Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (3. Senat) - 3 C 10/12
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Verlängerung der (fiktiven) Zulassung für das von ihr vertriebene Arzneimittel "magnerot classic Tabletten" mit jeweils 500 mg Magnesiumorotat als arzneilich wirksamen Bestandteil. Das Arzneimittel wurde im Juni 1978 mit folgenden Anwendungsgebieten angezeigt:
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"Arteriosklerose, Arteriitis und Arteriolitis, Störungen des Lipidstoffwechsels, Angina pectoris, Stenocardie, Schutztherapie gegen Herzinfarkt und Myocardnekrose."
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Am 11. Dezember 1989 stellte die Klägerin den sogenannten Kurzantrag auf Verlängerung der Zulassung und gab als Anwendungsgebiete an:
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"Arteriosklerose, Arteriitis und Arteriolitis, Muskelkrämpfe, Rhythmusstörungen, Störungen des Lipidstoffwechsels, Angina pectoris, Stenokardie, Schutztherapie gegen Herzinfarkt und Myokardnekrosen, Krampfzustände der glatten und quergestreiften Muskulatur auf Grund von Magnesiummangel. Nächtliche Wadenkrämpfe. Neuromuskuläre Übererregbarkeit. Zur Magnesiumkompensation bei Diäten und Ernährungsstörungen. Bei medikamentös verursachtem Magnesiummangel, z. B. Diuretika und Laxantien."
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Im Verlauf des Nachzulassungsverfahrens änderte die Klägerin weitere Male die Beschreibung der Anwendungsgebiete. Im Dezember 2003 bemängelte die Beklagte, dass das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ausreichend geprüft worden und die angegebene therapeutische Wirksamkeit unzureichend begründet sei. Im Antwortschreiben vom November 2004 reichte die Klägerin weitere Unterlagen ein und modifizierte abermals die beanspruchten Anwendungsgebiete.
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Die Beklagte versagte die Nachzulassung des Arzneimittels mit Bescheid vom 4. Oktober 2005. Den beanstandeten Mängeln sei nicht vollständig abgeholfen worden. Das Arzneimittel sei nicht im Sinne von § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden und die angegebene therapeutische Wirksamkeit unzureichend begründet (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG). Zum Beleg der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hätten klinische Studien vorgelegt werden müssen, die den Anforderungen an klinische Prüfungen entsprächen.
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Mit ihrer am 2. November 2005 erhobenen Klage hat die Klägerin weitere Literaturauszüge und Sachverständigengutachten vorgelegt und nach Durchführung eines Erörterungstermins den Klageantrag umgestellt auf Verpflichtung der Beklagten zur Verlängerung der Zulassung für eine adjuvante Therapie der zuletzt beanspruchten Anwendungsgebiete. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Verlängerung sei bereits deshalb abzulehnen, weil die fiktive Zulassung schon im Nachzulassungsverfahren erloschen sei. Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 AMG a.F. sei nach der Erweiterung der Anwendungsgebiete eine neue arzneimittelrechtliche Zulassung zu beantragen. Eine solche Erweiterung der Anwendungsgebiete habe die Klägerin mit dem Verlängerungsantrag aus dem Jahr 1989 vorgenommen. Sie habe nämlich die 1978 angezeigten Anwendungsgebiete um "Muskelkrämpfe, Krampfzustände usw." ergänzt.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin, mit der sie den erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt hat, zurückgewiesen. Die Zulassung sei zwar entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht durch die Hinzufügung von Anwendungsgebieten erloschen, weil die Erweiterung abtrennbar und rückgängig zu machen sei. Dafür sprächen vor allem die grundrechtlich geschützte Position des pharmazeutischen Unternehmers sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die 1978 entstandene fiktive Zulassung sei somit nicht insgesamt erloschen, allerdings auch nicht um die unzulässig hinzugefügten Anwendungsgebiete erweitert worden. Die Zulassung sei jedoch durch die unzulässige Änderung der beanspruchten Indikationen in eine adjuvante Therapie erloschen. Im Nachzulassungsverfahren sei bei Fertigarzneimitteln bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung eine die Anwendungsgebiete betreffende Änderung nur zulässig, sofern sie zur Behebung der von der zuständigen Bundesoberbehörde dem Antragsteller mitgeteilten Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich sei. Die Beklagte habe aber eine entsprechende Forderung nicht gestellt. Die Umstellung sei eine Änderung des Anwendungsgebietes. Eine (nur) unterstützende Wirkung eines Arzneimittels erfordere eine andere Risiko-Nutzen-Bewertung. Zwar werde nicht wie im Verhältnis von Heil- und Schutztherapie ein anderer Patientenkreis angesprochen, sondern (nur) der Beitrag zum Heilerfolg durch das Arzneimittel. Allerdings würden bei bloß adjuvanter Wirkung regelmäßig noch weitere Arzneimittel angewendet, was die Frage von möglichen Wechselwirkungen und jeweils geeigneter Dosierung aufwerfe. Daran ändere nichts, dass die Zulassung für eine adjuvante Therapie erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt worden sei und die Klägerin diese Änderung nur zur Diskussion mit der Beklagten habe stellen wollen. Entscheidend sei, dass eine entsprechende Änderung durch Übernahme in den maßgeblichen Antrag Verbindlichkeit erlangt habe. Unabhängig vom Erlöschen der Zulassung bestünden Versagungsgründe, weil die therapeutische Wirksamkeit des Arzneimittels nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet und diesem Mangel nicht innerhalb der von der Zulassungsbehörde gesetzten Frist abgeholfen worden sei. Zudem entspreche das vorgelegte Erkenntnismaterial nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse.
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Der Senat hat auf die Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 7. Februar 2012 die Revision zugelassen; der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. Februar 2012 zugegangen. Nachdem er vom Senat am 28. März 2012 darauf hingewiesen worden ist, dass die Revision unzulässig sei, weil sie nicht bis zum 15. März 2012 begründet worden sei, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 28. März 2012 die Revisionsbegründung vorgelegt und am 30. März 2012 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungsfrist gestellt.
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Zur Begründung der Revision macht die Klägerin geltend: Das Berufungsurteil verletze Bundesrecht, weil es in der Stellung eines Klageantrags zugleich eine Änderungsanzeige sehe. Der Klageantrag sei nur eine innerprozessuale Erwirkungshandlung, die nicht die Anforderungen an eine verwaltungsrechtliche Willenserklärung wie eine Änderungsanzeige im Sinne des § 29 AMG erfülle. Der Klageantrag sei zudem rücknehm- und änderbar, während eine unzulässige Änderung des Arzneimittels zum unwiderruflichen Erlöschen der Zulassung führe. Die Ansicht des Berufungsgerichts sei umso unverständlicher, als es selbst auf die Stellung eines solchen Klageantrags im Berufungsverfahren hingewirkt habe. Darin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Zu Widersprüchen führe die Ansicht des Berufungsgerichts auch bezüglich des maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes. Im Übrigen müsse zwischen der tatsächlichen Änderung des Arzneimittels und der entsprechenden Erklärung unterschieden werden. Eine tatsächliche Umstellung der Anwendungsgebiete auf die im Klageantrag beantragten Anwendungsgebiete sei nie erfolgt. Das Berufungsgericht gehe auch zu Unrecht davon aus, dass der Übergang von einer kurativen zu einer adjuvanten Therapie eine Änderung der Anwendungsgebiete darstelle. Beide Formen behandelten dieselben Krankheitsbilder und ein identisches Patientenkollektiv. Es handele sich lediglich um eine Einschränkung im Sinne einer Präzisierung der eingesetzten Präparate. Das Berufungsurteil leide außerdem an schwerwiegenden Verfahrensmängeln, die zu einer Zurückverweisung führen müssten. Das Gericht hätte zur Vermeidung einer Gehörsverletzung noch vor der mündlichen Verhandlung auf seine überraschende Rechtsauffassung hinweisen müssen. Stattdessen habe es noch darauf hingewirkt, dass der erstinstanzliche Antrag im Berufungsverfahren fortgeführt werde. Darin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Bei einem rechtzeitigen Hinweis vor Stellung der Berufungsanträge hätte sie den Antrag anders gefasst. Das faire Verfahren und das Recht auf rechtliches Gehör seien außerdem dadurch verletzt worden, dass der Berichterstatter ihr zugesichert habe, es komme auf materielle Fragen der therapeutischen Wirksamkeit nicht an und sie dadurch von einem Vertagungsantrag abgehalten habe, obwohl das Gericht im Urteil gleichwohl auch auf diesen Aspekt abgestellt habe.
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Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Bei der Umstellung auf eine adjuvante Therapie handele es sich um eine Änderung der Anwendungsgebiete. Es werde lediglich ein unterstützender Beitrag erwartet bei Patienten, die primär mit anderen Arzneimitteln für das empfohlene Anwendungsgebiet behandelt würden. Es bestünden also erhebliche Unterschiede zwischen den Patientenkollektiven. Auch unterschieden sich die klinischen Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit unter anderem hinsichtlich Komedikation, Dosierungsempfehlungen und Wechselwirkungen. Unabhängig davon sei die Zulassung bereits durch die unzulässigen Änderungen im Verwaltungsverfahren erloschen.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit übermittelt. Danach könne in einem Klageantrag, der bestimmte Indikationen nenne, eine unzulässige Änderung des Arzneimittels gesehen werden. Sie führe zum Erlöschen der fiktiven Zulassung.
Entscheidungsgründe
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1. Die Revision ist zulässig. Der Klägerin ist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist zu gewähren, weil die Revisionsbegründungsschrift nach dem durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemachten Vortrag bei gewöhnlichem Postlauf in jedem Fall bis zum Ende der Frist bei Gericht eingegangen wäre, wenn sie nicht auf dem Postweg verloren gegangen wäre. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zudem binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses, also der Unkenntnis vom Verlust der Sendung auf dem Postweg, gestellt worden (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Zu einer Erkundigung über den rechtzeitigen Eingang der Revisionsschrift bei Gericht, die zu einem früheren Wegfall des Hindernisses geführt hätte, war der Prozessbevollmächtigte mangels besonderer Umstände, die eine mögliche Verfristung hätten nahe legen können, nicht verpflichtet (vgl. Beschluss vom 25. November 2002 - BVerwG 8 B 112.02 - Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 17 = juris Rn. 4; BFH, Urteil vom 5. Juli 1996 - VI R 72/93 - juris Rn. 15).
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2. Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht, so dass weder die beantragte Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung an das Berufungsgericht in Betracht kommt noch die hilfsweise beantragte Verpflichtung der Beklagten, über die Zulassung für bestimmte, in der Revisionsinstanz abermals - insoweit schon prozessual unzulässig (§ 142 Abs. 1 VwGO) - modifizierte Indikationen erneut zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin wegen unzulässiger Änderungen der Anwendungsgebiete keinen Anspruch auf Verlängerung der fiktiven Zulassung hat. Insoweit liegen auch keine Verfahrensfehler vor. Dieser Begründungsstrang trägt das Urteil selbständig. Auf die weitere Begründung in dem Urteil, nach der die Klage auch deshalb keinen Erfolg habe, weil die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nicht ausreichend nachgewiesen worden seien, und auf die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensrügen kommt es somit für die Revision nicht an.
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Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 105 Abs. 4f Satz 1 Halbs. 1 AMG, wonach eine Arzneimittelzulassung nach § 105 Abs. 1 AMG auf Antrag um fünf Jahre zu verlängern ist, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Voraussetzung ist zunächst, dass eine fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG entstanden ist und zum Zeitpunkt der Verlängerungsentscheidung noch fortbesteht.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Zulassung des Arzneimittels wegen der Änderung der Anwendungsgebiete durch den Verlängerungsantrag aus dem Jahr 1989 erloschen ist, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, oder ob der Klägerin diese Änderung nicht mehr vorgehalten werden kann, nachdem die Beklagte im Mängelbeseitigungsverfahren ersichtlich vom Fortbestand der Zulassung ausgegangen und in die Stufe der materiellen Prüfung eingetreten ist. Jedenfalls scheitert der Anspruch der Klägerin daran, dass sie im Klageverfahren die beanspruchten Indikationen abermals umgestellt hat und darin eine im Nachzulassungsverfahren unzulässige Änderung liegt.
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a) Für die Frage des Klageerfolgs ist auf diejenigen Anwendungsgebiete abzustellen, mit denen die Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung des Arzneimittels begehrt wird. Sie ergeben sich hier aus dem Klageantrag, den die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht gestellt und vor dem Berufungsgericht weiterverfolgt hat und den sie im Revisionsverfahren nicht mehr ändern kann (§ 142 Abs. 1 VwGO). Der Einwand der Klägerin, bei dem Klageantrag handele es sich lediglich um eine innerprozessuale Erwirkungshandlung und keinen Antrag auf Änderung des Arzneimittels, führt nicht weiter. Wenn mit dem Klageantrag eine von der fiktiven Zulassung abweichende Zulassung beansprucht wird, kann dies von vornherein nur dann Erfolg haben, wenn darin zugleich ein Antrag auf Änderung der Zulassung gesehen wird, um die notwendige Kongruenz zwischen dem Verlängerungsbegehren und der fiktiven Zulassung herzustellen. Das Berufungsgericht hat somit zu Recht geprüft, ob es sich bei den Abweichungen zwischen Klageantrag und fiktiver Zulassung um zulässige Änderungen handelt. Insoweit gilt nichts anderes als bei einer Bezugnahme auf die Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat nach § 105 Abs. 4c AMG. Dazu hat der Senat bereits entschieden, dass die Bezugnahme auf ein Referenzarzneimittel mit teilweise abweichenden Merkmalen zugleich als - auf ihre Zulässigkeit hin zu prüfende - Anpassung des nachzuzulassenden Arzneimittels an das Referenzarzneimittel zu verstehen ist (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 3 C 2.11 - Buchholz 418.32 AMG Nr. 61 = juris Rn. 23).
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b) Bei den Abweichungen zwischen der fiktiven Zulassung und den mit dem Klageantrag begehrten Anwendungsgebieten handelt es sich um unzulässige Änderungen. Nach § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG in der bis heute geltenden Fassung des Zehnten Änderungsgesetzes zum AMG vom 4. Juli 2000 (BGBl I S. 1002) ist unter anderem eine Änderung nach § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 AMG, soweit sie die Anwendungsgebiete betrifft, nur dann zulässig, sofern sie zur Behebung der von der zuständigen Bundesoberbehörde dem Antragsteller mitgeteilten Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich ist. Gemäß § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 AMG darf eine Änderung der Angaben über die Anwendungsgebiete, soweit es sich nicht um die Zufügung einer oder Veränderung in eine Indikation handelt, die einem anderen Therapiegebiet zuzuordnen ist, erst vollzogen werden, wenn die zuständige Bundesoberbehörde zugestimmt hat. § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 AMG unterscheidet diese Änderungen von weiterreichenden Indikationsänderungen, welche nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AMG eine Neuzulassungspflicht des Arzneimittels auslösen. Mit der durch § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG für das Nachzulassungsverfahren vorgenommenen Einschränkung der Anwendung des § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 AMG bezweckte der Gesetzgeber eine Beschleunigung und eine eindeutige Festlegung des Präparats bis zum Abschluss der Nachzulassung (vgl. amtl. Begründung zur 10. AMG-Novelle, abgedr. bei Kloesel/Cyran, AMG, § 105). Die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Änderung liegen nicht vor.
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aa) Die im Klageverfahren erfolgte Umstellung von einer Heiltherapie auf eine adjuvante, also nur unterstützende Therapie ist ebenso wie eine Umstellung von einer "Schutztherapie" auf eine adjuvante Therapie eine die Angaben über die Anwendungsgebiete betreffende Änderung nach § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 AMG, ohne dass es weiter darauf ankäme, ob dadurch überdies das Therapiegebiet verlassen wird. Der Begriff des Anwendungsgebietes ist gleichbedeutend mit dem in der medizinischen Wissenschaft gebräuchlichen Begriff "Indikation" und bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung oder den Nutzen des Arzneimittels für den Patienten, benennt also die Leiden, Körperschäden oder Krankheiten, zu deren Beseitigung, Linderung oder Verhütung sich das Mittel als geeignet erwiesen hat (Kloesel/Cyran, AMG, § 11 Anm. 36). Dazu zählt notwendigerweise auch der Indikationsanspruch, also die Frage, ob ein Mittel Krankheiten vorbeugt, sie heilt oder eben ein anderes Heilmittel lediglich unterstützt (vgl. Schraitle, in: Fuhrmann/Klein-Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2010, § 6 Rn. 85). Je nach Indikationsanspruch ändern sich insbesondere die Anforderungen an die Wirksamkeit des Arzneimittels und an seine Unbedenklichkeit. Demgemäß hat das Berufungsgericht allgemein festgestellt, dass die Inanspruchnahme einer bloß unterstützenden Wirkung eine andere Nutzen-Risiko-Bewertung erforderlich macht als die von einem Medikament allein erwartete heilende Wirkung. Verfahrensrügen gegen diese Feststellung hat die Klägerin nicht erhoben. Sie entspricht im Übrigen der allgemeinen Erfahrung; denn Risiken und Nebenwirkungen eines Arzneimittels können nur im Lichte seiner Wirksamkeit für die Heilbehandlung angemessen bewertet werden. Außerdem sind bei einer bloß unterstützenden Wirkung auch die Verträglichkeit oder mögliche Wechselwirkungen mit dem Hauptmittel in den Blick zu nehmen. Demgemäß hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass die vorzulegenden Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sich an dem jeweiligen Indikationsanspruch ausrichten müssen. Ob deshalb in einem Wechsel des Indikationsanspruchs bereits eine Veränderung in eine Indikation liegt, die einem anderen Therapiegebiet zuzuordnen ist, mag dahinstehen. Jedenfalls gebietet es der Gedanke der Arzneimittelsicherheit, darin eine Änderung der Angaben über das Anwendungsgebiet zu sehen.
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Diese Sichtweise entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 29 Abs. 2a AMG. Ursprünglich kannte die Vorschrift nur Änderungen, die lediglich eine Anzeigepflicht auslösen und solche, die zu einer Neuzulassung verpflichten (vgl. § 29 in der Fassung des Arzneimittelgesetzes vom 24. August 1976, BGBl I S. 2445). Mit Absatz 2a sind bestimmte bislang lediglich anzeigepflichtige Änderungen zu einer dritten Gruppe zusammengefasst worden, bei der die zuständige Bundesoberbehörde der angezeigten Änderung zustimmen muss. Dadurch sollte in diesen Fällen das Schutzniveau unterhalb der Neuzulassungspflicht des § 29 Abs. 3 AMG angehoben werden, weil sich herausgestellt hatte, dass in bestimmten Fällen Änderungsanzeigen doch einer materiellen Prüfung bedürfen (vgl. die amtl. Begr. zur 2. AMG-Novelle, abgedr. bei Kloesel/Cyran, AMG, § 29). Änderungen des Indikationsanspruchs gehören zu diesen Fällen, weil sie Auswirkungen auf die Beurteilung der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit haben können sowie - bei einem Wechsel zwischen einer Schutz- und einer Heiltherapie - obendrein einen anderen Patientenkreis ansprechen.
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Soweit das Urteil des Senats vom 15. Dezember 2011 (a.a.O. Rn. 23) in eine andere Richtung zu zeigen scheint, lag dem eine andere Anspruchsgrundlage zugrunde, nämlich die Berufung auf eine Referenzzulassung nach § 105 Abs. 4c AMG, welche in jenem Fall unter anderem durch den Zusatz bei den Anwendungsgebieten "zur unterstützenden Anwendung bei ..." von der fiktiven Zulassung abwich. Der Senat hat unter Bezugnahme auf die im Nachzulassungsverfahren gegebenen Änderungsmöglichkeiten angenommen, dass das Arzneimittel an das Referenzmittel angepasst werden könne; denn bei der Bezugnahme auf eine Referenzzulassung ist - ähnlich wie bei der Anpassung von Altarzneimitteln an Monographien der Aufbereitungskommissionen - die geänderte Form des Arzneimittels bereits geprüft und gebilligt worden. Hier geht es indes um Änderungen, die gerade noch nicht auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hin geprüft worden sind.
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bb) Die Änderung des Indikationsanspruchs war nicht zur Mängelbehebung erforderlich im Sinne des § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG. Die Beklagte hatte der Klägerin eine solche Umstellung im Mängelschreiben nicht aufgegeben oder sonst gefordert. Sie ist deshalb unzulässig.
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Das gilt auch für die im Klageverfahren beantragte Indikation "Behandlung der Hypertonie". Zwar hat die Klägerin insoweit schon im Mängelantwortschreiben (nur) die Zulassung für eine adjuvante Therapie beantragt, weshalb unter dem Aspekt des Indikationsanspruchs keine Änderung des Anwendungsgebietes im Klageverfahren eingetreten ist. Die Klägerin kann das Anwendungsgebiet Hypertonie aber deshalb nicht beanspruchen, weil insoweit schon keine fiktive Zulassung entstanden ist. Sie hat das Anwendungsgebiet erstmals im Mängelantwortschreiben im Jahr 2004 beantragt; es war zuvor weder von der Anzeige erfasst noch im weiteren Verfahren durch eine zulässige Änderung hinzugenommen worden.
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3. Das Urteil beruht, soweit es sich auf eine unzulässige Änderung des Arzneimittels als Begründung für die Klageabweisung stützt, nicht auf einem Verfahrensmangel.
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Die Klägerin sieht sich zunächst in ihrem Recht auf ein faires Verfahren und in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil das Berufungsgericht ohne vorherigen Hinweis überraschende Rechtsauffassungen vertreten habe, auf die sie schon vor der mündlichen Verhandlung hätte hingewiesen werden müssen, um entsprechend vorbereitet die Verhandlung bestreiten zu können. Diese Einwände greifen nicht durch. Soweit sie auf die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zielen, wonach die unzulässige Hinzufügung von Anwendungsgebieten nicht zum Erlöschen der fiktiven Zulassung führe, solange der unzulässige Teil ohne Weiteres abtrennbar sei, kann sich die Klägerin schon deshalb nicht auf einen Verfahrensmangel berufen, weil diese Rechtsansicht für sie nur vorteilhaft gewesen ist. Andernfalls hätte das Berufungsgericht schon aus diesem Grund das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Zum anderen bezieht die Klägerin sich auf die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach eine Änderung in eine bloß unterstützende Anwendung unzulässig sei und zu einem Erlöschen der fiktiven Zulassung führe. Diese Aspekte sind aber nach dem eigenen Vortrag der Klägerin in der Berufungsverhandlung erörtert worden; Vertagung hat die Klägerin nicht beantragt. Soweit das Berufungsgericht in dem Klageantrag zugleich eine auf ihre Zulässigkeit hin zu überprüfende Änderung der Anwendungsgebiete gesehen hat, durfte die Klägerin dies nicht ernstlich überraschen. Jede andere Betrachtungsweise hätte dazu geführt, dass die Klage schon wegen eines Auseinanderfallens von fiktiver Zulassung und Verlängerungsbegehren keinen Erfolg hätte haben können. Dieser Aspekt ist offensichtlich; der Prozessbevollmächtigte hätte damit rechnen müssen, dass er die Verpflichtung der Beklagten zur Verlängerung der fiktiven Zulassung mit abweichenden Anwendungsgebieten nur dann erreichen kann, wenn es sich dabei um zulässige Änderungen handelt. Schließlich bleibt der Vorwurf der Klägerin an das Berufungsgericht, ihr zu einem Klageantrag geraten zu haben, den es selbst für nicht sachdienlich angesehen habe, was es allerdings erst nach Stellung der Anträge zu erkennen gegeben habe. Das ändert jedoch nichts an der Verantwortung der anwaltlich vertretenen Klägerin für die gestellten Klageanträge; denn es blieb ihr unbenommen, nach Kenntnis der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ihre Klage zu ändern (§ 91 VwGO). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin dokumentierte telefonische Hinweis des Berichterstatters sich letztlich nicht ausgewirkt hat; denn das Berufungsgericht hat das Erlöschen der fiktiven Zulassung an den erstinstanzlichen Klageantrag geknüpft und angenommen, dass eine einmal erloschene Zulassung nicht durch eine nachträgliche abermalige Änderung gerettet werden könne. Auf der Grundlage dieses materiell-rechtlichen Standpunktes ergibt sich kein ursächlicher Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens in Verbindung mit § 86 Abs. 3 VwGO.
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Referenzen
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