Urteil vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 K 75/16

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigungsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten als Sonderbetriebsausgaben.

2

Die Klägerin ist Steuerberaterin. Sie war im Streitjahr 2011 an der mittlerweile beendeten A beteiligt. Dort arbeitete sie in einem Büro in Hamburg. Der Hauptwohnsitz der Klägerin befand sich im Streitjahr in B, wo sie zusammen mit ihrem Ehemann und dessen ... Kindern lebte. Bis zum ... August des Streitjahres unterhielt sie eine Zweitwohnung in Hamburg. Ihre am ... 2010 geborene Tochter besuchte ab Januar 2011 die Kinderkrippe "C" in unmittelbarer Nähe zu ihrem Hamburger Büro. Aufgrund des Erstwohnsitzes in B zahlte die Stadt Hamburg keinerlei Zuschüsse zum Hamburger Krippenplatz. Nach den gesetzlichen Bestimmungen im Streitjahr wurden solche nur an Eltern gewährt, die einen gemeldeten Erstwohnsitz in Hamburg inne hatten. Zuschüsse bezog sie jedoch von der Gemeinde B, die allerdings geringer waren als potentielle Hamburger Zuschüsse.

3

Zum ... August 2011 kündigte die Klägerin ihre Zweitwohnung in Hamburg sowie den Krippenplatz ihrer Tochter. Ihre Tochter wurde fortan von einer privaten Tagesmutter in der Nähe von B betreut. Im Jahr 2012 folgte der vollständige Wohnsitzwechsel in die Nähe von Hamburg.

4

Im Streitjahr entstanden der Klägerin folgende Aufwendungen für die Kinderbetreuung:

5

Kinderkrippe Jan bis Aug

        

Gesamt

... € 

2/3     

... € 

1/3     

... € 

                 

Tagesmutter

        

Gesamt

... € 

2/3     

... € 

1/3     

... € 

                 

Gesamt

... € 

2/3     

... € 

1/3     

... € 

6

Im Rahmen der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung der A für das Streitjahr begehrte die Klägerin zum einen den Ansatz eines Betrages i. H. v. 4.000 € gemäß § 9c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung, aufgehoben durch das Steuervereinfachungsgesetz vom 1. November 2011 mit Wirkung vom 1. Januar 2012, für die Kinderbetreuung.

7

Neben diversen weiteren Aufwendungen wie Miete, Wohnungsausstattung und Heimfahrten machte die Klägerin zum anderen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung die Berücksichtigung des "verlorenen" Drittels der Kita-Kosten, mithin die Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben i. H. v. ... € geltend. Ebenso sei der den Maximalbetrag von 4.000 € des § 9c EStG übersteigende Betrag als Kosten der doppelten Haushaltsführung anzuerkennen.

8

Mit Bescheid vom 15. Mai 2013 stellte der Beklagte die Einkünfte der A einheitlich und gesondert fest. Dabei berücksichtigte er für die Klägerin Sonderbetriebsausgaben i. H. v. ... €. Darin enthalten waren jedoch lediglich Kinderbetreuungskosten i. H. v. 4.000 €. Als Begründung führte der Beklagte aus, dass es sich bei Kinderbetreuungskosten um die Lebensführung berührende Aufwendungen handele, die nur gemäß § 9c EStG mit dem Höchstbetrag von 4.000 € berücksichtigungsfähig seien.

9

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Über § 9c EStG hinaus sei die Berücksichtigung der Betreuungskosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung geboten. Nur aufgrund dieser sei die Höchstgrenze von 4.000 € überschritten worden. Aufgrund der gesetzlichen Regelung habe Hamburg keinerlei Zuschüsse zur Kita-Betreuung gezahlt. Die von B gezahlten Zuschüsse seien viel zu gering gewesen. Ein Wohnsitzwechsel nach Hamburg sei nicht möglich gewesen, da die ... weiteren Kinder des Ehemanns in D zu Schule gegangen seien.

10

Der Beklagte wies mit Entscheidung vom 24. Februar 2016 den Einspruch als unbegründet zurück.

11

Am 24. März 2016 hat die Klägerin Klage erhoben, welche sie wie folgt begründet:

12

Aufgrund des Alters ihrer Tochter und aufgrund ihrer Tätigkeit in Hamburg bei Beibehaltung eines Wohnsitzes in B aufgrund ... schulpflichtiger Kinder ihres Ehemanns sei die Betreuung ihrer Tochter nur im Krippenplatz in Hamburg möglich gewesen. Die dadurch entstandenen Kinderbetreuungskosten seien nur deswegen so extrem hoch gewesen, weil die Stadt Hamburg aufgrund des Zweitwohnsitzes keinerlei Zuschüsse und die Stadt B nur geringe Zuschüsse für den Krippenplatz gezahlt hätten. Damit seien die Kosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung angefallen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in dem Streitjahr geltenden Fassung (a. F.) als Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstünden, anzuerkennen. Denn diese Regelung gelte sinngemäß auch für Freiberufler. Die Ausgaben seien betrieblich veranlasst gewesen. Sie habe sich diesen nicht entziehen können.

13

§ 9c EStG schließe die Anwendung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. nicht aus. Letzterer lasse ausdrücklich den Abzug von Mehraufwendungen wegen einer doppelten Haushaltsführung zu. Unter den Begriff Aufwendungen fielen steuerlich die Bezeichnungen Betriebsausgaben, Werbungskosten bzw. Sonderausgaben. Der Gesetzgeber habe in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. bewusst die generelle Bezeichnung "Aufwendungen" gewählt. Darunter könnten alle Mehraufwendungen subsummiert werden, die entweder über die Betriebsausgaben, die Werbungskosten oder die Sonderausgaben hinausgingen. Um welche Art von Aufwendungen es sich handle, sei letztlich irrelevant. Zwar lasse § 9c EStG den Abzug von Kinderbetreuungskosten wie Betriebsausgaben zu. Es sei aber nicht ersichtlich, dass die erhöhten Aufwendungen, die Mehraufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, nicht unter § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. fallen sollten.

14

Hätte man Kinderbetreuungskosten vorrangig unter § 9c EStG zu subsumieren, wäre § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. hinfällig. Viele Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung wären dann nicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. abzugsfähig.

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Dass § 9c EStG keinen Vorrang vor § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. genieße, zeige auch das Verhältnis zu § 12 EStG. Nach diesem seien Kosten für die private Lebensführung grundsätzlich weder bei den einzelnen Einkünften noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehbar. Obwohl § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. nicht ausdrücklich als Ausnahme zu dieser Vorschrift genannt sei, seien jedoch bestimmte Kosten wie Familienheimfahrten oder Kosten für Telefongespräche zwischen Angehörigen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigungsfähig, auch wenn sie zweifellos in den Bereich des § 12 EStG fielen. § 12 EStG sei damit nicht lex specialis zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F., der ansonsten keinerlei Bedeutung mehr hätte, wenn sämtliche andere Normen höher bewertet würden.

16

Zudem habe der Gesetzgeber mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. gerade Steuerpflichtige entlasten wollen, die wegen ihrer Erwerbstätigkeit an einem anderen Ort höhere Aufwendungen als der Rest der Bevölkerung zu verzeichnen hätten. Dabei sei irrelevant, um welche Art von Kosten es sich handele, wenn es sich um berufliche Aufwendungen handele, denen sich der Steuerpflichtige - wie vorliegend - nicht entziehen könne.

17

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 15. Mai 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2016 dahingehend zu ändern, dass die Sonderbetriebsausgaben Klägerin um ... € erhöht werden.

18

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

19

Zu Begründung bezieht er sich vollumfänglich auf seine Einspruchsentscheidung.

20

Grundsätzlich könne die Klägerin sogenannte Sonderbetriebsausgaben geltend machen, für welche allgemeinen Regeln zu den Betriebsausgaben gelten würden. Danach seien dies solche Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst seien (§ 4 Abs. 4 EStG). Gemäß § 9 Abs. 3 i. V. m. 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG a. F. gehörten dazu auch die notwendigen Mehraufwendungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung.

21

Davon zu unterscheiden seien allerdings die Aufwendungen für die Kinderbetreuung gemäß § 9c EStG. Diese könnten gemäß Abs. 1 vorrangig wie Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Würden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, käme ein Sonderausgabenabzug nach Abs. 2 in Betracht. Die Vorschrift sehe eine Deckelung auf einen Höchstbetrag von 4.000 € bzw. auf 2/3 der angefallenen Kosten pro Jahr und Kind vor. Sei ein Abzug dem Grunde nach gemäß § 9c EStG gegeben, sei gesetzlich auch eine weitere Berücksichtigung im Rahmen von § 35a EStG a. F. nicht vorgesehen.

22

Aus der enumerativen Aufzählung des Gesetzes ergebe sich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die dem Grunde nach § 9c EStG unterfallenden Aufwendungen nur bis zu einem Höchstbetrag von 4.000 € Berücksichtigung finden sollen und nicht zusätzlich ein überschießender Betrag im Rahmen der Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung geltend gemacht werden könne.

23

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

...

Entscheidungsgründe

24

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

25

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

26

I. Der Bescheid für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat es zu Recht versagt, über einen Betrag von 4.000 € hinaus die von der Klägerin geltend gemachten Kinderbetreuungskosten als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen.

27

1. Sonderbetriebsausgaben sind alle Aufwendungen, die allein dem Gesellschafter entstehen und durch den Betrieb veranlasst sind (BFH-Urteil vom 18. Mai 1995 IV R 46/94, BStBl. II 1996, 295). Es gelten die allgemeinen Regeln zum Betriebsausgabenabzug einschließlich der Regelungen über nicht abziehbare Ausgaben. Betriebsausgaben sind danach die durch den Betrieb veranlasste Aufwendungen (§ 4 Abs. 4 EStG). Zu den Betriebsausgaben aus freiberuflicher Tätigkeit gehören auch die notwendigen Mehraufwendungen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung eines Freiberuflers (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F.).

28

2. Der Beklagte hat danach gegenüber der Klägerin zu Recht zahlreiche Aufwendungen als allgemeine Betriebsausgaben bzw. als Aufwendung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung abgezogen. Zutreffend hat er dabei auch im Rahmen von § 9c Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung die von der Klägerin geltend gemachten Kinderbetreuungskosten bis zu einem Höchstbetrag von 4.000 € berücksichtigt. Nach § 9c Abs. 1 EStG können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1 EStG, die wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen anfallen, bei Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen, höchstens 4.000 Euro je Kind, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit wie Betriebsausgaben abgezogen werden. Im Fall des Zusammenlebens der Elternteile ist es erforderlich, dass beide Elternteile erwerbstätig sind.

29

Im Streitfall liegen - zwischen den Beteiligten unstreitig - solche sogenannten erwerbsbedingten Betreuungskosten vor.

30

Einer darüber hinausgehenden Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG bzw. 9 Abs. 3 EStG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. steht § 9c EStG indes entgegen.

31

a) Ein allgemeiner Betriebsausgabenabzug gemäß § 4 Abs. 4 EStG kommt für die - den Betrag von 4.000 € übersteigenden - Kinderbetreuungskosten nicht in Betracht. Bei ihnen handelt es sich bereits nicht um Betriebsausgaben (aa). Jedenfalls stellt § 9c Abs. 1 EStG eine abschließende Sonderregelung für die Berücksichtigung erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten dar (bb).

32

aa) Gegen die Qualifizierung von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten sprechen der Wortlaut, der Wille des Gesetzgebers sowie die systematische Stellung von § 9c Abs. 1 EStG.

33

(1) Dem Wortlaut dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten lediglich "wie" Betriebsausgaben behandelt werden. Der Gesetzgeber fingiert für erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten in § 9c Abs. 1 EStG den Betriebsausgabenabzug. Die Aufwendungen können nach § 9c Abs. 1 EStG nur "wie" Betriebsausgaben bzw. - i. V. m. § 9 Abs. 5 EStG - "wie" Werbungskosten abgezogen werden (so auch Krömker in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG Kommentar, zu § 4f EStG Rn. 14). Um originäre Betriebsausgaben handelt es sich gerade nicht (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. September 2014 5 K 3263/12, EFG 2015, 111; Heinicke in Schmidt, EStG 36. Aufl. 2017, § 10 Rn. 85 f.; Loschelder in Schmidt, EStG, 30. Aufl. 2011, § 9c Rn. 1), vielmehr um eine Fiktion als staatliche Fördermaßnahmen im Grenzbereich der allgemeinen Lebensführungskosten (Heinicke in Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 9c Rn. 2).

34

(2) Für diese Auslegung spricht auch die historische Entwicklung der Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten. § 9c EStG, eingefügt durch das sogenannte Familienleistungsgesetz, sollte zu keinerlei Änderungen der bisherigen materiell-rechtlichen Rechtslage führen, sondern lediglich die bisher im Gesetz enthaltenen unterschiedlichen Vorschriften zur Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten zusammenführen (BT-Drs. 16/10809, 1). Neben § 9c Abs. 2 EStG, welcher den Abzug von nicht erwerbsbedingten Betreuungskosten als Sonderausgaben regele, enthalte Abs. 1 die bisherige Regelung der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten und ersetze damit § 4f EStG (BT-Drs. 16/10809, 14). § 4f EStG a. F. war 2006 mit dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung eingeführt worden (BT-Drs. 16/643). Nach Sinn und Zweck dieser Regelung sollte unter anderem die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit verbessert werden. Auch nach dieser "Alt-Vorschrift" konnten Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung von Kindern nur "wie" Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden. Dem Gesetzgeber war schon damals bewusst, dass es sich hierbei um Kosten im Grenzbereich zu Lebensführungskosten (§ 12 S. 1 EStG), mithin um gemischte, also auch privat veranlasste Aufwendungen handelt. Mit der Berücksichtigung von lediglich 2/3 der Aufwendungen sollte dabei dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei allen Eltern Betreuungsbedarf für Kinder besteht, unabhängig davon, ob sie erwerbstätig sind oder nicht. Ebenso hatte der Gesetzgeber erkannt, dass bis zur Einführung des § 4f EStG a. F. nach geltendem Recht und einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum Kinderbetreuungskosten nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehbar waren, sondern nur im Rahmen des Kinderfreibetrags (§ 32 Abs. 6 EStG) bzw. als außergewöhnliche Belastungen (§ 33c EStG) zu berücksichtigen waren (zum Ganzen BT-Drs. 16/643, 9, vgl. dazu auch Glanegger in Schmidt, EStG, 25. Aufl. 2006, § 4f Rz. 2).

35

(3) Diese Auslegung vom § 9c Abs. 1 EStG wird zudem durch dessen systematische Stellung gestützt. Gegen die Einordnung der Kinderbetreuungskosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten spricht zudem, dass der Gesetzgeber in § 9a Satz 1 Nr. 1a EStG a. F. den Abzug neben dem Werbungskostenpauschbetrag für Arbeitnehmer zugelassen hatte.

36

Ebenso ist in § 35a Abs. 5 EStG a. F. klargestellt, dass die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, Dienstleistungen sowie Handwerksleistungen ausgeschlossen sind, soweit die Aufwendungen dem Grunde nach unter § 9c EStG fallen. Zugleich ist die Begünstigung allerdings auch ausgeschlossen, soweit die Aufwendungen Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen. Der Verweis auf § 9c EStG wäre mithin überflüssig, wenn es sich bei Kinderbetreuungskosten ihrer Natur nach bereits um Betriebsausgaben handelte.

37

Im Übrigen ist nunmehr durch Aufhebung von § 9c EStG und Einführung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (Bundesgesetzblatt I, 2131) die Unterscheidung zwischen erwerbsbedingten und nicht erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten aufgegeben worden. Die Kosten sind nunmehr (lediglich) als Sonderausgaben abziehbar.

38

bb) Selbst wenn man diese Ansicht nicht folgen wollte und erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten ansieht (z. B. offengelassen in BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 III R 67/09, BStBl II 2012, 567, Rn. 16) stellt § 9c EStG eine abschließende, einschränkende Regelung zur Berücksichtigung solcher Aufwendungen dar.

39

Dieses ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. § 9c Abs. 1 EStG enthält keinerlei Regelung, wonach die beschränkte Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten nicht gelten soll, wenn sich diese unter eine andere Regelung (z. B. § 4 Abs. 5 oder § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG) subsumieren lassen. Dieses wäre indes üblich, wie der Vergleich mit den Regelungen zur Berücksichtigung von Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 EStG) bzw. nicht abzugsfähiger Ausgaben (§ 12 Satz 1 EStG) zeigt.

40

Im Übrigen entspricht dies auch dem Willen des Gesetzgebers. Bei allen Kindern sollte 1/3 der Aufwendungen nicht abziehbar sein. Damit sollte berücksichtigt werden, dass Betreuungsbedarf für Kinder bei allen Eltern besteht, unabhängig davon, ob sie erwerbstätig sind oder nicht. Außerdem sollte im Rahmen einer Pauschalierung eine absolute Obergrenze festgesetzt werden, die auch gelten sollte, wenn beide Elternteile zusammen leben und erwerbstätig sind (BT-Drs. 16/643, 9). Dieser gesetzgeberische Wille würde konterkariert, ließe man erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten - jenseits der Betragsgrenze des § 9c EStG - allgemein zum Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug zu.

41

Diese Sichtweise wird im Übrigen geteilt vom BFH, der in mehreren Verfahren die Verfassungsmäßigkeit von § 4f EStG a. F. als Vorgängervorschrift des § 9c EStG festgestellt hat (BFH-Urteile vom 14. November 2013 III R 18/13, BStBl II 2014, 383; vom 9. Februar 2012 III R 67/09, BStBl II 2012, 567; vom 5. Juli 2012 III R 80/09, BStBl II 2012, 816; Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG vom 18. Februar 2013 2 BvR 2454/12, juris). Nur so sind dessen Ausführungen bezüglich eines Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip sowie zur zulässigen Pauschalierung mit Obergrenze zu erklären. Diese wären obsolet, wären die den Höchstbetrag überschreitenden erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten allgemein als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar.

42

b) Ein Abzug der den Höchstbetrag des § 9c Abs. 1 EStG übersteigenden erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten ist der Klägerin auch nicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. i. V. m. § 9 Abs. 3 EStG zu gewähren. Betriebsausgaben sind nach diesen Vorschriften auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Freiberufler im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung entstehen.

43

Der Klägerin ist zuzugestehen, dass nach einer Ansicht § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. im Hinblick auf die Definition von Werbungskosten eine gewisse konstitutive Bedeutung zukommt, als eigentlich dem § 12 Nr. 1 EStG unterfallende Kosten der privaten Lebensführung als Werbungskosten definiert und zum Abzug zugelassen werden (vgl. zum Meinungsstand Loschelder in Schmidt, EStG 36. Aufl. 2017, Rz. 220 m. w. N.). Auch ist der Klägerin zuzugestehen, dass die geltend gemachten erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten grundsätzlich auch unter den Aufwandsbegriff, wie er in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 verwendet wird, subsummiert werden können.

44

Jedoch ist auch insoweit § 9c Abs. 1 EStG als abschließende Sonderregelung für die Berücksichtigung erwerbsbedingter Kinderbetreuungskosten anzusehen, nach der es sich bei solchen Kosten bereits nicht um Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten handelt bzw. eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten auf einen Höchstbetrag i. H. v. 4.000 € begrenzt ist. Die Ausführungen unter I. 2. a) gelten insoweit entsprechend. Auch für erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten die gelegentlich einer doppelten Haushaltsführung anfallen, stellt § 9c Abs. 1 EStG die speziellere und abschließende Vorschrift dar. Allein die Tatsache, dass Kosten für die Kinderbetreuung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung anfallen, nimmt ihnen nicht den Charakter als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten. Entgegen der klägerischen Ansicht verbietet sich auch eine Aufteilung dieser Kosten in reguläre Aufwendungen für die Kinderbetreuung und solche, die als Mehraufwand durch die doppelte Haushaltsführung entstanden sind. Dem steht wiederum der Wille des Gesetzgebers entgegen, mit § 9c EStG eine pauschalierende und begrenzende Regelung zu Berücksichtigung aller erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten einzuführen.

45

Entgegen der klägerischen Ansicht ist bei dieser Sichtweise § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. auch nicht hinfällig. Dessen eigentliche Anwendungsbereich (Unterkunftskosten, Fahrtkosten, Wohnungsausstattung etc.) ist nicht betroffen. Auch das Verhältnis von § 12 EStG zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. spricht entgegen der klägerischen Ansicht nicht gegen sondern für § 9c Abs. 1 EStG als lex specialis gegenüber § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. So verdrängt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. - nach einer Ansicht - im speziellen Bereich der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung § 12 EStG, der allgemein die Kosten der privaten Lebensführung als nicht abzugsfähig erklärt. Genauso verdrängt § 9c Abs. 1 EStG für den speziellen Bereich der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten die allgemeinere Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a. F. zu Aufwendungen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung, zu denen man auch unter bestimmten Umständen erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten zählen könnte.

46

II. Die Kläger haben nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

47

III. Die Revision war nicht zuzulassen, Revisionsgründe i. S. v. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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