Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 94/16

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten insbesondere darüber, ob die Klägerin Betriebsausgaben im Zusammenhang mit einer Arbeitsecke geltend machen kann. Außerdem ist streitig, ob außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit der Beerdigung der Mutter und einem Zivilprozess zu berücksichtigen sind und der Beklagte die Steuer unter Einbeziehung der Freibeträge richtig berechnet hat.

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Die Klägerin ist freie Handelsvertreterin. Seit 2006 ist sie als Einzelunternehmerin tätig. Sie arbeitet für ein Unternehmen, welches nicht in Hamburg ansässig ist. Sie ermittelt ihren Gewinn gem. § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Im Streitjahr wohnte sie mit ihrem am ... geborenen Sohn zusammen in einer 50 qm großen Zweizimmerwohnung.

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Die Klägerin reichte ihre Einkommensteuererklärung 2013 am 17.03.2015 beim Beklagten ein. Im Rahmen ihrer Gewinnermittlung erklärte sie Raumkosten für eine Arbeitsecke in Höhe von 1.005,69 €. Die gesamten Kosten für die Wohnung betrugen 7.183,53 €. Außerdem erklärte sie Beerdigungskosten in Höhe von 3.826,06 €, darunter für Fotobücher in Höhe von 180,00 €, abzüglich im Zusammenhang mit dem Todesfall erhaltener Zahlungen in Höhe von 1.414 €, und Gerichtskosten in Höhe von 3.811 € als außergewöhnliche Belastungen.

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Durch den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 15.07.2015 setzte der Beklagte eine Einkommensteuer in Höhe von 1.034 € fest. Hierbei ging er von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19.887 € aus. Die Kosten für die Arbeitsecke berücksichtigte der Beklagte nicht. Von den Einkünften aus Gewerbebetrieb zog er den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in Höhe von 1.308 € ab und legte einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 18.579 € zu Grunde. Außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte der Beklagte grundsätzlich in Höhe von 2.536 €. Hiervon zog er die zumutbare Eigenbelastung in Höhe von 557 € ab, so dass er einen Betrag in Höhe von 1.979 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte und ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 13.556 € der Berechnung der Steuer zu Grunde legte. Die Steuer berechnete er unter Anwendung des Grundtarifs. Das der Klägerin gezahlte Kindergeld wurde nicht in die Abrechnung einbezogen.

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Hiergegen legte die Klägerin am 16.07.2015 Einspruch ein. Außerdem beantragte sie die zusätzliche Berücksichtigung von Fahrtkosten als Betriebsausgaben, den Ausbildungsfreibetrag für ihren Sohn, da dieser in ... sein Studium begonnen habe, und die Berücksichtigung des Grundfreibetrags.

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Durch Einspruchsentscheidung vom 23.5.2016 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

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Am 23.06.2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Der Steuerbescheid 2013 sei falsch erstellt worden, da er auch die Jahre 2014 und 2015 umfasse und einen falschen rechtlichen Hinweis auf die Nichtabzugsfähigkeit von Steuerberaterkosten enthalte. Der angefochtene Bescheid berücksichtige auch zu Unrecht weder den Grundfreibetrag noch einen Kinderfreibetrag. Auch stehe ihr, der Klägerin, ein Freibetrag für Alleinerziehende zu.

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Der Beklagte habe zu Unrecht die Kosten für ihre Arbeitsecke nicht berücksichtigt. Ihr, der Klägerin, stünden keine anderen Räumlichkeiten zur Verfügung. Wegen der Größe ihrer Wohnung könne sie nur eine Arbeitsecke und nicht ein ganzes Zimmer für ihre selbständige Tätigkeit nutzen. Der Mittelpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit befinde sich in dieser Arbeitsecke. In diesem Zusammenhang begehre sie die Berücksichtigung von 20 % der Wohnungskosten und damit mehr, als zunächst von ihrer Steuerberaterin im Rahmen ihrer Steuererklärung erklärt worden sei. Dort seien zu Unrecht nur die Kosten für 7 qm geltend gemacht worden.

9

Auch die von ihr, der Klägerin, erklärten Gerichtskosten seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Diese Gerichtskosten gingen auf Ereignisse aus den Jahren 2006 bis 2009 bzw. 2011 zurück. Sie, die Klägerin, sei im Zusammenhang mit zwei Räumungsklagen Opfer von Verbrechen gewesen. Es handele sich hierbei auch um eine existenzielle Angelegenheit, da sie ohne eine Wohnung auch keine Einkünfte mehr hätte erzielen können. Sie sei gezwungen gewesen, innerhalb von 17 Monaten viermal umzuziehen. Die Gerichtskosten seien entstanden, weil sie versucht habe, die Wohnung als ihre Existenzgrundlage zu erhalten. Sämtliche Kosten, die ihr auferlegt worden seien, seien zwangsvollstreckt worden. Im Streitjahr habe sie ca. 3.000 € zahlen müssen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 31.10.2016 verwiesen.

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Das Finanzamt habe auch zu Unrecht die Kosten für die Fotobücher in Höhe von 180 € nicht als berücksichtigungsfähige Beerdigungskosten anerkannt. Sie, die Klägerin, habe sich für die Fotobücher anstelle einer Traueranzeige entschieden, da die Verwandten nicht in Hamburg bzw. Deutschland wohnten.

11

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

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Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 15.07.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2016 dahingehend zu ändern, dass zusätzliche Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.437 € und zusätzliche außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.991 € berücksichtigt werden und die Einkommensteuer dementsprechend niedriger festgesetzt wird.

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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung vom 23.05.2016 und trägt ergänzend vor:

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Entgegen der Ansicht der Klägerin betreffe der angefochtene Einkommensteuerbescheid nur das Jahr 2013. Es seien für die Jahre 2015 und 2016 lediglich Einkommensteuervorauszahlungen festgesetzt worden. Eine etwaige Herabsetzung der Vorauszahlungen sei möglich, müsse jedoch in einem gesonderten Verfahren geklärt werden.

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Die Steuer sei auch richtig festgesetzt worden, insbesondere lägen keine Fehler bezüglich des Grundfreibetrags, Kinderfreibetrags oder Ausbildungsfreibetrags vor. Die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags wäre für die Klägerin ungünstiger gewesen, da sie dann das ihr von der Familienkasse ausgezahlte Kindergeld hätte zurückzahlen müssen. Der Beklagte sei bei dem Einkommensteuerbescheid hierbei sogar zu Unrecht und zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen, dass ihr für ihr volljähriges Kind der gesamte Kinderfreibetrag zustehe. Ein Ausbildungsfreibetrag habe der Klägerin nicht zugestanden, da ihr Sohn nicht auswärtig untergebracht gewesen sei. Da das zu versteuernde Einkommen der Klägerin über dem Grundfreibetrag gelegen habe, habe eine Einkommensteuer festgesetzt werden müssen.

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Die Kosten für die Arbeitsecke seien nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen, da der Begriff des Arbeitszimmers einen abgeschlossenen Raum voraussetze. Es sei in diesem Zusammenhang nicht relevant, dass der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.

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Die Prozesskosten aufgrund einer Räumungsklage seien ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig. Nach der ständigen Rechtsprechung könnten Aufwendungen für zivilgerichtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Beendigung eines Mietverhältnisses nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden. Gegen eine Berücksichtigung spreche auch der § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG. Diese Vorschrift gelte seit 2013. Zwar könne auch eine Wohnung eine Existenzgrundlage im Sinne dieser Vorschrift darstellen, allerdings nur dann, wenn die Klägerin Gefahr gelaufen wäre, ihre Existenzgrundlage schlechthin zu verlieren, was hier aber nicht der Fall gewesen sei. Zudem ergebe sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, dass die Klägerin entgegen dem von ihr abgeschlossenen Vertrag die vereinbarten Raten gerade nicht gezahlt habe. Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, dass sie den von ihr erklärten Betrag in Höhe von 3.811 € tatsächlich im Streitjahr 2013 gezahlt habe. In diesem Zusammenhang habe sie lediglich einen Sendebericht vorgelegt, aus dem sich ergebe, dass die Klägerin auf Grund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 17.01.2011 insgesamt 2.209,84 € überwiesen habe.

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Die Aufwendungen für die Fotobücher seien keine außergewöhnlichen Belastungen sondern Kosten der privaten Lebensführung. Es fehle den diesbezüglichen Aufwendungen an der Zwangsläufigkeit.

20

Durch richterliche Verfügung vom 20.09.2016 wurde die Klägerin aufgefordert, bis zum 31.10.2016 alle Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren eine Beschwer empfunden wird. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die richterliche Verfügung verwiesen.

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Durch den Beschluss vom 21.09.2016 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin übertragen.

22

Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten und die Rechtsbehelfsakten zu der Steuernummer .../.../... vorgelegen. Auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2016 wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Entscheidung ergeht gem. § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin.

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Die Sache war entscheidungsreif, obwohl die Klägerin nicht zum Termin erschienen ist. Die Kläger wurde ordnungsgemäß geladen und in der Ladung gem. § 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf hingewiesen, dass im Falle ihres Ausbleibens auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann.

I.

25

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2013 vom 15.07.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

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1. Der Beklagte ist zu Recht von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 19.887 € ausgegangen.

27

Der Beklagte hat den von der Klägerin ermittelten Gewinn in Höhe von 18.881 € erhöht um die von der Klägerin in ihrer Gewinnermittlung erklärten Aufwendungen für das Arbeitszimmer in Höhe von 1.006 €. Die Aufwendungen für die Arbeitsecke können nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

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Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Das gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).

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Häusliches Arbeitszimmer i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Er ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist (siehe Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 62 bis 64).

30

Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs des Steuerpflichtigen, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können gleichwohl unbeschränkt als Betriebsausgaben/Werbungskosten gemäß § 4 Abs. 4 oder § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sein, wenn sie betrieblich/beruflich genutzt werden und sich der betriebliche/berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen. Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er als Voraussetzung für den Betriebsausgabenabzug gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG überdies nachweisbar (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 66). Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers, gilt der für die Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG maßgebliche Grund der nicht auszuschließenden privaten Mitbenutzung nicht, wenn sich bereits aus der Ausstattung des Raums und/oder wegen seiner Zugänglichkeit durch dritte Personen eine private Mitbenutzung ausschließen lässt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 66).

31

Dementsprechend hat der BFH im Anschluss an den Beschluss des Großen Senats des BFH Beschluss des Großen Senats des BFH (vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265) den Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug von Aufwendungen für ein gemischt genutztes, dem Typus des Arbeitszimmers entsprechendes Zimmer verneint (BFH-Urteile vom 16. Februar 2016 IX R 20/13, BFH/NV 2016, 1146, und vom 16. Februar 2016 IX R 23/12, BFH/NV 2016, 912).

32

Auf dieser Grundlage scheidet im Streitfall wegen der nicht untergeordneten privaten Mitbenutzung des Raums der Betriebsausgabenabzug aus. Ist der Raum ein häusliches Arbeitszimmer gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, scheitert der Betriebsausgabenabzug an der Voraussetzung, dass der Raum nahezu ausschließlich betrieblich genutzt werden muss. Dies gilt auch dann, wenn, wie im Fall der Klägerin, der Raum den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Tätigkeit bildet. Ist ein zwar nicht durch die büromäßige Einrichtung geprägter Raum trotz einer geringfügigen Widmung für den Publikumsverkehr aufgrund seiner Ausstattung auch privat nutzbar und wird er tatsächlich auch privat genutzt, führt die gemischte Nutzung nach den Vorgaben des Großen Senats des BFH (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265) ebenfalls zur vollständigen Versagung des Betriebsausgabenabzugs.

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Die vollständige Versagung des Betriebsausgabenabzugs aufgrund der privaten Mitbenutzung eines Raums ist verfassungsgemäß. Dies gilt auch dann, wenn es sich um ein häusliches Arbeitszimmer handelt, das den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen bildet. Nur ein ausschließlich beruflich genutztes "Arbeitszimmer" führt dem Grunde nach zu beruflich veranlasstem Aufwand, der als "typischer" Erwerbsaufwand nach dem objektiven Nettoprinzip grundsätzlich von der Bemessungsgrundlage abzuziehen ist und nicht dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG unterfällt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318, Rz 42). Das BVerfG hat im Beschluss in BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318 das Abzugsverbot der früheren Fassung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zwar unter dem Gesichtspunkt als nicht verfassungsmäßig angesehen, dass die Regelung Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht zum Abzug zuließ, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Das Gericht sieht es aber, ebenso wie der BFH, anknüpfend an die Entscheidung des BVerfG von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers als gedeckt an, den Abzug von Aufwendungen für Arbeitsbereiche in gemischt genutzten Räumen generell auszuschließen. Es handelt sich in diesem Fall nicht um typischen Erwerbsaufwand i. S. des BVerfG-Beschlusses (BVerfG vom 06. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl II 2011, 318), da der Aufwand nicht auf ein ausschließlich beruflich genutztes Zimmer entfällt. Zudem betont das BVerfG in seiner Entscheidung, dem Gesetzgeber komme für die sachgerechte Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ein erheblicher Gestaltungsspielraum sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu, da eine effektive Kontrolle der tatsächlichen Nutzung häuslicher Arbeitszimmer wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 des Grundgesetzes wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich sei. Dies gilt umso mehr für Arbeitsbereiche in gemischt genutzten Räume (BFH-Urteil vom 22. März 2016 VIII R 24/12, BFHE 254, 7).

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2. Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid sind zu Recht keine weiteren außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt worden.

35

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).

36

a) Die von der Klägerin geltend gemachten Gerichtskosten können nicht gem. § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

37

Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (BFH-Urteile vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 09. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 04. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war. Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess. Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (z. B. BFH-Urteil vom 28. April 2016 VI R 15/15, BFH/NV 2016, 1545, BFH-Urteil vom BFH, Urteil vom 14. April 2016 VI R 38/15, BFH/NV 2016, 1442, nachdem zwischenzeitlich eine andere Auffassung vertreten worden war durch BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFHE 234, 30).

38

Diese Rechtsprechung ist seit 2013 auch in § 33a Abs. 2 Satz 4 EStG gesetzlich normiert.

39

Auseinandersetzungen über die Wirksamkeit und die Beendigung eines Mietverhältnisses einschließlich ggf. daraus folgender Schadensersatzansprüche sind im Rahmen von Mietverhältnissen keineswegs unüblich (vgl. hierzu auch BFH-Urteile vom 28. Februar 1975 VI R 120/73, BFHE 115, 259, BStBl II 1975, 482; vom 23. Juni 1978 VI R 175/76, BFHE 125, 263, BStBl II 1978, 526) und insbesondere nicht mit ungewöhnlichen Schadensereignissen vergleichbar. Aufwendungen für zivilgerichtliche Auseinandersetzungen, die infolge von Streitigkeiten über die Beendigung von Mietverhältnissen entstehen, können grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden (BFH-Urteil vom 14. April 2016 VI R 38/15, BFH/NV 2016, 1442). Allgemein gilt, dass die Räumung und Herausgabe der Wohnung mit der entsprechenden Kostentragung diese Kosten des Zivilprozesses nicht zu außergewöhnlichen Belastungen macht, und zwar unabhängig von der Art der Wohnungskündigung (siehe z. B. BFH-Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 66/12, BFH/NV 2016, 998 m. w. N.)

40

Im Streitfall liegen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, die es geböten, abweichend von diesem Grundsatz zu entscheiden. Die Zivilrechtsstreitigkeiten berührten insbesondere weder existenziell wichtige Bereiche noch den Kernbereich menschlichen Lebens.

41

Zum existenziell notwendigen Bereich kann zwar grundsätzlich das Wohnen gehören. Allerdings führt der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger seine Wohnung räumen und herausgeben muss, regelmäßig nicht dazu, dass der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Der Ausgang der von der Klägerin geführten zivilrechtlichen Auseinandersetzungen mag für die Klägerin zwar von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sein. Die Klägerin lief indes nicht Gefahr, ihre Existenzgrundlage zu verlieren und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte sie sich nicht auf die Rechtsstreitigkeiten eingelassen. Zwar stellte die Wohnung für die Klägerin eine wichtige Existenzgrundlage dar, denn in dieser Wohnung lebte die Klägerin mit ihrem Sohn. Auch übte die Klägerin von dieser Wohnung ihre wirtschaftliche Tätigkeit aus. Allerdings zeigte der spätere Ablauf, dass sie ihre Existenz auch von einer anderen Wohnung ausüben konnte.

42

b) Auch die Aufwendungen für die Fotobücher können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

43

Beerdigungskosten sind gem. § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Nachlassverbindlichkeiten und treffen den Erben als denjenigen, dem das Vermögen des Erblassers zufällt. Sie belasten demnach regelmäßig das übernommene Vermögen, nicht jedoch den Erben als einkommensteuerpflichtige Person, so dass bei Werthaltigkeit des Nachlasses ein Abzug der Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastungen ausscheidet (BFH-Urteil vom 04. April 1989 X R 14/85, BStBl II 1989, 779). Bei einer Mehrheit von Erben ist jeder Erbe nur in Höhe seiner jeweiligen Erbquote zur Übernahme von Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bestattung des Erblassers rechtlich und sittlich verpflichtet. Beerdigungskosten, die zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören (§ 1968 BGB), können nach der Rechtsprechung des BFH, der sich das Gericht anschließt, beim Erben allenfalls dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn sie den Nachlass übersteigen (BFH-Urteile vom 04. April 1989 X R 14/85, BStBl II 1989, 779; vom 22. Februar 1996 III R 7/94, BStBl II 1996, 413). Ist dies nicht der Fall, fehlt es an der "Zwangsläufigkeit", da die Möglichkeit zur Ausschlagung des Erbes besteht. Bei einer Überschuldung des Nachlasses hat der Erbe die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen, so dass ihn keine rechtliche Verpflichtung zur Begleichung der Beerdigungskosten trifft, sofern er nicht nach § 1615 Abs. 2 BGB unterhaltspflichtig ist. Lediglich in einem solchen Fall einer bestehenden Unterhaltspflicht kommt eine rechtliche Verpflichtung in Betracht.

44

Der Beklagte hat bereits die von der Klägerin erklärten Beerdigungskosten in Höhe von 3.826 € abzüglich der 1.414 €, die die Klägerin erstattet bekommen hatte, als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, obwohl die Voraussetzungen hierfür von der Klägerin nicht nachgewiesen wurden, und lediglich den Eigenanteil und die 180 € für die Fotobücher abgerechnet.

45

Die Aufwendungen für die Fotobücher können nicht berücksichtigt werden. Nur unmittelbare Bestattungskosten können zwangsläufig entstanden sein. Zu den keinesfalls zwangsläufigen Aufwendungen zählen z. B. die Kosten eines Traueressens oder weitere, nicht unmittelbar mit der Beerdigung als solcher verbundenen Kosten. Für solche Kosten besteht auch bei unterhaltspflichtigen Steuerpflichtigen keine sittliche Verpflichtung (siehe z. B. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 05. Mai 2010 12 K 18/07, DStRE 2011, 1443, unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 242/83, BStBl II 1988, 130). Bei den Kosten für das Fotobuch handelt es sich nicht um solche unmittelbaren Kosten und damit nicht um zwangsläufige Aufwendungen, so dass eine Berücksichtigung gem. § 33 EStG ausscheidet.

46

3. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist auch ansonsten rechtmäßig. Der Beklagte hat insbesondere die gesetzlichen Bestimmungen zu der Berechnung der Steuer unter Einbeziehung von Grundfreibetrag und Berücksichtigung des im Haushalt lebenden Kindes bei der Festsetzung der Einkommensteuer beachtet. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gem. § 24b EStG wurde berücksichtigt. Der Ausbildungsfreibetrag gem. § 33a Abs. 2 EStG steht der Klägerin nicht zu, da ihr Sohn im Streitjahr nicht auswärtig untergebracht war.

47

Im Klageverfahren war auch nur die Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheides 2013 zu überprüfen. Die Rechtmäßigkeit der Vorauszahlungen für spätere Jahre ist nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens.

II.

48

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

49

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

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