Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 B 22/14

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 6. März 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

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Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das u.a. mit einem Hochhaus aus den 1970er Jahren bebaut ist. Die Beklagte gab ihr durch Bescheid auf, die dort vorhandenen Abfallschächte außer Betrieb zu nehmen und deren Öffnungen zu verschließen. Die dagegen erhobene Klage haben die Vorinstanzen abgewiesen (VG Köln, Urteil vom 3. Juli 2012 - 2 K 5193/10 - ZMR 2013, 158; OVG Münster, Urteil vom 6. März 2014 - 7 A 1844/12 - BauR 2014, 1272).

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1. Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob die § 17 Abs. 1, § 20 Abs. 2 KrWG konzeptionell einer landesrechtlichen Vorschrift entgegenstehen, welche unabhängig von einem erfolgten Entsorgungsausschluss durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf eine Trennung von Abfällen aus privaten Haushaltungen abzielt.

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Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Nach der für die Entscheidung im Revisionsverfahren maßgeblichen Auslegung des Landesrechts (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) kann bei Beachtung der weiteren Anforderungen nach § 46 Abs. 2 bis 5 BauO NRW die Erteilung einer Abweichung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW in Betracht kommen. In diesem Zusammenhang nennt das Oberverwaltungsgericht Sachverhalte, in denen der Betrieb eines Abfallschachts unter dem Gesichtspunkt der Mülltrennung unbedenklich sein möge, so etwa bei einem vollständigen Verzicht auf Mülltrennung durch den Entsorgungsträger (UA S. 14). Der Vorwurf der Beschwerde, § 46 Abs. 1 Satz 2 und 3 BauO NRW beabsichtige die faktische Durchsetzung der Mülltrennung auch für private Haushalte, losgelöst von der abfallrechtlichen Entscheidungszuständigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, setzt damit einen Inhalt des Landesrechts voraus, den ihm das Oberverwaltungsgericht nicht beigemessen hat.

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2. Die Frage,

ob die Befugnis der Behörde, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben des Mittels des Verwaltungsakts zu bedienen, im Wege der Gesetzesauslegung auch dann bejaht werden kann, wenn mehrere einschlägige gesetzliche Ermächtigungen bestehen, deren Anwendungsvoraussetzungen nicht einschlägig sind,

wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, § 46 Abs. 1 Satz 2 und 3 BauO NRW ermächtige zum Einschreiten durch Verwaltungsakt (UA S. 18), während die Voraussetzungen anderer, ausdrücklich geregelter Ermächtigungsgrundlagen des Landesrechts nicht vorlägen, wäre in einem Revisionsverfahren bindend (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Hiervon unabhängig hat das Bundesverwaltungsgericht die von der Beschwerde allgemein formulierte Frage bereits bejaht: Die Befugnis, durch Erlass eines Verwaltungsakts zu handeln, muss nicht stets ausdrücklich in der gesetzlichen Grundlage erwähnt sein, es reicht aus, wenn sie sich einem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (Urteil vom 7. Dezember 2011 - BVerwG 6 C 39.11 - BVerwGE 141, 243 Rn. 14 f.). Dabei steht das Vorliegen ausdrücklich geregelter Ermächtigungsnormen der Auslegung weiterer Vorschriften im Sinne impliziter Ermächtigungsnormen nicht entgegen (Urteile vom 22. November 1994 - BVerwG 1 C 22.92 - BVerwGE 97, 117 <121> und vom 7. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 24).

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3. Die Frage,

ob das verfassungsrechtliche Gebot der rationellen Ziel-findung bei der Beschränkung grundrechtlicher Freiheiten im Rahmen der legislatorischen Zwecksetzungskompetenz gewahrt wird, wenn der Gesetzgeber schlagwortartig auf die Zielsetzungen eines anderen Gesetzes und (gegebenenfalls) auch auf "Erfahrungen" in der Vergangenheit verweist,

bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (BVerfG, Beschlüsse vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 <240 f.> und vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91 und 1 BvR 315/99 - BVerfGE 102, 1 <17>), zu dessen Anforderungen die Verfolgung eines legitimen Zwecks gehört. Es liegt auf der Hand, dass auch der Verweis auf bestehende Regelungen einen solchen legitimen Zweck "schlagwortartig" bezeichnen kann. Wann eine solche Bezeichnung im Einzelfall ausreicht, entzieht sich rechtsgrundsätzlicher Klärung. Welche weiteren Folgen die Beschwerde einem "verfassungsrechtlichen Gebot rationeller Zielfindung" (richtig wohl: "rationaler Zielfindung") entnehmen will, legt sie nicht im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dar.

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4. a) Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,

ob es für die Geeignetheit einer gesetzlichen Regelung im Sinne des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Darlegung von tatsächlichen Anhaltspunkten durch den Gesetzgeber bedarf, welche den Schluss zulassen, eine gesetzliche Maßnahme werde einen Beitrag zum Erreichen des mit ihr verfolgten Zieles leisten.

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Die Frage bedarf ebenfalls keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Für die Eignung einer gesetzlichen Regelung reicht es aus, wenn jedenfalls die Möglichkeit einer Zweckerreichung besteht (BVerfG, Beschlüsse vom 12. Dezember 2006 - 1 BvR 2576/04 - BVerfGE 117, 163 <188 f.> und vom 8. Juni 2010 - 1 BvR 2011/07, 1 BvR 2959/10 - BVerfGE 126, 112 <144>; stRspr). Dass Bundesrecht hierfür die Darlegung von tatsächlichen Anhaltspunkten durch den Gesetzgeber nicht fordert, folgt schon daraus, dass es die Begründung von Gesetzentwürfen nicht verlangt (Redeker/Karpenstein, NJW 2001, 2825 <2827>).

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b) Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang angenommene Abweichung von einem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Beschluss vom 18. Januar 1996 - 2Z BR 115/95 - NJWE-MietR 1996, 159) führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Denn die Vorschrift setzt eine Abweichung von Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts voraus.

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5. Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,

ob ein dauerhaftes bauordnungsrechtliches Nutzungsverbot für einen bestandskräftig genehmigten Raum, zu dessen zweckentsprechender Herstellung der Eigentümer aufgrund der zur Zeit seiner Errichtung geltenden gesetzlichen Vorschriften verpflichtet war, verfassungsgemäßer Gegenstand einer gesetzlichen Regelung sein kann, die weder eine konkrete Gefahr für Leben oder Gesundheit voraussetzt noch einen finanziellen Ausgleich für den vollständigen Entzug der privatnützigen Verwendbarkeit gewährt.

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Die Frage führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist die Nutzung der Abfallschächte durch die Baugenehmigung gedeckt (UA S. 17), der Gesetzgeber habe aber mit § 46 Abs. 1 Satz 2 und 3 BauO NRW die Anpassung der bestehenden Anlagen an geänderte Anforderungen angeordnet (UA S. 12). Diese Auslegung wäre in einem Revisionsverfahren maßgebend nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO. Denn in welchem Umfang das Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten Rechtsposition Schutz genießt, richtet sich nach der Norm, die hierfür die Grundlage bildet. Diese bestimmt auch, ob und wie sich nachträgliche Rechtsänderungen auf einen in früherer Zeit legal geschaffenen Baubestand auswirken (Urteil vom 7. November 1997 - BVerwG 4 C 7.97 - Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 316 S. 32).

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Das Oberverwaltungsgericht hat die Vorschrift für verhältnismäßig im engeren Sinn gehalten. Den Interessen der Betroffenen sei durch eine mehrjährige Übergangsfrist hinreichend Rechnung getragen, einer Ausgleichsleistung bedürfe es nicht (UA S. 15). Außerdem könne grundsätzlich auch die Erteilung einer Abweichung auf der Grundlage des § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW in Betracht kommen. Das Oberverwaltungsgericht hat sich dabei von den Vorgaben der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie leiten lassen. Im Rahmen der Eigentumsgarantie ist auch der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, der in Art. 14 Abs. 1 GG für vermögenswerte Güter eine eigene Ausprägung erfahren hat. Im Falle einer Änderung der Rechtsordnung muss der Gesetzgeber für Eingriffe in durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte subjektive Rechte legitimierende Gründe haben. Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die zu solchen Eingriffen führen, sind nur zulässig, wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind. Die Eingriffe müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2010 - 1 BvR 1627/09 - BRS 76 Nr. 160 m.w.N.). Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten, etwa durch Übergangsregelungen; Härtefällen im Einzelfall ist gegebenenfalls durch Dispens- und Abweichungsvorschriften entgegenzuwirken (BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999 - 1 BvL 7/91 - BVerfGE 100, 226 <245>). Die Beschwerde legt nicht - wie erforderlich - dar, dass dieser verfassungsrechtliche Maßstab selbst einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Klärungsbedarf aufwirft (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 1994 - BVerwG 4 B 266.94 - NVwZ 1995, 601 <602>).

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6. Hinsichtlich der Frage,

ob es dem Landesgesetzgeber aus Gründen der Kohärenz der gesetzlichen Regelung und der gebotenen Gleichbehandlung verwehrt ist, eine gesetzliche Regelung zu einem bundesrechtlich geregelten Lebenssachverhalt zu erlassen, wenn nicht auch Lebenssachverhalte mit vergleichbarem Regelungsbedarf einer gesetzlichen Reglementierung unterzogen werden,

genügt die Beschwerde nicht dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Vorschrift verlangt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Hierzu reichen die pauschalen Hinweise nicht aus, die Maßgeblichkeit von Kohärenzerwägungen sei kaum konturiert und es gebe auch außerhalb des Betriebs von Abfallschächten eine "verbreitete Fehlwurfproblematik". Insbesondere legt die Beschwerde nicht dar, für welche Regelungsbereiche sie eine gesetzliche Regelung vermisst, inwieweit diese dem Betrieb von Abfallschächten vergleichbar sein sollen und welche verfassungsrechtlichen Anforderungen sie dem von ihr behaupteten Kohärenzgebot entnehmen will.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

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