Urteil vom Finanzgericht Köln - 11 K 654/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids für Umsatzsteuer 2005.
3Die Klägerin ist eine nach spanischem Recht gegründete sociedad de responsabilidad limitada (s.l.) mit Sitz in C (Spanien). Sie ist ausweislich einer Wirtschaftsauskunft des Bundeszentralamts für Steuern seit dem 29.6.2005 im Handelsregister von C (Spanien) registriert. Alleinige Gesellschafterin ist Frau D; als Geschäftsführerin ist seit dem 13.3.2006 Frau B bestellt.
4Die Klägerin wird vom Beklagten für Umsatzsteuerverbindlichkeiten der D GbR in Haftung genommen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
5Im Jahr 2000 hatten die Eheleute D1 und D das Grundstück E-Straße ... in ... F jeweils zu einem hälftigen Miteigentumsanteil erworben und in den Jahren 2000 bis 2002 mit einem Gebäudekomplex bebaut. In dem als „Ritterburg D“ bezeichneten Objekt befand sich ein Veranstaltungssaal, der für individuelle Festlichkeiten genutzt werden konnte. Die „D GbR, Vermietungsgesellschaft“ (im Folgenden: GbR) hatte für die Jahre ab 2000 Umsatzsteuererklärungen beim Beklagten eingereicht und darin die Umsatzsteuer aus den Herstellungskosten des Gebäudes als Vorsteuern geltend gemacht.
6Die „Ritterburg D“ wurde ausweislich eines Mietvertrags für den Zeitraum vom 1.5.2001 bis zum 1.5.2011 fest für 10 Jahre an den von Herrn D1 betriebenen „Partyservice D“ vermietet. Im Mietvertrag war als Vermieterin die „D GbR, vertreten durch D1 und D“ angegeben. Die monatliche Miete belief sich auf 2.900 Euro. Für nähere Einzelheiten wird auf den in der Vertragsakte des Beklagten befindlichen Mietvertrag Bezug genommen. Die Vermietung wurde in den von der GbR beim Beklagten eingereichten Umsatzsteuererklärungen als umsatzsteuerpflichtig behandelt.
7Im Rahmen einer im November 2005 bei der GbR für die Zeiträume 2000 bis 2002 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Beklagte unter anderem fest, dass der auf Herrn D1 entfallende Grundstücksanteil an dem Objekt E-Straße ... als notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens „Partyservice-D“ zu erfassen sei und zog hieraus die entsprechenden ertragsteuerlichen Konsequenzen. Für nähere Einzelheiten wird auf den Bericht der Betriebsprüfung vom 16.4.2007 Bezug genommen.
8In der Folgezeit erwarb die Klägerin das Objekt E-Straße ... mit notariellem Vertrag vom 8.2.2006 von den Eheleuten D. Ausweislich des Kaufvertrags erklärten die Eheleute D bei der Beurkundung vorab, dass sie „in dieser Urkunde in ihrer Eigenschaft als Unternehmer handeln“. Der Kaufpreis belief sich auf 250.000 Euro; gleichzeitig sollte der Käufer den Verkäufer von einer zum 31.12.2005 bestehenden Verbindlichkeit in Höhe von 250.000 Euro freistellen. Für nähere Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom 8.2.2006 Bezug genommen.
9Die Eigentumsübertragungsvormerkung wurde am 4.4.2006 und der Eigentumsübergang am 8.3.2007 in das Grundbuch eingetragen.
10Im Jahresabschluss der Klägerin für das Jahr 2006 war das Grundstück E-Straße ... neben vier weiteren Grundstücken als Anlagevermögen mit einem Wert von 255.786 Euro bilanziert. Die Umsatzerlöse der Klägerin beliefen sich auf insgesamt 64.194 Euro und waren in der Gewinn- und Verlustrechnung als „Miet-/Pachterlöse“ erfasst. Als Betriebsausgaben wurden neben der Abschreibung für Abnutzung und Zinsaufwendungen unter anderem auch „Grundstücksaufwendungen Miet-/Pachtobjekte“ geltend gemacht. In den allgemeinen Erläuterungen wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin ihre Tätigkeit im Jahr 2006 aufgenommen habe und sich der Jahresabschluss alleine auf die in Deutschland steuerpflichtige Geschäftstätigkeit der Klägerin beziehe. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin in Deutschland langfristig vermietete Grundstücke erworben habe und sie mit den hieraus erzielten Einkünften in Deutschland steuerpflichtig sei. Die Umsätze seien gemäß § 4 Nr. 12 UStG steuerbefreit. Für nähere Einzelheiten wird auf den Jahresabschluss der Klägerin für 2006 Bezug genommen.
11Am 20.2.2006 ging bei dem Beklagten die Umsatzsteuererklärung 2005 der „D GbR, Vermietungsgesellschaft“ ein. Die GbR behandelte die Umsätze aus der Vermietung des Objekts E-Straße ... als steuerpflichtig und berechnete in Zeile 107 des Vordrucks der Umsatzsteuererklärung eine verbleibende Umsatzsteuer in Höhe von 3.951,26 Euro. In Zeile 108 des Vordrucks gab sie das Vorauszahlungssoll für 2005 mit 3.951,26 Euro an. Daraus errechnete sie eine Abschlusszahlung von 0 Euro. Eine daraufhin vom Beklagten an die GbR mit Datum vom 3.4.2006 versandte Abrechnung für 2005 über Umsatzsteuer wies eine noch zu entrichtende Nachzahlung von 1.128,66 Euro aus. Diese Nachzahlung beruhte darauf, dass das Vorauszahlungssoll - anders als in der Umsatzsteuererklärung angegeben - lediglich 2.822,60 € betrug. Hinsichtlich dieser Rückstände stellte die GbR einen Antrag auf Verrechnungsstundung und Vollstreckungsschutz, den der Beklagte am 11.4.2006 ablehnte.
12Nachdem diverse Vollstreckungsversuche des Beklagten bei der GbR nicht zur Beitreibung des ausstehenden Betrags von 1.128,66 Euro geführt hatten, nahm der Beklagte die Klägerin mit Haftungsbescheid vom 30.10.2008 gemäß § 75 AO und daneben auch die Eheleute D jeweils einzeln als Gesamtschuldner nach §§ 421, 427 BGB bzw. § 128 HGB in Haftung.
13In dem gegen die Klägerin gerichteten und auf § 75 AO gestützten Haftungsbescheid vom 30.10.2008 führte der Beklagte aus, dass es für die Haftung nach § 75 AO nicht darauf ankomme, ob die aus der Vermietung erzielten Einkünfte ertragsteuerlich als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu werten seien. Da die umsatzsteuerpflichtige Vermietung eines Grundstücks als unternehmerische Tätigkeit und damit als ein Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG anzusehen sei, könne auch der Erwerber eines vermieteten Objektes gemäß § 75 AO im Wege der Haftung in Anspruch genommen werden. Die Haftung des Betriebsübernehmers beruhe auf dem Gedanken, dass ein lebendes Unternehmen auf den Erwerber übergehe. Mit Blick auf die wirtschaftliche Stärke des erworbenen Unternehmens sei davon auszugehen, dass der Erwerber Gewinne bzw. Überschüsse erwirtschaften oder sonstige Vorteile ziehen werde, mit denen er die ausstehenden Betriebssteuern des Veräußerers begleichen könne. Die Klägerin habe die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens der „D GbR“ übernommen. Sie habe Kenntnis von der bestehenden Vermietung gehabt und die Vermietung fortgesetzt. Der Haftungszeitraum des § 75 AO beginne am 1.1.2005 und ende am 8.2.2007. In diesen Haftungszeitraum falle die im März/April 2006 festgesetzte Umsatzsteuer für 2005 in Höhe von 1.128,66 Euro. Die Haftung der Klägerin beschränke sich auf den Bestand des von ihr übernommenen Vermögens, d.h. auf das Grundstück E-Straße ... in F. Es sei ermessensgerecht, die Klägerin in Anspruch zu nehmen. Die GbR sei als Steuerschuldnerin erfolglos zur Zahlung der rückständigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis aufgefordert worden. Darüber hinaus seien gegenüber der GbR alle denkbaren Vollstreckungsmaßnahmen zur Einziehung der Steuerforderungen ergriffen worden, die jedoch letztlich nicht zum Erfolg geführt hätten. Neben der Klägerin seien hinsichtlich des rückständigen Betrags auch die Gesellschafter der D GbR durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen worden. Die Klägerin hafte neben den Gesellschaftern der GbR als Gesamtschuldnerin im Sinne des § 44 AO. Für nähere Einzelheiten wird auf den in den Steuerakten des Beklagten befindlichen Haftungsbescheid vom 30.10.2008 Bezug genommen.
14Das von den Eheleuten D beim erkennenden Senat unter dem Az.: 11 K 4477/08 gegen ihre Haftungsinanspruchnahme nach §§ 421, 427 BGB bzw. § 128 HGB geführte Klageverfahren blieb insgesamt erfolglos.
15Der von der Klägerin gegen den Haftungsbescheid vom 30.10.2008 durch ihre damalige Prozessbevollmächtigte zunächst beim FG Köln unter dem Az.: 11 K 4161/08 erhobenen Sprungklage stimmte der Beklagte nicht zu.
16Im Rahmen einer daraufhin mit Datum vom 27.2.2009 erhobenen Untätigkeitsklage macht die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids vom 30.10.2008 geltend. Das Verfahren sei Bestandteil eines Gesamtkomplexes, der sich letztlich gegen die Eheleute D richte. Der Beklagte habe versucht, über eine „sogenannte Betriebsprüfung“ die wirtschaftliche Existenz der Eheleute D zu zerstören. Insgesamt stelle der Beklagte alle „Grundsätze der wirtschaftlichen Betrachtungsweise schlichtweg auf den Kopf“. Die Voraussetzungen für eine Haftung nach § 75 AO seien nicht gegeben. Es liege bereits keine GbR zwischen den Eheleuten D vor. Die Eheleute D hätten lediglich eine gemeinschaftliche Investition vorgenommen, bei der sie von einem Buchhalter begleitet und beraten worden seien. Die gemeinschaftliche Investition habe nicht zur Entstehung einer GbR geführt. Diese Umstände seien dem Beklagten aufgrund mehrerer von ihm für die Zeiträume 2000 bis 2002 durchgeführter Betriebsprüfungen bekannt gewesen und hätten im vorliegenden Verfahren berücksichtigt werden müssen. Der Beklagte habe die Eheleute D zudem im Hinblick auf „offenkundige Widersprüche“ beraten müssen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Eheleute D im gesamten Verfahren keinen externen Rat eingeholt hätten, sondern den Mitarbeitern des Beklagten vertraut hätten. Insbesondere seien die Eheleute D allen Aufforderungen der Betriebsprüfung nachgekommen, einschließlich der Vorlage des Mietvertrags über die „Ritterburg D“.
17Bereits der Mietvertrag über die „Ritterburg D“ verbiete eine Umsatzsteuerveranlagung der GbR. Denn der Mietvertrag weise eine feste Monatsmiete von 2.900 Euro aus; eine Umsatzsteuer sei nicht zusätzlich vereinbart worden. Dementsprechend unterlägen die Mieterlöse auch keiner Umsatzsteuerpflicht. Da eine Umsatzsteuerveranlagung vor diesem Hintergrund nicht zulässig sei, komme auch eine Haftung nach § 75 AO nicht in Betracht. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Mietvertrag die Miete bereits in der Währung „Euro“ ausweise, obwohl das Mietverhältnis bereits am 1.5.2001 begonnen habe. Ferner sei der Mietvertrag für zehn Jahre fest geschlossen und auch nach dem Vortrag des Beklagten nicht gekündigt worden. Daher bestehe er weiterhin zwischen den ursprünglichen Vertragsbeteiligten fort. Dieser Umstand schließe ebenfalls eine Haftung der Klägerin aus. Das gelte selbst dann, wenn die Klägerin das Grundstück mit dem Mietvertrag erworben habe. Im Übrigen habe die Betriebsprüfung im Prüfungsbericht vom 16.4.2007 ausdrücklich festgehalten, dass es sich bei dem Grundstücksanteil des Herrn D1 um notwendiges Betriebsvermögen des von ihm betriebenen Partyservice handele. Auch dieser Umstand schließe eine Umsatzsteuerveranlagung der GbR aus. Denn soweit das Grundstück im Eigentum des Einzelunternehmers D stehe und bei diesem sogar notwendiges Betriebsvermögen darstelle, könne es der Einzelunternehmer nicht an sich selbst vermieten. Insoweit fehle es bereits an einem Leistungsaustausch.
18Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen des § 75 AO sei zu beachten, dass die Klägerin lediglich eine Immobilie erworben habe, nicht aber auch einen Geschäftsbetrieb. Den Partyservice habe sie unter anderem deswegen nicht übernehmen können, weil dieser von Herrn D1 in dem Objekt E-Straße ... weiterhin betrieben worden sei. Eine Betriebsübernahme setze jedoch voraus, dass sie - die Klägerin - dort nunmehr selbst eine Geschäftstätigkeit ausübe, etwa in Form eines eigenen Partyservice. Das sei jedoch auch nach Auffassung des Beklagten nicht der Fall.
19Ferne habe der Beklagte zu den zeitlichen Beschränkungen des § 75 AO keine Ausführungen gemacht. Das gelte auch für die Beschränkung der Haftung auf den Bestand des übernommenen Vermögens. Auch vor diesem Hintergrund sei der Haftungsbescheid fehlerhaft. Selbst wenn alle übrigen Tatbestände des § 75 AO vorlägen, würde eine Haftung an einer fehlenden Beschränkung auf das übernommene Vermögen scheitern. Denn ausweislich des Kaufvertrags habe die Klägerin das Objekt für 250.000 Euro gekauft. Da das Grundstück allerdings mit einer übernommenen Verbindlichkeit in Höhe von 250.000 Euro belastet gewesen sei, betrage der Wert des übernommenen Vermögens in der Summe Null Euro. Da das übernommene Vermögen zusätzlich noch mit den Kosten für die Grundstücksübertragung und der Grunderwerbsteuer belastet gewesen sei, habe tatsächlich sogar ein negativer Vermögenswert vorgelegen. Da der Beklagte zudem keine Ermessenserwägungen angestellt habe, sei die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin auch aus diesem Grund rechtswidrig.
20Der erkennende Senat hat die damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin nach vorheriger Anhörung mit Beschluss vom 15.6.2009 als Bevollmächtigte zurückgewiesen und die gegen die Zurückweisung gerichtete Anhörungsrüge mit Beschluss vom 10.7.2009 verworfen (vgl. Bl. 51 ff. und 76 ff. d.A.).
21Der Beklagte hat den Einspruch der Klägerin während des Klageverfahrens mit Einspruchsentscheidung vom 18.5.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 75 AO seien erfüllt. Insbesondere sei der Erwerb eines Grundstücks durch die Klägerin in Kenntnis der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung und Verpachtung unter Eintritt in das bestehende Miet- und Pachtverhältnis als Erwerb eines Unternehmens im Sinne von § 75 AO anzusehen. Die Haftung nach § 75 AO umfasse sämtliche betrieblich begründeten Steuern, die seit dem 1.1.2005 entstanden seien und innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Betriebsübernahme (hier: 8.2.2006) festgesetzt worden seien. Der Haftungszeitraum beginne daher am 1.1.2005 und ende am 8.2.2007. Die Umsatzsteuer 2005 für die D GbR sei durch die Jahreserklärung vom 20.2.2006 beim Beklagten angemeldet und mit Fälligkeit 20.3.2006 festgesetzt worden. Der Umfang der Haftung beschränke sich auf den Bestand des übernommenen Vermögens, mithin auf den Wert des Grundstücks E-Straße ... in F. Bei dem Vermögen im Sinne des § 75 AO komme es auf das übernommene Aktivvermögen an; Schulden seien hiervon nicht abzuziehen. Es sei insbesondere auch ermessensgerecht, die Klägerin als Betriebsübernehmerin im Sinne des § 75 AO neben den Gesellschaftern der GbR, Herrn D1 und Frau D, für die rückständige Umsatzsteuer 2005 in Anspruch zu nehmen. Die Verwirklichung der Steueransprüche bei der Steuerschuldnerin habe nicht zum Erfolg geführt. Die Steuerschuldnerin sei freiwillig nicht bereit gewesen, die Steuerschulden zu tilgen; Vollstreckungsmaßnahmen seien fruchtlos verlaufen. Die Klägerin hafte daher gesamtschuldnerisch neben Herrn D1 und Frau D mit dem von ihr übernommenen Vermögen, mithin dem Grundstück E-Straße ... in F. Für nähere Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 18.5.2010 Bezug genommen (Bl. 94 ff. d.A.).
22Mit Schriftsatz vom 4.8.2014 – auf den für nähere Einzelheiten Bezug genommen wird – hat sich die „G“ als Prozessbevollmächtigte der Klägerin bestellt. Zur weiteren Begründung der Klage führt sie aus, dass von der Klägerseite niemand an der mündlichen Verhandlung am 5.8.2014 teilnehmen werde, um der mündlichen Verhandlung „nicht den Anschein der Rechtmäßigkeit“ zu geben und dadurch ein „falsches Signal“ zu setzen. Die bisher gestellten Anträge seien auch als in der mündlichen Verhandlung gestellt anzusehen. Der von der Klägerin beantragten Zuziehung von Akten und der Gewährung von Akteneinsicht sei bisher nicht entsprochen worden. Daher sei die Einholung eines forensischen Sachverständigengutachtens erforderlich. Der diesbezügliche Beweisantrag werde klar und eindeutig ergeben, dass der Beklagte bewusst und willentlich zum Nachteil der Klägerin eine rechtswidrige Umsatzsteuerveranlagung der angeblichen GbR durchgeführt habe, um Zugriff auf das vormalige Immobilienvermögen der Eheleute D zu erhalten. Das Übergehen von Beweisanträgen, die Nichthinzuziehung von Akten und die Nichtgewährung von Akteneinsicht würden bereits jetzt ausdrücklich als Verfahrensmängel gerügt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der bisher von den Finanzgerichten und auch vom Bundesfinanzhof herangezogenen Argumentation zur Zurückweisung der ursprünglichen Bevollmächtigten der Klägerin eine Veränderung stattgefunden habe. In verschiedenen Verfahren, die diese Fragestellung beträfen, sei die Revision zugelassen worden. Der Bundesfinanzhof habe die in den jeweiligen Verfahren relevante Kernfrage unter dem Az. II R 44/12 mit Beschluss vom 20.5.2014 dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dies bedeute, dass der Bundesfinanzhof seine eigenen Entscheidungen nun zumindest in Zweifel ziehe und die Rechtsfrage insgesamt offen sei.
23Die Klägerin beantragt,
241. zum Verfahren
25a) folgende Akten beizuziehen und nach der Beiziehung Akteneinsicht zu gewähren:
26aa) die Steuerakten des Beklagten,
27bb) die Akten des Beklagten zu Ermittlungen gegen D1,
28cc) folgende Akten des FG Köln: 11 K 4161/08, 11 K 4477/08, 11 K 3205/08, 11 K 363/08, 11 K 3305/07, 11 K 2307/07 und 11 K 4866/06,
29b) den Beschluss über die Zurückweisung des bisherigen Bevollmächtigten aufzuheben,
30c) Beweis durch die Einholung eines forensischen Sachverständigengutachtens einzuholen zu der Frage, ob der Beklagte die Haftungsangelegenheit bewusst – also vorsätzlich – zum reinen Nachteil der Klägerin geführt hat, um die Eheleute D zu schädigen; dies im untrennbaren Zusammenhang mit anderen Verfahren, deren Akten hinzuzuziehen beantragt ist;
312. in der Sache
32a) die Nichtigkeit des Haftungsbescheids vom 30.10.2008 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 18.5.2010 festzustellen,
33b) hilfsweise, den Haftungsbescheid vom 30.10.2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 18.5.2010 aufzuheben.
34Der Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
37Von der auf ihren Antrag hin mit Verfügung vom 6.11.2013 angebotenen Möglichkeit zur Akteneinsicht hat die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.
38Entscheidungsgründe
39Die Klage ist unbegründet.
40Der Haftungsbescheid vom 30.10.2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
411. a) Der Senat durfte gemäß § 91 Abs. 2 FGO auch ohne die Klägerin bzw. einen Vertreter der Klägerseite verhandeln und entscheiden, da die Klägerin mit einer Frist von zwei Wochen zur mündlichen Verhandlung geladen und dabei auf § 91 Abs. 2 FGO hingewiesen worden war. Die Klägerin wurde mit einer ihrem Zustellungsbevollmächtigten am 17.7.2014 ausgehändigten Postzustellungsurkunde zur mündlichen Verhandlung geladen. Im Übrigen hat die Klägerseite ihr Ausbleiben in der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 4.8.2014 ausdrücklich angekündigt.
42b) Der Senat entscheidet in der Sache, ohne den Termin der mündlichen Verhandlung zu vertagen bzw. zu verlegen. Die Voraussetzungen für eine Vertagung bzw. Verlegung nach § 155 FGO in Verbindung mit § 227 ZPO sind nicht gegeben.
43Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder vertagt werden. Ein Anspruch auf eine Verlegung bzw. Vertagung des Termins besteht nach § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO unter anderem nicht, wenn ein Verfahrensbeteiligter ankündigt, zum Termin der mündlichen Verhandlung nicht zu erscheinen und das Gericht nicht dafür hält, dass der Beteiligte ohne sein Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Vorliegend hat die Klägerseite ausdrücklich mitgeteilt, dass sie nicht am Termin teilnehmen werde. Dies rechtfertigt eine Verlegung bzw. Vertagung des Termins ebenso wenig, wie die Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten wenige Stunden vor dem Termin. Denn der Wechsel bzw. die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten vor der mündlichen Verhandlung stellt nur dann einen Grund zur Terminänderung dar, wenn es sich um eine in tatsächlicher oder rechtlicher Sicht schwierige Sache handelt, der Wechsel kurz vor der mündlichen Verhandlung stattfindet und vom Kläger nicht verschuldet wird oder er zumindest aus schutzwürdigen Gründen erfolgt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4.6.2014 VII B 8/14, juris; vom 4.5.2011 IX S 1/11, BFH/NV 2011, 1381 und vom 30.1.2008 V B 72/06, BFH/NV 2008, 812). Der Klägerin wurde die Ladung für die am 5.8.2014 stattfindende mündliche Verhandlung am 17.7.2014 zugestellt. Sie hätte deshalb die Möglichkeit gehabt, einen neuen Prozessbevollmächtigten so rechtzeitig zu bestellen, dass dieser hinreichend Zeit für die Einarbeitung in den Sach- und Rechtsstand gehabt hätte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die ursprüngliche Prozessbevollmächtigte „H“ bereits mit Beschluss vom 15.6.2009 zurückgewiesen worden war. Schutzwürdige Gründe, weshalb die neue Prozessbevollmächtigte erst wenige Stunden vor der mündlichen Verhandlung bestellt wurde, hat die Klägerin zudem nicht dargelegt.
44Darüber hinaus hat die Klägerin von einer ihr angebotenen Akteneinsicht keinen Gebrauch gemacht. Der Klägerin wurde die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die das vorliegende Verfahren betreffenden Akten bereits in der Verfügung vom 6.11.2013 angeboten. Hierauf ist keine Reaktion erfolgt und keine Akteneinsicht genommen worden. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 5.8.2014 eine Einsichtnahme in die Akten hätte erfolgen können, wenn die Klägerseite – entgegen ihrer ausdrücklichen Ankündigung – zum Termin erschienen wäre. Anhaltspunkte für eine fortdauernde Unmöglichkeit der Akteneinsichtnahme aus von der Klägerseite nicht zu vertretenden Gründen sind – ebenso wenig wie andere Gründe, die eine Terminsverlegung bzw. Vertagung rechtfertigen könnten – weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine Verlegung bzw. Vertagung des Termins kam vor diesem Hintergrund nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5.2.2009 VIII B 95/08, ZSteu 2009, R339 m.w.N.; vom 30.1.1997 I B 79/96, BFH/NV 1997, 671 und vom 30.11.1992 X B 18/92, BFH/NV 1993, 732).
45Die Klägerseite kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs berufen. Denn trotz der vom Senat ausdrücklich angebotenen Möglichkeit zur Akteneinsichtnahme hat die Klägerseite nicht alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5.2.2009 VIII B 95/08, ZSteu 2009, R339 m.w.N.; vom 29.10.2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566 und vom 22.12.2003 VII B 35/03, BFH/NV 2004, 652; BFH-Urteil vom 27.6.2006 VII R 34/05, BFH/NV 2006, 2024). Die Klägerseite hat vielmehr im Schriftsatz vom 4.8.2014 ausdrücklich und ohne eine die Verlegung des Termins rechtfertigende Begründung angekündigt, zum Termin nicht erscheinen zu wollen. Damit hat sie bewusst an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen, obwohl ihr aufgrund der vorherigen Mitteilung über die Möglichkeit zur Akteneinsicht bekannt war, dass die das vorliegende Verfahren betreffenden Akten beim Gericht vorliegen und zumindest im Termin hätten eingesehen werden können.
462. a) Die im Hauptantrag auf die Feststellung der Nichtigkeit gerichtete Klage ist gemäß § 41 Abs. 1 FGO zulässig.
47Nach § 41 Abs. 1 FGO kann die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes im Klageweg begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung hat (besonderes Feststellungsinteresse). Ein Interesse des Klägers an der „baldigen“ Feststellung im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO ist zu bejahen, wenn er ohne eine gerichtliche Feststellung die Gefährdung seiner Rechte besorgen muss. Bei einem Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist das besondere Feststellungsinteresse grundsätzlich gegeben, weil von einem nichtigen Verwaltungsakt der Rechtsschein der Wirksamkeit ausgehen kann und daher die Gefahr besteht, dass sich die Finanzbehörde bei unklarer Rechtslage eines tatsächlich nicht gegebenen Rechtsanspruchs bedienen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 24.1.2008 V R 36/06, BStBl. II 2008, 686).
48b) Die auf die Feststellung der Nichtigkeit des Haftungsbescheids vom 30.10.2008 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung gerichtete Klage ist unbegründet. Der Haftungsbescheid vom 30.10.2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
49Die Voraussetzungen für eine Haftung der Klägerin nach § 75 AO sind gegeben. Die Klägerin hat mit dem vermieteten Grundstück „E-Straße ...“ in F ein Unternehmen im Sinne des § 75 AO erworben und haftet für die aus diesem Unternehmen resultierenden betrieblichen Steuern, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden und bis zum Ablauf eines Jahres nach Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet wurden. Hierzu zählt die Umsatzsteuer der D GbR für das Jahr 2005 in Höhe von 1.128,66 Euro.
50aa) Der Haftungstatbestand des § 75 AO orientiert sich am Unternehmensbegriff des § 2 Abs. 1 UStG (vgl. nur BFH-Urteile 12.1.2011 XI R 11/08, BStBl. II 2011, 477; vom 11.5.1993 VII R 86/92, BStBl. II 1993, 700; BFH-Beschluss vom 7.3.1996 VII B 242/95, BFH/NV 1996, 726). Vermieter und Verpächter sind umsatzsteuerrechtlich als Unternehmer anzusehen, wenn sie fortgesetzt den Gebrauch oder die Nutzung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen einem Dritten gegen Entgelt überlassen. Dabei ist es unerheblich, ob die Einkünfte des Vermieters oder Verpächters einkommensteuerlich als Gewinn aus Gewerbebetrieb oder als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung anzusehen sind und ob das Unternehmen besondere Einrichtungen aufweist (vgl. nur BFH-Urteile vom 11.5.1993 VII R 86/92, BStBl. II 1993, 700 und vom 21.5.1987 V R 109/77, BStBl. II 1987, 735).
51Diese umsatzsteuerrechtliche Betrachtungsweise ist auch für die Auslegung des § 75 AO maßgebend. Vor diesem Hintergrund sind der Erwerb eines Grundstücks in Kenntnis der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung bzw. Verpachtung und der Eintritt in die bestehenden Miet- bzw. Pachtverhältnisse als Erwerb eines Unternehmens im Sinne des § 75 AO und nicht als Übergang einer bloßen Vermögenssubstanz zu werten (vgl. nur BFH-Urteile vom 12.1.2011 XI R 11/08, BStBl. II 2011, 477; vom 11.5.1993 VII R 86/92, BStBl. II 1993, 700 und BFH-Beschluss vom 7.3.1996 VII B 242/95, BFH/NV 1996, 726). Besondere Einrichtungen, die nach der Verkehrsauffassung auf eine betriebliche Organisation hindeuten können, sind nicht zwingend erforderlich; ausreichend sind vielmehr auf die Vermietung bzw. Verpachtung bezogene Unterlagen und Belege, z.B. in Form von Vermietungs- und Steuerakten. Maßgebend ist, dass der Erwerber mit dem Grundstück die wesentlichen Grundlagen eines lebenden Unternehmens erwirbt und damit in die Lage versetzt wird, die bestehenden Miet- bzw. Pachtverhältnisse ohne finanzielle Aufwendungen fortzuführen (vgl. BFH-Urteile vom 12.1.2011 XI R 11/08, BStBl. II 2011, 477; vom 11.5.1993 VII R 86/92, BStBl. II 1993, 700 und BFH-Beschluss vom 7.3.1996 VII B 242/95, BFH/NV 1996, 726). Denn die Haftung nach § 75 AO beruht nicht auf einem reinen Vermögensübernahmeprinzip, sondern auf dem Gedanken, dass auf den Erwerber ein lebendes Unternehmen übergeht, dessen wirtschaftliche Kraft die Annahme rechtfertigt, der Erwerber werde Gewinne erwirtschaften oder sonstige Vorteile ziehen, mit denen er in die Lage versetzt wird, die Steuerschulden seines Vorgängers zu begleichen (vgl. nur BFH-Beschluss vom 7.3.1996 VII B 242/95, BFH/NV 1996, 726).
52bb) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze haftet die Klägerin nach § 75 AO für die Umsatzsteuer 2005 der D GbR in Höhe von 1.128,66 Euro.
53Die Klägerin hat das vermietete Grundstück E-Straße ... in F von der D GbR mit notariellem Kaufvertrag vom 8.2.2006 erworben; der Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten erfolgte ausweislich des Kaufvertrags bereits zum 1.1.2006.
54Die Klägerin hatte bei Erwerb Kenntnis von der bestehenden Vermietung des Grundstücks. Sie muss sich – unabhängig von einer potentiellen Kenntnis ihrer Geschäftsführerin – jedenfalls die Kenntnis ihrer Alleingesellschafterin – Frau D – gemäß § 166 Abs. 2 BGB analog zurechnen lassen. Nach § 166 Abs. 2 BGB ist das Kennen oder Kennenmüssen des Vertretenen zu berücksichtigen, wenn der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vertretenen handelt. Vertretene ist im vorliegenden Fall zwar die Klägerin selbst und nicht ihre Gesellschafterin. Der Umstand, dass formaljuristisch zwei unterschiedliche Rechtssubjekte vorliegen, steht einem Rückgriff auf § 166 Abs. 2 BGB jedoch nicht entgegen. Hat eine Kapitalgesellschaft – wie vorliegend – nur einen einzigen Gesellschafter, so kann die Gesellschaft keinen anderen Willen als denjenigen des Alleingesellschafters haben (vgl. nur BGH-Urteil vom 1.4.2004 IX ZR 305/00, WM 2004, 1037 m.w.N.; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Auflage 2014, § 166 Ran. 10). Entsprechendes gilt für die Kenntnis bestimmter, rechtlich erheblicher Umstände (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.8.2005 5 U 69/05, NZG 2006, 827). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 166 Abs. 2 BGB sind erfüllt. Die Geschäftsführerin der Klägerin – Frau B – handelte bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags vom 8.2.2006 „auf Weisung“ der Klägerin bzw. der Alleingesellschafterin Frau D. Insoweit genügt es, dass Frau D bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags zugegen war. Da § 166 Abs. 2 BGB verhindern soll, dass der Vertretene durch die Zwischenschaltung eines arglosen Bevollmächtigten oder Vertreters die eigene Kenntnis umgeht (vgl. BGH-Urteil vom 21.6.1968 V ZR 32/65, BGHZ 50, 364 ff.), ist der Begriff der Weisung im weitesten Sinne zu verstehen. Ausreichend ist, dass der Vertretene das Geschäft veranlasst hat oder er trotz Kenntnis nicht eingreift, obwohl er dies könnte oder das Geschäft in seiner Anwesenheit abgeschlossen wird und er nicht widerspricht (vgl. BGH-Urteil vom 21.6.1968 V ZR 32/65, BGHZ 50, 364 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 22.8.2005 5 U 69/05, NZG 2006, 827; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Auflage 2014, § 166 Rn. 11; Schramm, in MüKo, BGB, § 166 Rn. 58 m.w.N.). Das war vorliegend der Fall, da Frau D bei Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück E-Straße ... anwesend war, sie als Miteigentümerin des Grundstücks zudem ausdrücklich in ihrer Eigenschaft als Unternehmerin handelte und den zwischen der D GbR und dem Partyservice D abgeschlossenen Mietvertrag seinerzeit mit-unterzeichnet hatte.
55Die Klägerin ist in den zwischen der D GbR und dem Partyservice D bestehenden Mietvertrag über das Grundstück E-Straße ... eingetreten. Sie hat in ihrem Jahresabschluss für 2006 unter anderem das Grundstück E-Straße ... bilanziell als Anlagevermögen erfasst. Darüber hinaus hat sie in den Erläuterungen zur Bilanz unter Punkt „B. Sonstiges“ ausdrücklich ausgeführt, dass die in Deutschland erworbenen Grundstücke langfristig vermietet seien und sie „mit diesen Einkünften“ in Deutschland „steuerpflichtig“ sei; die Umsätze seien gemäß § 4 Nr. 12 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Für nähere Einzelheiten wird auf den Jahresabschluss der Klägerin für das Jahr 2006 Bezug genommen (Bl. 132 ff. d.A.). Aus diesen Gesamtumständen ergibt sich unter Berücksichtigung der im Rahmen der Gewinn- und Verlustrechnung erfassten „Miet-/Pachterlöse“ von rund 64.000 Euro, dass das zunächst zwischen der D GbR und dem Partyservice D bestehende Vermietungsverhältnis nach der Veräußerung des Grundstücks E-Straße ... mit der Klägerin als Vermieterin fortgesetzt wurde. Anhaltspunkte, die gegen eine Fortführung bzw. Übernahme des Mietverhältnisses durch die Klägerin sprechen, sind nicht erkennbar. Durch die fortbestehende Vermietung war die Klägerin in der Lage, das Grundstück ohne weitere finanzielle Aufwendungen zur Erzielung von Einnahmen einzusetzen.
56Soweit die Klägerin anführt, sie habe das Grundstück nur belastet mit einem Mietvertrag übernommen, der weiterhin zwischen der D GbR und dem Partyservice auch nach der Veräußerung in Form einer „Nutzungsbeschränkung“ fortbestanden habe, lässt sich dies weder dem Kaufvertrag noch den Gesamtumständen entnehmen. Im Übrigen ist für den Senat nicht nachvollziehbar, weshalb ein vermietetes Grundstück veräußert worden sein sollte und dabei ein zwischen dem ursprünglichen Eigentümer und einem Mieter geschlossener Mietvertrag ohne erkennbare entsprechende Vereinbarungen weiterhin zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien fortbestehen sollte. Abgesehen davon stünde eine solche – von der Klägerin zudem lediglich behauptete und nicht nachgewiesene – Vorgehensweise auch im Gegensatz zu den Erläuterungen im Jahresabschluss und der daraus ersichtlichen gelebten Praxis.
57Ohne Bedeutung ist, dass die Vermietung des Grundstücks durch die Klägerin später umsatzsteuerfrei erfolgte. Denn die steuerpflichtige Anschlussvermietung ist nicht Voraussetzung für das Eingreifen des Haftungstatbestandes im Sinne des § 75 AO. Bei der Haftung für eine Umsatzsteuerverbindlichkeit des Veräußerers kommt es im Rahmen des § 75 AO vielmehr maßgeblich darauf an, dass – wie im vorliegenden Fall – ein (zunächst) steuerpflichtig vermietetes Grundstück übereignet wird.
58Unerheblich ist zudem, ob der Partyservice auf Seiten des Mieters ab dem Jahr 2006 noch als Einzelunternehmen oder aber in einer anderen Rechtsform (Limited) betrieben wurde. Denn abgesehen davon, dass es nur darauf ankommt, dass die Klägerin als Erwerberin in einen bestehenden Mietvertrag eintritt bzw. diesen fortsetzt, wurde der Fortbestand des Mietvertrags von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Die Klägerin führte im Rahmen des Klageverfahrens sogar aus, dass Herr D den Partyservice weiterhin (selbst) betrieben hat. Aber auch wenn die Limited als Betreiberin des Partyservice noch vor der Grundstücksübertragung als Mieterin in das Vertragsverhältnis eingetreten wäre, hätte die Klägerin diesen geänderten Mietvertrag fortgeführt. Wäre die Limited hingegen erst nach der Grundstücksübertragung in den Mietvertrag eingetreten, wäre zunächst der ursprüngliche Mietvertrag von der Klägerin übernommen worden.
59Ohne Bedeutung ist schließlich die ertragsteuerliche Behandlung des Grundstücksanteils des Herrn D als notwendiges BV seines Partyservice (vgl. auch BFH-Urteil vom 11.5.1993 VII R 86/92, BStBl. II 1993, 700); denn vorliegend kommt es auf die umsatzsteuerliche Betrachtung hinsichtlich der von der D GbR erzielten Vermietungsumsätze an. Die GbR ist umsatzsteuerlich ein selbständiges Steuersubjekt, das einen Gegenstand unabhängig von seiner ertragsteuerlichen Beurteilung umsatzsteuerwirksam an ein anderes Steuersubjekt (hier: den Partyservice D) vermieten kann.
60Der Beklagte hat die Haftung der Klägerin schließlich zutreffend ausdrücklich auf den Bestand des übernommenen Vermögens in Form des Grundstücks E-Straße ... in F beschränkt. Im Rahmen des Erwerbs übernommene Verbindlichkeiten werden nicht abgezogen (vgl. Klein/Rüsken, AO, 11. Auflage 2012, § 75 Rn. 41).
61Der Beklagte hat die subsidiäre Inanspruchnahme der Klägerin als Haftungsschuldnerin berücksichtigt und begründet. Auch ansonsten hat das Gericht an der ordnungsgemäßen Ausübung und Begründung der Ermessenentscheidungen des Beklagten keine Zweifel. Der Beklagte hat mehrere Vollstreckungsversuche in das Vermögen der GbR unternommen, die jedoch allesamt erfolglos blieben. Der Beklagte hat auch sein Auswahlermessen zutreffend ausgeübt. Neben der Klägerin kamen die Eheleute D in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter als Haftungsschuldner in Betracht. Beide Gesellschafter haften dabei nach § 44 Abs. 1 AO gleichrangig nebeneinander als Gesamtschuldner und aufgrund desselben zivilrechtlichen Haftungstatbestands. Der Gesetzgeber schreibt zwischen den einzelnen Haftungstatbeständen keine Rangordnung in der Weise vor, dass grundsätzlich der aus seiner Gesellschafterstellung heraus Haftende vor dem nach § 75 AO Haftenden in Anspruch zu nehmen ist. Die nach §§ 421, 427 BGB bzw. § 128 HGB und § 75 AO Haftenden stehen nach § 44 AO als Gesamtschuldner grundsätzlich gleichrangig nebeneinander (vgl. zum Verhältnis zwischen § 69 AO und § 75 AO BFH-Urteil vom 22.9.1992 VII R 73-74/91, BFH/NV 1993, 215).
62Der Inanspruchnahme der Klägerin steht § 219 AO nicht entgegen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift macht lediglich eine an den Haftungsschuldner ergangene Zahlungsaufforderung und nicht den Haftungsbescheid selbst anfechtbar.
63Die der Haftung zugrunde liegende Umsatzsteuer für das Jahr 2005 ist im Haftungszeitraum des § 75 AO entstanden und wurde innerhalb des von § 75 AO genannten Zeitrahmens durch die Anmeldung der Steuer in Form der Jahressteuererklärung am 20.2.2006 festgesetzt. Die Steuerpflicht gründet sich bei der Umsatzsteuer auf den Betrieb des Unternehmens.
64cc) Auch hinsichtlich der Höhe der Haftungsschuld sind keine Umstände erkennbar, die gegen die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme der Klägerin sprechen. Die für das Jahr 2005 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzte Umsatzsteuer der GbR besteht in der vom Beklagten bezifferten Höhe.
65Als Haftungsschuldnerin kann die Klägerin grundsätzlich auch Einwendungen gegen die Steuerschuld erheben (vgl. BFH-Urteil vom 13.1.2005 V R 44/03, BFH/NV 2005, 998). Diese Einwendungen sind nicht ausnahmsweise gemäß § 166 AO ausgeschlossen. Denn die Klägerin war nicht befugt, die gegenüber der GbR ergangene Umsatzsteuerfestsetzung für 2005 anzufechten. Sie ist auch keine Gesamtrechtsnachfolgerin der GbR, da die Betriebsübernahme im Sinne des § 75 AO nicht zu den gesetzlich abschließend geregelten Fällen der Gesamtrechtsnachfolge zählt (vgl. nur BFH-Urteil vom 12.1.2011 XI R 11/08, BStBl. II 2011, 477).
66Entgegen der Ansicht der Klägerin bestand zwischen den Eheleuten D eine GbR. Die Eheleute D verfolgten mit der Errichtung und der Vermietung der „Ritterburg D“ einen gemeinsamen, über die Ehegemeinschaft hinausgehenden Zweck. Ausweislich des mit dem Partyservice des Herrn D abgeschlossenen Mietvertrags ist die GbR auch als solche nach außen aufgetreten. Sie hat die maßgeblichen Vermietungsumsätze ausgeführt und schuldet die Umsatzsteuer. Soweit die Klägerin geltend macht, im Mietvertrag sei keine Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen und werde daher nicht geschuldet, führt dies – unabhängig davon, dass sich die Klägerin damit in Widerspruch zu dem bisherigen Verhalten der GbR setzt – nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Zwar ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken grundsätzlich nach § 4 Nr. 12 a) UStG steuerfrei. Die GbR hat jedoch zulässigerweise gemäß § 9 Abs. 1, 2 UStG – insbesondere wegen der hohen Vorsteuern aus den Herstellungskosten des Gebäudes – auf die Steuerbefreiung verzichtet. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung ist nicht an einen offenen Ausweis der Umsatzsteuer geknüpft. Er kann auch durch schlüssiges Verhalten – wie z.B. die tatsächliche Versteuerung der Umsätze durch Abgabe von Voranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen – erfolgen. Die GbR hat dies in ihren Steuererklärungen mit der Geltendmachung von Vorsteuern bereits im Jahr 2000 und mit der Versteuerung der Vermietungsumsätze ab dem Jahr 2001 vollzogen. Entsprechend hat sie auch die Umsatzsteuer und Vorsteuer in ihren Gewinnermittlungen behandelt. Ein Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung liegt nicht vor. Gegen die letztlich zur Nachzahlung führende Korrektur der fehlerhaften Abrechnung wegen des zu niedrigen Vorauszahlungssolls in der Umsatzsteuererklärung durch den Beklagten hat die GbR keine Einwände erhoben. Unerheblich ist, ob die GbR zivilrechtlich noch besteht; denn sie ist steuerrechtlich so lange als materiell-rechtlich existent anzusehen, wie gegen sie noch Umsatzsteueransprüche geltend gemacht werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25.7.2000 VIII R 32/99, BFH/NV 2001, 178 m.w.N.).
673. Die hilfsweise erhobene und auf die Aufhebung des Haftungsbescheids vom 30.10.2008 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet. Der Haftungsbescheid vom 30.10.2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind aus den oben angeführten Gründen rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (siehe oben).
684. Der Einholung des von der Klägerin beantragten forensischen Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht, zumal bereits mit Blick auf die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids (siehe oben) nicht erkennbar ist, dass der Beklagte die Haftungsangelegenheit „bewusst zum reinen Nachteil der Klägerin“ geführt hat, um die Eheleute D zu schädigen. Vor diesem Hintergrund bedurfte es auch keiner Beiziehung der – im Übrigen von der Klägerin nicht näher bezeichneten – „Akten des Beklagten zu Ermittlungen gegen Herrn D1“ und der gerichtlichen Verfahrensakten zu den von der Klägerin genannten Aktenzeichen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem inhaltlich nicht näher spezifizierten Antrag auf Beiziehung der Gerichtsakten anderer Verfahren bereits um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handelt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 28.7.2005 VII B 11/05, juris; siehe dazu insgesamt auch BFH-Beschluss vom 27.4.2012 III B 241/11, BFH/NV 2012, 1322 und vom 1.9.2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297). Soweit die Klägerin die Aufhebung des Beschlusses über die Zurückweisung ihrer seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten begehrt, wird darauf hingewiesen, dass die Zurückweisung durch unanfechtbaren Beschluss erfolgte.
695. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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