom 8. Oktober 2009 - 2 BvR 547/08 - NJW 2010, 925 m.w.N. und grundlegend Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250 <273 ff.>). Zusätzlich bestehen die besonderen Aufklärungsmöglichkeiten nach § 99 VwGO.

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Das Oberverwaltungsgericht hat, wenn es die Teilnahme des Klägers an einer Veranstaltung der wertenden tatrichterlichen Gesamtbetrachtung zugrunde legen will, sich von dessen Anwesenheit Gewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu verschaffen. Zwar verlangt § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG für die Zugehörigkeit zu der Organisation bzw. deren individuelle Unterstützung nicht die volle Überzeugungsgewissheit des Gerichts, sondern es reicht aus, dass Tatsachen diese Schlussfolgerung rechtfertigen (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2011 - BVerwG 1 C 13.10 - Rn. 16 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE bestimmt). Das abgesenkte Beweismaß steht insoweit auch bei Anwendung der Vorschrift auf anerkannte Flüchtlinge im Einklang mit den Anforderungen des Unionsrechts, da Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG stichhaltige Gründe für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaates ausreichen lässt. Soweit es allerdings um die Frage geht, ob die Anknüpfungstatsachen, die als Indizien für die tatrichterliche Schlussfolgerung der Zugehörigkeit zu einer Organisation bzw. deren individueller Unterstützung dienen sollen, tatsächlich vorliegen, lässt die Vorschrift das Regelbeweismaß des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO unberührt.

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Neben der Teilnahme an Demonstrationen und Kundgebungen wird das Berufungsgericht mit Blick auf die erhöhte Gefahrenschwelle sein Augenmerk insbesondere der Teilnahme an den sog. "Frontarbeitertreffen" zuwenden, die - so zumindest die tatsächliche Würdigung des Verwaltungsgerichts im Urteil vom 7. Juli 2009 betreffend den Vorprozess um die Ablehnung der Niederlassungserlaubnis - der Zusammenkunft von Aktivisten unterhalb der leitenden Funktionärebene dienen. Eine aktive Teilnahme daran könnte - wiederum die tatsächliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts unterstellt - für eine strukturelle Einbindung in die Organisation sprechen, durch die der Betreffende deren Gefährdungspotential mitträgt.

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