Beschluss vom Finanzgericht des Saarlandes - 2 V 429/04

Tatbestand

In seinem Beschluss vom 22. Februar 2005 hat der Senat den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin eine Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen gemäß § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG befristet bis zum 31. März 2005 zu erteilen, wie es die Antragstellerin beantragt hatte. Dem Antragsgegner wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2005 haben die Bevollmächtigten der Klägerin die Festsetzung des Streitwertes beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

1. Auf den gemäß § 32 Abs. 2 RVG zulässigen Antrag der Bevollmächtigten der Antragstellerin hin war der Streitwert auf 5.000 EUR festzusetzen.

Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts beantragen. Soweit der Wert für die Gerichtsgebühren maßgeblich ist, bestimmt sich der Gegenstandswert für die anwaltliche Vergütung nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit bestimmt sich die Höhe der Gerichtskosten nach den Gebührentatbeständen, die sich aus dem Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) ergeben. Der Wert der Gebühren richtet sich wiederum nach dem Streitwert (§§ 3 Abs. 1 , 34 Abs. 1 Satz 1 GKG; siehe zum Vorstehenden zum Beispiel Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, vor § 135 FGO, Rz. 41). Der Streitwert ist grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Maßgebend ist das finanzielle Interesse, das der Kläger bei objektiver Betrachtung seines Klagebegehrens hat. Bietet der Sach- und Streitstand jedoch keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000 EUR als Auffangwert anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).

Die Frage, wie das finanzielle Interesse des Rechtssuchenden zu bestimmen ist, wird für Entscheidungen bei Freistellungsbescheinigungen nach § 48b Abs. 1 EStG im Verfahren der einstweiligen Anordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) unterschiedlich beantwortet. Das Sächsische FG vertritt hierzu folgende Auffassung: Beantragt ein Insolvenzverwalter die Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG, so soll der Streitwert am Interesse des Insolvenzverwalters an der Erteilung der Freistellungsbescheinigung zu bemessen sein. Das finanzielle Interesse betrage zunächst 10 v.H. des Betrages, der als Steuerabzug in Betracht komme, also 15 v.H. der Forderungen, welche aus Bauleistungen gem. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG entstanden sind. Das Interesse an der Erteilung der Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG sei jedoch nicht mit dem vollen Betrag zu bemessen, den er mit dieser Bescheinigung vom Finanzamt herausverlangen könnte. Denn der Vorteil, den der Insolvenzverwalter durch die Freistellungsbescheinigung erlangt, liegt lediglich darin, dass das Insolvenzverfahren beschleunigt wird. Der Vorteil bestehe allenfalls in ersparten Zinsen. Der Streitwert beträgt deshalb nach dieser Auffassung 10 v.H. vom Gesamtbetrag der Abzugsteuern (Sächsisches FG, Beschluss vom 6. Oktober 2003 7 K 1693/02, EFG 2004, 61 mit Anmerkung Brandis). Dass das Interesse des Antragstellers in diesen Fällen allenfalls nach dem Zinsverlust und der konkreten Geltungsdauer zu bemessen sei, vertritt auch Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 FGO, Rz. 193.

Demgegenüber soll nach Auffassung des FG Hamburg, der auch die Bevollmächtigten der Antragstellerin folgen, der Betrag der Abzugsteuer, das heißt 15 v.H. der zu erwartenden Gegenleistung (Entgelt zuzüglich der Umsatzsteuer, § 48 Abs. 3 EStG) für die beantragte Dauer der Freistellungsbescheinigung zugrunde zu legen sein (FG Hamburg, Beschluss vom 15. Juli 2003 II 47/03, juris).

Der Senat vermag sich keiner der beiden dargestellten Auffassungen anzuschließen. Dabei lässt er sich von folgenden Erwägungen leiten:

Die Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG befreit den Leistungsempfänger von Bauleistungen von der Pflicht zum Steuerabzug nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG, anderenfalls müsste er 15 v.H. von der Gegenleistung abziehen und gemäß § 48a Abs. 1 Satz 2 EStG für Rechnung des Leistenden an das Finanzamt abführen, so dass der Leistende lediglich 85 v.H. des Werklohnes erhält. Dieser abgeführte Betrag wird beim Leistenden gemäß § 48a Abs. 1 EStG auf die von ihm zu entrichtenden Steuern angerechnet. Dem wirtschaftlichen Ergebnis nach handelt es sich bei der Bauabzugssteuer um eine Vorauszahlung auf die Steuern des Leistenden, die von einem Dritten - dem Leistungsempfänger - erbracht wird.

Maßstab für das Kosteninteresse des Antragstellers - des Leistenden im Sinne der §§ 48 ff. EStG - kann daher nicht das Volumen seiner Umsatzerlöse sein, die aufgrund von Werkverträgen mit Vertragspartner abgeschlossen werden, denen die Freistellungsbescheinigung vorgelegt werden soll und die mangels einer Freistellungsbescheinigung nicht mit dem Antragsteller kontrahieren würden. Auch der Abzugsbetrag als solcher kann nicht maßgeblich sein, da der Antragsteller diesen Betrag bei pflichtgemäßem Verhalten ohnehin an den Fiskus zahlen muss, so dass die Frage der Liquidität und damit des Zinsvorteile oder Zinsnachteils ebenfalls keine entscheidende Rolle spielen kann.

Andere Anhaltspunkte für die Bestimmung des Interesses als die genannten sind nicht ersichtlich, so dass der Senat als Streitwert den Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 EUR zugrundelegt.

Dabei ist der volle Streitwert der Hauptsache anzusetzen, da im Verfahren der einstweiligen Anordnung auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG - zumal es sich um Streitfall um eine befristete handelt - das Prozessziel der Hauptsache vorweggenommen wird (vgl. dazu auch FG Hamburg, Beschluss vom 15. Juli 2003 II 47/03, juris).

2. Die Entscheidung ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 4 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar (vgl. Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, vor § 135 FGO, Rz. 93; Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl. 2004, § 32 RVG, Rz. 256).

Gründe

1. Auf den gemäß § 32 Abs. 2 RVG zulässigen Antrag der Bevollmächtigten der Antragstellerin hin war der Streitwert auf 5.000 EUR festzusetzen.

Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts beantragen. Soweit der Wert für die Gerichtsgebühren maßgeblich ist, bestimmt sich der Gegenstandswert für die anwaltliche Vergütung nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 RVG).

In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit bestimmt sich die Höhe der Gerichtskosten nach den Gebührentatbeständen, die sich aus dem Kostenverzeichnis (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) ergeben. Der Wert der Gebühren richtet sich wiederum nach dem Streitwert (§§ 3 Abs. 1 , 34 Abs. 1 Satz 1 GKG; siehe zum Vorstehenden zum Beispiel Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, vor § 135 FGO, Rz. 41). Der Streitwert ist grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Maßgebend ist das finanzielle Interesse, das der Kläger bei objektiver Betrachtung seines Klagebegehrens hat. Bietet der Sach- und Streitstand jedoch keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000 EUR als Auffangwert anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).

Die Frage, wie das finanzielle Interesse des Rechtssuchenden zu bestimmen ist, wird für Entscheidungen bei Freistellungsbescheinigungen nach § 48b Abs. 1 EStG im Verfahren der einstweiligen Anordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) unterschiedlich beantwortet. Das Sächsische FG vertritt hierzu folgende Auffassung: Beantragt ein Insolvenzverwalter die Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG, so soll der Streitwert am Interesse des Insolvenzverwalters an der Erteilung der Freistellungsbescheinigung zu bemessen sein. Das finanzielle Interesse betrage zunächst 10 v.H. des Betrages, der als Steuerabzug in Betracht komme, also 15 v.H. der Forderungen, welche aus Bauleistungen gem. § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG entstanden sind. Das Interesse an der Erteilung der Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG sei jedoch nicht mit dem vollen Betrag zu bemessen, den er mit dieser Bescheinigung vom Finanzamt herausverlangen könnte. Denn der Vorteil, den der Insolvenzverwalter durch die Freistellungsbescheinigung erlangt, liegt lediglich darin, dass das Insolvenzverfahren beschleunigt wird. Der Vorteil bestehe allenfalls in ersparten Zinsen. Der Streitwert beträgt deshalb nach dieser Auffassung 10 v.H. vom Gesamtbetrag der Abzugsteuern (Sächsisches FG, Beschluss vom 6. Oktober 2003 7 K 1693/02, EFG 2004, 61 mit Anmerkung Brandis). Dass das Interesse des Antragstellers in diesen Fällen allenfalls nach dem Zinsverlust und der konkreten Geltungsdauer zu bemessen sei, vertritt auch Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 FGO, Rz. 193.

Demgegenüber soll nach Auffassung des FG Hamburg, der auch die Bevollmächtigten der Antragstellerin folgen, der Betrag der Abzugsteuer, das heißt 15 v.H. der zu erwartenden Gegenleistung (Entgelt zuzüglich der Umsatzsteuer, § 48 Abs. 3 EStG) für die beantragte Dauer der Freistellungsbescheinigung zugrunde zu legen sein (FG Hamburg, Beschluss vom 15. Juli 2003 II 47/03, juris).

Der Senat vermag sich keiner der beiden dargestellten Auffassungen anzuschließen. Dabei lässt er sich von folgenden Erwägungen leiten:

Die Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG befreit den Leistungsempfänger von Bauleistungen von der Pflicht zum Steuerabzug nach § 48b Abs. 1 Satz 1 EStG, anderenfalls müsste er 15 v.H. von der Gegenleistung abziehen und gemäß § 48a Abs. 1 Satz 2 EStG für Rechnung des Leistenden an das Finanzamt abführen, so dass der Leistende lediglich 85 v.H. des Werklohnes erhält. Dieser abgeführte Betrag wird beim Leistenden gemäß § 48a Abs. 1 EStG auf die von ihm zu entrichtenden Steuern angerechnet. Dem wirtschaftlichen Ergebnis nach handelt es sich bei der Bauabzugssteuer um eine Vorauszahlung auf die Steuern des Leistenden, die von einem Dritten - dem Leistungsempfänger - erbracht wird.

Maßstab für das Kosteninteresse des Antragstellers - des Leistenden im Sinne der §§ 48 ff. EStG - kann daher nicht das Volumen seiner Umsatzerlöse sein, die aufgrund von Werkverträgen mit Vertragspartner abgeschlossen werden, denen die Freistellungsbescheinigung vorgelegt werden soll und die mangels einer Freistellungsbescheinigung nicht mit dem Antragsteller kontrahieren würden. Auch der Abzugsbetrag als solcher kann nicht maßgeblich sein, da der Antragsteller diesen Betrag bei pflichtgemäßem Verhalten ohnehin an den Fiskus zahlen muss, so dass die Frage der Liquidität und damit des Zinsvorteile oder Zinsnachteils ebenfalls keine entscheidende Rolle spielen kann.

Andere Anhaltspunkte für die Bestimmung des Interesses als die genannten sind nicht ersichtlich, so dass der Senat als Streitwert den Auffangwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 EUR zugrundelegt.

Dabei ist der volle Streitwert der Hauptsache anzusetzen, da im Verfahren der einstweiligen Anordnung auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG - zumal es sich um Streitfall um eine befristete handelt - das Prozessziel der Hauptsache vorweggenommen wird (vgl. dazu auch FG Hamburg, Beschluss vom 15. Juli 2003 II 47/03, juris).

2. Die Entscheidung ist gemäß § 68 Abs. 1 Satz 4 GKG i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar (vgl. Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 18. Aufl. 2004, vor § 135 FGO, Rz. 93; Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl. 2004, § 32 RVG, Rz. 256).

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