Beschluss vom Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt (5. Senat) - 5 K 51/16
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
- 1
I. Der Ausspruch über die Einstellung des Verfahrens erfolgt analog § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache in der am 28. März 2017 durchgeführten mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
- 2
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 138 Abs. 1 FGO. Danach entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens. Billigem Ermessen entspricht es, der Klägerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen, denn die Klage hatte nach summarischer Prüfung, die bei einer Entscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO allein angezeigt ist [BFH, Beschluss vom 28. Februar 2012 – VIII R 2/08 – BFH/NV 2012, S. 1135 (1136)], wie auch nach dem Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung keine Aussicht auf Erfolg.
- 3
Streitgegenstand des erledigten Rechtsstreites der Hauptsache war die Höhe der Kosten, die der Klägerin für ein Einspruchsverfahren zu erstatten sind, zu dem diese seinerzeit hinzugezogen worden war. Gegenstand dieses durch Einspruch vom 16. März 2010 eingeleiteten Vorverfahrens war ein Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes aus dem Anspruch der Klägerin. Die Beklagte hat die der in diesem Einspruchsverfahren anwaltlich vertretenen Klägerin zu erstattenden Kosten zu Recht unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes berechnet und festgesetzt, der sich in der Summe aus dem Jahresbetrag des Kindergeldes zuzüglich der bis zur Einreichung des Einspruchs zu zahlenden Kindergeldbeträge ergibt.
- 4
Das darüber hinausgehende Verlangen der Klägerin, die Gebühren ihres Rechtsanwaltes nach § 42 des Gerichtskostengesetzes (GKG) unter Zugrundelegung des dreifachen Jahresbetrages des Kindergeldes zu berechnen und zu erstatten, mag angesichts der Dauer des Einspruchsverfahrens, das erst durch Bescheid vom 23. April 2014 beendet wurde, nachvollziehbar erscheinen. Ein dahingehender Erstattungsanspruch besteht indes nicht.
- 5
Rechtsgrundlage für die Bestimmung der Höhe der der Klägerin zu erstattenden Kosten des Einspruchsverfahrens ist § 77 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Verbindung mit der Entscheidung der Beklagten, dass die Vorverfahrenskosten der Klägerin im notwendigen Umfang als erstattungsfähig und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren als notwendig anerkannt werden.
- 6
Die Grundlage für die Bestimmung des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit im Einspruchsverfahren ergibt sich nicht aus § 23 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte [Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)], da es hinsichtlich des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit – dem Verfahren wegen der von dem Landkreis L. begehrten Abzweigung des Kindergeldes – nicht zu einem gerichtlichen Verfahren gekommen ist. Maßgebend ist vielmehr § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG. Danach gelten die Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes für die anwaltliche Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, wenn der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Im Gerichtskostengesetz sind als Abschnitt 7 „Wertvorschriften“ aufgeführt, d.h. § 23 Abs. 1 Satz 3 RVG verweist auf die §§ 39 - 60 GKG.
- 7
Maßgebend für die Bemessung des Gegenstandswertes ist hiernach § 52 Abs. 1 GKG. Danach ist der Gegenstandswert nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
- 8
Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den (Streit-) Gegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.
- 9
Für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin ergibt sich hieraus, dass für die Wertberechnung der Zeitpunkt des Beginns des Einspruchsverfahrens maßgebend ist.
- 10
Als Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit ist hiernach ein Betrag von 3.088,00 Euro anzunehmen.
- 11
Die Abzweigung war von dem Landkreis L. mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 beantragt worden und betraf deshalb den Kindergeldanspruch ab dem Monat November 2009. Ein Endzeitpunkt war für die begehrte Abzweigung nicht benannt worden, da der Landkreis L. die Abzweigung wegen der von ihm laufend an den Sohn der Klägerin erbrachten Grundsicherungsleistungen beantragt hatte. Streitgegenstand war hiernach der Kindergeldanspruch ab November 2009, d.h. ein (Kindergeld-) Anspruch von unbestimmter Dauer.
- 12
Als Streitwert bzw. Gegenstandswert war in Kindergeldangelegenheiten bei Ansprüchen von unbestimmter Dauer nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes ursprünglich der Jahresbetrag des Kindergeldes anzunehmen und diesem Betrag die bis zur Einreichung der Klage angefallenen Kindergeldbeträge – soweit sie Streitgegenstand sind – hinzuzurechnen [BFH, Beschluss vom 24. Mai 2000 – VI S 4/00 – BStBl. II 2000, S. 544]. Dieser Rechtsprechung lag die Erkenntnis zugrunde, dass § 13 Abs. 2 GKG a.F. – der dem heutigen § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG entspricht – nicht anwendbar ist, weil sich der Anspruch auf eine unbestimmte Dauer bezieht und die Geldleistung deshalb gerade nicht konkret beziffert ist bzw. werden kann. Der Streitwert sei deshalb nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. – der dem heutige § 52 Abs. 1 GKG entspricht – zu bemessen, d.h. nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache.
- 13
Die Bedeutung der Sache wurde – da das Kindergeld nach der Überschrift des § 31 EStG als Familienleistungsausgleich letztlich auf die Sicherung des Kindesunterhalts ausgerichtet ist – analog der Regelung über den Streitwert bei Unterhaltsansprüchen bemessen, die sich in § 17 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 GKG a.F. fand. Nach § 17 Abs. 1 GKG a.F. war bei Ansprüchen auf Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht für den Streitwert der für die ersten zwölf Monate nach Einreichung der Klage geforderte Betrag maßgebend (höchstens jedoch der Gesamtbetrag der geforderten Leistung). Diesem Betrag waren nach § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG a.F. die bis zur Einreichung der Klage fälligen Beträge hinzuzusetzen. § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG a.F. ist insoweit Ausdruck des auch in § 13 Abs. 2 GKG a.F. formulierten Rechtsgedankens.
- 14
Im Rahmen der Kostenrechtsmodernisierung ist das Gerichtskostengesetz dann mit Wirkung zum 01. Juli 2004 vollständig neu gefasst worden. Für die hier erörterte Bestimmung des Wertes der anwaltlichen Tätigkeit hat sich dabei jedoch keine Änderung ergeben. An Stelle der §§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 17 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 GKG a.F. sind am 01. Juli 2004 die §§ 52 Abs. 1 und Abs. 3, 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG getreten. Abgesehen davon, dass diese neuen Vorschriften (fast) wörtlich mit den alten Regelungen übereinstimmen, ergibt sich auch aus den Erläuterungen in dem Entwurf zum Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz] der ausdrückliche Hinweis, dass mit den neuen Vorschriften – soweit es den hier erörterten Zusammenhang betrifft – die Regelungen der bisherigen §§ 13, 17 GKG übernommen werden [vgl. die Einzelbegründungen zu den §§ 42 und 52 GKG in dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG), Bundesrats-Drucksache 830/03 vom 07. November 2002, (S. 182, 184)]. Im Ergebnis hat sich damit durch die Kostenrechtsmodernisierung nichts geändert. Als Streitwert war mithin weiterhin der Jahresbetrag des Kindergeldes anzunehmen und diesem Betrag die bis zur Einreichung der Klage zu zahlenden Kindergeldbeträge hinzuzurechnen [vgl. BFH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 – III S 25/11 – juris; Reuß, Anmerkung zum Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. November 2014, EFG 2015, S. 1859].
- 15
Diese Wertvorschriften des Gerichtskostengesetzes bestanden allerdings so nicht mehr als der Landkreis L. Einspruch einlegte.
- 16
Mit der Einführung des Gesetzes über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) zum 01. September 2009 hat der Gesetzgeber die bislang auch für kindergeldrechtliche Verfahren herangezogene Regelung des § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG, nach der bei Unterhaltsansprüchen der Jahresbetrag als Streitwert anzunehmen ist, ersatzlos aufgehoben [Art. 47 Abs. 1 Nr. 7a des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I 2008, S. 2586, 2710)]. Die Aufhebung erfolgte unter der Annahme, dass die Regelung im Gerichtskostengesetz überflüssig geworden sei, weil Unterhaltsansprüche [künftig] Familiensachen sind, so dass kostenrechtlich ausschließlich das Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen (FamGKG) maßgebend ist [vgl. Einzelbegründung zu Art. 47 Abs. 1 Nr. 7 des Regierungsentwurfes eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), Bundestags-Drucksache 16/6308 vom 07. September 2007, S. 333]. Dementsprechend ist im Rahmen des Gesetzes über Gerichtskosten in Familiensachen mit § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zum 1. September 2009 eine vergleichbare Bestimmung in Kraft getreten, die jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar ist [vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 GKG].
- 17
Das Gerichtskostengesetz enthielt hiernach seit dem 01. September 2009 keine Vorschrift mehr, die die Bestimmung des Streitwertes bei (Unterhalts- oder Kindergeld-) Ansprüchen von unbestimmter Dauer regelte.
- 18
Der Senat orientiert sich ungeachtet dessen bei der Ausfüllung des nach § 52 Abs. 1 GKG eingeräumten Ermessens an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, dass sich der Streitwert in dem auf eine in die Zukunft wirkende Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer gerichteten Klageverfahren grundsätzlich nach dem Jahresbetrag des Kindergeldes bemisst und dem sich hiernach ergebenden Betrag die bis zur Einreichung der Klage zu zahlenden Kindergeldbeträge hinzuzurechnen sind [vgl. BFH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 – III S 25/11 – juris, Beschluss vom 24. Mai 2000 – VI S 4/00 – BStBl. II 2000, 544 (zu der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG)].
- 19
Die angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes entspricht zwar insofern nicht mehr der geltenden Rechtslage, als ihr unter anderem der Rechtsgedanke des § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 31. August 2009 geltenden Gesetzesfassung zugrunde liegt. In diesem Zusammenhang steht auch außer Frage, dass die Regelungen des Gesetzes über Gerichtskosten in Familiensachen im finanzgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar sind, zumal § 1 Satz 1 FamGKG den Anwendungsbereich des Gesetzes ausdrücklich auf Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit begrenzt. Dies hindert aber den Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG nicht, weil § 52 Abs. 1 GKG die Streitwertbestimmung in das Ermessen des Gerichts stellt und dieser Ermessensbetätigung nur insoweit Grenzen gesetzt sind, als keine Wertungen vorgenommen werden dürfen, die im Widerspruch zu den Regelungen des Gerichtskostengesetzes stehen.
- 20
Ein solcher Widerspruch ist im Streitfall nicht gegeben, denn die Regelung des (früheren) § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ist ganz offenkundig in den § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG „übergeleitet“ und nicht etwa abgeschafft worden. In der Begründung des Regierungsentwurfes zu Art. 47 Nr. 7 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) [Bundestags-Drucksache 16/6308, S. 333] wird nämlich ausgeführt, dass die Regelung des § 42 Abs. 1 GKG in der bis zum 31. August 2009 geltenden Gesetzesfassung entbehrlich geworden sei, weil Verfahren über die gesetzliche Unterhaltspflicht nach § 231 FamFG künftig Familiensachen seien und damit nicht mehr dem Gerichtskostengesetz unterworfen seien. Dies bedeutet aber nichts anderes als dass die gesetzgeberische Wertung – Annahme des Jahresbetrages als Streitwert – der Sache nach unverändert Gültigkeit haben soll.
- 21
Dem Senat erscheint es daher gerechtfertigt und geboten, bei Klagen, die nach dem 31. August 2009 erhoben worden sind, auf den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zurückzugreifen [FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01. August 2014 – 5 KO 803/14 – EFG 2014, S. 1989; im Ergebnis ebenso: VG München, Beschluss vom 20. August 2012 – M 18 K 11.2637 – juris; Hansens, Anmerkung zum Beschluss des BFH vom 28. Oktober 2011 – III S 25/11 – RVGreport 2012, S. 311; Reuß, Anmerkung zum Urteil des Niedersächsischen FG vom 11. September 2009 – 9 K 259/06 – EFG 2010, S. 229 (Tz. 7); Wüllenkemper, Zum Streitwert in kindergeldrechtlichen Verfahren, StB 2010, S. 403 (406)]. Diese Bewertung muss gleichermaßen gelten, wenn – wie im Streitfall – der Gegenstandswert für ein Einspruchsverfahren zu bestimmen ist.
- 22
Die dargelegte Wertung des Senates, dass bei der Bestimmung des Gegenstandswertes oder des Streitwertes auf den Rechtsgedanken des § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zurückgegriffen werden kann, wird im Übrigen mittelbar durch die zum 16. Juli 2014 in Kraft getretene Änderung des § 52 Abs. 3 GKG bestätigt. Insofern kann es auf sich beruhen, dass der durch Art. 7 Nr. 7a des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 08. Juli 2014 [BGBl. I 2014 (Nr. 29), S. 890 (894)] dem § 52 Abs. 3 GKG angefügte dritte Satz gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG im Streitfall nicht anwendbar ist.
- 23
Nach der neu eingeführten Regelung des § 52 Abs. 3 Satz 3 GKG soll künftig in Verfahren in Kindergeldangelegenheiten die Regelung des § 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG (in der seit dem 1. September 2009 geltenden Gesetzesfassung) mit der Maßgabe entsprechend angewendet werden, dass an Stelle des dreifachen Jahresbetrages der einfache Jahresbetrag tritt. Dies bedeutet nichts anderes als das – zumindest künftig – für Verfahren in Kindergeldangelegenheiten wieder der Rechtsgedanke des früheren (bis zum 31. August 2009 geltenden) alten § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG gelten soll.
- 24
Dabei handelt es sich nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch nicht um eine - erstmalige - Neuregelung, denn zur Begründung des neu eingeführten § 52 Abs. 3 Satz 3 GKG wird in dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften mitgeteilt, dass die Regelung der derzeitigen Rechtsprechung entspreche und danach auf einen Jahresbezug abzustellen sei [Bundestags-Drucksache 18/823, S. 26 = Bundesrats-Drucksache 26/14, S. 28 (jeweils Begründung zu den Nr. 7 und 8)].
- 25
Damit ergibt sich indes unter allen denkbaren Gesichtspunkten, dass nach § 52 Abs. 1 GKG als Gegenstandswert der Jahresbetrag des Kindergeldes anzunehmen ist und dem sich hiernach ergebenden Betrag die bis zur Einreichung des Einspruchs zu zahlenden Kindergeldbeträge hinzuzurechnen sind.
- 26
Der Landkreis L. hatte die Abzweigung mit Schreiben vom 12. Oktober 2009 beantragt und gegen die ablehnende Entscheidung der Familienkasse mit Schreiben vom 16. März 2010 Einspruch erhoben. Nach der für November 2009 geltenden Fassung des § 66 EStG betrug das Kindergeld monatlich 164,00 Euro. Durch die am 31. Dezember 2009 in Kraft getretene Fassung des § 66 EStG [Art. 1 Nr. 7 und 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums – Wachstumsbeschleunigungsgesetz – vom 22. Dezember 2009 (BGBl. I 2009, S. 3950)] wurde das Kindergeld dann auf 184,00 Euro monatlich erhöht. Hiernach errechnet sich bis zur Erhebung des Einspruchs ein Betrag von
(2 x 164,00 Euro) + (3 x 184,00 Euro) = 880,00 Euro.
- 27
Dieser Summe ist der Jahresbetrag des Kindergeldes hinzuzusetzen, also ein Betrag von
12 x 184,00 Euro = 2.208,00 Euro.
- 28
Als Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit ist hiernach ein Betrag anzunehmen in Höhe von
880,00 Euro + 2.208,00 Euro = 3.088,00 Euro.
- 29
Die Klägerin vermag der dargelegten Wertbestimmung nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, dass der Bundesfinanzhof seine bisherige (oben dargelegte) Rechtsprechung zur Streitwertberechnung bei Kindergeldansprüchen von unbestimmter Dauer aufgegeben habe. Der Hinweis auf die Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes trifft zwar zweifelsohne zu. Die Änderung hat aber keine Bedeutung für die Bestimmung des Gegenstandswertes im Streitfall.
- 30
Der Bundesfinanzhof ist im Oktober 2014 zu der Erkenntnis gelangt, dass das Gericht bei einer Klage, mit der Kindergeld für einen unbestimmten Zeitraum begehrt wird, den Anspruch auf Kindergeld nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand der Inhaltskontrolle machen könne, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt habe. Der mit einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage angegriffene Bescheid der Familienkasse könne eine Regelung nur enthalten für den Zeitraum bis längstens zum Ende des Monates der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung [BFH, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – III S 2/14 – BStBl. II 2015, S. 37 (38), Beschluss vom 18. November 2014 – V S 30/14 – BFH/NV 2015, S. 346, Urteil vom 22. Dezember 2011 – III R 41/07 – BStBl. II 2012, S. 681, Urteil vom 5. Juli 2012 – V R 58/10 – BFH/NV 2012, S. 1953, Urteil vom 24. Juli 2013 – XI R 24/12 – BFH/NV 2013, S. 1920 (1921), Beschluss vom 12. November 2013 – VI B 94/13 – BFH/NV 2014, S. 176 (177)]. Es entspreche daher dem wohlverstandenen Interesse des Klägers, die Klage in dem Sinne auszulegen, dass Streitgegenstand die Kindergeldregelung bis längstens zum Ende des Monates der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ist [BFH, Beschluss vom 2. Oktober 2014 – III S 2/14 – BStBl. II 2015, S. 37 (38)].
- 31
Der (geänderten) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes liegt hiernach die Feststellung zugrunde, dass der (Streit-) Zeitraum, für den Kindergeld im Prozess erstritten werden kann, bei Eingang der Klage bereits endgültig feststeht. Gerade hierin unterscheidet sich aber das Einspruchsverfahren, zu dem die Klägerin hinzugezogen worden war. Bei Einlegung des Einspruchs durch den Landkreis L. war nicht absehbar, wie lange es dauern würde, bis die Einspruchsentscheidung ergehen oder sich das Einspruchsverfahren anderweitig erledigen würde. Deshalb war am Anfang des Einspruchsverfahrens
– anders als bei einer finanzgerichtlichen Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage in Kindergeldangelegenheiten – ungewiss, welcher „Kindergeld(bezugs)zeitraum“ Gegenstand der Einspruchsentscheidung sein würde. Fest stand nur, dass mindestens der Kindergeldanspruch für den Zeitraum von November 2009 bis März 2010 Gegenstand der Entscheidung sein würde. Im Übrigen war jedoch – im Sinne der älteren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – von einem Anspruch von unbestimmter Dauer auszugehen und dessen (gebührenrechtlicher) Wert zu bestimmen.
- 32
Im Ergebnis errechnet sich hiernach folgender Erstattungsbetrag:
- 33
1,3-fache Geschäftsgebühr
(§§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG)
Gegenstandswert: 3.088,00 Euro 217,00 Euro x 1,3 =282,10 Euro
Pauschale für Entgelte
für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen
(Nr. 7002 VV RVG)20,00 Euro
Dokumentenpauschale für 65 Ablichtungen
27,25 Euro
Zwischensumme
329,35 Euro
zuzüglich Umsatzsteuer (19%)
62,58 Euro
Gesamtbetrag
391,93 Euro
- 34
Der genannte Betrag von 391,93 Euro ist von der Beklagten festgesetzt worden und der angefochtene Bescheid daher rechtmäßig.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- §§ 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 17 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 52 Abs. 1 und Abs. 3, 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 13, 17 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 42 und 52 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG 2x (nicht zugeordnet)
- § 40 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- EStG § 31 Familienleistungsausgleich 1x
- FamFG § 231 Unterhaltssachen 1x
- EStG § 66 Höhe des Kindergeldes, Zahlungszeitraum 2x
- FGO § 138 2x
- RVG § 23 Allgemeine Wertvorschrift 2x
- § 52 Abs. 1 GKG 4x (nicht zugeordnet)
- § 13 Abs. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- FamGKG § 51 Unterhaltssachen und sonstige den Unterhalt betreffende Familiensachen 5x
- § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- FamGKG § 1 Geltungsbereich 1x
- § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 42 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 3 Satz 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VIII R 2/08 1x (nicht zugeordnet)
- VI S 4/00 2x (nicht zugeordnet)
- III S 25/11 3x (nicht zugeordnet)
- 5 KO 803/14 1x (nicht zugeordnet)
- 9 K 259/06 1x (nicht zugeordnet)
- III S 2/14 1x (nicht zugeordnet)
- V S 30/14 1x (nicht zugeordnet)
- III R 41/07 1x (nicht zugeordnet)
- V R 58/10 1x (nicht zugeordnet)
- XI R 24/12 1x (nicht zugeordnet)
- VI B 94/13 1x (nicht zugeordnet)
- III S 2/14 1x (nicht zugeordnet)