Urteil vom Finanzgericht Hamburg (3. Senat) - 3 K 38/20

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Abschlags für eine Abbruchverpflichtung im Rahmen der Einheitsbewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden.

2

Die Freie und Hansestadt Hamburg (im Folgenden: FHH) ist Eigentümerin des Grundstücks XX in Hamburg-1. Das Grundstück ist ... qm groß und Teil des Hamburger Hafens.

3

Mit Vertrag vom ... 1975 vermietete die FHH das Grundstück an die ... KG (GmbH & Co.) (im Folgenden: KG), die dort eine Werft betrieb. Der Mietvertrag war ursprünglich bis zum 31. Dezember 1998 befristet und wurde anschließend bis zum 31. Dezember 2007 und mit Nachtrag vom ... 2006 noch einmal bis zum 31. März 2021 verlängert. Mit Vertrag vom ... 2007 und Nachträgen vom ... 2012 und ... 2012 vermietete die KG das Grundstück an die Klägerin unter, die fortan die Werft betrieb.

4

Die KG bebaute das Grundstück in den Jahren 1950, 1952, 1956, 1959, 1964 und 1988 mit Gebäuden, Kai- und Werftanlagen. Die insgesamt ... Bauteile standen im Eigentum der KG, die nach dem Mietvertrag zum Abbruch dieser Bauwerke bei Mietvertragsende verpflichtet war. Mit Vertrag vom ... 2013 verkaufte die KG sämtliche Gebäude, Anlagen, Maschinen und Zubehörteile zum Preis von ... € an die Klägerin. Der Vertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass die FHH dem Eintritt der Klägerin in den mit der KG geschlossenen Mietvertrag zustimmt.

5

Mit Vertrag vom .../... 2014 schloss die A GmbH für die FHH mit der Klägerin einen Mietvertrag über das Grundstück. In der Präambel des Vertrages hieß es:

6

Die vorgenannten Gebäude sollen durch die [KG] an die [Klägerin] veräußert werden (Anlage 3), welche in diesem Zusammenhang das Grundstück käuflich erwerben möchte.

7

Gemäß einem Schreiben vom 20.09.2014 (Anlage 4) wurde der [Klägerin] (...) durch die Grundstückeigentümerin mitgeteilt, dass seitens der Stadt Hamburg ein Interesse besteht, die B-Werft an ihrem gegenwärtigen Standort auf Dauer zu erhalten.

8

Unter Berücksichtigung des vorgenannten Sachverhalts prüft die Grundstückseigentümerin, C, die Veräußerungsmöglichkeit des Mietgrundstückes an die [Klägerin]. Sofern es nicht zu einer Veräußerung des benannten Grundstückes kommen sollte, ist seitens der Grundstückeigentümerin geplant, die Festlaufzeit um weitere 10 Jahre, entsprechend bis zum 31.03.2031, zu verlängern.

9

Bis zur abschließenden Prüfung der Veräußerungsmöglichkeit soll vorerst ein Mietverhältnis mit der [Klägerin] begründet werden, damit die Übertragung der Gebäude bereits erfolgen kann.

10

In Ziff. 1 des Vertrages wurde eine Vermietung ab dem 1. September 2014 für unbestimmte Zeit vereinbart. Das Vertragsverhältnis konnte mit einer Frist von sechs Monaten auf den Schluss eines jeden Kalendervierteljahres gekündigt werden, frühestens jedoch zum 31. März 2021 (Ziff. 6). In Ziff. 4 des Mietvertrages wurde die Geltung der "Allgemeinen Vertragsbedingungen der Freien und Hansestadt Hamburg für die Vermietung von Grundstücken" (Stand September 2010; im Folgenden: AVB) vereinbart.

11

7.7 des Vertrages enthielt folgende Regelung:
Die auf dem Mietobjekt befindlichen Baulichkeiten sind vom Mieter erbaut worden. Sie dienen nur einem vorübergehenden Zweck im Sinne von § 95 Abs. 1 BGB und bleiben daher im Eigentum des Mieters. (...) Die Räumungsverpflichtung ist gemäß Ziffer 19 AVG im vollen Umfang anzuwenden.

12

Ziffer 19 der AVB lautete:
Räumung

13

19.1 Der Mieter hat das Mietobjekt bei Beendigung des Mietverhältnisses geräumt und in einwandfreiem Zustand zurückzugeben. Er ist verpflichtet, das Mietobjekt von den in seinem Eigentum stehenden Bauwerken und Anlagen (einschließlich der unterirdischen Fundamente bzw. Kellermauern und Kellerfußböden, jedoch ausgenommen Rammpfähle) sowie von Einbauten restlos ober- und unterirdisch auf seine Kosten und (...) ohne Entschädigung freizumachen. (...) Der Mieter hat alle entstandenen Hohlräume bis auf Geländehöhe mit Sand aufzufüllen und bei der Wegnahme von Einbauten das Mietobjekt ordnungsgemäß wiederherzustellen.

14

Lediglich hinsichtlich von der Klägerin hergestellter Zuwegungen und Einfriedungen hatte die Vermieterin nach Ziff. 5 und 9 der AVB das Recht, auf einen Rückbau zu verzichten und diese entschädigungslos zu übernehmen. Die in Ziff. 20 der AVB geregelte Entschädigung für die Übernahme der der Klägerin gehörenden Bauwerke durch die Vermieterin sollte nur im Falle einer außerordentlichen Kündigung nach Ziff. 18.3 der AVB gelten, die ihrerseits jedoch ausgeschlossen wurde.

15

Der Mietvertrag stand unter der Bedingung, dass der C dem Eintritt der Klägerin anstelle der KG in den bestehenden Mietvertrag vom ... 1975 zustimmt und die Klägerin nach Eintritt in den Mietvertrag dessen sofortiger Aufhebung zustimmt, um das Mietobjekt auf der Grundlage des neuen Mietervertrages anzumieten (Ziff. 7.10 des Mietvertrages). Diese Bedingung trat in der Folgezeit ein.

16

Der Beklagte erließ gegenüber der Klägerin am 20. Januar 2015 einen Einheitswertbescheid - Wertfortschreibung - auf den 1. Januar 2015, in dem er den Einheitswert unter Anwendung des Sachwertverfahrens auf ... € feststellte. Dabei nahm der Beklagte gemäß § 94 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) für alle Bauteile einen Abschlag für eine Abbruchverpflichtung in sieben Jahren vor. Mit Bescheid vom selben Tag über die Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2016 wurde der Einheitswert unter Berücksichtigung von Abschlägen für eine Abbruchverpflichtung in sechs Jahren auf ... € festgestellt. Die Bescheide ergingen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

17

Mit Schreiben vom 9. Februar 2017 reichte die Klägerin auf Aufforderung des Beklagten im Rahmen eines anderen Verfahrens den Mietvertrag vom ... / ... 2014 ein. Daraufhin hob der Beklagte den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2016 mit Bescheid vom 10. Oktober 2019 gemäß § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf und erließ am selben Tag einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2015. Hierin stellte er den Einheitswert für die Gebäude auf fremdem Grund und Boden auf ... € fest. Dabei nahm er keinen Abschlag für eine Abbruchverpflichtung vor mit dem Hinweis, dass der Zeitpunkt des Abbruchs nicht bestimmbar sei. Der Vertrag sei unbefristet und seine Beendigung hänge von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis ab. Als aufschiebend bedingte Last sei die Abbruchverpflichtung gemäß §§ 6, 8 BewG unbeachtlich.

18

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 13. November 2019 Einspruch ein und trug vor, dass die Voraussetzungen für eine Änderung der Bescheide nach § 173 AO nicht vorlägen. Zudem sei bei Erreichen des Vertragsendes am 31. März 2031 mit dem Abbruch der Gebäude zu rechnen.

19

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2020 als unbegründet zurück. Der Mietvertrag sei unbefristet geschlossen worden, weshalb die Abbruchverpflichtung nicht hinreichend konkretisiert sei. Sie stehe unter der unbestimmten Bedingung, dass das Grundstück nicht durch die Klägerin erworben und dass der Mietvertrag gekündigt werde. Von dieser Vertragslage habe er, der Beklagte, erstmals am 13. Februar 2017 erfahren. Im Übrigen hätte der Bescheid auch nach § 164 Abs. 2 AO aufgehoben werden können.

20

Die Klägerin hat am 27. Februar 2020 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass die in den AVB festgeschriebene Abbruchverpflichtung unverändert durch Abschläge gemäß § 94 Abs. 3 BewG zu berücksichtigen seien. Der verbösernde Einheitswert-Änderungsbescheid auf den 1. Januar 2015 und die Aufhebung des Einheitswertbescheides auf den 1. Januar 2016 seien daher rechtswidrig.

21

Ihre, der Klägerin, Verpflichtung zum Gebäudeabbruch und zur Grundstücksräumung ohne Entschädigung bei Vertragsbeendigung sei eindeutig und unbedingt vereinbart worden. Dies ergebe sich nicht nur aus der allgemeinen gesetzlichen Räumungs- und Rückgabeverpflichtung für Mieter, sondern zusätzlich und explizit aus Nr. 19.1 der AVB. Die Verlängerungsoption bis zum 31. März 2031 vermöge hieran nichts zu ändern, weil eine mieterseitige Abdingbarkeit nicht vorgesehen sei.

22

Bei dem Schreiben der Grundstückeigentümerin vom 20. Juni 2014, das nicht mehr vorliege, handele es sich lediglich um einen sog. Letter of Intent. Es belasse der FHH einseitig sämtliche rechtlichen Handlungsoptionen und schaffe für sie, die Klägerin, keine belastbare Rechtsposition und nicht einmal eine belastbare Rechtserwartungsposition, dass die Gebäude nichts abgebrochen werden müssten. Anders wäre es nur, wenn die FHH eine rechtsverbindliche Erklärung abgäbe, in der sie auf die Abbruchverpflichtung wirksam verzichtete, sofern das Grundstück nicht auf sie, die Klägerin, übergehe. Zum jetzigen Zeitpunkt habe sie keine rechtliche Möglichkeit, die vertraglich festgeschriebene Abbruchverpflichtung einseitig abzuwenden.

23

Der bewertungsrechtliche Abschlag wegen Abbruchverpflichtung setze nicht voraus, dass der Abbruch bald bevorstehe; der Zeitpunkt des Abbruchs wirke sich lediglich auf die Höhe des Abschlags aus.

24

Vorliegend sei auch nicht vorauszusehen, dass es trotz der Abbruch- und Räumungsverpflichtung nicht zum Abriss kommen werde. Insoweit bedürfe es einer konkreten Voraussehbarkeit, Erwägungen allgemeiner Art genügten nicht. Auch eine von vornherein vereinbarte lange Laufzeit des Mietvertrages führe für sich allein nicht zu einer Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs. Ebenso müsse die bloße Möglichkeit, dass der Mietvertrag vor seinem Ablauf durch Verlängerung weitergeführt werde, als künftiges ungewisses Ereignis außer Betracht bleiben.

25

Ferner sei das Alter der Gebäude zu berücksichtigen, die bei Erreichen des Vertragsendes zum 31. März 2031 über 80 Jahre alt seien. Da es sich um nicht denkmalgeschützte Nutzbauten handele, sei zu erwarten, dass die FHH als Vermieterin einen Abbruch der Gebäude fordern werde, statt eine aufwändige Sanierung vorzunehmen. Folglich sei das vertragsgemäße Abbruchszenario sogar überwiegend wahrscheinlich.

26

Die in der Präambel des Mietvertrages erwähnte, einseitige Prüfung einer Veräußerungsmöglichkeit ändere hieran nichts. Diese bloße Möglichkeit habe keinen Einfluss auf die vertragliche Abbruchverpflichtung. Es sei ebenso wahrscheinlich, dass die FHH bei Vertragsende eine für sie vorteilhaftere Nutzung sehen und die ursprünglich erklärte Erhaltungsabsicht aufgeben werde. Sie, die Klägerin, habe in keiner der Varianten Einfluss auf die Abbruchverpflichtung.

27

Zudem begegne es grundsätzlichen Bedenken, wenn die FHH als Eigentümerin und Vermieterin einerseits - über ihre Institutionen privatrechtlich agierend - vertraglich eine Abbruchverpflichtung festschreibe und sich dabei ausschließlich selbst Einfluss auf deren Verwirklichung vorbehalte und dann andererseits - hoheitlich über den Beklagten - die von ihr auferlegte Abbruchverpflichtung nachträglich und rückwirkend verbösernd nicht mehr anerkenne.

28

Diese rückwirkend verbösernde Auffassung des Beklagten stehe überdies im Wiederspruch zu den Feststellungen des Finanzamts Hamburg-1, das die Abbruchverpflichtung nach einer Außenprüfung bei ihr, der Klägerin, zutreffend zum 31. März 2031 berücksichtigt habe.

29

Die Auffassung des Beklagten, dass ein unbefristeter Vertrag vorliege, dessen Beendigung von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhänge, und dass daher ein Abschlag für die Abbruchverpflichtung zu versagen sei, sei daher unter Beachtung der Identität der handelnden FHH inhaltlich fehlerhaft und verletze sie, die Klägerin, in ihren Rechten.

30

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Änderungsbescheid über den Einheitswert - Wertfortschreibung - auf den 1. Januar 2015 und den Bescheid über die Aufhebung des Einheitswertbescheides auf den 1. Januar 2016 vom 20. Januar 2015, jeweils vom 10. Oktober 2019 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 2020, aufzuheben.

31

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

32

Der Beklagte nimmt auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, dass der Nichtabbruch der Gebäude im Streitfall nach § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG vorhersehbar sei. Denn nach der ausdrücklichen Vereinbarung in der Präambel des Mietvertrages sei eine Beendigung des Vertragsverhältnisses und damit ein Abbruch der Gebäude nicht beabsichtigt.

33

Nach seiner, des Beklagten, Kenntnis schließe die FHH mit Mietern von Hafengrundstücken ansonsten grundsätzlich nur befristete Mietverträge ab. Dass vorliegend ein unbefristeter Mietvertrag geschlossen worden sei, zeige daher deutlich, dass die FHH beabsichtige, das Unternehmen der Klägerin an dem Standort zu halten.

34

Darüber hinaus sei für den Eintritt bzw. die Konkretisierung der Abbruchverpflichtung noch eine weitere Rechtshandlung, nämlich die Kündigung des Mietvertrages, erforderlich. Da der Zeitpunkt nicht feststehe, handele es sich um ein zukünftiges, ungewisses Ereignis, das im Rahmen der Einheitsbewertung unbeachtlich sei.

35

Selbst wenn man davon ausginge, dass die Abbruchverpflichtung zu berücksichtigen sei, sei fraglich, wie ein "entsprechender Abschlag" gemäß § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG zu berechnen sei, wenn die verkürzte Lebensdauer des Gebäudes mangels Zeitpunkts der Vertragsbeendigung nicht ermittelt werden könne. Das in der Präambel des Vertrages genannte Datum, der 31. März 2031, könne insoweit jedenfalls nicht zugrunde gelegt werden, da ein Mietvertrag mit diesem Enddatum nur in Aussicht gestellt, aber nicht abgeschlossen worden sei.

36

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

37

Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 15. Juni 2020 der Einzelrichterin übertragen.

38

Auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins vom 15. Juni 2020 wird Bezug genommen (...).

...

Entscheidungsgründe

39

Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) und gemäß § 6 FGO durch die Einzelrichterin.

I.

40

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

41

Der geänderte Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2015 und die Aufhebung des Einheitswertbescheides auf den 1. Januar 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat den Einheitswert für die Gebäude der Klägerin auf fremdem Grund und Boden in dem geänderten Bescheid über die Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2015 zu Recht festgestellt, ohne Abschläge für die Abbruchverpflichtung zu berücksichtigen, und den Bescheid auf den 1. Januar 2016, in dem die Abschläge berücksichtigt worden waren, ebenfalls zu Recht aufgehoben. Die übrigen Feststellungsgrundlagen sind zwischen den Beteiligten unstreitig.

42

Nach § 94 Abs. 3 Satz 1 BewG erfolgt die Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden nach § 76 BewG. Ist vereinbart, dass das Gebäude nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit abzubrechen ist, so ist dieser Umstand durch einen entsprechenden Abschlag zu berücksichtigen; der Abschlag unterbleibt, wenn vorauszusehen ist, dass das Gebäude trotz der Verpflichtung nicht abgebrochen werden wird (§ 94 Abs. 3 Satz 3 BewG).

43

Im Streitfall besteht zwar eine Abbruchverpflichtung der Klägerin bei Mietvertragsende (1.), doch es ist vorauszusehen, dass die Gebäude dennoch nicht abgebrochen werden (2.).

44

1. Eine Abbruchverpflichtung wurde vereinbart.

45

a) aa) Voraussetzung für die Gewährung des Abschlags ist, dass am Stichtag eine Abbruchverpflichtung eindeutig und unbedingt besteht. Eine solche Verpflichtung kann sich bei vermieteten oder verpachteten Grundstücken aus der gesetzlichen Rückgabepflicht nach § 546 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) oder aus einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung ergeben (BFH, Urteil vom 30. Januar 2019, II R 26/17, BFHE 264, 47, BFH/NV 2019, 855).

46

bb) Eine vertraglich vereinbarte Abbruchverpflichtung ist eindeutig und unbedingt, wenn die Vereinbarungen nach ihrem Wortlaut dem Mieter oder Pächter bei Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses keine andere Wahl lassen, als die Gebäude abzureißen (BFH, Urteile vom 30. Januar 2019, II R 26/17, BFHE 264, 47, BFH/NV 2019, 855; vom 3. Juli 1981, III R 97/79, BFHE 134, 51, BStBl II 1981, 759). Sind Gebäude, die auf fremdem Grund und Boden nur für die Dauer des Miet- oder Pachtverhältnisses errichtet sind, aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit zu entfernen, steht das Vorliegen einer vertraglichen Abbruchverpflichtung außer Zweifel (BFH, Urteil vom 3. Juli 1981, III R 102/80, BStBl II 1981, 764). Vertragliche Gestaltungen hingegen, die Zweifel an dem Bestehen einer solchen Verpflichtung aufkommen lassen oder die Verpflichtung einschränken oder die es dem Mieter oder Pächter bei Beendigung des Vertrags im Ergebnis freistellen, das nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtete Gebäude entweder abzubrechen oder durch Stehenlassen und Zeitablauf in das Eigentum des Vermieters oder Verpächters übergehen zu lassen, beinhalten keine Abbruchverpflichtung i.S. des § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG (BFH, Urteile vom 30. Januar 2019, II R 26/17, BFHE 264, 47, BFH/NV 2019, 855; vom 3. Juli 1981, III R 97/79, BFHE 134, 51, BStBl II 1981, 759).

47

cc) Eine Abbruchverpflichtung besteht, wenn sie der Mieter oder Pächter nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht einseitig abwenden kann (BFH, Urteil vom 14. Oktober 1992, II R 110/89, BFH/NV 1993, 86). Er kann sie u.a. dann nicht einseitig abwenden, wenn der Vermieter oder Verpächter ein Wahlrecht hat, bei Vertragsende anstatt des Abbruchs die Gebäude gegen Entschädigung zu übernehmen. Wenn der Vermieter oder Verpächter die Gebäude (gegen Entschädigung) übernimmt, so ist das seine freie Entscheidung, auf welche der Mieter oder Pächter mit rechtlichen Mitteln nicht einwirken kann. Die am Bewertungsstichtag bestehende tatsächliche Unsicherheit darüber, ob der Vermieter oder Verpächter von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, beseitigt die rechtlich bestehende Abbruchverpflichtung des Mieters oder Pächters nicht (BFH, Urteil vom 16. Januar 2019, II R 19/16, BFHE 264, 40, BFH/NV 2019, 852).

48

b) Im Streitfall besteht danach eine eindeutige und unbedingte Abbruchverpflichtung der Klägerin bei Beendigung des Mietvertrages. In Ziff. 19.1 der AVB ist eindeutig vereinbart, dass die Klägerin verpflichtet ist, das Mietobjekt von den in ihrem Eigentum stehenden Bauwerken und Anlagen sowie von Einbauten restlos ober- und unterirdisch auf ihre Kosten und ohne Entschädigung freizumachen. Lediglich bei den Wegen und Einfriedungen hat die Vermieterin das Recht, diese zu übernehmen, dies allerdings ohne Entschädigung für die Klägerin und ohne dass diese Einfluss auf die Entscheidung hätte.

49

2. Es ist jedoch vorauszusehen, dass die Gebäude nicht abgebrochen werden.

50

a) aa) Der Abschlag nach § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG ist zu versagen, wenn im Feststellungszeitpunkt trotz entsprechender Abbruchverpflichtung der Nichtabbruch der Gebäude voraussehbar ist. Es muss konkrete Anhaltspunkte dafür geben, dass es nicht zum Abbruch kommen wird.

51

bb) Für die zu treffende Prognoseentscheidung ist maßgeblich auf das Verhalten der Vertragsbeteiligten abzustellen. Auch das Verhalten von Beteiligten vergleichbarer Miet- bzw. Pachtverhältnisse kann bei der Prognoseentscheidung über die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs berücksichtigt werden (BFH, Urteile vom 30. Januar 2019, II R 26/17, BFHE 264, 47, BFH/NV 2019, 855; vom 16. Januar 2019, II R 19/16, BFHE 264, 40, BFH/NV 2019, 852).

52

cc) Die Versagung des Abschlags ist nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, die Abbruchverpflichtung werde nicht realisiert. Erwägungen allgemeiner Art über die Behandlung bei Miet- oder Pachtverhältnissen in ähnlichen Fällen reichen ebenfalls nicht aus. Selbst eine von vornherein vereinbarte lange Laufzeit des Miet- oder Pachtvertrags führt für sich allein genommen nicht dazu, dass der Nichtabbruch konkret voraussehbar ist; denn eine Abbruchverpflichtung nach § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BewG ist - unabhängig von der Laufzeit des Miet- oder Pachtvertrags - stets zu dessen Ende vereinbart. Ebenso muss die bloße Möglichkeit, der Mietvertrag werde vor seinem Ablauf durch Verlängerung über seine Laufzeit hinaus weiter fortgeführt, als künftiges ungewisses Ereignis für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs außer Betracht bleiben (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1986, II R 217/82, BStBl II 1986, 449). Dies gilt auch für zukünftige Entwicklungen, die Veränderungen nach sich ziehen können, wie z.B. veränderte technische Anforderungen oder andere Nutzungsanforderungen an ein Grundstück; denn diese sind über einen längeren Zeitraum nicht abschätzbar (BFH, Urteile vom 30. Januar 2019, II R 26/17, BFHE 264, 47, BFH/NV 2019, 855; vom 16. Januar 2019, II R 19/16, BFHE 264, 40, BFH/NV 2019, 852).

53

dd) Mehr als eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Nichtabbruch besteht dagegen, wenn ein Miet- oder Pachtverhältnis ausdrücklich mehrmals im Anschluss an den vorhergehenden Vertrag ohne grundsätzliche Änderungen der Vertragsbedingungen verlängert wird und hierdurch eine lange Gesamtdauer entsteht (BFH, Urteile vom 30. Januar 2019, II R 26/17, BFHE 264, 47, BFH/NV 2019, 855; vom 16. Januar 2019, II R 19/16, BFHE 264, 40, BFH/NV 2019, 852) bzw. wenn der Verpächter im Feststellungszeitpunkt ins Auge gefasst hat, mit großer Wahrscheinlichkeit den Pachtvertrag über das vereinbarte Vertragsende hinaus zu den gleichen oder ähnlichen Bedingungen zu verlängern (vgl. BFH, Urteil vom 16. Januar 2019, II R 19/16, BFHE 264, 40, BFH/NV 2019, 852). Ebenso spricht es für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs des Gebäudes, wenn das Pachtverhältnis mit der Vorpächterin bereits eine Abbruchverpflichtung enthielt und mehrere Male zu ähnlichen Bedingungen verlängert wurde, ohne dass es am jeweiligen Vertragsende zum Abbruch eines bestehenden Gebäudes kam, und das verlängerte Pachtverhältnis unter Einbezug des Pachtverhältnisses mit dem Steuerpflichtigen insgesamt eine lange Laufzeit aufweist (vgl. BFH, Urteil vom 16. Januar 2019, II R 19/16, BFHE 264, 40, BFH/NV 2019, 852).

54

ee) In Bezug auf unbefristete Mietverhältnisse hat der BFH bisher entschieden, dass die Berücksichtigung einer Abbruchverpflichtung voraussetze, dass die Kündigung des Mietvertrages am Bewertungsstichtag mit einiger Wahrscheinlichkeit zu besorgen sei (vgl. BFH, Urteil vom 31. Januar 1964, III 178/61 U, BStBl III 1964, 178). Dafür, dass bei einem unbefristeten Miet- oder Pachtverhältnis die Beendigung des Vertrages zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgrund konkreter Anhaltspunkte absehbar sein muss, spricht, dass der Abschlag wegen einer Abbruchverpflichtung auf einen bestimmten Zeitpunkt zu berechnen ist. In einem Fall, in dem die vereinbarte Mietzeit beendet war und der Mietvertrag am Bewertungsstichtag schon seit etwa 25 Jahren entsprechend einer Vertragsklausel bei jährlicher Kündbarkeit "stillschweigend auf unbestimmte Zeit" weiterlief, sah der BFH am Bewertungsstichtag mehr als eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Abbruchverpflichtung des Mieters oder Pächters nicht oder zumindest nicht innerhalb der üblichen Lebensdauer der errichteten Anlagen realisiert werden würde, ohne auf die fehlende Befristung des Mietverhältnisses einzugehen (vgl. BFH, Urteil vom 7. November 1990, II R 186/87, BStBl II 1991, 61).

55

ff) Die Finanzbehörde trägt die Feststellungslast für die Tatsachen, die den Nichtabbruch des Gebäudes bei Vertragsende voraussehbar machen. Lassen sich konkrete Tatsachen für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs nicht hinreichend sicher feststellen, bleibt es bei dem in § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 BewG vorgesehenen Grundsatz, dass der Abschlag zu gewähren ist (BFH, Urteil vom 30. Januar 2019, II R 26/17, BFHE 264, 47, BFH/NV 2019, 855).

56

b) Nach diesen Maßstäben war am Feststellungszeitpunkt, dem 1. Januar 2015, vorauszusehen, dass die streitgegenständlichen Gebäude und Anlagen weder zum 31. März 2021 noch zum 31. März 2031 noch zu einem anderen, absehbaren Zeitpunkt abgebrochen werden müssen.

57

aa) Der Mietvertrag ist nicht befristet abgeschlossen worden, sondern es handelt sich um einen unbefristeten Vertrag, der, damit die Abbruchverpflichtung überhaupt zum Tragen käme, zunächst von einer Vertragspartei gekündigt oder einvernehmlich aufgehoben werden müsste. Bis zum 31. März 2021 wurde zwar eine Festlaufzeit vereinbart, aber danach sollte der Vertrag unbefristet weiterlaufen. Eine Befristung zum 31. März 2031 war weder am Bewertungsstichtag (dem 1. Januar 2015) vereinbart noch wurde eine derartige Vereinbarung bis jetzt getroffen. In der Präambel des Mietvertrages wurde lediglich eine Verlängerung der Festmietzeit bis zum 31. März 2031 in Aussicht gestellt; aber auch danach wäre der Mietvertrag weitergelaufen. Dafür, dass eine Kündigung des Vertrages zu irgendeinem Zeitpunkt wahrscheinlich wäre, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Der Mietvertrag würde zwar bei der ins Auge gefassten Veräußerung des Grundstücks an die Klägerin beendet werden, doch käme es dann nicht zu einem vorherigen Abbruch der Gebäude.

58

bb) Im Streitfall kann offenbleiben, ob bei unbefristeten Mietverhältnissen - ggf. unter Umkehrung der Feststellungslast - der Nichtabbruch bereits dann voraussehbar ist, wenn die Beendigung des Vertrages zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit zu besorgen ist (s. oben a. dd.), oder ob nach den allgemeinen, für befristete Mietverträge entwickelten Grundsätzen konkrete Anhaltspunkte für einen Nichtabbruch vorliegen müssen, für die die Behörde die Feststellungslast trägt. Denn es fehlen im Streitfall nicht nur konkrete Anhaltspunkte für eine Vertragsbeendigung in absehbarer Zukunft mit der Folge des Eintritts der Abbruchverpflichtung, sondern es besteht darüber hinaus aufgrund der folgenden Umstände mehr als nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass es nicht zu einem Abbruch kommen wird:

59

- Das vorherige Mietverhältnis mit der KG bestand seit 1975 und wurde nach Ablauf jeder Befristung unter Beibehaltung der von Anfang an vereinbarten Abbruchverpflichtung ausdrücklich verlängert. Am Bewertungsstichtag bestand die Abbruchverpflichtung mithin seit 40 Jahren.

60

- Die Vertragsparteien haben unmittelbar vor dem Bewertungsstichtag in der Präambel des Mietvertrages ausdrücklich und übereinstimmend erklärt, dass das Grundstück entweder von der Klägerin erworben oder der Mietvertrag langfristig fortgesetzt werden solle. In beiden Fällen käme es nicht zu einer Erfüllung der Abbruchverpflichtung.

61

- Die Klägerin hat die Gebäude und Anlagen mit Vertrag vom ... 2013 käuflich erworben. Wäre sie von einer Kündigung des Vertrages und dem Eintritt der Abbruchverpflichtung in absehbarer Zukunft ausgegangen, hätte sie diesen Vertrag nicht abgeschlossen oder jedenfalls nicht den Betrag von ... € als Kaufpreis für Gebäude bezahlt, deren gewöhnliche Lebensdauer z.T. bereits abgelaufen war.

62

cc) Die von der Klägerin ins Feld geführte ertragsteuerliche Behandlung der vereinbarten Abbruchverpflichtung ist für die Anwendung des § 94 Abs. 3 BewG im Rahmen der Einheitsbewertung ohne Belang.

63

dd) Ebenso wenig kann sich die Klägerin mit Erfolg darauf berufen, dass die FHH nicht einerseits als Vermieterin eine unbedingte Abbruchverpflichtung vereinbaren und diese andererseits als Hoheitsträgerin, handelnd durch die Beklagte, bei der Einheitsbewertung ignorieren könne. Abgesehen davon, dass das privatrechtliche Handeln des Staates im Rahmen der Besteuerung nicht anders zu behandeln ist als das Handeln aller anderen Rechtssubjekte und die Wahrscheinlichkeit eines Nichtabbruchs von Gebäuden im Rahmen eines Mietverhältnisses mit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft daher nach denselben Maßstäben zu beurteilen ist wie bei Mietverträgen mit privaten Rechtsträgern, liegt das von der Klägerin ausgemachte widersprüchliche Verhalten seitens der FHH nicht vor. Auch hier ist zwischen der Vereinbarung einer Abbruchverpflichtung und der Wahrscheinlichkeit, dass es zu ihrer Realisierung kommt, zu trennen. Es ist nicht widersprüchlich, als Vermieter auf eine langfristige Fortsetzung des Vertrages hinzuwirken und gleichzeitig für das in jedem Fall irgendwann eintretende Ende des Mietvertrages eine Abbruchverpflichtung des Mieters zu vereinbaren.

II.

64

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

65

2. Gründe für die Revisionszulassung gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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