Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 7 K 206/06

Tenor

1. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 30. September 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. September 2006 werden dahin geändert, dass die Erbschaftsteuer auf 8.070,18 EUR herabgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.

5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

 
Streitig ist die erbschaftsteuerliche Behandlung von Ausschüttungen eines US-amerikanischen Trusts unter der Geltung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) bis zum 4. März 1999.
Der Kläger ist US-amerikanischer Staatsbürger mit Wohnsitz in X, er ist der Sohn der am 1. August 1986 verstorbenen B (Erblasserin). Die Erblasserin war US-amerikanische Staatbürgerin und zuletzt wohnhaft in Y im US-amerikanischen Bundesstaat Y. In Deutschland hatte die Erblasserin keinen Wohnsitz.
Die Erblasserin regelte ihre Nachfolge mit Testament vom 31. Januar 1983. Mit dem Testament begründete sie u.a. zugunsten des Klägers einen Trust nach US-amerikanischem Recht (Alt-Trust). Auf das Testament der Erblasserin  und die vorgelegte Übersetzung wird Bezug genommen (s. Finanzgerichtsakten -FG-Akten- Bl. 15 ff).
In dem Testament der Erblasserin wird zwischen dem Trustkapital („principal“) und den Erträgen aus diesem Kapital („income“) unterschieden. Zur Ausschüttung des principal und des income enthält das Testament folgende Regelungen:
SEVENTH, III. (1):
„My trustees shall hold any property hereinbefore bequeathed to them for the benefit of a child of mine IN A SEPARATE TRUST, to invest and reinvest the same, to collect the rents, income and profits thereof, and to pay or apply the net income therefrom to or to the use of the child of mine for whose benefit said property shall have been set apart (hereinafter referred to as „the beneficiary“), during the beneficiary´s lifetime.”
        
“Meine Nachlassverwalter (Trustees) sollen etwaiges ihnen hier zuvor zugunsten eines Kindes von mir vermachtes Vermögen IN EINEM GESONDERTEN TRUSTVERMÖGEN halten, mit der Maßgabe, dass sie dieses anlegen und wiederanlegen, die daraus entstehenden Mieten, Einnahmen und Erträge beitreiben und den daraus entstehenden Nettoerlös an das Kind von mir auszahlen oder zu Gunsten des Kindes von mir verwenden (nachfolgend „Begünstigter“ genannt), zu dessen Gunsten das besagte Vermögen zu Lebzeiten des Begünstigten abgesondert worden ist.“
        
SEVENTH, III. (2):
„… I authorize and empower my trustees, at any time and from time to time, to pay or apply to or to the use of the beneficiary such sum or sums from the principal of said trust (even to the extent of the entire amount of such principal) as my trustees shall in their sole and unreviewable discretion determine; and in making such determination, my trustees shall consider the interests of the beneficiary before considering the interests of any secondary income beneficiary or remainderman hereunder.”
        
“… (ich) ermächtige und bevollmächtige meine Nachlassverwalter (Trustees) zu jeder Zeit und von Zeit zu Zeit eine solche Summe oder solche Summen aus dem Kapital des besagten Trustvermögens (sogar bis zu dem Gesamtbetrag des Kapitals reichend) an den Begünstigten auszuzahlen oder diesem zu Gunsten zu verwenden, wie meine Nachlassverwalter (Trustees) diese nach ihrem alleinigen unüberprüfbaren Ermessen bestimmen sollen; dabei sollen meine besagten Nachlassverwalter bei ihrer Entscheidung die Interessen des Begünstigten vorrangig gegenüber den Interessen eines etwaigen nachgeordneten Einkommensbegünstigten oder Nacherben hierzu behandeln.”
        
SEVENTH, III. (3):
“Upon the death of the beneficiary, I give, devise and bequeath the then remaining principal of said trust to the then living issue, per stirpes, of the beneficiary, and in default of such issue, to my then living issue, per stirpes, …”
        
Bei Ableben des Begünstigten schenke, hinterlasse und vermache ich das zu dem Zeitpunkt existierende restliche Trustvermögen den zu dem Zeitpunkt lebenden Nachkommen des Begünstigten, und zwar nach Stämmen, wobei, wenn es keine solchen Nachkommen gibt, dies an meine zu dem Zeitpunkt lebenden Nachkommen nach Stämmen übergeht …”
Der Kläger erhielt seit dem Tod der Erblasserin Auskehrungen aus dem Alt-Trust in Höhe von rd. 1 Mio. US-Dollar/Jahr.  Im April 2002 gab der Kläger beim Beklagten (das Finanzamt -FA-) eine Selbstanzeige sowie eine Nacherklärung der Einkommensteuer, Vermögensteuer und Erbschaftsteuer seit 1995 ab. Dabei erklärte der Kläger u.a. eine Ausschüttung des Alt-Trusts vom 15. Januar 1998  in Höhe von umgerechnet 138.320 DM, wobei die Ausschüttung zu einem Anteil von 82.993,22 DM aus dem principal und zu 55.326,79 DM aus dem income stammte (s. Schriftsatz vom  8. Juli 2010).
Das FA setzte die Erbschaftsteuer für die Ausschüttung vom 15. Januar 1998 mit Erbschaftsteuerbescheid vom 30. September 2005 fest und behandelt dabei die Ausschüttung in voller Höhe als steuerbar. Mit dem dagegen erhobenen Einspruch machte der Kläger geltend, die Ausschüttung sei nur in Bezug auf das ausgeschüttete principal steuerbar. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung  vom 27. September 2006 wird Bezug genommen.
Mit der Klage wendet sich der Kläger weiterhin gegen die Besteuerung des Ausschüttungsanteils aus dem income . Die Auslegung des Testaments ergebe, dass der Kläger mit dem Tod der Erblasserin einen gesicherten Anspruch auf Lebenszeit auf Auszahlung der laufenden Erträge des Trusts erworben habe. Der Anspruch sei am 1. August 1986 entstanden. Der Erwerb dieses Anspruchs begründe einen erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dementsprechend könnten die später erfolgten Ausschüttungen der jährlichen Erträge aus dem Trustvermögen an den Kläger keinen erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb (mehr) darstellen; es handele sich lediglich um die Erfüllung eines bereits übertragenen Anspruchs.
Der Kläger beantragt zuletzt, den Erbschaftsteuerbescheid vom 30. September 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27. September 2006 dahin abzuändern, dass die Erbschaftsteuer auf 8.070,18 EUR festgesetzt wird.
10 
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.
11 
Das FA nimmt zur Begründung Bezug auf die Einspruchsentscheidung und trägt vor, der Kläger habe keinen unbedingten Anspruch gegen die trustees auf Auszahlung des income erworben. Es habe auch kein lediglich zeitlich aufschiebend bedingter Erwerb vorgelegen, der zu einem Anwartschaftsrecht geführt habe. Ein Anwartschaftsrecht sei erst dann gegeben, wenn bei einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt seien, dass man von einer gesicherten Rechtsposition sprechen könne. Der an der Entstehung neben dem Erwerber Beteiligte dürfe nicht in der Lage sein, das Recht zu zerstören. Im Streitfall habe es letztlich den trustees oblegen, die Auszahlungen nach Höhe und Zeitpunkt zu bestimmen. Der Kläger habe folglich kein Anwartschaftsrecht, das hätte kapitalisiert werden können.
12 
Das FA wendet sich gegen die vom Kläger vertretene Auslegung des Testaments der Erblasserin. Den trustees sei ein weitergehendes Ermessen eingeräumt worden, als der Kläger behauptet. Jeder Trust sei schon per se dazu gehalten, im Interesse des Begünstigten zu handeln. Unterschieden werde aber zwischen einem s trict trust , bei dem der Begünstigte gesicherte Rechtsansprüche habe und einem discretionary trust mit Ermessensspielraum der trustees . Der Kläger habe zu beweisen, dass er sich im Streitfall um einen s trict trust handle und dass der Kläger bereits seit dem Tod seiner Mutter einen unbedingten Rechtsanspruch gehabt habe.
13 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen sowie die Behördenakten Bezug genommen. Zur Aufteilung der Ausschüttungen in Vermögenssubstanz und Vermögenserträge wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 30. April 2010 und vom 8. Juli 2010 jeweils samt Unterlagen und die in der mündlichen Verhandlung dazu getroffene tatsächliche  Verständigung. Die Streitsachen 7 K 206/06, 7 K 37/07 und 7 K 38/07 wurden zur gemeinsamen Verhandlung verbunden.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Klage ist begründet.
15 
Die Auszahlung aus dem Alt-Trust vom 15. Januar 1998 in Höhe von insgesamt 138.320 DM unterliegt  nur in Bezug auf das ausgeschüttete Trustkapital in Höhe von 82.993 DM und nicht auch in Bezug auf das ausgeschüttete Trusteinkommen in Höhe von 55.327 DM der Erbschaftsteuer.
16 
1. a) Nach der bis zum Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) geltenden Rechtslage stand der Erwerb der Substanz eines -nicht zur alsbaldigen Verteilung bestimmten- Trustvermögens unter der aufschiebenden Bedingung der Beendigung des Trusts. Die deutsche Erbschaftsteuer der Substanzerben entstand nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), die an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes (RFH) anknüpfte, grundsätzlich erst bei der Beendigung des Trusts (vgl. BFH-Urteile vom 7. Mai 1986 II R 137/79, BStBl II 1986, 615, m.w.N.; vom 21. April 1982 II R 148/79, BStBl II 1982, 597; BFH-Beschluss vom 07.06.1989 II B 4/89, BFH/NV 1990, 235; RFH-Urteil vom 24. September 1935 III e A 37/35, RFHE 38, 225; RFH-Urteil vom 16. Januar 1936 III e A 33/35, RStBl 1936, 248). Soweit die Begünstigten (beneficiaries) bereits vor Beendigung des Trusts tatsächlich Erträge oder Substanz aus dem Trust erhielten, entstand die Steuer mit der tatsächlichen Auszahlung.
17 
Bei besonderer Ausgestaltung des Trusts, bei der ein Zwischenberechtigter hinsichtlich der Erträge eine einem Nießbraucher vergleichbare Stellung inne hatte (sog. fixed interest trusts) , entstand die Steuer indes bereits mit dem Erwerb des gesicherten Anspruchs auf die Trusterträge (s. BFH-Urteil in BStBl II 1986, 615; BFH-Urteil vom 12. Mai  1970 II 52/64, BStBl II 1972, 462; RFH-Urteil  in  RStBl 1936, 248). Dabei war der Gesamtwert des Anspruchs nach den §§ 13 bis 15 BewG i.V.m. § 12 Abs. 1 ErbStG durch Kapitalisierung zu ermitteln. Die nachfolgenden laufenden Auszahlungen der Erträge waren dann nicht mehr steuerbar.
18 
b) Nach diesen Grundsätzen durfte das FA bei der Besteuerung der Auszahlung vom 15. Januar 1998 den (allein) streitgegenständlichen Ausschüttungsanteil aus dem income nicht mehr der Besteuerung unterwerfen. Denn der Kläger hat bereits im Jahre 1986 das gesicherte Recht auf Auszahlung des income erworben. Dies ergibt sich aus der sachgerechten Auslegung des Testaments der Erblasserin vom 21. Januar 1983 unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Gesamtzusammenhangs einschließlich eines Vergleichs mit den Regelungen zugunsten der Enkelkinder der Erblasserin (unter aa bis cc). Der Erwerb dieses Nutzungsrechts stellte nach der bis zum 4. März 1999 geltenden Rechtslage den maßgeblichen steuerlichen Erwerb dar. Die späteren Auszahlungen des income unterliegen daher -anders als die Auszahlungen aus dem principal - nicht mehr der Erbschaftsteuer.
19 
aa) Der Senat folgt der Auffassung des Klägers, dass das Wort „shall“ in Abschnitt SEVENTH, III. (1) des Testaments
        
„My trustees shall hold any property hereinbefore bequeathed to them for the benefit of a child of mine IN A SEPARATE TRUST ...“
        
nicht  als „sollen“ im Sinne eines unverbindlichen Handlungsgebotes für die Treuhänder, sondern als verbindliche Handlungsanweisung im Sinne von „müssen“ zu verstehen ist. Der Kläger hat insoweit mit Recht darauf hingewiesen, dass beispielsweise auch eine testamentarische Bestimmung mit dem Inhalt
        
„A soll ein Vermächtnis in Höhe von  … EUR erhalten“
        
keinen Spielraum eröffne,  sondern verbindlich sei. Entsprechend ist auch das Wort „shall“ im  Sinne einer verbindlichen Anweisung zu verstehen.
        
Hinzu kommt, dass sich das Wort „shall“ nach seiner Stellung im Satzbau ohnehin nur auf das Gebot an die Treuhänder bezieht, die zu bildenden Vermögensmassen in getrennten Trusts zu halten und zu verwalten. Der folgende Satzteil
        
„to invest and reinvest … and to pay or apply the net income therefrom to or to the use of child of mine…“
        
enthält demgegenüber auf jeden Fall einen verbindlichen Infinitiv
        
(„um die Erträge zu investieren … und an mein Kind auszuzahlen oder zum Nutzen meines Kindes zu verwenden“).
20 
bb) Ferner folgt auch aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments und der besonderen Regelung der Auszahlungen aus dem principal durch Abschnitt SEVENTH III. (2), dass dem Kläger ein verbindlicher Rechtsanspruch auf Auszahlung des income gewährt worden sollte.
        
„…I authorize and empower my trustees, at any time and from time to time, to pay or apply to or to the use of the beneficiary such sum or sums from the principal of said trust… as my trustees shall in their sole and unreviewable discretion determine; and in making such determination, my said trustees shall consider the interest of the beneficiary before considering the interests of any secondary income beneficiary or remainderman hereunder.”
21 
Eine solche Passage, in der den trustees in Bezug auf Auszahlungen aus dem principal ausdrücklich das alleinige und unüberprüfbare Ermessen („sole and unreviewable discretion“) eingeräumt wird und in der die Umstände geregelt werden, welche die trustees bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigen sollen („my trustees shall consider…“), fehlt in dem direkt darüberstehenden Abschnitt Seventh, III. (1) des Testaments, in dem die Auszahlung des income an den Kläger geregelt wurde. Daraus kann geschlossen werden, dass die Auszahlung des income an den Kläger gerade nicht im freien Ermessen der Trustees steht, sondern dass der Kläger einen Rechtsanspruch auf das income hat. Bei einem anderen Verständnis hätte es kein Bedürfnis gegeben, Auszahlungen des income und des principal in zwei verschiedenen Abschnitten des Testaments zu regeln.
22 
cc) Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch die entsprechende Regelung in Abschnitt Seventh, IV. (1) des Testaments, in dem die Trusts für die Enkel der Erblasserin geregelt wurden.
„…and to apply to the use of said grandchild … so much of the net income of said trust as my trustees shall from time to time in their sole and unreviewable discretion determine, and to accumulate and add to principal any income not so applied in any trust year, until the beneficiary shall attain the age of twenty-one years, and thereafter to pay or apply to or to the use of the beneficiary the entire net income of said trust during the beneficiary´s life time.”
23 
Im Gegensatz zu dem für den Kläger errichteten Trust ist hier ausdrücklich auch die Auszahlung von Beträgen aus dem income an die Enkel der Erblasserin in das freie Ermessen der Trustees gestellt worden, bis die Enkel  21 Jahre alt sind. Ferner enthält Abschnitt Seventh, IV. (1) auch eine Regelung dafür, was mit dem nicht an die Enkel ausgezahlten income geschehen solle („to accumulate and add to principal any income not so applied in any trust year“), die für den Trust, aus dem der Kläger begünstigt wird (Abschnitt Seventh, III. (1) des Testaments), fehlt. Daraus kann ebenfalls geschlossen werden, dass dem Kläger -anders als den (noch nicht 21 Jahre alten) Enkeln der Erblasserin- durch das Testament ein Rechtsanspruch auf Auszahlung des income gewährt worden ist.
24 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach den  §§ 151 Abs.  3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
25 
3. Die Revision war nicht zuzulassen (s. § 115 Abs. 2 FGO). Die Rechtsmaßstäbe, auf denen diese Entscheidung beruht, sind durch die Rechtsprechung des BFH geklärt (s. Beschluss vom 7. Juni 1989 II B 4/89, BFH/NV 1990, 235; die Rechtsfrage nach der Entstehung von ErbSt bei Einschaltung eines Trust angloamerikanischen Rechts hat danach keine grundsätzliche Bedeutung mehr). Außerdem betrifft die Streitsache einen Erwerb vom 15. Januar 1998 und damit ausgelaufenes Recht. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 wurde die Besteuerung von Vermögensmassen ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, für Erwerbe ab dem 4. März 1999 neu geregelt. Unter derartige Vermögensmassen fallen nach der Gesetzesbegründung insbesondere auch Trusts (s. BTDrucks 14/443 vom 3. März 1999 S. 41).
26 
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären. Die Sach- und Rechtslage war nicht so einfach, dass sich der Kläger selbst vertreten konnte.

Gründe

 
14 
Die Klage ist begründet.
15 
Die Auszahlung aus dem Alt-Trust vom 15. Januar 1998 in Höhe von insgesamt 138.320 DM unterliegt  nur in Bezug auf das ausgeschüttete Trustkapital in Höhe von 82.993 DM und nicht auch in Bezug auf das ausgeschüttete Trusteinkommen in Höhe von 55.327 DM der Erbschaftsteuer.
16 
1. a) Nach der bis zum Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) geltenden Rechtslage stand der Erwerb der Substanz eines -nicht zur alsbaldigen Verteilung bestimmten- Trustvermögens unter der aufschiebenden Bedingung der Beendigung des Trusts. Die deutsche Erbschaftsteuer der Substanzerben entstand nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), die an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes (RFH) anknüpfte, grundsätzlich erst bei der Beendigung des Trusts (vgl. BFH-Urteile vom 7. Mai 1986 II R 137/79, BStBl II 1986, 615, m.w.N.; vom 21. April 1982 II R 148/79, BStBl II 1982, 597; BFH-Beschluss vom 07.06.1989 II B 4/89, BFH/NV 1990, 235; RFH-Urteil vom 24. September 1935 III e A 37/35, RFHE 38, 225; RFH-Urteil vom 16. Januar 1936 III e A 33/35, RStBl 1936, 248). Soweit die Begünstigten (beneficiaries) bereits vor Beendigung des Trusts tatsächlich Erträge oder Substanz aus dem Trust erhielten, entstand die Steuer mit der tatsächlichen Auszahlung.
17 
Bei besonderer Ausgestaltung des Trusts, bei der ein Zwischenberechtigter hinsichtlich der Erträge eine einem Nießbraucher vergleichbare Stellung inne hatte (sog. fixed interest trusts) , entstand die Steuer indes bereits mit dem Erwerb des gesicherten Anspruchs auf die Trusterträge (s. BFH-Urteil in BStBl II 1986, 615; BFH-Urteil vom 12. Mai  1970 II 52/64, BStBl II 1972, 462; RFH-Urteil  in  RStBl 1936, 248). Dabei war der Gesamtwert des Anspruchs nach den §§ 13 bis 15 BewG i.V.m. § 12 Abs. 1 ErbStG durch Kapitalisierung zu ermitteln. Die nachfolgenden laufenden Auszahlungen der Erträge waren dann nicht mehr steuerbar.
18 
b) Nach diesen Grundsätzen durfte das FA bei der Besteuerung der Auszahlung vom 15. Januar 1998 den (allein) streitgegenständlichen Ausschüttungsanteil aus dem income nicht mehr der Besteuerung unterwerfen. Denn der Kläger hat bereits im Jahre 1986 das gesicherte Recht auf Auszahlung des income erworben. Dies ergibt sich aus der sachgerechten Auslegung des Testaments der Erblasserin vom 21. Januar 1983 unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Gesamtzusammenhangs einschließlich eines Vergleichs mit den Regelungen zugunsten der Enkelkinder der Erblasserin (unter aa bis cc). Der Erwerb dieses Nutzungsrechts stellte nach der bis zum 4. März 1999 geltenden Rechtslage den maßgeblichen steuerlichen Erwerb dar. Die späteren Auszahlungen des income unterliegen daher -anders als die Auszahlungen aus dem principal - nicht mehr der Erbschaftsteuer.
19 
aa) Der Senat folgt der Auffassung des Klägers, dass das Wort „shall“ in Abschnitt SEVENTH, III. (1) des Testaments
        
„My trustees shall hold any property hereinbefore bequeathed to them for the benefit of a child of mine IN A SEPARATE TRUST ...“
        
nicht  als „sollen“ im Sinne eines unverbindlichen Handlungsgebotes für die Treuhänder, sondern als verbindliche Handlungsanweisung im Sinne von „müssen“ zu verstehen ist. Der Kläger hat insoweit mit Recht darauf hingewiesen, dass beispielsweise auch eine testamentarische Bestimmung mit dem Inhalt
        
„A soll ein Vermächtnis in Höhe von  … EUR erhalten“
        
keinen Spielraum eröffne,  sondern verbindlich sei. Entsprechend ist auch das Wort „shall“ im  Sinne einer verbindlichen Anweisung zu verstehen.
        
Hinzu kommt, dass sich das Wort „shall“ nach seiner Stellung im Satzbau ohnehin nur auf das Gebot an die Treuhänder bezieht, die zu bildenden Vermögensmassen in getrennten Trusts zu halten und zu verwalten. Der folgende Satzteil
        
„to invest and reinvest … and to pay or apply the net income therefrom to or to the use of child of mine…“
        
enthält demgegenüber auf jeden Fall einen verbindlichen Infinitiv
        
(„um die Erträge zu investieren … und an mein Kind auszuzahlen oder zum Nutzen meines Kindes zu verwenden“).
20 
bb) Ferner folgt auch aus dem Gesamtzusammenhang des Testaments und der besonderen Regelung der Auszahlungen aus dem principal durch Abschnitt SEVENTH III. (2), dass dem Kläger ein verbindlicher Rechtsanspruch auf Auszahlung des income gewährt worden sollte.
        
„…I authorize and empower my trustees, at any time and from time to time, to pay or apply to or to the use of the beneficiary such sum or sums from the principal of said trust… as my trustees shall in their sole and unreviewable discretion determine; and in making such determination, my said trustees shall consider the interest of the beneficiary before considering the interests of any secondary income beneficiary or remainderman hereunder.”
21 
Eine solche Passage, in der den trustees in Bezug auf Auszahlungen aus dem principal ausdrücklich das alleinige und unüberprüfbare Ermessen („sole and unreviewable discretion“) eingeräumt wird und in der die Umstände geregelt werden, welche die trustees bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigen sollen („my trustees shall consider…“), fehlt in dem direkt darüberstehenden Abschnitt Seventh, III. (1) des Testaments, in dem die Auszahlung des income an den Kläger geregelt wurde. Daraus kann geschlossen werden, dass die Auszahlung des income an den Kläger gerade nicht im freien Ermessen der Trustees steht, sondern dass der Kläger einen Rechtsanspruch auf das income hat. Bei einem anderen Verständnis hätte es kein Bedürfnis gegeben, Auszahlungen des income und des principal in zwei verschiedenen Abschnitten des Testaments zu regeln.
22 
cc) Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch die entsprechende Regelung in Abschnitt Seventh, IV. (1) des Testaments, in dem die Trusts für die Enkel der Erblasserin geregelt wurden.
„…and to apply to the use of said grandchild … so much of the net income of said trust as my trustees shall from time to time in their sole and unreviewable discretion determine, and to accumulate and add to principal any income not so applied in any trust year, until the beneficiary shall attain the age of twenty-one years, and thereafter to pay or apply to or to the use of the beneficiary the entire net income of said trust during the beneficiary´s life time.”
23 
Im Gegensatz zu dem für den Kläger errichteten Trust ist hier ausdrücklich auch die Auszahlung von Beträgen aus dem income an die Enkel der Erblasserin in das freie Ermessen der Trustees gestellt worden, bis die Enkel  21 Jahre alt sind. Ferner enthält Abschnitt Seventh, IV. (1) auch eine Regelung dafür, was mit dem nicht an die Enkel ausgezahlten income geschehen solle („to accumulate and add to principal any income not so applied in any trust year“), die für den Trust, aus dem der Kläger begünstigt wird (Abschnitt Seventh, III. (1) des Testaments), fehlt. Daraus kann ebenfalls geschlossen werden, dass dem Kläger -anders als den (noch nicht 21 Jahre alten) Enkeln der Erblasserin- durch das Testament ein Rechtsanspruch auf Auszahlung des income gewährt worden ist.
24 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach den  §§ 151 Abs.  3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
25 
3. Die Revision war nicht zuzulassen (s. § 115 Abs. 2 FGO). Die Rechtsmaßstäbe, auf denen diese Entscheidung beruht, sind durch die Rechtsprechung des BFH geklärt (s. Beschluss vom 7. Juni 1989 II B 4/89, BFH/NV 1990, 235; die Rechtsfrage nach der Entstehung von ErbSt bei Einschaltung eines Trust angloamerikanischen Rechts hat danach keine grundsätzliche Bedeutung mehr). Außerdem betrifft die Streitsache einen Erwerb vom 15. Januar 1998 und damit ausgelaufenes Recht. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 wurde die Besteuerung von Vermögensmassen ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, für Erwerbe ab dem 4. März 1999 neu geregelt. Unter derartige Vermögensmassen fallen nach der Gesetzesbegründung insbesondere auch Trusts (s. BTDrucks 14/443 vom 3. März 1999 S. 41).
26 
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären. Die Sach- und Rechtslage war nicht so einfach, dass sich der Kläger selbst vertreten konnte.

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