Beschluss vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 V 85/18

Tatbestand

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I. Die Beteiligten streiten im Hauptsacheverfahren über die Rechtmäßigkeit des Bescheides über den Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft vom 21. März 2018 und in diesem Verfahren über die mit diesem Widerruf verbundene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit.

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Die Antragstellerin, eine GmbH, wurde 1990 in Übereinstimmung mit den §§ 49 ff. des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt.

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Bis zum Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft war alleiniger Geschäftsführer der Antragstellerin A. Er war bis Juni 2016 auch alleiniger Gesellschafter, anschließend war dieses bis zum Widerruf B. A war zunächst Steuerberater und als solcher Mitglied der Steuerberaterkammer C. Die Steuerberaterkammer C widerrief seine Bestellung als Steuerberater. Dieser Widerruf wurde am ... 2017 rechtskräftig.

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Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Oktober 2017 mit, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft erloschen seien, weil sowohl die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 StBerG als auch des § 50a Abs. 1 Nr. 1 StBerG nicht vorlägen. Zur Wiederherstellung des dem Gesetz entsprechenden Zustandes wurde der Antragstellerin eine Frist bis zum 5. Januar 2018 eingeräumt.

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Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 4. Januar 2018 mit, dass ihre Geschäftsanteile durch die "D mit Sitz in den E" übernommen worden seien. Diese Gesellschaft habe zur Geschäftsführung ihre Geschäftsführer und Gesellschafter bestellt. Die Geschäftsführung wurde durch Herrn F und Herrn B übernommen. Der beigefügte Handelsregisterauszug datiert vom ... 2017.

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Diese beiden Geschäftsführer sind nicht als Steuerberater bestellt worden.

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Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 21. März 2018 die Anerkennung der Antragstellerin als Steuerberatungsgesellschaft. Die sofortige Vollziehung dieses Widerrufsbescheides wurde gemäß § 164a Abs. 2 Satz 1 StBerG i. V. m. § 69 Abs. 5 S. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angeordnet.

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Am 19. April 2018 hat die Antragstellerin Klage gegen den Widerruf erhoben (6 K 84/18) und um einstweiligen Rechtsschutz bis zur Urteilsverkündung nachgesucht.

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Zur Begründung trägt sie vor, dass sie die Voraussetzungen des StBerG erfülle, da ihre Gesellschafterin entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin in den E als Steuerberatergesellschaft anerkannt sei. In diesem Zusammenhang bezieht sich die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des EUGH und des BFH, insbesondere auf das Urteil des BFH vom 19. Oktober 2016 II R 44/12 und die Dienstleistungsrichtlinie der EU.

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Die Antragstellerin beantragt nach dem Inhalt ihres schriftsätzlichen Vorbringens sinngemäß,
die hemmende Wirkung ihrer Klage (6 K 84/18) gegen den Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft vom 21. März 2018 wiederherzustellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

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Die Antragsgegnerin vertritt die Ansicht, dass sowohl der Widerruf als auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtmäßig seien. Die Geschäftsführer der Antragstellerin erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 StBerG und die einzige Gesellschafterin der Antragstellerin sei die in den E ansässige Gesellschaft, diese gehöre nicht zu den nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 StBerG zulässigen Gesellschaftern einer Steuerberatungsgesellschaft.

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Die Geschäftsführer der Antragstellerin hätten offenbar die Absicht, die Antragstellerin in rechtswidriger Weise, unter Beibehaltung der Firmierung, weiter zu nutzen, obwohl die erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlägen, weil keiner der Geschäftsführer als Steuerberater bestellt sei.

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Es handele sich vorliegend ausdrücklich nicht um einen Fall der in § 3a StBerG geregelten Befugnis vorübergehender und gelegentlicher Hilfeleistung in Steuersachen, die nur in engen Grenzen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sei. Gerade diese Vorschrift solle offensichtlich umgangen werden, indem in rechtswidriger Weise die in Deutschland ansässige Antragstellerin hierfür missbraucht werden solle.

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Zum Schutz potentieller Mandanten der Antragstellerin sei zu Recht die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufsbescheides angeordnet worden. Hierdurch sei der unmittelbar bestehenden Gefahr eines Missbrauchs der Bezeichnung Steuerberatungsgesellschaft zulasten von Mandanten vorgebeugt worden. Der Berufsstand des steuerberatenden Berufes genieße großes Vertrauen in der Öffentlichkeit und demzufolge werde die zuverlässige und gewissenhafte Erfüllung der aus dem Beruf resultierenden Pflichten von der Bevölkerung erwartet. Im Interesse und zum Schutz derzeitiger und potentieller Mandanten einer Steuerberatungsgesellschaft müsse sichergestellt werden, dass nur solche Berater geschäftsmäßig Hilfeleistung in Steuersachen erbringen dürften, welche die dazu erforderliche sachliche und personelle Zuverlässigkeit und Qualifikation hätten. Grund für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei sowohl das Verhalten des Geschäftsführers der Antragstellerin als auch die Ankündigung der Antragstellerin, dass eine in Deutschland nicht anerkannte Gesellschaft sich um die Interessen steuerlicher Mandate in Deutschland kümmern solle. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe sich in der Vergangenheit wiederholt in rechtswidriger Weise auf dem Gebiet der unerlaubten Hilfeleistung in Steuersachen hervorgetan und sich bezüglich der Rechtslage nachhaltig uneinsichtig gezeigt. Die Antragsgegnerin habe deswegen gegen diesen auch gerichtlich auf Unterlassung in Bezug auf unerlaubte Hilfeleistung in Steuersachen vorgehen müssen und dies auch mit Erfolg getan. Auf die entsprechenden Anlagen werde in diesem Zusammenhang verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.

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Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der hemmenden Wirkung der Klage ist unbegründet.

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Nach § 69 Abs. 5 Satz 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen.

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1. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 bzw. § 69 Abs. 5 Satz 3 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung setzen nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen, irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt allerdings nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFH/NV 2011,1549; BFH-Beschluss vom 6. November 2008 IV B 126/07, BStBl II 2009, 156). Die Entscheidung ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage sowie aufgrund von präsenten Beweismitteln (§ 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO) ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (vgl. BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809 m. w. N.). In Bezug auf die Feststellungslast gelten dieselben Grundsätze wie im Hauptsacheverfahren.

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2. Daran gemessen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides über den Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft vom 21. März 2018. Die Antragstellerin hat auch zu Recht die sofortige Vollziehung dieses Widerrufsbescheides angeordnet, da diese im öffentlichen Interesse geboten war.

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a) Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft gem. § 55 Abs. 2 StBerG lagen vor.

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Nach § 55 Abs. 2 StBerG hat die zuständige Steuerberaterkammer die Anerkennung zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gesellschaft nachträglich fortfallen, es sei denn dass die Gesellschaft innerhalb einer angemessenen, von der zuständigen Steuerberaterkammer zu bestimmenden Frist den dem Gesetz entsprechenden Zustand herbeiführt.

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Nach § 50 Abs. 1 StBerG ist insbesondere Voraussetzung für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft, dass die Geschäftsführer oder die persönlich haftenden Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft Steuerberater sind. Gemäß § 50a Abs. 1 Nr.1 StBerG gehört es zu den Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft, dass die Gesellschafter ausschließlich Steuerberater, Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigte, in der Gesellschaft tätige Personen, deren Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter nach § 50 Abs. 3 StBerG genehmigt worden ist, oder Steuerberatungsgesellschaften, die die Voraussetzungen dieses Absatzes erfüllen, sind.

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aa) Die formellen Voraussetzungen für den Widerruf lagen vor. Die erforderliche Anhörung der betroffenen Gesellschaft ist erfolgt. Der Antragsgegnerin wurde eine angemessene Frist im Sinne des § 55 Abs. 2 StBerG gesetzt, da ihr mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 18. Oktober 2017 Gelegenheit gegeben wurde, bis zum 5. Januar 2018 und damit in einer ausreichend lang bemessenen Frist von etwa 2,5 Monaten nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft bestehen.

24

bb) Die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf sind ebenfalls gegeben. Denn die Voraussetzungen für die Vorschrift des § 50 Abs. 1 StBerG liegen nicht vor, weil keiner der Geschäftsführer der Antragstellerin Steuerberater ist.

25

Auch die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 1 StBerG sind nicht gegeben, da die Gesellschafterin der Antragstellerin nicht die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.

26

cc) Es ergibt sich weder aus der Rechtsprechung des EuGH oder des BFH oder unmittelbar aus der Dienstleistungsrichtlinie der EU eine abweichende Anwendung der entsprechenden Vorschriften des StBerG.

27

Entscheidend ist, dass die ... Gesellschafterin der Antragstellerin nicht beabsichtigt lediglich eine Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 3a Abs. 1 StBerG zu erbringen, sondern im Streitfall wird die Anerkennung als deutsche Steuerberatungsgesellschaft begehrt. Es kommt daher nicht darauf an ob die in den E ansässige Gesellschafterin der Antragstellerin die Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 StBerG erfüllt bzw. erfüllen könnte. Nur für diesen Fall kann sich die ausländische Gesellschaft auf die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 Buchst. AEUV berufen (vgl. EUGH-Urteil C-342/14 vom 17. Dezember 2015, DStR 2016, 558; BFH-Urteil vom 19. Oktober 2016 II R 44/12, BStBl II 2017, 797). Die Antragstellerin hat zudem auch nicht behauptet, dass ihre ... Gesellschafterin bereits seit einer bestimmten Zeit in den E steuerberatend tätig ist.

28

Ist eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerberatungsgesellschaft auch in Deutschland niedergelassen, kann sie sich zwar grundsätzlich auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) berufen. Die Anwendung der Vorschriften über das Niederlassungsrecht hat nach Art. 49 Abs. 2 AEUV aber zur Folge, dass die Steuerberatungsgesellschaft mit der Niederlassung den nationalen Vorschriften (§§ 2, 3 Nr. 3, 32 Abs. 3 StBerG) unterliegt (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2016 II R 44/12, BStBl II 2017, 797).

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b) die Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufsbescheids sind ebenfalls gegeben.

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Die Antragsgegnerin hat überzeugend dargelegt, dass die Mandanteninteressen der Antragstellerin gefährdet sind, falls es der Antragstellerin möglich sein sollte, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Widerruf der Zulassung der Steuerberatungsgesellschaft tätig zu sein.

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Auch unter Beachtung der hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Widerruf der Bestellung eines Steuerberaters bzw. der Anerkennung als Steuerberater Gesellschaft (vgl. z. B. BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 17. August 2006 1 BvR 1956/06, HFR 2006, 11145) war die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtmäßig. Nach den bisherigen Darlegungen der Antragstellerin ist ihre Klage zurzeit offensichtlich unbegründet. Die Antragstellerin hat auch nicht behauptet, dass ihr irreparable Nachteile durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung entstehen könnten. Auf der anderen Seite muss davon ausgegangen werden, dass die Mandanten von den Geschäftsführern der Antragstellerin nicht in der erforderlichen Weise beraten würden, so dass diese Mandanten gefährdet wären.

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c) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

33

Gründe für die Zulassung der Beschwerde liegen nicht vor (§ 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO).

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