Beschluss vom Finanzgericht Hamburg (2. Senat) - 2 V 336/17

Tatbestand

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I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dem Antragsgegner die Vollstreckung aus Steuerbescheiden bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Erlassantrag zu untersagen.

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Der Antragsteller erwarb ... das in den "A"-Häusern in ... gelegene Geschäftslokal "B Club" für eine Ablösesumme i. H. v. ... €, die er zur Hälfte beglich. Gemäß einem Gutachten vom 13. Juni 2013 waren die Gebäude baufällig. Der Eigentümer kündigte daraufhin dem Antragsteller zu Ende März 2014. Bereits am ... Dezember 2013 räumte die Polizei die "A"-Häuser wegen akuter Einsturzgefahr. Auch der Klub des Antragstellers wurde geräumt. Seit diesem Zeitpunkt ruht sein Betrieb. Um ausstehende Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten, Banken und Mitarbeitern begleichen zu können, löste der Antragsteller seine Lebensversicherung (ca. ... €) auf. Ebenso setzte er zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten die vom Eigentümer geleistete Entschädigungszahlung i. H. v. ... € ein. Mit den Erben des Verkäufers des Klubs einigt er sich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs darauf, dass er nur noch die Hälfte des ausstehenden Kaufpreises i. H. v. ... Euro zu begleichen hatte, welches er durch einen Kredit finanzierte. Das Mobiliar des Klubs verkaufte er zum Teil, den Rest lagerte er ein. In der Folgezeit bemühte sich der Antragsteller um die Anmietung von Ersatzräumlichkeiten. Zum einen hoffte er darauf, von seinem ehemaligen Vermieter Ersatzräumlichkeiten zur Verfügung gestellt zu bekommen. Auch entwickelte er ein umfangreiches Konzept für die Nutzung des ehemaligen "C" in der X-Straße sowie ein Konzept "D", mit welchem er sich um Räumlichkeiten im Rahmen eines Rückkehrrechtes bewarb. Für das Konzept "C" bekam er nicht den Zuschlag. Er wurde bei Parteien, der Bürgerschaft und schließlich beim ersten Bürgermeister vorstellig, um zu erreichen, dass ihm Ersatzflächen angeboten werden. Nach der Stellungnahme des Eingabenausschusses der Bürgerschaft vom ... 2017 soll der Senat den Antragsteller bei der Suche nach alternativen Veranstaltungsorten unterstützen. Der Antragsteller lebt derzeit von Arbeitslosengeld II.

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Seinen Jahresabschluss 2013 stellte er am 6. November 2015 auf. Der Jahresüberschuss betrug ... €. Darin berücksichtigt war ein Ertrag i. H. v. ... € im Hinblick auf die vor Gericht erstrittene Kaufpreisreduzierung. Der Jahresabschluss für 2014 datiert vom 18. Dezember 2015. Umsatzerlöse wies der Jahresabschluss nicht aus. Sonstige Erträge waren i. H. v. ... € (Verkauf von Anlagevermögen, sonstige Erträge) enthalten. Der Jahresüberschuss betrug ... €. Für 2013 und 2014 bildete der Antragsteller zudem einen Investitionsabzugsbetrag i. H. v. ... € (2013) sowie i. H. v. ... € (2014).

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Nach Zwangsgeldandrohung reichte er seine Steuererklärungen für 2013 am 9. November 2015 ein. Am 28. Dezember 2015 folgte die Steuererklärung für 2014. Der Antragsteller wurde zunächst antragsgemäß veranlagt. Die nach Verrechnung mit Vorauszahlungen verbliebenen Steuerbeträge beglich er.

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Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2015 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, dass er noch kein neues Objekt gefunden, mithin keine der im Jahr 2013 geplanten Investitionen durchgeführt habe. Der Antragsgegner erließ daraufhin am 31. Juli 2017 unter Auflösung des Investitionsabzugsbetrags geänderte Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuer. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 begehrte der Antragsteller zudem die Auflösung des Investitionsabzugsbetrags für 2014, da mangels neuer Räumlichkeiten mit einer Investition bis zum Ende des Jahres nicht zu rechnen sei. Zudem beantragte er den Erlass von sämtlichen privaten und betrieblichen Steuern sowie steuerlichen Nebenleistungen.

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Der Antragsgegner änderte den Einkommensteuerbescheid für 2014, bezog den Erlassantrag lediglich auf dieses Jahr und lehnte diesen mit Bescheid vom 24. Oktober 2017 ab. Auf weiteren Antrag vom 22. November 2017 lehnte der Antragsgegner mit zwei Bescheiden vom 24. November 2017 auch einen Erlass bezogen auf die Steuern für 2013 ab. Die ablehnenden Bescheide enthielten zudem entsprechende Zahlungsaufforderungen für die noch offenen Steuern zuzüglich Nebenleistungen in Höhe von insgesamt ... €.

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Die gegen die ablehnenden Bescheide gerichteten Einsprüche vom 22. November bzw. 8. Dezember 2017 sind noch nicht beschieden.

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Am 19. Dezember 2017 hat sich der Antragsteller mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Unterlassung von Vollstreckungsmaßnahmen an das Gericht gewandt. Zu Begründung trägt er im Wesentlichen wie folgt vor:

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Aufgrund der Zwangsräumung der "A"-Häuser sei er gleichsam über Nacht seiner Existenz beraubt worden. Sein Vermögen habe er vollumfänglich zur Schuldentilgung eingesetzt. Aktuell lebe er von Arbeitslosengeld II. Aufgrund der Zahlungsaufforderungen sei mit einer Zwangsvollstreckung des Antragsgegners zu rechnen. Diese zwinge ihn in die Privatinsolvenz bzw. die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Damit nehme man ihm die Chance, noch einmal als Gastronom tätig zu werden. Sei er erst einmal Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt, werde ihm keiner mehr etwas verpachten. Er habe keinerlei andere Möglichkeit, eine Existenz aufzubauen. Ein Arbeitsplatz habe ihm nicht vermittelt werden können. Er sei ... Jahre alt und habe keinerlei Altersvorsorge mehr. Das Mobiliar seines Klubs sei noch eingelagert, die Raumsuche könne noch Erfolg haben, was sich auch aus der Stellungnahme des Eingabenausschusses der Bürgerschaft ergebe.

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Die Zwangsvollstreckung sei auch unbillig. Der Antragsgegner habe seinen Erlassantrag zu Unrecht abgelehnt. Er habe einen Anspruch auf Erlass der Steuerschulden. Es sei erlassbedürftig und auch erlasswürdig.

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Seine wirtschaftliche Existenz sei gefährdet. Ohne Erlass könne er seinen Lebensunterhalt nicht mehr aus eigenen Mitteln bestreiten. Mithin sei erlassbedürftig. Zwar könne er weiterhin Arbeitslosengeld II beziehen und in die Altersarmut abzurutschen, es sei ihm aber daran gelegen und auch sein Recht, sich erneut eine eigenständige wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Hinsichtlich des notwendigen Kapitals sei er mit seiner Bank als auch einer Bürgschaftsgemeinschaft im Gespräch. Kredite erhalte er allerdings nur, wenn er schuldenfrei sei.

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Auch sei er erlasswürdig. Eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit habe er nicht selbst herbeigeführt. Er sei unverschuldet durch die Zwangsräumung in eine Notlage geraten. Die Verletzung steuerlicher Pflichten könne der Antragsgegner ihm nicht vorwerfen. So habe er den Investitionsabzugsbetrag sowohl 2013 als auch 2014 zu Recht gebildet. Seinen Betrieb habe er nicht aufgegeben, sondern sich stets um einen Ausweichstandort bemüht. Die entsprechenden Konzepte lägen dem Antragsgegner vor. Soweit er die ursprünglich festgesetzten Steuern für 2013 und 2014 verspätet gezahlt habe, hänge dies unmittelbar mit dem Erlassgrund, dem unverschuldeten Wegfall seiner wirtschaftlichen Existenz, zusammen. Letztlich habe er jedoch zahlen können. Aus dem gleichen Grund habe er die Steuererklärungen 2013 und 2014 verspätet abgegeben. Nur mit Mühe habe er das Steuerberaterhonorar aufbringen können. Zudem seien die Erklärungen für 2014 noch vor Ablauf des Folgejahres, mithin in der üblichen Frist für Steuerberater übermittelt worden. Eine schuldhafte Verursachung der Notlage liege auch nicht deshalb vor, weil er die Steuerersparnis aus dem Investitionsabzugsbetrag für die Begleichung von Steuerschulden hätte verwenden müssen. Die Steuerersparnis habe er nicht für irgendwelche Zwecke rechtsmissbräuchlich ausgegeben. Er habe schlichtweg keine Mittel mehr zur Verfügung gehabt.

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Der Antragsteller beantragt,
dem Finanzamt im Wege der einstweiligen Anordnung, der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung, aufzugeben, alle Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund offener Forderungen wegen Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer sowie der steuerlichen Nebenleistungen aus 2013 und 2014 zu unterlassen bzw. einzustellen, bis über den Antrag auf Erlass dieser Forderungen rechtskräftig entschieden ist;
ihm unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu gewähren.

14

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

15

Der Antragsteller habe bereits den Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Denn sein Erlassbegehren sei in der Hauptsache nicht erfolgversprechend. Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit habe er nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

16

Die Erlassbedürftigkeit habe er, der Antragsgegner, mangels vollständiger Offenlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht umfangreich prüfen können. Zudem habe der Antragssteller Ende 2013 seine Erwerbstätigkeit aufgeben müssen, so dass ein Erlass nicht zum Erhalt einer Erwerbstätigkeit sondern allenfalls zur Begründung einer neuen Erwerbstätigkeit notwendig wäre. Zudem bestehe ein Erlasshindernis, da ein Erlass auch anderen Gläubigern zu Gute käme. So trage der Antragsteller selbst vor, vorhandene Mittel zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten aufgewandt zu haben, so dass nur noch Steuerschulden bestünden. Ein Erlass führe mithin zu einer ungleichen Befriedigung der aktuellen und ehemaligen Gläubiger des Antragstellers.

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Der Antragsteller sei auch nicht erlasswürdig. Dieser sei seinen steuerlichen Verpflichtungen in der Vergangenheit grob pflichtwidrig nicht nachgekommen. So habe er diverse Steuerzahlungen für 2013 (Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer) nicht pünktlich entrichtet. Verspätet abgegeben habe er die Erklärungen für 2014. Die Erklärungen für 2013 habe er erst nach Androhung eines Zwangsgeldes abgegeben. Im Übrigen seien die in Rede stehenden Steuern teilweise durch die Auflösung des im Jahr 2014 gebildeten Investitionsabzugsbetrags entstanden. Diesen habe der Antragsteller gemäß § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) gar nicht bilden dürfen. Denn im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses Ende 2015 habe er nicht mehr von der Fortsetzung seines Betriebes ausgehen dürfen. Selbst wenn er diese Hoffnung gehabt hätte, könne nach Ablauf von damals bereits zwei Jahren nicht mehr von der zu fordernden Kontinuität ausgegangen werden.

...

Entscheidungsgründe

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II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

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1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Denn der Antragsteller wendet sich gegen die drohende Vollstreckung als solche und nicht gegen eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme. Er hat gerade keinen (Vollstreckungs-)Verwaltungsakt angegriffen, dessen Vollziehung vorrangig gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO auszusetzen wäre.

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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

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a) Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen. Voraussetzung hierfür ist, dass der im Hauptsacheverfahren geltend gemachte oder geltend zu machende Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss (§ 294 ZPO). Zum Anordnungsgrund muss er darlegen und glaubhaft machen, dass die einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die anderen Gründe müssen ähnlich wichtig und bedeutsam sein wie die ausdrücklich genannten (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253; vom 22. Dezember 2006 VII B 121/06, BStBl II 2009, 839). Das Interesse des Antragstellers und das öffentliche Interesse sind gegeneinander abzuwägen. Die einstweilige Anordnung ist nötig im Sinn des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO, wenn das Interesse des Antragstellers an der erstrebten Anordnung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes überwiegt und die Maßnahme unumgänglich ist, um ihn gegen wesentliche Nachteile zu schützen. Die Gründe müssen schwerwiegend sein, bloße Rechtsbenachteiligungen genügen nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 1988 IV B 102/87, BStBl II 1988, 514, 515). Die Nachteile müssen über diejenigen hinausgehen, die üblicherweise mit der Pflicht zur Zahlung von Steuern verbunden sind (BFH-Beschluss vom 7. Januar 1993 VII B 125/92, BFH/NV 1994, 480). Denn die für eine einstweilige Anordnung sprechenden Gründe müssen so schwerwiegend sein, dass sie ihren Erlass unabweisbar machen. Ein Anordnungsgrund besteht demnach dann, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist (BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15 BFH/NV 2016, 1253; vom 22. Dezember 2006 VII B 121/06, BStBl II 2009, 839).

22

b) Daran gemessen hat der Antragsteller bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er hat nicht konkret dargelegt und glaubhaft gemacht, dass seine wirtschaftliche oder persönliche Existenz unmittelbar bedroht ist, wenn der Antragsgegner aus den noch offenen Steuerschulden die Vollstreckung betreibt.

23

Zweifel bestehen bereits im Hinblick auf die zu fordernde Unmittelbarkeit. Der bloße Verweis des Antragstellers auf bevorstehenden Vollstreckungsdruck und einen in letzter Konsequenz drohenden Insolvenzantrag ist nicht geeignet, eine unmittelbare Bedrohung seiner Existenz zu begründen. Denn der Antragsgegner hat bisher lediglich im Rahmen der Bearbeitung der Erlassanträge Zahlungsaufforderungen erlassen. Mahnungen hat er ebenso wenig ausgebracht wie weitere, einschneidende Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt. Ob der Antragsgegner tatsächlich solche Maßnahmen wie beispielsweise Kontopfändungen oder Sachpfändungen durch Vollziehungsbeamte unternehmen wird, scheint aufgrund der Einkünfte- und Vermögenssituation des Antragstellers keinesfalls gesichert. Auch dass ein Insolvenzantrag unweigerliche Folge der Vollstreckung sein wird, ist zumindest fraglich. Zudem ist primäres Ziel eines Insolvenzverfahrens nicht die Zerschlagung von Vermögenswerten, mithin die Existenzvernichtung des Schuldners, sondern die Schuldenbereinigung zur Fortsetzung unternehmerischer Betätigung (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763).

24

Darüber hinaus ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass die persönliche oder wirtschaftliche Existenz des Antragstellers in einem einen Anordnungsgrund begründenden Maße bedroht ist.

25

Das Gericht verkennt bei einer Gesamtschau über die dargestellten Umstände nicht, dass der Antragsteller, wie er vorträgt, durch die Zwangsräumung seines Klubs aufgrund der Baufälligkeit der "A"-Häuser im Dezember 2013 gleichsam über Nacht ohne sein Zutun seine Erwerbsquelle verloren hat und nunmehr zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist. Auch sieht das Gericht die Bemühungen des Antragstellers, eine neue Veranstaltungsfläche zu finden, sei es durch die vorgelegten Betriebskonzepte, sei es durch den Versuch, auf politischer Ebene Unterstützung zu finden. Eine unmittelbare Bedrohung der wirtschaftlichen und persönlichen Existenz im Falle einer Zwangsvollstreckung erfolgt dadurch nicht.

26

Bezogen auf seine momentane Situation als Empfänger von Arbeitslosengeld II und auch im Fall der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in einem Angestelltenverhältnis bedeutet die Zwangsvollstreckung durch den Antragsgegner zwar eine Einschränkung und Belastung für den Antragssteller. Jedoch gehen die damit verbundenen Nachteile nicht über diejenigen hinaus, die üblicherweise mit einer Zwangsvollstreckung verbunden sind. Pfändungsmaßnahmen hat der Antragsteller grundsätzlich hinzunehmen. Im Übrigen ist er auf Pfändungsschutzvorschriften zu verweisen. So kann er z. B. eine Kontopfändung - auch für den Fall, dass er in Zukunft als Angestellter Lohn erhalten sollte - durch Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto (§ 850k Abs. 1 ZPO) abwenden (BVerfG, vom 25. August 2014 1 BvR 2243/14, NJW 2014, 3771; FG München, Beschluss vom 18. September 2013 5 V 2625/13, juris).

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Auch im Hinblick auf die von ihm angestrebte gewerbliche Tätigkeit durch Anmietung neuer Gewerbeflächen bedeutet die Zwangsvollstreckung keine unmittelbare Bedrohung seiner wirtschaftlichen und persönlichen Existenz. Zwar ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass sowohl bestehende Steuerschulden als auch Vollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich geeignet sind, die Kreditwürdigkeit negativ zu beeinflussen und die Anmietung einer Gewerbeimmobilie zu erschweren. Doch sind auch dies letztlich Konsequenzen, die mit jeder Vollstreckung einhergehen und die grundsätzlich ein Steuerschuldner zu erdulden hat. Anderes kann bei Gewerbetreibenden zum Beispiel dann gelten, wenn durch die Vollstreckungsmaßnahmen die Fortführung des Betriebs unmittelbar bedroht ist, weil bei Zwangsvollstreckung die Betriebsstilllegung konkret im Raum steht (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 26. April 1994 VII B 47/93, BFH/NV 1995, 6). Darauf kann sich der Antragsteller indes nicht berufen, da nicht die Beeinträchtigung einer Betriebsfortführung, sondern die der Wiedereröffnung eines Betriebes zu beurteilen ist. Bezogen auf die geplante Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit durch (Wieder-)Eröffnung eines Gewerbebetriebs sind konkrete Nachteile im Sinne einer unmittelbaren Existenzgefährdung jedoch nur dann nachgewiesen, wenn sich die Betriebseröffnung konkret und unmittelbar abzeichnet, z. B. weil entsprechende Miet- und Finanzierungsverträge bereits konkret ausverhandelt bzw. eventuell schon abgeschlossen wurden, und sich die drohende Zwangsvollstreckung diesbezüglich konkret und unmittelbar negativ auswirken könnte.

28

Solche Umstände hat der Antragsteller indes nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Er bemüht sich seit nunmehr über vier Jahren erfolglos um die Anmietung neuer Räumlichkeiten. Ein sich konkret abzeichnenden Erfolg im Hinblick auf die anstehende Anmietung bzw. Finanzierung von Räumlichkeiten hat er nicht dargelegt. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von ihm ausgearbeiteten Konzept zur Bewirtschaftung des "C", für welches er nach eigenen Angaben den Zuschlag nicht erhalten hat. Auch das weitere Konzept "D" ist lediglich eine Bewerbung um eine adäquate Gewerbefläche in einem Nachfolge-Gebäudekomplex der "A"-Häuser auf Basis eines Rückkehrrechtes. Weder hat der Antragsteller dargetan, dass ein solches Rückkehrrecht hinreichend konkret besteht und sich tatsächlich in naher Zukunft abzeichnet, noch hat er dargelegt, dass entsprechende Verträge nebst Finanzierung konkret verhandelt bzw. ausgearbeitet werden. Auch aus der von ihm eingereichten Stellungnahme des Eingabenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft ergibt sich nichts anderes. Der Eingabenausschuss teilt dem Antragsteller darin lediglich mit, dass er dem Senat die Bitte um Unterstützung bei der Suche bzw. Anmietung eines alternativen Veranstaltungsraumes zur Erwägung überwiesen hat. Eine konkrete und unmittelbar bevorstehende Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit, welche die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vereiteln könnten, ergibt sich daraus nicht. Der Antragsteller selbst bezeichnet die Aufnahme einer neuen gewerblichen Tätigkeit in seiner Antragsschrift lediglich als "noch möglich", da die Geschäftsausstattung noch eingelagert sei. Eine konkret bevorstehende Wiederaufnahme seiner Tätigkeit ergibt sich auch daraus nicht. Ohne hinreichende Verknüpfung mit einer dadurch vereitelten konkreten Erwerbschance ist der bloße Verweis des Antragstellers auf die bevorstehende Vollstreckung mithin nicht geeignet, einen Anordnungsgrund zu begründen.

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3. Aus den gleichen Gründen war der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, vgl. § 142 Abs. 2 FGO i. V. m. § 114 ZPO.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe zur Zulassung der Beschwerde (§ 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.

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