Urteil vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 CN 2/15
Tatbestand
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Die Antragstellerin, die L. Dienstleistungs-GmbH & Co. KG, wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan Nr. 381 "P.straße - Nutzungsarten" der Antragsgegnerin.
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Im Jahr 2010 schloss die Antragstellerin einen Kaufvertrag über ein Grundstück im Plangebiet und beantragte, vertreten durch die L. Vertriebs GmbH & Co. KG, eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Lebensmittelmarktes. Die Antragsgegnerin nahm den Bauantrag zum Anlass, den angegriffenen Bebauungsplan zu erlassen. In dem als vereinfachtes Verfahren nach § 13 BauGB geführten Planaufstellungsverfahren machte die Antragsgegnerin die öffentliche Auslegung des Planentwurfs und seiner Begründung am 23. April 2011 bekannt und wies darauf hin, dass ein Antrag nach § 47 VwGO unzulässig sei, "soweit" mit ihm Einwendungen geltend gemacht würden, die vom jeweiligen Antragsteller im Rahmen der Auslegung nicht oder verspätet geltend gemacht worden seien, aber hätten geltend gemacht werden können.
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Innerhalb der Auslegungsfrist erhob der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht, unter dem Betreff "L. B. ./. Stadt L., T.weg, AZ: ..." Einwendungen gegen die Planung. In dem Schreiben heißt es einleitend: "... wir zeigen an, dass wir die L. Vertriebs-GmbH & Co. KG B. vertreten. Unsere Mandantin hat am 24.03.2010 einen notariellen Kaufvertrag über das Grundstück T.weg 19 in L. geschlossen. Die L. Vertriebs-GmbH & Co. KG plant die Neuansiedlung eines Lebensmittelmarktes mit Stellplätzen auf dem Grundstück. Sie beantragte am 15.07.2010 die Erteilung einer Baugenehmigung, die mit Bescheid vom 06.12.2010 versagt wurde. Derzeit wird das Widerspruchsverfahren durchgeführt. Namens und in Vollmacht der L. Vertriebs-GmbH & Co. KG erheben wir folgende Einwendungen gegen den Bebauungsplan Nr. 381 'P.straße - Nutzungsarten'." Es folgte eine Reihe von Einwendungen unter mehrfacher Nennung der L. Vertriebs-GmbH & Co. KG.
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Der Beschlussvorschlag für den Stadtrat befasste sich mit diesen Einwendungen. Der Bebauungsplan wurde im Jahr 2012 beschlossen, ausgefertigt und im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 27. Oktober 2012 bekannt gemacht.
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Das Oberverwaltungsgericht hat den im März 2013 anhängig gemachten Normenkontrollantrag als unzulässig abgelehnt. Die Antragstellerin sei mit ihren Einwendungen nach § 47 Abs. 2a VwGO präkludiert. Sie habe im Rahmen der öffentlichen Auslegung keine Einwendungen erhoben. Die Einwendungen der L. Vertriebs GmbH & Co. KG seien ihr nicht als eigene Einwendungen zuzurechnen, die L. Vertriebs GmbH & Co. KG sei auch nicht als Vertreterin aufgetreten. Ob die zuständigen Mitarbeiter der Antragsgegnerin das Schreiben als eines der Antragstellerin verstanden hätten, sei unerheblich; für die Anwendung der Grundsätze über eine Falschbezeichnung bei übereinstimmendem Parteiwillen ("falsa demonstratio non nocet") sei kein Raum. Es lägen auch keine Mängel des Auslegungsverfahrens vor, die den Eintritt der Präklusion hinderten.
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Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Die Antragsgegnerin verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag im Einklang mit Bundesrecht als unzulässig abgelehnt. Dem Antrag steht § 47 Abs. 2a VwGO entgegen.
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Nach § 47 Abs. 2a VwGO ist der Antrag einer natürlichen oder juristischen Person, der einen Bebauungsplan zum Gegenstand hat, unzulässig, wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB) oder im Rahmen der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 und § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB) nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können, und wenn auf diese Rechtsfolge im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden ist. Die Vorschrift gilt auch für Personengesellschaften, die wie die Kommanditgesellschaft (KG) nach § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig sind (vgl. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 61 Rn. 5).
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1. Den Anforderungen des § 47 Abs. 2a VwGO genügen nur Einwendungen, die ihren Urheber erkennen lassen. Die Norm soll verhindern, dass sachliche Einwendungen ohne Not erst im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden, und dient der vom Gesetzgeber angestrebten Aufgabenverteilung zwischen Plangeber und Verwaltungsgerichten (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2014 - 4 CN 1.13 - BVerwGE 149, 88 Rn. 15). Die Regelung ist eine Konkretisierung des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses (BT-Drs. 16/2496 S. 18). Über das Vorliegen dieser Sachurteilsvoraussetzung kann das Gericht nur entscheiden, wenn Einwendungen einer bestimmten Person zugeordnet werden können. Nur wer durch eine Einwendung seinen Abwehrwillen (BVerwG, Urteil vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - NVwZ 2015, 301 Rn. 11) zum Ausdruck gebracht hat, soll noch zulässigerweise einen Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 2a VwGO stellen können. Im Übrigen dient es auch dem Interesse des jeweiligen Einwenders, wenn die Gemeinde die Einwendung zum Anlass nehmen kann, mit ihm das Gespräch zu suchen und seinen Belangen durch eine Umplanung Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1997 - 4 NB 39.96 - Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 6 S. 2 f.).
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Das Erfordernis, den Einwender kenntlich zu machen, entfällt auch nicht, wenn ein Dritter im eigenen Namen Belange eines späteren Antragstellers im Planaufstellungsverfahren einwendet und sich die Gemeinde mit diesen Belangen abwägend befasst. Allerdings wird in einem solchen Fall das materiell-rechtliche Ziel des Gesetzgebers erreicht, die jeweiligen Interessen rechtzeitig dem Abwägungsmaterial zuzufügen (BT-Drs. 16/2496 S. 18). Eine teleologische Reduktion des § 47 Abs. 2a VwGO scheidet indes auch in diesen Fällen aus, weil sie das Konzept des Gesetzgebers verfehlt, die Untätigkeit im Planaufstellungsverfahren prozessrechtlich zu sanktionieren: Die Planbetroffenen sollen nicht darauf vertrauen, ihre Belange würden im Planaufstellungsverfahren der Gemeinde schon anderweitig bekannt werden, sei es durch eigene Ermittlungen der Gemeinde, durch Behörden oder Interessenverbände, sei es durch andere Eigentümer oder sonstige Private. Es obliegt vielmehr den Planbetroffenen selbst, diese Belange zum Gegenstand von Einwendungen zu machen, wenn sie sich die Möglichkeit eines Normenkontrollverfahrens erhalten wollen. Daher greift die Präklusionswirkung des § 47 Abs. 2a VwGO selbst dann ein, wenn sich ein Belang der Gemeinde aufdrängen musste (BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 4 CN 3.10 - BVerwGE 138, 181 Rn. 9 f.) oder der Gemeinde ein Einwand gegen die Planung bekannt war und sie sich inhaltlich mit ihm befasst hat (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 4 BN 28.13 - ZfBR 2013, 580 Rn. 5).
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2. Die Antragstellerin hat im Planaufstellungsverfahren kein Einwendungsschreiben erhoben. Insbesondere ist das Schreiben vom 6. Juni 2011 keine Einwendung der Antragstellerin. Diese Auffassung des Oberverwaltungsgerichts teilt der Senat bei der ihm ohne Bindung an § 137 Abs. 2 VwGO aufgegebenen Prüfung des § 47 Abs. 2a VwGO (BVerwG, Urteile vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - NVwZ 2015, 301 Rn. 10 und vom 19. Februar 2015 - 1 C 13.14 - NJW 2015, 2358 Rn. 13).
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Bestehen Zweifel, wer eine Einwendung erhoben hat, bedarf es einer Auslegung. Allerdings ist hierfür nur Raum, soweit die Erklärung auslegungsbedürftig, also nicht eindeutig ist. Die Feststellung, dass eine Erklärung eindeutig ist, lässt sich allerdings ihrerseits erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 - 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222 Rn. 17). Das Gericht darf nach § 133 BGB nicht bei dem Wortlaut der Erklärung stehen bleiben, sondern hat den wirklichen Willen zu erforschen, wie er sich aus dem Inhalt und Zweck der Erklärung sowie den erkennbaren Begleitumständen objektiv ergibt (BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 2000 - 7 C 8.00 - Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 21 S. 17 f.). Maßgeblich ist nicht der wirkliche Wille des Erklärenden, sondern die objektive Erklärungsbedeutung, wie sie der Empfänger verstehen musste (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2012 a.a.O. Rn. 18).
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Der Wortlaut des Schreibens vom 6. Juni 2011 ist eindeutig. Es ist für die L. Vertriebs GmbH & Co. KG verfasst, nicht für die Antragstellerin. Es fehlt jeder Anhaltspunkt in dem anwaltlichen und ersichtlich sachkundig verfassten Schreiben, der auf eine andere natürliche oder juristische Person verweist. Dass nicht die L. Vertriebs GmbH & Co. KG, sondern die Antragstellerin Vertragspartnerin des Kaufvertrages aus dem Jahr 2010 und letztere auch Bauherrin im Baugenehmigungsverfahren ist, ändert hieran nichts: Das Schreiben war insoweit zwar fehlerhaft, da es aber an Anhaltspunkten für diese Fehlerhaftigkeit fehlte, konnte dieser Umstand keinen Zweifel an der Urheberschaft des Schreibens begründen.
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Zu einem abweichenden Ergebnis führt auch nicht der dem Privatrecht entstammende Grundsatz, wonach das übereinstimmend Gewollte Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung hat (falsa demonstratio non nocet) (BGH, Urteil vom 18. Januar 2008 - V ZR 174/06 - NJW 2008, 1658 Rn. 12; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 133 Rn. 8). Im Anwendungsbereich des § 47 Abs. 2a VwGO als Sachurteilsvoraussetzung ist für diesen Grundsatz nur insoweit Raum, als der von dem Einwender und der Gemeinde übereinstimmend erklärte und verstandene Inhalt auch für das Gericht erkennbar ist, wie dies im Fall einfacher Schreibfehler oder erkennbarer Zahlendreher der Fall sein mag. Ein solcher Fall liegt nicht vor. Im Übrigen müsste die Anwendung der falsa-demonstratio-Regel zu dem Ergebnis führen, dass einem Normenkontrollantrag der L. Vertriebs-GmbH & Co. KG § 47 Abs. 2a VwGO entgegenstände. Dieses Ergebnis ist angesichts des Wortlauts des Schreibens vom 6. Juni 2011 unhaltbar.
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Die Einwendung kann auch nicht einer die Antragstellerin und die L. Vertriebs-GmbH & Co. KG umschließenden unternehmerischen Gesamtheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit zugerechnet werden. Wenn eine wirtschaftliche Einheit selbständige Rechtssubjekte schafft, so trägt sie auch die Folgen dieser Konstruktion. Dies wird im Bauplanungsrecht augenfällig, wenn verschiedene juristische Personen unterschiedliche Belange etwa als Eigentümer, Pächter oder Mieter mit einem bestimmten Grundstück verfolgen, auch wenn sie wirtschaftlich als Einheit anzusehen sein mögen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2015 - 4 CN 5.14 - juris Rn. 9 ff.).
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3. Der Hinweis auf die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO war ausreichend, obwohl sich die Antragsgegnerin an § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BauGB in der Fassung des Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316) orientiert hat ("soweit") (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 4 CN 4.09 - BVerwGE 138, 84 Rn. 9). Die Präklusion des § 47 Abs. 2a VwGO setzt schließlich voraus, dass die ortsübliche Bekanntmachung der Auslegung des Planentwurfs nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB ordnungsgemäß erfolgt ist (BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2014 - 4 CN 1.13 - BVerwGE 149, 88 Rn. 19 und vom 11. September 2014 - 4 CN 3.14 - NVwZ 2015, 301 Rn. 12). Das Oberverwaltungsgericht hat dies in Übereinstimmung mit Bundesrecht bejaht, hiergegen hat auch die Revision keine Einwände erhoben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- VermG § 30 Antrag 1x
- VwGO § 137 1x
- V ZR 174/06 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 47 13x
- VwGO § 61 1x
- § 3 Abs. 2 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 1x
- § 13 BauGB 1x (nicht zugeordnet)