Urteil vom Finanzgericht Baden-Württemberg - 5 K 3263/12

Tenor

1) Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 30.03.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.09.2012 wird insoweit abgeändert, als Kinderbetreuungskosten in Höhe von zwei Drittel von 1.595 EUR wie Werbungskosten bei der Ermittlung der sonstigen Einkünfte gem. § 22 Nr. 4 EStG der Klägerin berücksichtigt werden. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.

2) Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3) Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4) Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

5) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist die Anerkennung von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten.
Die Klägerin war im Streitjahr Mitglied des Europäischen Parlaments und erzielte mit ihren Abgeordnetenbezügen sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG).
In der Einkommensteuererklärung 2010 machte sie Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1.595 EUR geltend und legte eine Bescheinigung der X, Belgien vor (Bl. 11 der ESt-Akte), wonach ihre 2010 geborene Tochter, die unstreitig zum Haushalt der Eltern gehört, im Zeitraum vom 07.11. - 31.12.2010 an 31 Tagen in dieser Einrichtung betreut wurde. Der Vater des Kindes war in diesem Zeitraum ebenfalls erwerbstätig. Als Abgeordnete des Europäischen Parlaments erhielt die Klägerin neben der nach § 22 Nr. 4 EStG steuerpflichtigen Abgeordnetenentschädigung auch eine allgemeine Kostenvergütung in Form eines Pauschalbetrages, welche aufgrund Artikel 20 Abs. 3 des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments gewährt wird (Beschluss des Europäischen Parlaments vom 28.09.2005, 2005/684/EG, Euratom) und der wie folgt lautet:
Artikel 20
(1) Die Abgeordneten haben Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihnen durch die Ausübung des Mandats entstehen.
(2) Für Reisen zu und von den Arbeitsorten und für sonstige Dienstreisen erstattet das Parlament die tatsächlich entstandenen Kosten.
(3) Die übrigen mandatsbedingten Aufwendungen können pauschal erstattet werden.
(4) Das Parlament legt die Bedingungen für die Wahrnehmung dieses Anspruchs fest.
In den hierzu mit Beschluss des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 19.05. und 09.07.2008 (2009/C 159/01) erlassenen Durchführungsbestimmungen ist u.a. folgendes geregelt:
Artikel 25
Anspruch auf allgemeine Kostenvergütung
Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine pauschale allgemeine Kostenvergütung zur Deckung der mit ihrer Tätigkeit als Mitglieder verbundenen Kosten, die nicht durch andere Vergütungen gemäß diesen Durchführungsbestimmungen oder sonstigen Regelungen des Parlaments abgedeckt sind.
Artikel 26
Zeitraum der Erstattung
(1) Die allgemeine Kostenvergütung ist für die Dauer des Mandats der Abgeordneten zahlbar.
(2) Der monatliche Betrag der Vergütung gemäß Artikel 25 wird auf 4.202 EUR festgesetzt.
[…]
Artikel 28
Gedeckte Kosten
Die allgemeine Kostenvergütung ist unter anderem zur Deckung folgender Kosten bestimmt:
-       
Bürounterhaltungskosten, namentlich Büromiete und Nebenkosten (Heizung, Strom, Versicherung und Reinigung),
-       
Kosten für den Kauf oder die Miete von Büroausstattungsgeräten,
-       
Kosten für Telefon, einschließlich Mobiltelefon, und Postgebühren,
-       
Kauf von Büromaterial,
-       
Kosten für den Kauf von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen,
-       
Kosten für die Benutzung öffentlicher Netze zum Abruf von Daten,
-       
Kosten für die Ausstattung der Abgeordneten mit Kommunikationsmaterial und dessen Wartung, z. B. Kauf oder Miete eines Telefons, eines Telefaxes, eines Computers, eines Modems oder einer Kommunikationssteckkarte, eines Druckers, von sonstigem EDV-Material, PC-Material und Software,
-       
Kosten eines Internetanschlusses und eines Anschlusses an Datenbanken,
-       
Kosten für Repräsentationstätigkeiten,
-       
Hotel- und sonstige Nebenkosten in Verbindung mit einer Reise innerhalb des Herkunftsmitgliedstaates.
Im Jahr 2010 wurden diese Durchführungsbestimmungen zum Abgeordnetenstatut geändert (Beschluss des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 05.07. und 18.10.2010, 2010/C 283/04). Hierbei wurde Artikel 28 wie folgt neu gefasst:
10 
Artikel 28
Abgedeckte Kosten           
(1) Die allgemeine Kostenvergütung dient zur Deckung von Kosten wie:
   - Bürobetriebs- und Bürounterhaltungskosten,
   - Bürobedarf und Dokumentation,
   - Kosten für die Büroausstattung,
   - Kosten für Repräsentationstätigkeiten,
   - Verwaltungskosten.
(2) Das Präsidium erlässt eine nicht erschöpfende Liste der Kosten, die aus der allgemeinen Kostenvergütung bestritten werden können.
11 
In dieser in Abs. 2 angesprochenen Liste (Bl.11 der Gerichtsakten [GA]) werden die einzelnen Punkte des Artikels 28 Abs.1 genauer erläutert, es werden aber keine neuen Positionen hinzugefügt. Kinderbetreuungskosten sind dort nicht vermerkt.
12 
Die Beklagte berücksichtigte die Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid 2010 vom 30.03.2012 nicht, da sie im Zusammenhang mit der Ausübung des EU-Mandats entstanden und daher nach § 22 Abs. 4 S.2 EStG nicht abzugsfähig seien.
13 
Hiergegen legte die Klägerin am 26.04.2012 Einspruch ein, welcher mit Einspruchsentscheidung vom 07.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die geltend gemachten Kinderbetreuungskosten könnten nicht wie Werbungskosten abgezogen werden, da diese Aufwendungen nach § 22 Nr. 4 EStG durch die steuerfreie Aufwandspauschale abgedeckt seien und daher nicht zusätzlich steuermindernd berücksichtigt werden könnten. Die vom Präsidium des Europäischen Parlaments erlassene Liste zu den mandatsbedingten Aufwendungen sei ausdrücklich nicht abschließend. Bei den Kinderbetreuungskosten handele es sich um mandatsbedingte Aufwendungen, da die einzige Erwerbstätigkeit der Klägerin die Tätigkeit als Mitglied des Europäischen Parlaments sei.
14 
In der rechtzeitig erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, die Regelung des § 22 Nr. 4 S. 2 EStG greife nicht, da Kinderbetreuungskosten keine Werbungskosten bzw. mandatsbedingten Aufwendungen darstellen würden. § 22 Nr. 4 S. 2 EStG verbiete den Abzug von Werbungskosten, die durch die Mandatsausübung entstehen. Diese sogenannten mandatsbedingten Aufwendungen der Abgeordneten seien im Lichte des verfassungsrechtlich definierten Abgeordnetenstatus zu bestimmen. Die Kostenpauschale würde für Bundestagsabgeordnete beispielsweise gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 AbgG Aufwendungen erfassen, die den Bundestagsabgeordneten aufgrund Ihres Abgeordnetenstatus typischerweise entstehen. Bei den Statuten des Europäischen Parlaments bezüglich der Vergütungen für Abgeordnete handele es sich um eine vergleichbare Regelung. Hierin seien die Ansprüche auf allgemeine Kostenvergütungen geregelt. In der vom Präsidium hierzu erlassenen ergänzenden Liste sei erläutert, dass mit der allgemeinen Kostenvergütung Ausgaben gedeckt werden sollen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung des parlamentarischen Mandats stehen. In der Aufzählung seien Kinderbetreuungskosten nicht erwähnt, da diese nicht in unmittelbarem Zusammenhang oder typischerweise mit der Abgeordnetentätigkeit entstehen. Die Klägerin bekomme für die Betreuungskosten (hohe monatliche Gebühren für die Kindertagesstätte des Parlaments) keine Kosten erstattet. Im Übrigen führe allein schon die wörtliche Auslegung der gesetzlichen Regelung der Kinderbetreuungskosten nach § 9c EStG zu dem Ergebnis, dass diese nicht unter die Vorschrift des § 22 Nr. 4 S. 2 EStG fallen könnten. § 9c Abs. 1 EStG ordne rechtsbegründend bisher als privat veranlasst angesehene erwerbsbedingte Aufwendungen, die nach § 12 EStG gar nicht oder nur im Rahmen des § 32 Abs. 6 EStG abziehbar gewesen seien, dem Betriebsausgabenabzug zu. Da Aufwendungen für Kinder immer privat mitveranlasst seien, lägen keine originären Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten vor. Nachdem Werbungskosten mit mandatsbedingten Aufwendungen gleichzusetzen seien, würden Kinderbetreuungskosten demnach keine mandatsbedingten Aufwendungen darstellen. Wie in der Gesetzesbegründung zum Familienleistungsgesetz ausgeführt worden sei, würden die Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten - ohne materiell-rechtliche Änderungen - in einer Vorschrift zusammengefasst. Daraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber keine Schlechterstellung der Steuerpflichtigen im Vergleich zum Abzug der Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben beabsichtigt habe. Zudem hätten alle Erwerbstätigen in den Genuss der Förderung kommen sollen.
15 
Die Klägerin beantragt:
1.    
den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 30.03.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.09.2012 abzuändern und Kinderbetreuungskosten in Höhe von 1.064,00 EUR anzuerkennen,
2.    
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
3.    
das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären,
4.    
hilfsweise die Revision zuzulassen.
16 
Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.
17 
Der Beklagte bestreitet, dass die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für Kinderbetreuungskosten wie Werbungskosten abgezogen werden könnten, da diese Aufwendungen nach § 22 Nr. 4 EStG durch die steuerfreie Aufwandspauschale abdeckt seien und daher nicht zusätzlich steuermindernd berücksichtigt werden könnten. Auch die eingereichten Auszüge aus den Statuten des europäischen Parlaments würden an dieser Auffassung nichts ändern, da die vom Präsidium hierzu erlassene „nicht erschöpfende Liste der Kosten“ gerade keine abschließende Aufzählung mandatsbedingter Aufwendungen enthalte.
18 
Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und auf die vom Beklagten übermittelte Einkommensteuerakte Bezug genommen.
19 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
21 
1) Der Beklagte hat die Kinderbetreuungskosten zu Unrecht nicht berücksichtigt.
22 
a) Nach § 9c Abs. 1 EStG können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, die wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen anfallen, bei Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen, höchstens 4.000 Euro je Kind, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit wie Betriebsausgaben abgezogen werden. Im Fall des Zusammenlebens der Elternteile ist es erforderlich, dass beide Elternteile erwerbstätig sind. Die Vorschrift gilt nach § 9 Abs. 5 S. 1 EStG sinngemäß für den Werbungskostenabzug bei den Überschusseinkünften.
23 
Die Klägerin hat im Streitjahr Betreuungskosten für ihre noch kein Jahr alte Tochter, die im gemeinsamen Haushalt der Eltern lebt, in Höhe von 1.595 EUR nachgewiesen. Sowohl die Klägerin, als auch der Vater des Kindes waren in diesem Zeitraum erwerbstätig. Damit sind die Betreuungskosten aufgrund der Erwerbstätigkeit der Klägerin angefallen und können grundsätzlich nach § 9c EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG zu zwei Dritteln und damit in Höhe von 1.064 EUR wie Werbungskosten berücksichtigt werden.
24 
b) Bei den Kinderbetreuungskosten handelt es sich nicht um originäre Werbungskosten. Dies lässt sich eindeutig dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen, sie werden lediglich wie Werbungskosten behandelt. Der Gesetzgeber fingiert für die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten in § 9c Abs. 1 EStG den Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug. Die Aufwendungen können nach § 9c Abs. 1 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG nur „wie“ Werbungskosten abgezogen werden (so auch Krömker in Herrmann/Heuer/Raupach [234. Lfg.] § 4f EStG Rn. 14). Das Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 S. 2 EStG ist aus diesem Grund gar nicht einschlägig.
25 
Ebenso spricht auch die systematische Stellung des § 9c im Einkommensteuergesetz dafür, dass der Gesetzgeber bei den Kinderbetreuungskosten nicht von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten ausging. Die Regelung wurde bewusst nicht in den § 4 oder § 9 des EStG eingefügt, sondern erhielt eine eigene Vorschrift im hierfür neu geschaffenen Abschnitt 4b unter der Abschnittsüberschrift „Kinderbetreuungskosten“. Darüber hinaus sollte es nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Zusammenfassung der Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten im § 9c EStG durch das Familienleistungsgesetz zu keiner materiell-rechtlichen Änderung kommen (Bundestags-Drucksache [BT-Drs.] 16/10809, 1). Die Vorschrift des § 9c EStG dient nach der Gesetzesbegründung lediglich der Zusammenführung der seit 2006 an mehreren Stellen des Einkommensteuergesetzes geregelten steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten. § 9c Abs. 1 enthält die bisherige Regelung der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten und ersetzte somit den bisherigen § 4f EStG (BT-Drs. 16/10809, 14). Der § 4f EStG wiederum wurde im Jahr 2006 mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung eingeführt (BT-Drs. 16/643). Die Regelung sollte unter anderem die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit verbessern. Auch hiernach konnten Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung von Kindern nur „wie“ Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden. Dem Gesetzgeber war schon damals bewusst, dass es sich hierbei um gemischte, also auch privat veranlasste Aufwendungen handelt. Mit der Berücksichtigung von lediglich zwei Drittel der Aufwendungen sollte daher dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei allen Eltern Betreuungsbedarf für Kinder besteht, unabhängig davon, ob sie erwerbstätig sind oder nicht (BT-Drs. 16/643, 9).
26 
Gegen die Einordnung der Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten spricht zudem, dass der Gesetzgeber im § 9a S. 1 Nr. 1a EStG den Abzug neben dem Werbungskostenpauschbetrag für Arbeitnehmer zugelassen hat.
27 
c) Dementsprechend steht einer Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten im vorliegenden Fall auch nicht das Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 S. 2 EStG entgegen. Hiernach dürfen die durch das Mandat veranlassten Aufwendungen nicht als Werbungskosten abgezogen werden, wenn zur Abgeltung des durch das Mandat veranlassten Aufwandes Aufwandsentschädigungen gezahlt werden.
28 
Zwar stand der Klägerin nach Artikel 20 Abs. 3 des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments eine pauschale Aufwandsentschädigung zu, sodass nach § 22 Nr. 4 S. 2 EStG der Werbungskostenabzug für mandatsbedingte Aufwendungen ausgeschlossen ist, jedoch handelt es sich, wie oben ausgeführt, bei den Kinderbetreuungskosten nicht um originäre Werbungskosten.
29 
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
30 
3) Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war aufgrund der Schwierigkeit der streitigen Rechtsfrage notwendig (§ 139 Abs. 3 S. 3 FGO).
31 
4) Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die Rechtsfrage, ob Kinderbetreuungskosten nach § 9c EStG originäre Werbungskosten sind und somit dem Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 S. 2 EStG unterfallen ist zwar bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden, jedoch handelt es sich bei dem § 9c EStG um auslaufendes Recht. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 7 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (BGBl I 2011, 2131) mit Wirkung vom 01.01.2012 aufgehoben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt Rechtsfragen, die auslaufendes Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu (BFH-Beschluss vom 27.03.2009 VIII B 184/08, BStBl II 2009, 850 und vom 24.11.2005 II B 46/05, BFH/NV 2006, 587).

Gründe

 
20 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
21 
1) Der Beklagte hat die Kinderbetreuungskosten zu Unrecht nicht berücksichtigt.
22 
a) Nach § 9c Abs. 1 EStG können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, die wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen anfallen, bei Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen, höchstens 4.000 Euro je Kind, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit wie Betriebsausgaben abgezogen werden. Im Fall des Zusammenlebens der Elternteile ist es erforderlich, dass beide Elternteile erwerbstätig sind. Die Vorschrift gilt nach § 9 Abs. 5 S. 1 EStG sinngemäß für den Werbungskostenabzug bei den Überschusseinkünften.
23 
Die Klägerin hat im Streitjahr Betreuungskosten für ihre noch kein Jahr alte Tochter, die im gemeinsamen Haushalt der Eltern lebt, in Höhe von 1.595 EUR nachgewiesen. Sowohl die Klägerin, als auch der Vater des Kindes waren in diesem Zeitraum erwerbstätig. Damit sind die Betreuungskosten aufgrund der Erwerbstätigkeit der Klägerin angefallen und können grundsätzlich nach § 9c EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG zu zwei Dritteln und damit in Höhe von 1.064 EUR wie Werbungskosten berücksichtigt werden.
24 
b) Bei den Kinderbetreuungskosten handelt es sich nicht um originäre Werbungskosten. Dies lässt sich eindeutig dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen, sie werden lediglich wie Werbungskosten behandelt. Der Gesetzgeber fingiert für die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten in § 9c Abs. 1 EStG den Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug. Die Aufwendungen können nach § 9c Abs. 1 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG nur „wie“ Werbungskosten abgezogen werden (so auch Krömker in Herrmann/Heuer/Raupach [234. Lfg.] § 4f EStG Rn. 14). Das Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 S. 2 EStG ist aus diesem Grund gar nicht einschlägig.
25 
Ebenso spricht auch die systematische Stellung des § 9c im Einkommensteuergesetz dafür, dass der Gesetzgeber bei den Kinderbetreuungskosten nicht von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten ausging. Die Regelung wurde bewusst nicht in den § 4 oder § 9 des EStG eingefügt, sondern erhielt eine eigene Vorschrift im hierfür neu geschaffenen Abschnitt 4b unter der Abschnittsüberschrift „Kinderbetreuungskosten“. Darüber hinaus sollte es nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Zusammenfassung der Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten im § 9c EStG durch das Familienleistungsgesetz zu keiner materiell-rechtlichen Änderung kommen (Bundestags-Drucksache [BT-Drs.] 16/10809, 1). Die Vorschrift des § 9c EStG dient nach der Gesetzesbegründung lediglich der Zusammenführung der seit 2006 an mehreren Stellen des Einkommensteuergesetzes geregelten steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten. § 9c Abs. 1 enthält die bisherige Regelung der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten und ersetzte somit den bisherigen § 4f EStG (BT-Drs. 16/10809, 14). Der § 4f EStG wiederum wurde im Jahr 2006 mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung eingeführt (BT-Drs. 16/643). Die Regelung sollte unter anderem die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit verbessern. Auch hiernach konnten Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung von Kindern nur „wie“ Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden. Dem Gesetzgeber war schon damals bewusst, dass es sich hierbei um gemischte, also auch privat veranlasste Aufwendungen handelt. Mit der Berücksichtigung von lediglich zwei Drittel der Aufwendungen sollte daher dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei allen Eltern Betreuungsbedarf für Kinder besteht, unabhängig davon, ob sie erwerbstätig sind oder nicht (BT-Drs. 16/643, 9).
26 
Gegen die Einordnung der Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten spricht zudem, dass der Gesetzgeber im § 9a S. 1 Nr. 1a EStG den Abzug neben dem Werbungskostenpauschbetrag für Arbeitnehmer zugelassen hat.
27 
c) Dementsprechend steht einer Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten im vorliegenden Fall auch nicht das Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 S. 2 EStG entgegen. Hiernach dürfen die durch das Mandat veranlassten Aufwendungen nicht als Werbungskosten abgezogen werden, wenn zur Abgeltung des durch das Mandat veranlassten Aufwandes Aufwandsentschädigungen gezahlt werden.
28 
Zwar stand der Klägerin nach Artikel 20 Abs. 3 des Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments eine pauschale Aufwandsentschädigung zu, sodass nach § 22 Nr. 4 S. 2 EStG der Werbungskostenabzug für mandatsbedingte Aufwendungen ausgeschlossen ist, jedoch handelt es sich, wie oben ausgeführt, bei den Kinderbetreuungskosten nicht um originäre Werbungskosten.
29 
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
30 
3) Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war aufgrund der Schwierigkeit der streitigen Rechtsfrage notwendig (§ 139 Abs. 3 S. 3 FGO).
31 
4) Die Revision wird nicht zugelassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die Rechtsfrage, ob Kinderbetreuungskosten nach § 9c EStG originäre Werbungskosten sind und somit dem Abzugsverbot des § 22 Nr. 4 S. 2 EStG unterfallen ist zwar bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden, jedoch handelt es sich bei dem § 9c EStG um auslaufendes Recht. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 7 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (BGBl I 2011, 2131) mit Wirkung vom 01.01.2012 aufgehoben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kommt Rechtsfragen, die auslaufendes Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu (BFH-Beschluss vom 27.03.2009 VIII B 184/08, BStBl II 2009, 850 und vom 24.11.2005 II B 46/05, BFH/NV 2006, 587).

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