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Streitig ist, ob der Anspruch auf (Teil-) Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) durch eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz ausgeschlossen ist.
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Der Kläger sowie dessen Ehefrau sind seit 1981 bzw. 2001 bei den Psychiatrischen Diensten - /Schweiz beschäftigt. Der Kläger bezog für seine Söhne Daniel, geb. am 10. Mai 1986, sowie Manuel, geb. am 2. Februar 1990, sowie für die Tochter Anna, geb. am 9. August 1996, von der beklagten Agentur f. Arbeit - Familienkasse - Kindergeld. Nachdem der Familienkasse durch Datenaustausch mit der Steuerverwaltung im April 2003 die Auslandstätigkeit des Klägers bekannt geworden war, forderte diese den Kläger am 8. September 2003 auf, zur Prüfung seines Kindergeldanspruchs Angaben zu machen sowie eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die Höhe der Schweizer Kinderzulagen vorzulegen. Der Arbeitgeber bescheinigte unter dem 23. September 2003 die Zahlung einer Kinder- bzw. Ausbildungszulage an die Kinder von jeweils 190 SFr. monatlich. Durch Bescheid vom 16. September 2003 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für die Söhne sowie die Tochter ab Juni 2002 gemäß § 70 Abs. 2 EStG i.V.m. § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit der Begründung auf, der Kläger habe als Arbeitnehmer in der Schweiz für die in Deutschland lebenden Kinder nach Artikel 13 Abs. 1 der Verordnung (VO) der Europäischen Union (EU) über soziale Sicherheit, die ab 1. Juni 2002 auch für die Schweiz anzuwenden sei, keinen Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG. Gleichzeitig forderte die Familienkasse das aufgrund der Aufhebung vom Juni 2002 bis August 2003 zuviel bezahlte Kindergeld i.H.v. 6.930 EUR gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zurück.
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Hiergegen legte der Kläger am 22. September 2003 Einspruch ein, den die Familienkasse durch Entscheidung vom 9. Oktober 2003 als unbegründet zurückwies.
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Zur Begründung der am 15. Oktober 2003 erhobenen Klage lässt der Kläger folgendes vortragen: Würden er und seine Ehefrau nicht als Grenzgänger in der Schweiz arbeiten, so würde ihnen seit Juni 2002 monatlich Kindergeld i.H.v. 3 x 154 EUR = 462 EUR zustehen. Als Schweizer Kinderzulage habe er für diesen Zeitraum jedoch nachträglich monatlich lediglich 3 x 190 SFr. = 570 SFr. = 370 EUR erhalten. Der Umstand, dass ihm sowie seiner Ehefrau aufgrund ihrer Tätigkeit in der Schweiz monatlich 92 EUR weniger "Kindergeld" zustehen solle, werde von der Familienkasse mit der im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten zur Schweiz anwendbaren VO (EWG) Nr. 1408/71 begründet. Diese VO verstoße gegen den verfassungs- und europarechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung und sei daher rechtswidrig. Das deutsche Kindergeld bzw. die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG seien nach dem deutschen Recht von Verfassungs wegen erforderlich, um die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes zu gewährleisten (§ 31 EStG). Bei § 31 EStG handle es sich um eine verfassungskonkretisierende Norm, die grundsätzlich nicht zur Disposition des deutschen sowie des europäischen Gesetzgebers stehe. Vorliegend sei die Freistellung des steuerlichen Existenzminimums seiner Kinder aufgrund der deutlich niedrigeren Schweizer Kinderzulagen nicht mehr gewährleistet. Die Lebenshaltungskosten seiner sämtlich in Deutschland lebenden Kinder seien nicht niederer als diejenigen von Kindern, deren Eltern in Deutschland arbeiteten. Durch die VO (EWG) 1408/71 würden daher offenbar gleiche Sachverhalte ungleich behandelt, so dass die Vorschrift insoweit unbeachtlich sei. Selbst wenn die VO (EWG) wirksam und damit beachtlich wäre, wäre der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Denn für eine rückwirkende Aufhebung der ursprünglichen Kindergeldfestsetzung gebe es keine rechtliche Grundlage. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des von der Familienkasse angeführten § 70 Abs. 2 EStG nicht vor. Diese Vorschrift erfordere eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, welche hier nicht eingetreten sei. Die hier eingetretene Rechtsänderung genüge für eine rückwirkende Aufhebung gemäß § 70 Abs. 2 EStG nicht. Dieser stünde auch der Vertrauensschutz entgegen. Denn das gewährte Kindergeld sei längst für die Lebenshaltungskosten seiner Kinder ausgegeben worden. Bei Empfang des Kindergelds habe er schutzwürdigerweise auf den Fortbestand der Kindergeldregelung vertrauen können und nicht damit rechnen müssen, dass bei einer Beschäftigung der Eltern als Grenzgänger in der Schweiz ein rückwirkender Wegfall des Kindergelds eintreten würde.
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den Bescheid vom 16. September 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Oktober 2003 zu ändern und Kindergeld ab Juni 2002 i.H.v. 92 EUR monatlich zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Die Familienkasse beantragt,
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Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei rechtmäßig. Der Kläger arbeite als Grenzgänger in der Schweiz und unterliege damit den Schweizer Rechtsvorschriften. Sein Anspruch auf Kindergeld bestimme sich deshalb ausschließlich nach diesen Rechtsvorschriften. Ein nach deutschem Recht bestehender Kindergeldanspruch werde verdrängt. Der Kläger habe auch dann keinen Anspruch auf Kindergeld in Deutschland, wenn die schweizerische Familienleistung niedriger als die deutsche sein sollte. Die VO (EWG) 1408/71 sei nicht rechtswidrig. Der Kläger und seine Ehefrau seien Grenzgänger in die Schweiz. Ein "gleicher Sachverhalt" wie bei Personen, die im Inland lebten und arbeiteten, liege nicht vor. Eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei nach § 70 Abs. 2 EStG zulässig. Diese Vorschrift umfasse nicht nur Änderungen in den tatsächlichen, sondern auch in den rechtlichen Verhältnissen.
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Durch Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2005 hat der Berichterstatter die Klage abgewiesen. Zur Begründung des hierauf am 15. März 2005 gestellten Antrags auf mündliche Verhandlung führt der Kläger im Wesentlichen aus: Das Gericht stütze sich in dem Gerichtsbescheid überwiegend auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, welche jedoch lediglich die Verfassungsmäßigkeit des § 65 Abs. 2 EStG in der für die Jahre 1996 und 1997 maßgeblichen Fassung betreffe und wenig überzeugend sei. Denn die Benachteiligung der Grenzgänger gegenüber den uneingeschränkt Kindergeldberechtigten werde unzutreffend mit der Praktikabilität im Verwaltungsvollzug begründet. Vorliegend gehe es hingegen um die allein vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu entscheidende Frage der Vereinbarkeit von Artikel 13 Abs. 2 a VO (EWG) 1408/71 i.V.m. Artikel 10 Abs. 1 a VO (EWG) 574/72 mit dem europarechtlich anerkannten allgemeinen Gleichheitssatz. Die Entscheidung des BVerfG lasse somit keinerlei Rückschlüsse darauf zu, wie der EuGH diese Frage beurteilen würde. Der Gleichheitsverstoß bestehe darin, dass Differenzkindergeld unter der Voraussetzung des Artikel 10 Abs. 1 a VO (EWG) 574/72 für die Kinder der in Deutschland lebenden Ehegatten gezahlt werde, wenn einer von beiden Ehegatten die Voraussetzungen des § 62 EStG erfülle und nicht in einem anderen Mitgliedstaat bzw. in einem sonstigen Staat, wie der Schweiz, auf den die Verordnung 1408/71 und die Verordnung 574/72 Anwendung fänden, arbeite. Hingegen werde Differenzkindergeld nach dieser Vorschrift nicht gezahlt, wenn - wie vorliegend - beide Ehegatten in einem anderen Mitgliedstaat oder ein einem sonstigen Staat, wie der Schweiz, auf den die Verordnungen 1408/71 sowie 574/72 Anwendung fänden, beschäftigt seien. Für diese unterschiedliche Behandlung bei der Gewährung von Differenzkindergeld sei eine sachliche Begründung nicht ersichtlich. Der Unterhaltsbedarf, der Grund für die Gewährung der Kinderzulagen bzw. des Kindergelds sei, richte sich in beiden Fällen nach dem Lebensmittelpunkt der Kinder und sei daher - unabhängig davon, ob beide Ehegatten oder nur ein Ehegatte in einem anderen Mitgliedstaat arbeiteten - gleich hoch. Artikel 10 Abs. 1 a VO (EWG) 574/72 mache daher die Gewährung eines Differenzkindergeldes von einem unzulässigen Differenzierungskriterium abhängig, da er nicht auf den entscheidenden Lebensmittelpunkt des Kindes, sondern darauf abstelle, ob beide Ehegatten in anderen Mitgliedstaaten bzw. sonstigen Vertragsstaaten beschäftigt seien. Die von der Regelung betroffenen Kinderzulagen hätten auch eine Sozialleistungsfunktion. Auch ein EU-Gesetzgeber dürfte keine VO erlassen, die den Anforderungen an soziale Gerechtigkeit dadurch zuwider laufe, dass sie den Kreis der Empfänger sachwidrig abgrenze bzw. den Schutz einer ins Gewicht fallenden Gruppe, nämlich der Grenzgänger aus Deutschland in die Schweiz, vernachlässige. Artikel 13 Abs. 2 a VO (EWG) 1408/71 i.V.m. Artikel 10 Abs. 1 a VO (EWG) 574/72 verstießen daher gegen den europarechtlichen allgemeinen Gleichheitssatz, der es gebiete, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln und als europäisches Primärrecht anerkannt sei (vgl. Streinz, Europarecht, 2. Auflage, Randziffer 372 sowie Geiger, EU-Vertrag, Kommentar, 3. Auflage, Artikel 220, Rz. 40). Es werde deshalb angeregt, das vorliegende Verfahren auszusetzen und die Frage gemäß Artikel 234 Ziffer b EU-Vertrag dem EuGH vorzulegen.
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Die Klage ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
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Die Familienkasse war berechtigt, den Bescheid über die Festsetzung von Kindergeld aufzuheben und das zuviel bezahlte Kindergeld zurückzufordern. Sie hat in dem angefochtenen Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, dass ein möglicher Anspruch auf Kindergeld nach den Vorschriften des EStG durch das europäische Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen ist. Ob der Tatbestand der §§ 62 Abs. 1 Nr. 2 b, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt wäre, kann demnach offen bleiben. Eine Vorabentscheidung des EuGH nach Artikel 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zur Auslegung des EG-Vertrages ist im Streitfall nicht erforderlich.
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Entgegen der Auffassung des Klägers unterliegt dieser bezüglich seines Anspruchs auf Kindergeld im fraglichen Zeitraum dem Gemeinschaftsrecht der EU, welches Anwendungsvorrang gegenüber dem einfachen Recht der Mitgliedstaaten genießt. Die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts setzt zwar grundsätzlich voraus, dass sowohl der Staat der Beschäftigung des Arbeitnehmers als auch der Staat des Wohnsitzes seiner Familienangehörigen EU-Mitgliedstaaten sind. Das Abkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (im folgenden Abkommen Schweiz; Bundesgesetzblatt II 2001, 811 ff.) regelt jedoch, dass die Schweiz im Hinblick auf die VO (EWG) 1408/71 und die VO (EWG) 574/72 behandelt wird, als wäre sie Mitgliedstaat der EU. Am 1. Juni 2002 ist das Gesetz vom 2. September 2001 zu dem Abkommen Schweiz in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt II 2002, 1692). Gemäß Artikel 8 i.V.m. Anhang II des Abkommens Schweiz gelten somit im Verhältnis der Schweiz und der EU-Mitgliedstaaten die VO (EWG) 1408/71 sowie 574/72 seit Juni 2002. Bei Erwerbstätigkeit im Kanton Thurgau/Schweiz wird für Kinder eine Kinderzulage, mithin Kindergeld gewährt (vgl. Schreiben des Bundesamts für Finanzen vom 26. Juni 2000 St - I 4 - S 2473 - 11/99, BStBl I 2000, 1128, 1133, sowie Anlage Schweiz hierzu, Seiten 1143 - 1146).
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Maßgeblich für die Konkurrenz der jeweiligen nationalen Ansprüche im Wohn- und Beschäftigungsland sind die VO (EWG) Nr. 1408/71 sowie die VO (EWG) Nr. 572/72.
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Der Kläger unterliegt dem persönlichen Geltungsbereich der VO (EWG) 1408/71. Nach Artikel 2 Abs. 1 gilt die VO u.a. für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind. Der Kläger ist als Deutscher Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats und bezog aus einer Erwerbstätigkeit bei den … Thurgau Arbeitslohn. Das Kindergeld nach den Vorschriften des EStG, das Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, fällt in den sachlichen Geltungsbereich der VO (EWG) 1408/71 und ist eine Familienleistung i.S.d. Artikel 4 Abs. 1 h der VO (EWG) Nr. 1408/71. Denn es dient, soweit es nicht die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes bewirkt, der Förderung der Familie (§ 31 Sätze 1 und 2 EStG; Urteil des BFH vom 13. August 2002 VIII R 97/01, BFH/NV 2002, 1588, 1589).
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Der Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach den Rechtsvorschriften des EStG ist durch Artikel 13 Abs. 2 d der VO (EWG) Nr. 1408/71 ausgeschlossen. Die Artikel 13 bis 17 a des Titels II der VO (EWG) Nr. 1408/71 legen fest, welche Rechtsvorschriften auf Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anwendbar sind. Sie bilden nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ein geschlossenes System von Kollisionsnormen und bezwecken, dass die Betroffenen nur dem System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats unterliegen, so dass die Kumulierung anwendbarer Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden (Urteil des BFH vom 13. August 2002 VIII R 61/00, BFH/NV 2002, 1584, 1585, mit Rechtsprechungsnachweisen des EuGH). Dementsprechend bestimmt Artikel 13 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 1408/71, dass - vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Artikel 14 c und 14 f - Personen, für die diese VO gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen. Nach Artikel 13 Abs. 2 a der VO (EWG) Nr. 1408/71 gilt, soweit die Artikel 14 bis 17 nicht etwas anderes bestimmen, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.
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Zwar hat der EuGH entschieden, dass die VO (EWG) Nr. 1408/71 nicht zum Verlust von Ansprüchen führen dürfe, die allein nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats erworben worden sind (Urteil vom 21. Oktober 1975 Rs. 24/75, EuGHE 1975, 1149). Das Gericht hat jedoch in der Folgezeit klargestellt, dass dieser Grundsatz nicht die in Titel II der VO (EWG) Nr. 1408/71 niedergelegten Regeln über die anwendbaren Rechtsvorschriften betrifft und deshalb nicht bewirken kann, dass der Betroffene entgegen Artikel 13 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 1408/71 für einen bestimmten Zeitraum den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten unterliegt. Die Mitgliedstaaten seien verpflichtet, die geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, also auch die Kollisionsnormen des Titels II der VO (EWG) Nr. 1408/71, zu beachten (Urteil des EuGH vom 10. Juli 1986 Rs. 60/85; Urteil des BFH vom 13. August 2002 VIII R 97/01, a.a.O.; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BFH-Report 2004, 1060, 1062, Beilage zu BFH/NV 1/05, 33 ff., Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2004, 1139 ff.).
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Der Kläger unterlag folglich nach dem Beschäftigungslandprinzip gemäß Artikel 73 i.V.m. Artikel 13 Abs. 2 a der VO (EWG) Nr. 1408/71 ausschließlich den schweizerischen Rechtsvorschriften, d.h. ihm stand kraft Gemeinschaftsrecht nur ein Anspruch auf Familienleistungen nach schweizerischem Recht zu. Darauf, ob die Familienleistungen in der Schweiz denjenigen in Deutschland entsprachen, kommt es nicht an. Unterliegt eine Person den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates, so ist nach dem Ausschließlichkeitsgrundsatz in Deutschland weder Kindergeld noch Teilkindergeld zu zahlen. Dass die Bezieher von Kindergeld vergleichbaren ausländischen Leistungen aufgrund des Beschäftigungslandsprinzips gegenüber in Deutschland Kindergeldberechtigten im Einzelfall benachteiligt werden können, mag zwar zutreffen, ist jedoch europarechtlich unbedenklich und verstößt insbesondere nicht - wie der Kläger meint - gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, der zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehört (ständige Rechtsprechung vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der europäischen Union, nach Artikel 6 EUV, Rdnr. 9, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).
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Nach diesem Grundsatz dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre (Grabitz/Hilf, a.a.O., Randnummer 164 mit Rechtsprechungsnachweisen). Die vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung ist insoweit gegeben, als für den weiteren kindergeldberechtigten anderen Elternteil im Gemeinschaftsrecht gemäß Artikel 76 VO (EWG) 1408/71 und Artikel 10 VO (EWG) 574/72 ein Anspruch auf Differenzkindergeld besteht, während ein solcher Anspruch ausgeschlossen ist, wenn beide Eltern in der Schweiz beschäftigt sind. Diese Benachteiligung der Grenzgänger gegenüber uneingeschränkt Kindergeldberechtigten ist aufgrund der Leistung im Beschäftigungsstaat sowie der Praktikabilitätsanforderungen an Kollisionsregeln bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gerechtfertigt. Angesichts des grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums des Normgebers bei sozialen Leistungen reicht es aus, wenn die zu prüfende Regelung - wie hier - dem Maßstab des bloßen Willkürverbots genügt (vgl. Grabitz/Hilf, a.a.O., Randnummer 167 mit Rechtsprechungsnachweisen). Für die beanstandeten Kollisionsregeln sprechen überdies auch hinreichende sachliche Gründe, die die unterschiedliche Behandlung der Grenzgänger rechtfertigen.
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Der Teilkindergeldausschluss will sicherstellen, dass kindbezogene vergleichbare Leistungen nur einmal gewährt werden. Er beruht auf der Erwägung, dass die Betroffenen aufgrund des Bezugs einer dem Kindergeld vergleichbaren ausländischen Leistung im Beschäftigungsland anderweitig sozial abgesichert sind. In den Fällen der Grenzgänger wird es als angemessen angesehen, dass sie hinsichtlich des Kindergelds und der damit vergleichbaren Familienleistungen allein auf die Rechtsordnung des Beschäftigungsstaats verwiesen werden, welcher sie in der Regel auch in den übrigen Bereichen der sozialen Sicherung unterliegen. Diese Erwägung ist jedenfalls dann hinreichend gewichtig, wenn die ausländische Leistung in ihrer Funktion tatsächlich mit dem deutschen Familienleistungsausgleich vergleichbar ist. Dies ist für Kinderzulagen an deutsche Grenzgänger in der Schweiz der Fall, da diese die Familien erheblich entlasten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, a.a.O.). Damit ist eine vergleichbare anderweitige Absicherung gewährleistet, auch wenn sie hinter dem deutschen Kindergeld zurückbleibt.
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Außerdem hat für die Rechtfertigung der hier zu beurteilenden Kollisionsnormen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Einfachheit des Rechts sowie dessen Praktikabilität im Verwaltungsvollzug besonderes Gewicht. Unterschiedsbetragsregeln verursachten aufgrund der komplizierten Schweizer Rechtslage einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Denn bei der großen Zahl von Grenzgängern in die Schweiz wäre wegen der unterschiedlichen Familienleistungen des Bundes und der einzelnen Kantone in jedem Einzelfall eine Teilkindergeldberechtigung einschließlich der Höhe des eventuellen Anspruchs zu prüfen. Dieser Aufwand wird durch die getroffene Regelung deutlich vermindert. Dass sich der Verwaltungsaufwand bei einer Teilkindergeldregelung - wie die Klägerin vorträgt - bewältigen ließe, mag zwar zutreffen, ist jedoch nicht erheblich. Denn bei dem weiten Gestaltungsspielraum des Normgebers bei der Gewährung von Leistungen ist es unter Beachtung des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden, wenn die Verminderung eines erheblichen Verwaltungsaufwands zur Rechtfertigung der Nichteinführung eines Teilkindergelds angeführt wird. Es ist sachlich begründet, dass sich der europäische Normgeber bei der Regelung von Familienleistungen in Grenzgängerfällen aus Praktikabilitätserwägungen an einem ausschließlichen Beschäftigungslandprinzip orientiert. Dieses Ausschließlichkeitsprinzip ist im internationalen Sozialrecht verbreitet. Es will zu Recht ein kumulatives Nebeneinander von Ansprüchen aus unterschiedlichen Sozialsystemen vermeiden. Dabei wird grundsätzlich nicht aufgeteilt, weil anzunehmen wäre, dass in beiden Systemen typischerweise gleich hohe Leistungsansprüche begründet sind, sondern auch bei unterschiedlicher Höhe solcher Ansprüche. Es ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass der Zweck des Familienleistungsausgleichs grundsätzlich für eine einheitliche Entlastung aller in Deutschland wohnenden Familien spricht. Gleichwohl ist die Kollisionsregel - wie ausgeführt - sachlich gerechtfertigt.
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Bestätigt wird dies nicht zuletzt auch dadurch, dass die Wahl von Arbeitsplatz und Wohnsitz jedenfalls grundsätzlich der freien Entscheidung der Kindergeldempfänger unterliegt. Diese können nach gegebener Rechtslage die Vor- und Nachteile ihrer Wahl insbesondere hinsichtlich Arbeitslohn, Lebenshaltungskosten sowie sozialrechtlicher Entlastung vor der Entscheidung prüfen und diese danach ausrichten.
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Wie ausgeführt, sieht das Gemeinschaftsrecht für den Grenzgänger selbst keinen Anspruch auf gegebenenfalls höhere Sozialleistungen im Wohnland vor. Der hingegen bestehende Differenzanspruch anderer Anspruchsberechtigter, insbesondere des anderen Elternteils, im Wohnland nach Artikel 10 Abs. 1 a VO (EWG) 574/72 soll nach der Rechtsprechung des EuGH einen besonderen Diskriminierungsschutz bilden. Es soll verhindert werden, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung und Höhe von Familienleistungen davon abhängig machen kann, dass die Familienangehörigen des Erwerbstätigen in dem die Leistungen erbringenden Mitgliedstaat wohnen. Dadurch soll verhindert werden, dass Erwerbstätige davon abgehalten werden, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (vgl. z.B. Urteile vom 10. Oktober 1996, Rs. C-245/94 und C-312/94, Slg. 1996, S. I-4895, 4938 Randnummer 34, zu Artikel 73 VO (EWG) 1408/71; vom 11. April 1984, Rs 104/84, Slg. 1985, S. 2205, 2219).
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Der vorliegend gegebene Kindergeldausschluss verstößt auch nicht - wie vom Kläger gerügt - gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz des Existenzminimums. Die gebotene steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags i.H. des Existenzminimums des Kindes wird durch den Kinderfreibetrag oder durch das Kindergeld bewirkt (§ 31 EStG). Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht zu berücksichtigen oder ihr stattdessen im Sozialrecht durch Gewährung eines dafür ausreichenden Kindergelds Rechnung zu tragen oder auch eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu verbinden. § 31 EStG bestimmt, dass die steuerliche Freistellung des Existenzminimums über den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder über das Kindergeld stattfindet. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG). Nur wenn es zu der gebotenen Freistellung nicht ausreicht, ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer der Kinderfreibetrag abzuziehen (§ 31 Satz 4 EStG) und mit dem Kindergeld zu verrechnen. Dies gilt auch bei Bezug von ausländischen, dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Nach der gesetzlichen Regelung ist auch hier der Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen, wenn die ausländische vergleichbare Leistung zur gebotenen steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht ausreicht. Danach entscheidet nur die Höhe des auch dem Kläger zustehenden Kinderfreibetrags (endgültig) darüber, ob den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verschonung des Existenzminimums der Kinder genügt wird. Insofern hat das Kindergeld - hier die Schweizer Kinderzulage - nur die Wirkung einer vorläufigen Steuervergütung. Deren Höhe leitet sich deshalb nicht aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den steuerrechtlichen Familienleistungsausgleich ab (vgl. Beschluss des BVerfG vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, a.a.O.). Dies verkennt der Kläger.
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Die Familienkasse war berechtigt und verpflichtet, die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG rückwirkend aufzuheben. Diese Vorschrift setzt voraus, dass sich die für den Anspruch auf Kindergeld erheblichen Verhältnisse nach Ergehen der Festsetzung geändert haben. Dies war vorliegend der Fall. Denn durch das Wirksamwerden des Abkommens Schweiz am 1. Juni 2002 hatten sich die für den Anspruch auf Kindergeld des Klägers erheblichen Verhältnisse - wie ausgeführt - geändert. § 70 Abs. 2 EStG greift sowohl ein, wenn sich die rechtlichen als auch die tatsächlichen Verhältnisse ändern (vgl. z.B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 23. Auflage 2004, § 70 Randnummer 5; Felix in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 70 Randnummer C 8). Durch In Kraft Treten des Abkommens Schweiz haben sich die rechtlichen Verhältnisse seit 1. Juni 2002 geändert. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 70 Abs. 2 EStG war die Festsetzung des Kindergelds für die Kinder des Klägers ab diesem Zeitpunkt zwingend aufzuheben.
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Da aufgrund der rechtmäßigen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergelds ab Juni 2002 weggefallen war, war die Familienkasse nach § 37 Abs. 2 AO grundsätzlich verpflichtet, das danach zuviel bezahlte Kindergeld zurückzufordern. Denn ist eine Steuervergütung (§ 31 Abs. 3 EStG) ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (hier: die Familienkasse), nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger (hier: dem Kläger) einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Diese Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung - wie hier - später wegfällt.
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Der Kläger geht zu Unrecht davon aus, dass Umstände vorliegen, die die Rückforderung des zuviel gezahlten Kindergelds treuwidrig erscheinen lassen.
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Nach § 70 Abs. 2 EStG war die Aufhebung zwingend vorzunehmen, nachdem der Familienkasse die Beschäftigung des Klägers in der Schweiz im April 2003 durch Datenaustausch mit der Finanzbehörde bekannt geworden war. Bei dieser gebundenen Entscheidung kommt es nicht auf ein etwaiges Verschulden der Familienkasse oder des Berechtigten an (Allgemeine Meinung z.B. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und Körperschaftsteuergesetz, § 70 EStG, Anmerkung 13; Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, § 70 EStG, Randnummer 14). Hinsichtlich des Behaltendürfens von Kindergeldzahlungen besteht grundsätzlich kein Vertrauens- und Dispositionsschutz. Gemäß § 68 EStG hat derjenige, der Kindergeld erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen (vgl. Beschluss des BFH vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BStBl II 1999, 231). Wer der ihm obliegenden Pflicht nicht nachkommt, genießt keinen Vertrauensschutz. Aber auch wer ihr entspricht, muss damit rechnen, dass aufgrund der veränderten Umstände ein Anspruch nicht mehr gegeben sein könnte (Urteil des BFH vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BStBl II 2004, 123). Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf einen Wegfall der Bereicherung wegen Verwendung des Kindergelds zur Bestreitung des Kindesunterhalts berufen. Denn die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch) sind auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht anwendbar (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 31. Oktober 1974 IV R 160/69, BStBl II 1975, 370).
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Eine Verwirkung des Rückforderungsanspruchs nach Treu und Glauben ist hier ebenfalls nicht eingetreten. Diese setzt voraus, dass sich der zur Rückerstattung Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf verlassen durfte und verlassen hat, dass dieser das Recht in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Der Zeitablauf allein reicht für die Annahme der Verwirkung des Rückforderungsanspruchs grundsätzlich nicht aus (z.B. Urteile des BFH vom 20. Juli 1988 I R 81/84, BFH/NV 1989, 78, 79; vom 24. Juni 1988 III R 177/85, BFH/NV 1989, 351, 352). Hinzu kommen muss ein Verhalten des Berechtigten, aus welchem der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen darf, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden solle (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 21. Juli 1988 V R 97/83, BFH/NV 1989, 356, 359). Überdies muss der Verpflichtete auch tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich entsprechend eingerichtet haben (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 7. Juni 1984 IV R 180/81, BStBl II 1984, 780, 781).
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Vorliegend reicht schon die verstrichene Zeitspanne zwischen der Kenntniserlangung der Familienkasse der die Rückforderung des Kindergelds begründenden Umstände und der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs nicht aus, um eine Verwirkung anzunehmen. Erst wenn die zur Rückforderung des Kindergelds führende Bearbeitungsdauer der Familienkasse mehrere Jahre beanspruchte, kann eine Verwirkung in Betracht kommen (Urteil des BFH vom 26. Juli 2001 VI R 163/00, BStBl II 2002, 174, 176). Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger - wie behauptet - darauf vertraut hat, das gezahlte Kindergeld behalten zu dürfen, und entsprechend disponiert hat. Die Verwirkung des Rückforderungsanspruchs scheitert jedenfalls auch daran, dass es an einem Verhalten der Familienkasse fehlt, welches für den Kläger bei objektiver Beurteilung den eindeutigen Schluss zuließ, dass dem Kläger das zu Unrecht gewährte Kindergeld belassen werde. Der Kläger hat selbst nicht dargelegt, dem Verhalten der Familienkasse habe eine zumindest konkludente Zusage entnommen werden können, er brauche mit einer Rückforderung des Kindergelds nicht mehr zu rechnen (vgl. dazu Urteil des BFH vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, a.a.O.). Dass es an einem solchen Verhalten der Familienkasse hier fehlt, macht schon die Aufforderung an den Kläger vom 8. September 2003 deutlich, eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die in der Schweiz erhaltenen Kinderzulagen vorzulegen. Diese kurze Zeit nach Kenntnis der zur Rückforderung führenden Umstände ergangene Aufforderung zeigte dem Kläger gerade, dass die Familienkasse den Kindergeldanspruch des Klägers noch überprüfte.
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Eine Vorabentscheidung des EuGH nach Artikel 234 EGV ist nicht einzuholen. Fragen über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Sinne des Artikel 234 Satz 1 Buchstabe a EGV sind zwar vorliegend erheblich, weil der Kläger eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes durch das Gemeinschaftsrecht rügt. Eine Vorabentscheidung des EuGH ist gemäß Artikel 234 Satz 2 EGV jedoch nur einzuholen, wenn eine Entscheidung des EuGH über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht zum Erlass des Urteils erforderlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Denn der EuGH hat zur Auslegung der hier in Rede stehenden Normen des Gemeinschaftsrechts - wie ausgeführt - bereits mehrfach entschieden und die nach Auffassung des Klägers angenommene Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht bejaht. Im Übrigen wäre der Senat nach Artikel 234 Satz 2 EGV zur Vorlage ohnehin nicht verpflichtet ("kann vorlegen").
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Die Klage ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
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Die Familienkasse war berechtigt, den Bescheid über die Festsetzung von Kindergeld aufzuheben und das zuviel bezahlte Kindergeld zurückzufordern. Sie hat in dem angefochtenen Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, dass ein möglicher Anspruch auf Kindergeld nach den Vorschriften des EStG durch das europäische Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen ist. Ob der Tatbestand der §§ 62 Abs. 1 Nr. 2 b, 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt wäre, kann demnach offen bleiben. Eine Vorabentscheidung des EuGH nach Artikel 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) zur Auslegung des EG-Vertrages ist im Streitfall nicht erforderlich.
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Entgegen der Auffassung des Klägers unterliegt dieser bezüglich seines Anspruchs auf Kindergeld im fraglichen Zeitraum dem Gemeinschaftsrecht der EU, welches Anwendungsvorrang gegenüber dem einfachen Recht der Mitgliedstaaten genießt. Die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts setzt zwar grundsätzlich voraus, dass sowohl der Staat der Beschäftigung des Arbeitnehmers als auch der Staat des Wohnsitzes seiner Familienangehörigen EU-Mitgliedstaaten sind. Das Abkommen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (im folgenden Abkommen Schweiz; Bundesgesetzblatt II 2001, 811 ff.) regelt jedoch, dass die Schweiz im Hinblick auf die VO (EWG) 1408/71 und die VO (EWG) 574/72 behandelt wird, als wäre sie Mitgliedstaat der EU. Am 1. Juni 2002 ist das Gesetz vom 2. September 2001 zu dem Abkommen Schweiz in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt II 2002, 1692). Gemäß Artikel 8 i.V.m. Anhang II des Abkommens Schweiz gelten somit im Verhältnis der Schweiz und der EU-Mitgliedstaaten die VO (EWG) 1408/71 sowie 574/72 seit Juni 2002. Bei Erwerbstätigkeit im Kanton Thurgau/Schweiz wird für Kinder eine Kinderzulage, mithin Kindergeld gewährt (vgl. Schreiben des Bundesamts für Finanzen vom 26. Juni 2000 St - I 4 - S 2473 - 11/99, BStBl I 2000, 1128, 1133, sowie Anlage Schweiz hierzu, Seiten 1143 - 1146).
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Maßgeblich für die Konkurrenz der jeweiligen nationalen Ansprüche im Wohn- und Beschäftigungsland sind die VO (EWG) Nr. 1408/71 sowie die VO (EWG) Nr. 572/72.
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Der Kläger unterliegt dem persönlichen Geltungsbereich der VO (EWG) 1408/71. Nach Artikel 2 Abs. 1 gilt die VO u.a. für Arbeitnehmer, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind. Der Kläger ist als Deutscher Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats und bezog aus einer Erwerbstätigkeit bei den … Thurgau Arbeitslohn. Das Kindergeld nach den Vorschriften des EStG, das Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, fällt in den sachlichen Geltungsbereich der VO (EWG) 1408/71 und ist eine Familienleistung i.S.d. Artikel 4 Abs. 1 h der VO (EWG) Nr. 1408/71. Denn es dient, soweit es nicht die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes bewirkt, der Förderung der Familie (§ 31 Sätze 1 und 2 EStG; Urteil des BFH vom 13. August 2002 VIII R 97/01, BFH/NV 2002, 1588, 1589).
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Der Anspruch des Klägers auf Kindergeld nach den Rechtsvorschriften des EStG ist durch Artikel 13 Abs. 2 d der VO (EWG) Nr. 1408/71 ausgeschlossen. Die Artikel 13 bis 17 a des Titels II der VO (EWG) Nr. 1408/71 legen fest, welche Rechtsvorschriften auf Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anwendbar sind. Sie bilden nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ein geschlossenes System von Kollisionsnormen und bezwecken, dass die Betroffenen nur dem System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats unterliegen, so dass die Kumulierung anwendbarer Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden (Urteil des BFH vom 13. August 2002 VIII R 61/00, BFH/NV 2002, 1584, 1585, mit Rechtsprechungsnachweisen des EuGH). Dementsprechend bestimmt Artikel 13 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 1408/71, dass - vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Artikel 14 c und 14 f - Personen, für die diese VO gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats unterliegen. Nach Artikel 13 Abs. 2 a der VO (EWG) Nr. 1408/71 gilt, soweit die Artikel 14 bis 17 nicht etwas anderes bestimmen, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.
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Zwar hat der EuGH entschieden, dass die VO (EWG) Nr. 1408/71 nicht zum Verlust von Ansprüchen führen dürfe, die allein nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats erworben worden sind (Urteil vom 21. Oktober 1975 Rs. 24/75, EuGHE 1975, 1149). Das Gericht hat jedoch in der Folgezeit klargestellt, dass dieser Grundsatz nicht die in Titel II der VO (EWG) Nr. 1408/71 niedergelegten Regeln über die anwendbaren Rechtsvorschriften betrifft und deshalb nicht bewirken kann, dass der Betroffene entgegen Artikel 13 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 1408/71 für einen bestimmten Zeitraum den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten unterliegt. Die Mitgliedstaaten seien verpflichtet, die geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, also auch die Kollisionsnormen des Titels II der VO (EWG) Nr. 1408/71, zu beachten (Urteil des EuGH vom 10. Juli 1986 Rs. 60/85; Urteil des BFH vom 13. August 2002 VIII R 97/01, a.a.O.; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BFH-Report 2004, 1060, 1062, Beilage zu BFH/NV 1/05, 33 ff., Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2004, 1139 ff.).
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Der Kläger unterlag folglich nach dem Beschäftigungslandprinzip gemäß Artikel 73 i.V.m. Artikel 13 Abs. 2 a der VO (EWG) Nr. 1408/71 ausschließlich den schweizerischen Rechtsvorschriften, d.h. ihm stand kraft Gemeinschaftsrecht nur ein Anspruch auf Familienleistungen nach schweizerischem Recht zu. Darauf, ob die Familienleistungen in der Schweiz denjenigen in Deutschland entsprachen, kommt es nicht an. Unterliegt eine Person den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates, so ist nach dem Ausschließlichkeitsgrundsatz in Deutschland weder Kindergeld noch Teilkindergeld zu zahlen. Dass die Bezieher von Kindergeld vergleichbaren ausländischen Leistungen aufgrund des Beschäftigungslandsprinzips gegenüber in Deutschland Kindergeldberechtigten im Einzelfall benachteiligt werden können, mag zwar zutreffen, ist jedoch europarechtlich unbedenklich und verstößt insbesondere nicht - wie der Kläger meint - gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, der zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehört (ständige Rechtsprechung vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der europäischen Union, nach Artikel 6 EUV, Rdnr. 9, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).
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Nach diesem Grundsatz dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre (Grabitz/Hilf, a.a.O., Randnummer 164 mit Rechtsprechungsnachweisen). Die vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung ist insoweit gegeben, als für den weiteren kindergeldberechtigten anderen Elternteil im Gemeinschaftsrecht gemäß Artikel 76 VO (EWG) 1408/71 und Artikel 10 VO (EWG) 574/72 ein Anspruch auf Differenzkindergeld besteht, während ein solcher Anspruch ausgeschlossen ist, wenn beide Eltern in der Schweiz beschäftigt sind. Diese Benachteiligung der Grenzgänger gegenüber uneingeschränkt Kindergeldberechtigten ist aufgrund der Leistung im Beschäftigungsstaat sowie der Praktikabilitätsanforderungen an Kollisionsregeln bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gerechtfertigt. Angesichts des grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums des Normgebers bei sozialen Leistungen reicht es aus, wenn die zu prüfende Regelung - wie hier - dem Maßstab des bloßen Willkürverbots genügt (vgl. Grabitz/Hilf, a.a.O., Randnummer 167 mit Rechtsprechungsnachweisen). Für die beanstandeten Kollisionsregeln sprechen überdies auch hinreichende sachliche Gründe, die die unterschiedliche Behandlung der Grenzgänger rechtfertigen.
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Der Teilkindergeldausschluss will sicherstellen, dass kindbezogene vergleichbare Leistungen nur einmal gewährt werden. Er beruht auf der Erwägung, dass die Betroffenen aufgrund des Bezugs einer dem Kindergeld vergleichbaren ausländischen Leistung im Beschäftigungsland anderweitig sozial abgesichert sind. In den Fällen der Grenzgänger wird es als angemessen angesehen, dass sie hinsichtlich des Kindergelds und der damit vergleichbaren Familienleistungen allein auf die Rechtsordnung des Beschäftigungsstaats verwiesen werden, welcher sie in der Regel auch in den übrigen Bereichen der sozialen Sicherung unterliegen. Diese Erwägung ist jedenfalls dann hinreichend gewichtig, wenn die ausländische Leistung in ihrer Funktion tatsächlich mit dem deutschen Familienleistungsausgleich vergleichbar ist. Dies ist für Kinderzulagen an deutsche Grenzgänger in der Schweiz der Fall, da diese die Familien erheblich entlasten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, a.a.O.). Damit ist eine vergleichbare anderweitige Absicherung gewährleistet, auch wenn sie hinter dem deutschen Kindergeld zurückbleibt.
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Außerdem hat für die Rechtfertigung der hier zu beurteilenden Kollisionsnormen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Einfachheit des Rechts sowie dessen Praktikabilität im Verwaltungsvollzug besonderes Gewicht. Unterschiedsbetragsregeln verursachten aufgrund der komplizierten Schweizer Rechtslage einen erheblichen Verwaltungsaufwand. Denn bei der großen Zahl von Grenzgängern in die Schweiz wäre wegen der unterschiedlichen Familienleistungen des Bundes und der einzelnen Kantone in jedem Einzelfall eine Teilkindergeldberechtigung einschließlich der Höhe des eventuellen Anspruchs zu prüfen. Dieser Aufwand wird durch die getroffene Regelung deutlich vermindert. Dass sich der Verwaltungsaufwand bei einer Teilkindergeldregelung - wie die Klägerin vorträgt - bewältigen ließe, mag zwar zutreffen, ist jedoch nicht erheblich. Denn bei dem weiten Gestaltungsspielraum des Normgebers bei der Gewährung von Leistungen ist es unter Beachtung des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden, wenn die Verminderung eines erheblichen Verwaltungsaufwands zur Rechtfertigung der Nichteinführung eines Teilkindergelds angeführt wird. Es ist sachlich begründet, dass sich der europäische Normgeber bei der Regelung von Familienleistungen in Grenzgängerfällen aus Praktikabilitätserwägungen an einem ausschließlichen Beschäftigungslandprinzip orientiert. Dieses Ausschließlichkeitsprinzip ist im internationalen Sozialrecht verbreitet. Es will zu Recht ein kumulatives Nebeneinander von Ansprüchen aus unterschiedlichen Sozialsystemen vermeiden. Dabei wird grundsätzlich nicht aufgeteilt, weil anzunehmen wäre, dass in beiden Systemen typischerweise gleich hohe Leistungsansprüche begründet sind, sondern auch bei unterschiedlicher Höhe solcher Ansprüche. Es ist dem Kläger zwar zuzugeben, dass der Zweck des Familienleistungsausgleichs grundsätzlich für eine einheitliche Entlastung aller in Deutschland wohnenden Familien spricht. Gleichwohl ist die Kollisionsregel - wie ausgeführt - sachlich gerechtfertigt.
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Bestätigt wird dies nicht zuletzt auch dadurch, dass die Wahl von Arbeitsplatz und Wohnsitz jedenfalls grundsätzlich der freien Entscheidung der Kindergeldempfänger unterliegt. Diese können nach gegebener Rechtslage die Vor- und Nachteile ihrer Wahl insbesondere hinsichtlich Arbeitslohn, Lebenshaltungskosten sowie sozialrechtlicher Entlastung vor der Entscheidung prüfen und diese danach ausrichten.
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Wie ausgeführt, sieht das Gemeinschaftsrecht für den Grenzgänger selbst keinen Anspruch auf gegebenenfalls höhere Sozialleistungen im Wohnland vor. Der hingegen bestehende Differenzanspruch anderer Anspruchsberechtigter, insbesondere des anderen Elternteils, im Wohnland nach Artikel 10 Abs. 1 a VO (EWG) 574/72 soll nach der Rechtsprechung des EuGH einen besonderen Diskriminierungsschutz bilden. Es soll verhindert werden, dass ein Mitgliedstaat die Gewährung und Höhe von Familienleistungen davon abhängig machen kann, dass die Familienangehörigen des Erwerbstätigen in dem die Leistungen erbringenden Mitgliedstaat wohnen. Dadurch soll verhindert werden, dass Erwerbstätige davon abgehalten werden, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (vgl. z.B. Urteile vom 10. Oktober 1996, Rs. C-245/94 und C-312/94, Slg. 1996, S. I-4895, 4938 Randnummer 34, zu Artikel 73 VO (EWG) 1408/71; vom 11. April 1984, Rs 104/84, Slg. 1985, S. 2205, 2219).
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Der vorliegend gegebene Kindergeldausschluss verstößt auch nicht - wie vom Kläger gerügt - gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz des Existenzminimums. Die gebotene steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags i.H. des Existenzminimums des Kindes wird durch den Kinderfreibetrag oder durch das Kindergeld bewirkt (§ 31 EStG). Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit entweder im Steuerrecht zu berücksichtigen oder ihr stattdessen im Sozialrecht durch Gewährung eines dafür ausreichenden Kindergelds Rechnung zu tragen oder auch eine Entlastung im Steuerrecht und eine solche durch das Kindergeld miteinander zu verbinden. § 31 EStG bestimmt, dass die steuerliche Freistellung des Existenzminimums über den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder über das Kindergeld stattfindet. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG). Nur wenn es zu der gebotenen Freistellung nicht ausreicht, ist bei der Veranlagung zur Einkommensteuer der Kinderfreibetrag abzuziehen (§ 31 Satz 4 EStG) und mit dem Kindergeld zu verrechnen. Dies gilt auch bei Bezug von ausländischen, dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen i.S.d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Nach der gesetzlichen Regelung ist auch hier der Kinderfreibetrag bei der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen, wenn die ausländische vergleichbare Leistung zur gebotenen steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht ausreicht. Danach entscheidet nur die Höhe des auch dem Kläger zustehenden Kinderfreibetrags (endgültig) darüber, ob den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verschonung des Existenzminimums der Kinder genügt wird. Insofern hat das Kindergeld - hier die Schweizer Kinderzulage - nur die Wirkung einer vorläufigen Steuervergütung. Deren Höhe leitet sich deshalb nicht aus den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den steuerrechtlichen Familienleistungsausgleich ab (vgl. Beschluss des BVerfG vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, a.a.O.). Dies verkennt der Kläger.
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Die Familienkasse war berechtigt und verpflichtet, die Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG rückwirkend aufzuheben. Diese Vorschrift setzt voraus, dass sich die für den Anspruch auf Kindergeld erheblichen Verhältnisse nach Ergehen der Festsetzung geändert haben. Dies war vorliegend der Fall. Denn durch das Wirksamwerden des Abkommens Schweiz am 1. Juni 2002 hatten sich die für den Anspruch auf Kindergeld des Klägers erheblichen Verhältnisse - wie ausgeführt - geändert. § 70 Abs. 2 EStG greift sowohl ein, wenn sich die rechtlichen als auch die tatsächlichen Verhältnisse ändern (vgl. z.B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 23. Auflage 2004, § 70 Randnummer 5; Felix in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 70 Randnummer C 8). Durch In Kraft Treten des Abkommens Schweiz haben sich die rechtlichen Verhältnisse seit 1. Juni 2002 geändert. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 70 Abs. 2 EStG war die Festsetzung des Kindergelds für die Kinder des Klägers ab diesem Zeitpunkt zwingend aufzuheben.
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Da aufgrund der rechtmäßigen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergelds ab Juni 2002 weggefallen war, war die Familienkasse nach § 37 Abs. 2 AO grundsätzlich verpflichtet, das danach zuviel bezahlte Kindergeld zurückzufordern. Denn ist eine Steuervergütung (§ 31 Abs. 3 EStG) ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist (hier: die Familienkasse), nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger (hier: dem Kläger) einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags. Diese Rechtsfolgen treten auch dann ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung - wie hier - später wegfällt.
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Der Kläger geht zu Unrecht davon aus, dass Umstände vorliegen, die die Rückforderung des zuviel gezahlten Kindergelds treuwidrig erscheinen lassen.
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Nach § 70 Abs. 2 EStG war die Aufhebung zwingend vorzunehmen, nachdem der Familienkasse die Beschäftigung des Klägers in der Schweiz im April 2003 durch Datenaustausch mit der Finanzbehörde bekannt geworden war. Bei dieser gebundenen Entscheidung kommt es nicht auf ein etwaiges Verschulden der Familienkasse oder des Berechtigten an (Allgemeine Meinung z.B. Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und Körperschaftsteuergesetz, § 70 EStG, Anmerkung 13; Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, § 70 EStG, Randnummer 14). Hinsichtlich des Behaltendürfens von Kindergeldzahlungen besteht grundsätzlich kein Vertrauens- und Dispositionsschutz. Gemäß § 68 EStG hat derjenige, der Kindergeld erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen (vgl. Beschluss des BFH vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BStBl II 1999, 231). Wer der ihm obliegenden Pflicht nicht nachkommt, genießt keinen Vertrauensschutz. Aber auch wer ihr entspricht, muss damit rechnen, dass aufgrund der veränderten Umstände ein Anspruch nicht mehr gegeben sein könnte (Urteil des BFH vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, BStBl II 2004, 123). Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf einen Wegfall der Bereicherung wegen Verwendung des Kindergelds zur Bestreitung des Kindesunterhalts berufen. Denn die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 ff. Bürgerliches Gesetzbuch) sind auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht anwendbar (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 31. Oktober 1974 IV R 160/69, BStBl II 1975, 370).
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Eine Verwirkung des Rückforderungsanspruchs nach Treu und Glauben ist hier ebenfalls nicht eingetreten. Diese setzt voraus, dass sich der zur Rückerstattung Verpflichtete nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf verlassen durfte und verlassen hat, dass dieser das Recht in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Der Zeitablauf allein reicht für die Annahme der Verwirkung des Rückforderungsanspruchs grundsätzlich nicht aus (z.B. Urteile des BFH vom 20. Juli 1988 I R 81/84, BFH/NV 1989, 78, 79; vom 24. Juni 1988 III R 177/85, BFH/NV 1989, 351, 352). Hinzu kommen muss ein Verhalten des Berechtigten, aus welchem der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung den Schluss ziehen darf, dass er nicht mehr in Anspruch genommen werden solle (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 21. Juli 1988 V R 97/83, BFH/NV 1989, 356, 359). Überdies muss der Verpflichtete auch tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich entsprechend eingerichtet haben (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 7. Juni 1984 IV R 180/81, BStBl II 1984, 780, 781).
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Vorliegend reicht schon die verstrichene Zeitspanne zwischen der Kenntniserlangung der Familienkasse der die Rückforderung des Kindergelds begründenden Umstände und der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs nicht aus, um eine Verwirkung anzunehmen. Erst wenn die zur Rückforderung des Kindergelds führende Bearbeitungsdauer der Familienkasse mehrere Jahre beanspruchte, kann eine Verwirkung in Betracht kommen (Urteil des BFH vom 26. Juli 2001 VI R 163/00, BStBl II 2002, 174, 176). Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger - wie behauptet - darauf vertraut hat, das gezahlte Kindergeld behalten zu dürfen, und entsprechend disponiert hat. Die Verwirkung des Rückforderungsanspruchs scheitert jedenfalls auch daran, dass es an einem Verhalten der Familienkasse fehlt, welches für den Kläger bei objektiver Beurteilung den eindeutigen Schluss zuließ, dass dem Kläger das zu Unrecht gewährte Kindergeld belassen werde. Der Kläger hat selbst nicht dargelegt, dem Verhalten der Familienkasse habe eine zumindest konkludente Zusage entnommen werden können, er brauche mit einer Rückforderung des Kindergelds nicht mehr zu rechnen (vgl. dazu Urteil des BFH vom 14. Oktober 2003 VIII R 56/01, a.a.O.). Dass es an einem solchen Verhalten der Familienkasse hier fehlt, macht schon die Aufforderung an den Kläger vom 8. September 2003 deutlich, eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die in der Schweiz erhaltenen Kinderzulagen vorzulegen. Diese kurze Zeit nach Kenntnis der zur Rückforderung führenden Umstände ergangene Aufforderung zeigte dem Kläger gerade, dass die Familienkasse den Kindergeldanspruch des Klägers noch überprüfte.
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Eine Vorabentscheidung des EuGH nach Artikel 234 EGV ist nicht einzuholen. Fragen über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts im Sinne des Artikel 234 Satz 1 Buchstabe a EGV sind zwar vorliegend erheblich, weil der Kläger eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes durch das Gemeinschaftsrecht rügt. Eine Vorabentscheidung des EuGH ist gemäß Artikel 234 Satz 2 EGV jedoch nur einzuholen, wenn eine Entscheidung des EuGH über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht zum Erlass des Urteils erforderlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Denn der EuGH hat zur Auslegung der hier in Rede stehenden Normen des Gemeinschaftsrechts - wie ausgeführt - bereits mehrfach entschieden und die nach Auffassung des Klägers angenommene Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht bejaht. Im Übrigen wäre der Senat nach Artikel 234 Satz 2 EGV zur Vorlage ohnehin nicht verpflichtet ("kann vorlegen").
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