Urteil vom Finanzgericht Hamburg (6. Senat) - 6 K 36/20

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft.

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Die Klägerin, eine GmbH, übt nach ihrem im Handelsregister eingetragenen Gegenstand "die für Steuerberatungsgesellschaften gesetzlich und berufsrechtlich zulässigen Tätigkeiten" aus.

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Der letzte Steuerberater-Geschäftsführer Herr A schied am ... 2019 aus der Klägerin aus. Dies wurde am ... 2019 ins Handelsregister eingetragen. Danach war Herr Rechtsanwalt Dr. B alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer.

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Die Beklagte wies den Geschäftsführer der Klägerin mit Schreiben vom 20. August 2019 darauf hin, dass durch das Ausscheiden des einzigen Steuerberater-Geschäftsführers der Klägerin die Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft entfallen sei. Es wurde eine Frist bis zum 30. Oktober 2019 gesetzt, um die Anerkennungsvoraussetzungen wiederherzustellen.

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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 teilte die Klägerin mit, dass Herr C zum Geschäftsführer bestellt werde und eine weitere Partnerin, die Steuerberaterin sei, in die Gesellschaft aufgenommen werde. Zurzeit gebe es zwei Steuerberaterinnen, die mit Prokura ausgestattet seien. Mit E-Mail vom 28. Oktober 2019 übersandte die Klägerin einen Gesellschafterbeschluss, wonach Herr C "von Beruf Wirtschaftsprüfer und Steuerberater" zum weiteren Geschäftsführer der Klägerin bestellt wurde.

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Mit Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober 2019 teilte diese mit, dass Herr C Wirtschaftsprüfer, aber kein Steuerberater sei, so dass die Voraussetzungen für die Anerkennung nicht wiederhergestellt seien. Es werde letztmalig eine Gelegenheit zur Wiederherstellung der Anerkennungsvoraussetzungen bis zum 15. November 2019 gewährt.

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Mit Schreiben vom 15. November 2019 machte die Klägerin geltend, dass neben Herrn C als neue Geschäftsführer der Klägerin Frau D (Steuerberaterin) und Herr E (Steuerberater) im Gespräch seien. Diese hospitierten bereits bei ihr, der Klägerin. Zum Jahresende werde dahingehend eine Entscheidung getroffen, so dass um Fristverlängerung gebeten werde.

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Am 19. November 2019 fand ein persönliches Gespräch mit dem Geschäftsführer der Klägerin bei der Beklagten statt. Der Kammervorstand der Beklagten beschloss am 20. November 2019, der Klägerin noch eine weitere Frist bis zum Jahresende zu gewähren. Dies teilte die Beklagte der Klägerin durch Schreiben vom 21. November 2019 mit.

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Mit E-Mail vom 3. Januar 2020 übersandte die Klägerin eine "Absichtserklärung", abgeschlossen zwischen ihr und Herrn Steuerberater F. Danach beabsichtigte Herr F, 50% der Anteile an der Klägerin zu erwerben. Nach § 3 der Absichtserklärung sollte Herr Dr. B Herrn F mit Wirkung zum 1. Mai 2020 als alleinvertretungsberechtigten Hauptgeschäftsführer bestellen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Absichtserklärung (...) Bezug genommen.

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Der Vorstand des Beklagten beschloss in seiner Sitzung vom 29. Januar 2020, die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft zu widerrufen. Eine verantwortliche Führung der Klägerin sei seit geraumer Zeit nicht gewährleistet.

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Mit Bescheid vom 31. Januar 2020, zugestellt am 3. Februar 2020, widerrief die Beklagte die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft der Klägerin. Zur Begründung führte sie aus: Gemäß § 50 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) gehöre es zu den Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft, dass mindestens ein Steuerberater Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft sei. Wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft nachträglich fortfielen, sei die Anerkennung zu widerrufen, es sei denn, innerhalb einer angemessenen Frist werde ein dem Gesetz entsprechender Zustand wieder herbeigeführt. Der einzige Steuerberater-Geschäftsführer der Klägerin sei zum ... 2019 abberufen und dies sei zum ... 2019 im Handelsregister eingetragen worden. Vergeblich seien der Klägerin mehrere Fristen zur Wiederherstellung der Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft gesetzt worden. Eine verantwortliche Führung der Gesellschaft sei nicht mehr gewährleistet.

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Die Klägerin hat am 3. März 2020 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus: Zwar sei Herr A als Geschäftsführer ausgeschieden, er habe die Geschäftsführung jedoch selbst niedergelegt und damit den Widerruf provoziert.

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Alleiniger Geschäftsführer sei seitdem Herr Rechtsanwalt Dr. B. Herr Dr. B sei als Rechtsanwalt gemäß § 50 Abs. 2 StBerG geschäftsführungsbefugt. Dieser habe eine besondere Kenntnis im Steuerrecht und langjährige Erfahrung in der Bearbeitung von Steuersachen in der Geschäftsführung.

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Die Beklagte müsse auch die Genehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG erteilen. Sie, die Klägerin, habe das notwendige Fachwissen. So habe sie zwei angestellte Steuerberater, einer davon sei zusätzlich als Wirtschaftsprüfer qualifiziert. Zudem gebe es einen Rechtsanwalt, der bereits die Prüfung zum Fachanwalt für Steuerrecht bestanden habe - zur Führung des Titels allerdings noch die vorgeschriebene Fallanzahl einreichen müsse. Der Rechtsanwalt habe auch jahrelange Erfahrungen im Steuerrecht sammeln können. Außerdem gebe es noch eine angestellte Steuerassistentin. Schließlich berate eine Steuerberaterin als of Counsel sie, die Klägerin. Diese übernehme auch aktiv die Mandatsbetreuung. Sie, die Klägerin, verfüge über fünf Steuerfachangestellte, eine Bilanzbuchhalterin, drei Lohnbuchhalter, drei weitere Buchhaltungskräfte und drei Auszubildende.

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Es gebe keine Beschwerden seitens der Steuerberaterkammer.

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Die Frist sei unangemessen kurz gewesen bzw. es sei keine ordnungsgemäße Frist mit einer Rechtsfolgenbelehrung gesetzt worden. Hier dürfte eine Frist von unter fünf Jahren unangemessen gewesen sein. Dies gelte auch vor dem Hintergrund, dass eigentlich ein langjähriger Beratungsvertrag mit Herrn A bestanden habe, aber dieser die Geschäftsführung für sie, die Klägerin, überraschend niedergelegt habe. Dahinter habe ein gemeinsamer Plan der ehemaligen Steuerberater-Geschäftsführer gestanden. Dies müsse in die Fristbemessung einfließen. Sie, die Klägerin, sei zur Wiederherstellung der Anerkennungsvoraussetzungen nicht untätig gewesen und auch dies hätte berücksichtigt werden müssen. Im Zeitpunkt des Widerrufs habe die Absichtserklärung von Herrn F vorgelegen. Daher hätte die Frist weiter verlängert werden müssen. So sei der Widerruf zudem unverhältnismäßig gewesen. Zwar habe Herr F, der zunächst zugesagt habe, wieder abgesagt, aber zurzeit würden Gespräche mit Herrn G geführt. Dieser habe signalisiert, die Geschäftsführung übernehmen zu wollen. Der Widerruf innerhalb einer so kurzen Frist würde zu einem unangemessenen Risiko für ihren, der Klägerin, Bestand führen. Eine Frist bis Ende 2021 wäre angemessen gewesen.

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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 31. Januar 2020 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung führt sie aus: Durch das Ausscheiden des einzigen Steuerberater-Geschäftsführers seien die Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft entfallen. Sie, die Beklagte, habe mehrfach Fristverlängerungen gewährt. Der Klägerin habe ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten zur Verfügung gestanden, um die entfallenen Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft wiederherzustellen.

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Mit Beschluss vom 1. Oktober 2020 hat der Senat das Verfahren auf die Einzelrichterin übertragen.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2020 verwiesen. Ergänzend wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie die Sachakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Entscheidung konnte durch die Einzelrichterin ergehen, weil der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 1. Oktober 2020 auf diese übertragen hat, vgl. § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

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II. Die - ohne Vorverfahren gemäß § 164a StBerG, § 348 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO) - zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 31. Januar 2020 über den Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der auf § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StBerG gestützte Bescheid ist rechtmäßig.

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Nach § 55 Abs. 2 Satz 1 StBerG hat die zuständige Steuerberaterkammer die Anerkennung zu widerrufen, wenn die Gesellschaft nicht die nach diesem Gesetz vorgeschriebene Haftpflichtversicherung unterhält (Nr. 1) oder andere Voraussetzungen für die Anerkennung der Gesellschaft nachträglich fortfallen (Nr. 2), es sei denn, dass die Gesellschaft innerhalb einer angemessenen, von der zuständigen Steuerberaterkammer zu bestimmenden Frist den dem Gesetz entsprechenden Zustand herbeiführt.

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Dabei ist zum einen auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung und zum anderen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Im finanzgerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren gegen den Widerrufsbescheid der Zulassung als Steuerberater ist zum einen zu prüfen, ob dieser nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ergangen ist. Zum anderen muss das Gericht aber auch eine im Zeitpunkt seiner Entscheidung bestehende veränderte Sachlage berücksichtigen, wenn sich aus dieser eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung ergibt. Denn die Aufrechterhaltung einer Widerrufsverfügung durch die beklagte Behörde würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie den Widerruf noch in einem Zeitpunkt verteidigte, in dem sie einem Antrag auf Wiederbestellung stattgeben müsste (vgl. BFH, Urteil vom 22. August 1995, VII R 63/94, BStBl II 1995, 909). Diese Grundsätze gelten auch bei dem Widerruf einer Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft. Denn auch hier ist zum einen durch den Widerruf der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG betroffen und des Weiteren greifen die gleichen Erwägungen des BFH zu Treu und Glauben (im Ergebnis ebenso: FG Hamburg, Urteil vom 11. Juli 2018, 6 K 84/18, juris, Rn. 33).

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Hier lagen im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides die Voraussetzungen für einen Widerruf der Anerkennung vor (1.) und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist keine Änderung der Verhältnisse erkennbar, die eine Anerkennung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft rechtfertigen würde (2.).

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1. Die formellen (a)) und materiellen (b)) Voraussetzungen für den Widerruf liegen vor.

28

a) In formeller Hinsicht liegt insbesondere die nach § 55 Abs. 3 StBerG erforderliche Anhörung vor. Die zuständige Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 20. August 2019 darauf hingewiesen, dass die Anerkennungsvoraussetzungen weggefallen seien, und Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt.

29

b) Die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf liegen vor. "Andere Voraussetzungen" für die Anerkennung der Gesellschaft waren nachträglich fortgefallen (aa)) und die von der Beklagten gesetzte Frist war angemessen (bb)).

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aa) Im Sinne von § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StBerG sind "andere Voraussetzungen" für die Anerkennung der Gesellschaft weggefallen.

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(1) Die Voraussetzungen von § 50 Abs. 1 StBerG liegen nicht vor. Steuerberatungsgesellschaften bedürfen gemäß § 32 Abs. 3 Satz 1 der Anerkennung. Diese setzt nach Satz 2 der Vorschrift den Nachweis voraus, dass die Gesellschaft von Steuerberatern verantwortlich geführt wird. Gemäß § 49 Abs. 1 StBerG können u.a. GmbHs als Steuerberatungsgesellschaften anerkannt werden. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 StBerG ist für GmbHs dabei Voraussetzung für die Anerkennung, dass die Geschäftsführer Steuerberater sind. Vorliegend war im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides allein Herr Rechtsanwalt Dr. B Geschäftsführer der Gesellschaft. Der letzte Steuerberater (Herr A) war zum ... 2019 als Geschäftsführer abberufen und diese Tatsache war am ... 2019 im Handelsregister (deklaratorisch) eingetragen worden. Eine Gesellschaft, in der nur ein Rechtsanwalt einziger Geschäftsführer ist, erfüllt die Voraussetzungen für die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft nicht (vgl. BFH, Beschluss vom 21. November 2002, VII B 230/02, BFH/NV 2003, 209, juris Rn. 6; FG München, Urteil vom 23. März 2015, 4 K 1636/14, EFG 2015, 1310, juris Rn. 11). Die Qualifikation als Rechtsanwalt ist nicht mit der Bestellung als Steuerberater gleichzusetzen (vgl. dazu ausführlich: FG München, Urteil vom 23. März 2015, 4 K 1636/14, EFG 2015, 1310, juris Rn. 14).

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Dass im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides eine Absichtserklärung von Herrn Steuerberater F vorlag, ändert nichts daran, dass die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Eine Absichtserklärung ist mit der Bestellung zum Geschäftsführer nicht gleichzusetzen, weil die Erklärung unverbindlich ist und - wie auch geschehen - die Bestellung in der Folgezeit noch scheitern kann.

33

Unerheblich ist des Weiteren, dass die Klägerin zwei angestellte Steuerberater hatte, denen Prokura erteilt worden war. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut ist das nicht mit der Bestellung als Geschäftsführer gleichzusetzen. Auch nach Sinn und Zweck ist die Verantwortungsübernahme als Geschäftsführer bedeutender und damit nicht mit einer Prokuristenstellung zu vergleichen. Dass ein bedeutsamer Unterschied besteht, wird im vorliegenden Fall auch daran deutlich, dass diese beiden angestellten Steuerberater nicht zu Geschäftsführern berufen worden sind.

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(2) Die Geschäftsführung durch Herrn Dr. B ab diesem Zeitpunkt genügt nicht den gesetzlichen Voraussetzungen, denn dieser ist von Beruf Rechtsanwalt. Zwar dürfen nach § 50 Abs. 2 StBerG auch Rechtsanwälte Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH sein, der Gesetzeswortlaut setzt aber voraus, dass dies "neben Steuerberatern" der Fall ist. Unerheblich ist in diesem Fall, dass der Rechtsanwalt die Prüfung zum Steuerfachanwalt bestanden hat. Diese Prüfung ist nicht mit der Steuerberaterzulassung, die u.a. die erfolgreiche Steuerberaterprüfung voraussetzt, gleichzusetzen, denn die Anforderungen sind nicht vergleichbar. Die Frage, ob Herr Dr. B als Geschäftsführer der Klägerin aufgrund seiner Stellung als Rechtsanwalt oder seiner mehrjährigen Geschäftsführungserfahrung bei der Klägerin über das tatsächlich zur Steuerberatung erforderliche Fachwissen verfügt, ist in diesem Zusammenhang nicht von Belang, weil der Wortlaut von § 50 Abs. 2 StBerG insoweit eindeutig und nicht auslegungsfähig ist und zudem die besondere Voraussetzungen der Zulassung als Steuerberater nicht allein im Nachweis der Sachkunde bestehen (i.E. ebenso: FG München, Urteil vom 23. März 2015, 4 K 1636/14, EFG 2015, 1310, juris Rn. 14).

35

(3) Die Voraussetzungen von § 50 Abs. 3 StBerG liegen ebenfalls nicht vor. Danach kann die zuständige Steuerberaterkammer genehmigen, dass besonders befähigte Personen mit einer anderen Ausbildung als in einer der in § 36 genannten Fachrichtungen Geschäftsführer werden. Allerdings verlangt auch hier der Gesetzeswortlaut, dass dies "neben Steuerberatern" erfolgt. Dies ist hier nicht der Fall. Damit spielt es keine Rolle, wie viele Steuerberater und Steuerassistenten etc. bei der Klägerin beschäftigt sind.

36

(4) Der mit § 55 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 50 StBerG gesetzlich vorgenommene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin gemäß Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG ist auch verhältnismäßig, weil nur mit einem Steuerberater als Geschäftsführer die besondere Sachkunde, die mit der Steuerberatung verbundenen Berufsaufgaben, die persönliche und sachliche Zuverlässigkeit und zugleich die mit der Geschäftsführung einhergehende Verantwortung für die Gesellschaft sichergestellt sind (vgl. FG München, Urteil vom 23. März 2015, 4 K 1636/14, EFG 2015, 1310, juris Rn. 15 m.w.N.).

37

Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich § 50 Abs. 2 StBerG, wonach Rechtsanwälte nur "neben Steuerberatern" Mitglieder des Vorstands etc. sein dürfen. Auch diese Berufsausübungsregelung ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Zwar ist ein Rechtsanwalt gemäß § 3 Nr. 1 StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt, allerdings fehlt ihm die Zulassung als Steuerberater. Der Gesetzgeber hat die Berufsausübung in Steuerberatungsgesellschaften ausdrücklich an diesen formalisierten und zwingenden Nachweis der fachlichen und persönlichen Qualifikation gestellt und durfte dies auch, um das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Integrität der Gesellschaft als Steuerberatungsgesellschaft mit allen damit einhergehenden Pflichten zu schützen. Die mit der Steuerberatung verbundenen Berufsaufgaben und die durch die Steuerberaterzulassung nachgewiesene Sachkunde und Zuverlässigkeit dienen der Steuerrechtspflege, und damit einem wichtigen Gemeinschaftsgut (BVerfG Beschluss vom 15. Februar 1967, 1 BvR 569/62, BVerfGE 21, 173, juris Rn. 18), und das Erfordernis des Steuerberater-Geschäftsführers ist vor diesem Hintergrund trotz des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit auch verhältnismäßig (ausführlich: FG München, Urteil vom 23. März 2015, 4 K 1636/14, EFG 2015, 1310, juris Rn. 15ff.).

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bb) Die ordnungsgemäß gesetzte Frist ((1)) war angemessen ((2)).

39

(1) Anders als die Klägerin vorträgt, ist im Schreiben der Beklagten vom 20. August 2019 auf die Folgen (Widerruf der Anerkennung) hingewiesen worden.

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(2) Die Frist bis Jahresende war auch angemessen.

41

Welche Fristdauer angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (FG München, Urteil vom 23. März 2015, 4 K 1636/14, EFG 2015, 1310, juris, Rn. 14). Dabei muss beachtet werden, dass die Frist der Gesellschaft - vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG - auf der einen Seite ausreichend Zeit einräumen muss, die Anerkennungsvoraussetzungen nach deren Wegfall wiederherzustellen. Auf der anderen Seite muss sie aber auch so bemessen sein, dass das Vertrauen des Rechtsverkehrs auf das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. Dieses Vertrauen ist in hohem Maße schutzwürdig, da dem Berufstand der Steuerberater qua Gesetz ein besonderes Vertrauen entgegengebracht werden darf: Da ein hohes öffentliches Interesse an einer sachgerechten Beratung besteht, sollen Steuerberater Interessen der Mandanten wahrnehmen, haben aber zugleich eine Vertrauensstellung gegenüber den Finanzbehörden und Finanzgerichten. Diese besondere Stellung der Steuerberater ist im StBerG im Einzelnen festgelegt und der Rechtsverkehr darf deshalb darauf vertrauen, dass die Anerkennungsvoraussetzungen für die berufliche Ausübung vorliegen.

42

Für die konkrete Fristbestimmung kann die von § 55 Abs. 2 Satz 2 StBerG gesetzlich bestimmte Frist von fünf Jahren nicht als Näherungswert herangezogen werden, weil sie einen Spezialfall regelt - nämlich den Wegfall der Kapitalbindungsvoraussetzungen im Erbfall (so auch FG München, Urteil vom 23. März 2015, 4 K 1636/14, EFG 2015, 1310, juris, Rn. 14). Vielmehr kann eine angemessene Frist im Sinne des Satzes 1 der betreffenden Vorschrift wegen des hohen Wertes, der dem Vertrauen des Rechtsverkehrs auf ein Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einzuräumen ist, deutlich kürzer bemessen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, welche Anerkennungsvoraussetzung weggefallen ist und welche Bedeutung diese für den Rechtsverkehr hat. Auf Seiten der Gesellschaft ist zu berücksichtigen, wie schwierig es ist, die konkrete Voraussetzung "wiederherzustellen".

43

Wenn es sich - wie hier - um den Wegfall eines Steuerberaters als Geschäftsführer handelt, kann ein solcher wieder durch Beschluss der Gesellschafter bestellt werden (vgl. dazu Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, Kommentar, 20. Aufl. 2020, Vor 35 Rn. 1). Da dies grundsätzlich unproblematisch möglich sein dürfte, weil keine größeren formellen Hürden für einen solchen Beschluss bestehen, kann auch eine kurze Frist angemessen sein. Zudem ist diese Anerkennungsvoraussetzung von hoher Bedeutung für den Rechtsverkehr, weil durch einen Steuerberater-Geschäftsführer der notwendige Sachverstand und zugleich die mit der Geschäftsführerstellung einhergehende Verantwortung in der Gesellschaft sichergestellt wird.

44

Die von der Beklagten mit Schreiben vom 20. August 2019 gesetzte Frist bis zum 30. Oktober 2019 betrug zunächst etwas über zwei Monate. Sie wurde aber - weil vorgetragen wurde, dass die Anerkennungsvoraussetzungen demnächst erfüllt werden würden - noch bis zum 15. November 2019 und dann bis zum Jahresende verlängert. Eine solche Frist von insgesamt etwas über vier Monaten ist hier angemessen im Sinne der Vorschrift (i.E. ebenso bei einem insoweit vergleichbaren Fall: FG München, Urteil vom 23. März 2015, 4 K 1636/14, EFG 2015, 1310, juris, Rn. 14). Beiden oben genannten Belangen, insbesondere auch durch die Verlängerung bei bestehenden Anhaltspunkten für eine zeitnahe Erfüllung der Voraussetzungen, ist ausreichend Rechnung getragen worden. Zudem war der Klägerin schon ca. zwei Monate vor Fristsetzung - nämlich spätestens im ... 2019 mit der Eintragung im Handelsregister - bekannt, dass die Anerkennungsvoraussetzung weggefallen war. Damit war ausreichend Zeit, sich um die Bestellung eines neuen Steuerberater-Geschäftsführers zu kümmern.

45

Dass nach Fristablauf zum Jahresende, und zwar mit E-Mail vom 3. Januar 2020, eine "Absichtserklärung" übersandt wurde, bleibt für die Frage der Angemessenheit der Frist außer Betracht, weil die angemessene Frist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen war. Dies gilt auch für die zurzeit geführten Gespräche mit einem Steuerberater Herrn G.

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2. Auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung lagen die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gesellschaft nicht vor.

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Insoweit genügt es insbesondere nicht, dass die Klägerin Gespräche mit einem Steuerberater über die Bestellung als Geschäftsführer führt und im Dezember noch ein diesbezüglicher Notartermin erfolgen soll. Erforderlich ist nach dem klaren Gesetzeswortlaut die bereits erfolgte Bestellung. Dies ist auch vor dem Hintergrund von Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG angemessen, denn erst wenn ein Geschäftsführer bestellt ist, trägt er auch das Risiko für die verantwortliche Führung der Gesellschaft. Zudem besteht das Risiko, dass die Absichtserklärungen - wie schon einmal mit Herrn F erfolgt - nicht umgesetzt werden.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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IV. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).

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