Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (2. Senat) - 2 B 51/17

Gründe

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1. Der 1968 geborene Beklagte steht als Studienrat im Dienst des Klägers. Aus seiner im Jahr 2009 geschiedenen Ehe ist ein Kind hervorgegangen. Ende 2014 war sein Gehaltskonto mit Pfändungen in Höhe von 145 718,33 € belastet.

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Zwischen 2009 und 2014 beging der Beklagte zahlreiche Straftaten. Soweit diese den Gegenstand des hiesigen Disziplinarverfahrens betreffen, ist er in fünf rechtskräftigen Urteilen und in sechs rechtskräftigen Strafbefehlen zu Geldstrafen, in einem Fall auch zu einer kurzen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Den genannten Straftaten lag in vier Fällen zu Grunde, dass der Beklagte in betrügerischer Absicht die Leistungen von Prostituierten in Anspruch genommen hatte, ohne willens und in der Lage zu sein, das vereinbarte Entgelt zu bezahlen. Die weiteren Straftaten betrafen Diebstähle, Beleidigungen, das Erschleichen von Leistungen, eine versuchte gefährliche Körperverletzung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort sowie das Führen eines Kraftfahrzeugs ohne Fahrerlaubnis und nach Kokainkonsum. Diese Straftaten bildeten im Kern den Gegenstand des im Jahr 2011 eingeleiteten und seither mehrfach erweiterten Disziplinarverfahrens.

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Auf die Disziplinarklage des Klägers hat das Verwaltungsgericht, welches nach dem Ausscheiden einzelner Disziplinarvorwürfe den Gegenstand des Disziplinarklageverfahrens auf die genannten Straftaten beschränkt hat, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte gegen die Wohlverhaltensklausel verstoßen und ein sehr schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe, indem er die zuvor aufgeführten Straftaten begangen habe. Bezüglich der Frage, ob bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ein Milderungsgrund wegen verminderter Schuldfähigkeit bestehe, hat sich das Oberverwaltungsgericht zunächst auf die Begründung des Verwaltungsgerichts bezogen. Danach ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, schwere andere seelische Abartigkeit oder Schwachsinn. Der Umstand, dass sich der Kläger im Jahr 2015 in psychotherapeutische Behandlung begeben habe, erlaube keinen Rückschluss auf die relevanten Jahre 2009 bis 2014. Das Oberverwaltungsgericht hat diesbezüglich ergänzt, dass auch die psychosomatische Erkrankung von Mai bis Anfang Juli 2009 ohne Bedeutung sei, weil der Kläger selbst im November 2009 ausgeführt habe, dass diese Erkrankung komplett geheilt sei. Die erste Straftat, die den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilde, sei zudem erst einen Tag nach Beendigung dieser Krankheit, am 4. Juli 2009, begangen worden. Im Hinblick auf den Umstand, dass sich der Beklagte zweimal freiwillig in die Behandlung einer in Trägerschaft des Landschaftsverbandes ... stehende Klinik begeben habe, liege beim Beklagten ein Missverständnis vor. Persönlichkeitsmängel seien eine Voraussetzung für die disziplinarische Höchstmaßnahme. Sie seien zu unterscheiden von einer seelischen Abartigkeit, welche Voraussetzung für die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit sei. Auch für eine verminderte Steuerungsfähigkeit infolge einer Drogenabhängigkeit seien keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben. Im Hinblick auf die Betrugshandlungen zulasten von Prostituierten spiele ein möglicher Drogenkonsum ebenfalls keine Rolle, weil der Beklagte diese Drogen zwar bei der Vornahme sexueller Handlungen durch die Prostituierten, jedoch zeitlich erst nach der Vollendung der Betrugshandlungen eingenommen habe. Schließlich sei eine abweichende Beurteilung auch nicht mit Blick auf das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. F. vom 7. Mai 2017 geboten, welches aufgrund eines Beweisbeschlusses des Landgerichts H. erstellt worden ist. Denn dieses Gutachten, nach dem aus forensisch-psychiatrischer Sicht die Voraussetzungen des § 21 StGB vorgelegen hätten, habe sich allein auf ein tatsächliches Verhalten am 25. Juli 2014, nicht hingegen auf diejenigen Zeitpunkte bezogen, welche den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildeten. Auch soweit die Klinikaufenthalte des Beklagten in diesem Gutachten Erwähnung finden, ergebe sich nichts anderes, weil die Klinikaufenthalte außerhalb der im Disziplinarverfahren zu beurteilenden Tatzeitpunkte stattgefunden hätten. Die einhergehende Diagnose, (u.a.) Kokainabhängigkeitssyndrom, gebe formal nichts für diese Tatzeitpunkte her. Auch wenn man zugunsten des Beklagten die versuchte gefährliche Körperverletzung und das Fahren ohne Fahrerlaubnis und unter Kokaineinfluss ausblende, sei das Vertrauen des Dienstherrn sowie der Allgemeinheit angesichts der Vielzahl der übrigen in Rede stehenden Straftaten als endgültig verloren anzusehen.

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2. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Rechtsstreit gemäß § 67 LDG NRW i.V.m. § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen vor, weil das Berufungsurteil auf dem vom Beklagten geltend gemachten Verstoß gegen die Aufklärungspflicht beruhen kann. Das Oberverwaltungsgericht hätte den Hinweisen auf eine psychische Erkrankung des Beklagten und den Drogenmissbrauch durch ihn weiter nachgehen müssen.

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Im gerichtlichen Disziplinarverfahren haben die Tatsachengerichte nach § 57 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW und § 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 65 Abs. 1 LDG NRW grundsätzlich selbst und von Amts wegen diejenigen Tatsachen zu ermitteln und festzustellen, die für den Nachweis des Dienstvergehens und die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von Bedeutung sind (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 20). Entsprechend § 86 Abs. 1 VwGO folgt daraus die Verpflichtung, diejenigen Maßnahmen der Sachaufklärung zu ergreifen, die sich nach Lage der Dinge aufdrängen. Dies gilt gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW (entspricht § 58 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG) auch für die Berufungsinstanz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2).

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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 58 Abs. 1 BDG, § 3 BDG i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO nach § 65 BDG i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Die Aufklärungsrüge stellt zudem kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es unterlassen hat, einen Beweisantrag zu stellen. Deshalb muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.>; Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 29. März 2017 - 2 B 26.16 - juris Rn. 7 f.).

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Die Verwaltungsgerichte treffen bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme eine eigene Bemessungsentscheidung gemäß § 13 LDG NRW. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 2 LDG NRW nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Das Bemessungskriterium "Persönlichkeitsbild des Beamten" gemäß § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Es erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation davon abweicht (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <259 f.> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 14). In diesem Zusammenhang haben die Verwaltungsgerichte auch der Frage einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20 und 21 StGB nachzugehen, wenn der Sachverhalt hinreichenden Anlass bietet. Lässt sich nach erschöpfender Sachaufklärung ein Sachverhalt nicht ohne vernünftigen Zweifel ausschließen, dessen rechtliche Würdigung eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Beamten ergibt, so ist dieser Gesichtspunkt nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" in die Gesamtwürdigung einzustellen. Dies trägt auch der disziplinarrechtlichen Geltung des Schuldprinzips und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung (BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 30 und vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 27).

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Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20 und 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (vgl. BGH, Urteile vom 27. November 1959 - 4 StR 394/59 - BGHSt 14, 30 <32> und vom 21. November 1969 - 3 StR 249/68 - BGHSt 23, 176 <190>; stRspr). Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt (vgl. BGH, Urteile vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03 - NStZ 2004, 437 und vom 22. Oktober 2004 - 1 StR 248/04 - NStZ 2005, 329 <330>). Für die Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit sind schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen wie etwa Psychopathien, Neurosen, Triebstörungen, leichtere Formen des Schwachsinns, altersbedingte Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Auflage 2014, § 21 Rn. 2 m.w.N.). Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab. Aufgrund dessen wird sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 34 und vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 30).

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Auch wenn der Beklagte keinen - an sich naheliegenden - Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht gestellt hat, hätte sich anhand dieser Maßstäbe dem Oberverwaltungsgericht eine weitergehende Sachverhaltsermittlung dahingehend aufdrängen müssen, ob der Beklagte die Dienstvergehen in einem Zustand verminderter Einsichts- und Steuerungsfähigkeit infolge einer psychischen Erkrankung und/oder Drogenabhängigkeit begangen hat. Dafür sprechen folgende tatsächliche Gesichtspunkte, die sich aus den vom Berufungsgericht beigezogenen Akten ergeben:

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Dem Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. F. vom 7. Mai 2017 vorgelegen, welches dieser aufgrund des Beweisbeschlusses des Landgerichts H. in einem weiteren, gegen den Beklagten gerichteten Strafverfahren, welches nicht den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet, erstellt hat. In dem Gutachten zitiert Prof. Dr. F. aus dem Arztbericht der ...-Klinik D., welche den Beklagten vom 13. bis 17. April 2012 stationär aufgenommen hatte. Als Diagnose (nach ICD 10) wird dort u.a. genannt: Kokainabhängigkeitssyndrom (F 14.2), akute, vorübergehende psychotische Störung, nicht näher bezeichnet (F 23.9), Kokainentzugssyndrom (F 14.3), rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F 33.1), psychische und Verhaltensstörung durch Kokain (F 14.6), akute Belastungsreaktion (F 43.0). Im Rahmen des von Prof. Dr. F. durchgeführten Borderline-Persönlichkeitsinventars hat der Beklagte Werte erzielt, die nach Angaben des Gutachters für erhebliche Normabweichungen im Sinne einer emotionalen Instabilität als Ausdruck einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sprechen. Als Gesamtergebnis hat der Gutachter zum dort relevanten Tatzeitpunkt (25. Juli 2014) zwar keine Steuerungsunfähigkeit, aber eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit aus forensisch-psychiatrischer Sicht festgestellt und die Voraussetzungen des § 21 StGB bejaht.

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Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, dass weder das Gutachten des Prof. Dr. F. noch der Arztbericht der ...-Klinik D. eine verlässliche Prognose über die Steuerungsfähigkeit des Klägers zu den für das einheitliche Dienstvergehen relevanten Tatzeitpunkten erlaubt. Mit der eingehenden Beschreibung der psychischen und der Drogenproblematik stützt sich das Gutachten aber erkennbar auf Umstände, die sich ihrer Natur nach nicht auf einzelne Zeitpunkte beschränken können, sondern die auch über einen einzelnen Zeitpunkt hinaus Wirkung entfalten, ohne dass der genaue Zeitraum damit feststeht. Von Bedeutung ist insoweit auch, dass der Beklagte disziplinarisch relevante Straftaten an zwei Tagen im Januar 2014 und an einem Tag im Oktober 2014 begangen hat, also zeitlich zumindest in der Nähe des von Prof. Dr. F. untersuchten Zeitpunkts. Entsprechendes gilt für eine Straftat im Juli 2012, die der Beklagte wenige Monate nach dem Aufenthalt in der ...-Klinik D. begangen hat. Auch ist in den vorliegenden Akten ein Vernehmungsprotokoll des Polizeipräsidiums H. enthalten, in dem dem Beklagten der Betrug einer Prostituierten mit anschließendem Kokainkonsum am 27. April 2012, also wenige Tage nach dem Aufenthalt in der Klinik, vorgeworfen wird. Hinweise auf einen längerfristigen, erheblichen Kokainmissbrauch ergeben sich auch aus Folgendem: Im Rahmen der Eigenanamnese hatte der Beklagte gegenüber Prof. Dr. F. angegeben, dass er nach mehreren persönlich belastenden Ereignissen im Jahre 2008 Kompensation durch "Aktivitäten als Kunde im Rotlichtmilieu" und auch durch Kokainkonsum gesucht habe. Zuletzt habe er Kokain ca. Mitte 2016 konsumiert. Das deckt sich mit mehreren Zeugenaussagen der geschädigten Prostituierten, die jeweils beschrieben haben, dass der Beklagte bei der Inanspruchnahme ihrer Dienste in nach ihrer Einschätzung erheblichem Umfang Kokain konsumiert habe. Schließlich ist der Methodik des Gutachtens zu entnehmen, dass seine Untersuchung nicht zielgerichtet allein den 25. Juli 2014 in den Blick genommen hat, ein Unterfangen, das Ende 2016/Anfang 2017 auch kaum hätte geleistet werden können. Vielmehr befasst er sich anamnestisch mit dem gesamten Zeitraum seit dem Jahr 2008. Allein dem begrenzten Inhalt des Beweisbeschlusses des Landgerichts H. dürfte der Umstand geschuldet sein, dass der Gutachter das Ergebnis seiner Untersuchung auf den dort relevanten Tatzeitpunkt begrenzt hat. Vor diesem Hintergrund hätte es sich aufgedrängt, unter Zuhilfenahme fremden Sachverstands zu ermitteln, ob eine entsprechende Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit beim Beklagten auch zu anderen Tatzeitpunkten gegeben gewesen ist.

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Entbehrlich ist diese Ermittlung auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Beklagte sich im November 2009 als geheilt bezeichnet hat. Abgesehen von den nachfolgend dokumentierten psychischen und Drogenproblemen ist zu erwägen, ob diese Aussage nicht auch schon im November 2009 eine reine Schutzbehauptung gegenüber dem Dienstherrn war. Denn der Beklagte berief sich hierauf, nachdem der Kläger ihm eine beantragte Nebentätigkeitsgenehmigung mit dem Argument gesundheitlicher Schonung versagt hatte.

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Schließlich lässt sich eine Drogenabhängigkeit oder eine psychische Erkrankung im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum nicht mit dem Argument verneinen, dass der Beklagte bei dem Besuch von Prostituierten Kokain mehrfach erst konsumiert hat, nachdem die Betrugshandlung vollendet war. Dies mag einen direkten Einfluss des konkreten Drogenkonsums auf die Steuerungsfähigkeit bei Begehung der genannten Straftat ausschließen. Aus diesem Umstand lässt sich jedoch nicht herleiten, ob die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beklagten allgemein und damit auch schon bei Vollendung der Straftaten erheblich vermindert war.

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Das Berufungsgericht hat die mögliche psychische Erkrankung und/oder Drogenabhängigkeit des Beklagten und ihre möglichen, noch zu ermittelnden Folgen für sein Persönlichkeitsbild im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 2 LDB NRW nicht hinreichend ermittelt. Aufgrund dessen konnte es diese Umstände nicht im erforderlichen Maße in seine Erwägungen zur Bemessung der angemessenen Disziplinarmaßnahme einbeziehen. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich das Persönlichkeitsbild des Beklagten nach entsprechender Aufklärung durch das Berufungsgericht anders darstellt als von ihm angenommen, sodass eine andere Disziplinarmaßnahme zumindest möglich erscheint und das Berufungsurteil damit auf dem geschilderten Aufklärungsmangel beruht. Denkbar bleibt es allerdings auch, dass die verhängte Disziplinarmaßnahme auch im Falle eines nach weiterer Beweisaufnahme veränderten Persönlichkeitsbildes des Beklagten im Rahmen umfassender Würdigung durch das Berufungsgericht weiterhin als angemessen erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 34 und 38).

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