Vorlagebeschluss vom Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht (3. Senat) - 3 K 217/08

Tenor

Das Verfahren wird bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt.

Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 3 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes in der bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 vom 08.12.2010 (BGBl I S. 1768) geltenden Fassung insoweit mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist, als der Grundstückserwerb durch den eingetragenen Lebenspartner des Veräußerers nicht von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

Tatbestand

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Teil A.

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Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt und Vortrag der Beteiligten)

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I. Sachverhalt

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Die Beteiligten streiten über die Grunderwerbsteuerpflichtigkeit einer Übertragung von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück zwischen eingetragenen Lebenspartnern.

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Der Kläger ging in 2007 vor dem Standesbeamten eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit Herrn A, ein. Durch notariellen Vertrag vom 08. August 2008 übertrug Herr A dem Kläger seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem im Grundbuch von ... eingetragenen Grundbesitz. Der Vertragsgegenstand war in Abt. III des Grundbuchs mit einer Grundschuld in Höhe von 610.000 € belastet. Die Grundschuld und das durch sie gesicherte Darlehen wurden nach Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 des Vertrags vom Kläger übernommen. Für den Fall, dass die Darlehensgläubigerin keine Zustimmung zu einer befreienden Schuldübernahme erteilen würde, verpflichtete sich der Kläger Herrn A gegenüber, diesem alle Ansprüche der Kreditgeberin von der Hand zu halten (Nr. 2 Abs. 4 Satz 2 des Vertrags). Die übernommene Grundschuld zu Gunsten der darlehensgebenden ...bank valutierte im Zeitpunkt des notariellen Vertragsabschlusses mit 602.000 €. Der Kläger und Herr A waren Darlehensnehmer. In Nr. 4 Abs. 2 des Vertrags ist geregelt, dass dem Erwerber eventuelle Steuern zur Last fallen.

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Mit Bescheid vom 07. Oktober 2008 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 10.535 € fest. Als Bemessungsgrundlage nahm er dabei 301.000 € als übernommene Grundstücksbelastung in Form des hälftigen Valutastandes der Grundschuld zum Vertragsabschluss an.

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Der Kläger legte am 21. Oktober 2008 Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid ein. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass Verkäufer und Käufer in einer Lebenspartnerschaft lebten. Verheiratete bräuchten für den Erwerb des Grundstückes von ihrem Ehegatten nach § 3 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) keine Grunderwerbsteuer zu zahlen. Es widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), dass diese Regelung nicht auch für eingetragene Lebenspartner gelte.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 14. November 2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 07. Oktober 2008 sei rechtmäßig. Der Erwerbsvorgang unterliege gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, weil der Erwerber aufgrund des Überlassungsvertrages vom 08. August 2008 einen Anspruch auf Übereignung des in ... belegenen Grundstücks habe. Er sei nicht nach § 3 Nr. 4 GrEStG steuerbefreit, weil die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm nicht erfüllt seien. Danach seien nur diejenigen Erwerbsvorgänge von der Besteuerung ausgenommen, bei denen der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers erfolge. Mit dem Begriff des Ehegatten seien nur Partner unterschiedlichen Geschlechts gemeint, die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts eine Ehe geschlossen hätten. Der Gesetzgeber habe in spezialgesetzlichen Regelungen, wie dem Lebenspartnerschaftsgesetz, ganz bewusst auf die Verwendung des Begriffs „Ehe“ oder „Ehegatte“ verzichtet. Daher könne ein „Lebenspartner“ nicht unter den Begriff des „Ehegatten“ gefasst werden.

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Eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 4 GrEStG auf Lebenspartner sei aufgrund des geltenden Grundsatzes des Vorbehaltes des Gesetzes nicht möglich. Die derzeitige Rechtslage sei bewusst vom Gesetzgeber geschaffen worden. Hierzu sei die Entstehungsgeschichte des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft heranzuziehen. Vor der ursprünglich geplanten Verabschiedung des Gesetzes sei dieses in einen einspruchsbedürftigen und einen zustimmungsbedürftigen Teil getrennt worden. Die zustimmungsbedürftigen Teile des Gesetzes, darunter auch die steuerrechtlichen Regelungen, seien zuvor in einem Ergänzungsgesetz zusammengefasst worden, dem der Bundesrat aber nicht zugestimmt habe. Das Finanzamt sei an die geltende Gesetzeslage gebunden. Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob die Regelung des § 3 Nr. 4 GrEStG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

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II. Vortrag der Beteiligten im Finanzgerichtsverfahren

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Der Kläger hat am 12. Dezember 2008 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass seine Verpflichtung zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer gegen das sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Gebot der Steuergerechtigkeit, den Gleichheitsgrundsatz und das Verbot der Benachteiligung aus Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 08. Februar 1994 (BT-Drucks. 12/7069) und gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK verstoße.

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Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Entscheidung zum Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft vom 17. Juli 2002 (1 BvF 1/01 und 1 BvF 2/01, BVerfGE 105, 313) zu der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung der mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz begründeten Unterhaltslasten für Lebenspartner ausgeführt, dass die Unterhaltspflichten ein die Leistungsfähigkeit mindernder Umstand seien, dessen Nichtberücksichtigung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen könne. Ob dies der Fall sei, sei durch verfassungsrechtliche Prüfung der einkommensteuerrechtlichen Regelungen zu klären. Dasselbe müsse für die Belastung des eingetragenen Lebenspartners für die Heranziehung zur Grunderwerbsteuer gelten. Es gebe keinen sachlichen Grund, den eingetragenen Lebenspartner gegenüber dem Ehegatten zu benachteiligen. Die Erwägungen des Gesetzgebers zur Grunderwerbsteuerbefreiung von Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten griffen vielmehr in gleicher Weise für die Übertragung von Grundstücken zwischen Lebenspartnern. Für die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft von Lebenspartnern gälten dieselben Regelungen wie für Ehegatten. Der einzige Unterschied zwischen Ehegatten und Lebenspartnern sei die sexuelle Ausrichtung. Dieses Merkmal dürfe nach Art. 3 Abs. 3 GG nicht als Grund für eine unterschiedliche Behandlung herangezogen werden. Vielmehr sei in Art. 3 GG jede unmittelbare und mittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung verboten. Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft seien zwar ein Aliud, hätten aber gemeinsame Wesensmerkmale, nämlich die gegenseitige Fürsorgeunterstützung sowie die Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung. Ein Unterschied zwischen verschieden- oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften widerspräche sowohl Art. 3 GG als auch der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 08. Februar 1994 (BT-Drucks. 12/7069).

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Seine Rechtsposition ergebe sich auch aus dem Recht des Europarates, dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 14 EMRK und dessen Zusatzprotokoll in Art. 1. Die Europäische Union habe den deutschen Gesetzgeber wiederholt zur Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen ermahnt. Immerhin sei unter diesem Druck zum 01. Januar 2009 eine weitgehende Gleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartner im Erbschaftsteuerrecht zustande gekommen. Dasselbe müsse für die Grunderwerbsteuer gelten.

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Wenn der notarielle Vertrag vom 08. August 2008 als Schenkungsvertrag gesehen werde, sei der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid schon aus diesem Grunde aufzuheben.

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Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 07. Oktober 2008 über Grunderwerbsteuer sowie die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 14. November 2009 aufzuheben;

2. den Rechtsstreit auszusetzen und unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen;

3. den Rechtsstreit auszusetzen und den Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung der Frage anzurufen, ob die streitgegenständliche steuerliche Behandlung mit dem europäischen Diskriminierungsverbot zu vereinbaren oder dahingehend abzuändern ist, dass eingetragene Lebenspartner steuerlich den Ehegatten unterschiedlichen Geschlechts auch für die Grunderwerbsteuer gleichzustellen sind und deshalb die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 4 GrEStG auch für den Kläger gilt.

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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung vom 14. November 2008. Dem Finanzamt sei es bei der derzeitigen Rechtslage nicht möglich, eine andere Entscheidung zu treffen.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Grunderwerbsteuerakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Teil B.

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Vorlageentscheidung

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Die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sind gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) geboten, weil der Senat § 3 Nr. 4 GrEStG in der bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 vom 08. Dezember 2010 (BGBI S. 1768) geltenden Fassung (im Folgenden: § 3 Nr. 4 GrEStG a.F.) insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar hält, als der Grundstückserwerb durch den eingetragenen Lebenspartner des Veräußerers nicht von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

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I. Rechtslage und Rechtsentwicklung der für den Streitfall maßgeblichen Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes

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Der Grunderwerbsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet.

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Besteuerungsgegenstand der Grunderwerbsteuer ist der Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts, der auf einem tatbestandlichen Erwerbsvorgang beruht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 08. Januar 1999 1 BvL 14/98, BStBl II 1999, 152). Die Grunderwerbsteuer ist aufgrund der Anknüpfung der Besteuerung an einen Grundstückswechsel zwischen verschiedenen Rechtsträgern eine Verkehrssteuer, die in Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG als zulässige Form des Steuerzugriffs anerkannt ist. Zu ihrem Wesen gehört, dass sie an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Akt, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder an einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang anknüpft (vgl. BFH-Beschluss vom 02. März 2011 II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009).

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Die Grunderwerbsteuer bemisst sich gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung gelten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Zur Gegenleistung gehören nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG auch die Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen. Zur Gegenleistung gehören jedoch nicht die auf dem Grundstück ruhenden dauernden Lasten. Der Erbbauzins gilt nicht als dauernde Last (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 und 3 GrEStG).

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Die Gesamtregelung von § 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG zielt darauf ab, die Gegenleistung so umfassend wie möglich zu erfassen. Für den gemäß § 8 Abs. 1 und § 9 GrEStG maßgebenden Wert der Gegenleistung ist der gemeine Wert des Grundstücks grundsätzlich ohne Bedeutung; das Grunderwerbsteuergesetz stellt nicht auf das ab, was der Käufer erhält, sondern was für den Erwerb hinzugeben ist (vgl. BFH-Beschluss vom 02. März 2011 II R 64/08, a.a.O.).

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Der Wert der Gegenleistung ist auch in den Ausnahmefällen als Bemessungsgrundlage anzusetzen, in denen er außergewöhnlich niedrig ist und hinter dem gemeinen Wert des Grundstücks zurückbleibt (vgl. etwa BFH-Entscheidung vom 06. Dezember 1989 II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186). In diesen Ausnahmefällen kann nicht etwa auf die Bemessungsgrundlage aus § 8 Abs. 2 GrEStG zurückgegriffen werden; insbesondere § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG hat nicht den Charakter einer Mindestbemessungsgrundlage. Ebenso ist der Wert der Gegenleistung auch dann maßgebend, wenn dieser den gemeinen Wert des Grundstückes übersteigt (vgl. BFH-Urteil vom 09. November 1955 II 255/55 U, BFHE 61, 469, BStBl III 1955, 380). In einem solchen Fall kann allerdings eine schenkungsteuerbare so genannte gemischt-freigebige Zuwendung vorliegen. Der freigebig zugewendete Teil der Gegenleistung unterliegt dann gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG der Schenkungsteuer und nicht der Grunderwerbsteuer (vgl. BFH-Beschluss vom 02. März 2011, II R 64/08, a.a.O.).

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Steuerschuldner sind regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen (§ 13 Nr. 1 GrEStG).

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Gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind von der Besteuerung ausgenommen der Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes.

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Nach § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Besteuerung ausgenommen.

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Dieser Steuerbefreiungstatbestand wurde durch die Neufassung des Grunderwerbsteuergesetzes mit Gesetz vom 17. Dezember 1982 (BGBl I 1982, S. 1777) zum 01. Januar 1983 in das Grunderwerbsteuergesetz eingefügt. Vorher enthielt das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG 1940) Steuerbefreiungen bei Grundstücksübertragungen, die bei Begründung (§ 3 Nr. 4 GrEStG 1940) oder Beendigung (§ 3 Nr. 5 GrEStG 1940) der ehelichen Gütergemeinschaft zwischen Ehegatten erfolgten.

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Die Gesetzesinitiative für § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. ging vom Bundesrat in einem Gesetzentwurf vom 19. März 1981 „Entwurf eines Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1980)“ aus (BT-Drucks. 09/251). In der Gesetzesbegründung wird zu § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. ausgeführt, dass nach bisherigem Recht - GrEStG 1940 - nur die Begründung oder die Beendigung der ehelichen Gütergemeinschaft dazu führe, dass die in diesem Rahmen erfolgten Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten von der Besteuerung ausgenommen seien. Andererseits seien die Erwerbe durch Personen, die mit dem Veräußerer in gerader Linie verwandt seien, uneingeschränkt von der Besteuerung ausgenommen (§ 3 Nr. 6 GrEStG 1940). Diese Befreiung sei seinerzeit damit begründet worden, dass für die Übertragung von Grundstücken in diesen Fällen familienrechtliche - vor allem erbrechtliche - Gesichtspunkte maßgebend seien. Diese Übertragungen fielen deshalb aus dem Rahmen der sonstigen Grundstücksumsätze heraus. Es sei eine Benachteiligung der Ehegatten gegenüber den Verwandten gerader Linie, wenn gerade familienrechtliche bzw. erbrechtliche Gesichtspunkte, die weitgehend auch für die Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten maßgebend seien, bei Ehegatten nicht berücksichtigt werden würden. Es sei vielfach versucht worden, die Steuerpflicht dadurch zu vermeiden, dass das Grundstück schenkungsweise auf den anderen Ehegatten oder zunächst auf einen gemeinschaftlichen Abkömmling und dann von diesem auf den anderen Elternteil übertragen worden sei. Deshalb seien generell Grundstücksgeschäfte zwischen Ehegatten von der Grunderwerbsteuer zu befreien (vgl. BT-Drucks. 09/251 S. 17 f.).

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Weder nachfolgende Gesetzesänderungen noch das Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Februar 1997 (BGBl I 1997 S. 418) änderten die hier maßgebliche Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F.

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Durch Art. 29 Nr. 1 Buchstabe b des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 08. Dezember 2010 (BGBl. I 2010 S. 1767) wurde § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. dergestalt geändert, dass der Grundstückserwerb durch den Ehegatten oder den Lebenspartner des Veräußerers von der Besteuerung ausgenommen ist. § 23 Abs. 9 GrEStG in der Fassung des JStG 2010 bestimmt, dass § 3 Nr. 3-7 GrEStG in der Fassung des JStG 2010 erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden ist, die nach dem 13. Dezember 2010 verwirklicht werden.

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Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum JStG 2010 vom 21. Juni 2010 (BT-Drucks. 17/2249, S. 35, 37, 99) wird die Gesetzesinitiative mit der beabsichtigten Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegatten begründet. In einem Änderungsantrag vom 27. Oktober 2010 (BT-Drucks. 17/3469) diverser Abgeordneter sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde beantragt, die Inkrafttretensvorschriften des JStG 2010 dergestalt zu ändern, dass die Lebenspartner betreffenden Vorschriften des Gesetzes auf Erwerbe und Einkünfte anzuwenden sind, für die die Steuer nach dem 31. Juli 2001 entstanden ist oder entsteht. Begründet wurde dieser Antrag unter anderem damit, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft gleichheitswidrig sei und vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG nicht aufrecht erhalten werden könne (vgl. BT-Drucks. 17/3469, S. 11 f.).

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In dem Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum JStG 2010 (BT-Drucks. 17/2249, 17/2823) vom 28. Oktober 2010 (BT-Drucks. 17, 3549, S. 12 f.) zum Beratungsverlauf und den Beratungsergebnissen in diesem Ausschuss kommt zum Ausdruck, dass im Finanzausschuss die Problematik erörtert wurde, ob die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG in der Fassung des Gesetzentwurfs zum JStG 2010 auch für noch nicht bestandskräftige Steuerbescheide ab dem 01. August 2001 anwendbar sein soll. Dies wurde sowohl von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, als auch von der SPD-Fraktion beantragt. Beide Anträge wurden mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen mehrheitlich abgelehnt. Die Koalitionsfraktionen vertraten in diesem Zusammenhang die Auffassung, eine auch rückwirkende Gleichstellung im Grunderwerbsteuerrecht sei nicht geboten, da man sich beim Erwerb eines Grundstücks - anders als im Erbfall - frei für oder gegen den Erwerb entscheiden könne. Der Grundstückserwerb sei disponibel, der Erbschaftsfall hingegen nicht. Im Grunderwerbsteuerrecht sei es also ausreichend, eine auf die Zukunft gerichtete Regelung zu treffen. Zudem erläuterte die Bundesregierung, dass zunächst im Grunderwerbsteuerrecht - wie in jedem Rechtsbereich - als erstes geprüft werden müsse, welcher Gesetzeszweck vom Gesetzgeber vorgegeben worden sei, also ob in der Gesetzesbegründung beispielsweise auf die Institution der Ehe oder - anders als im Erbschaftsteuerrecht - auf Kinder besonders Bezug genommen worden sei (vgl. BT-Drucks. 17/3549, S. 12).

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II. Rechtsauffassung des beschließenden Senats zur Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F.

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1. Prüfungsmaßstab

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Die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. ist am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG zu überprüfen.

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Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 I BvR 611/07, 1 BvR 2467, BVerfGE 126, 400 m.w.N.).

41

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. z.B. BVerfGE 97, 169; 120, 1; 121, 317). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (vgl. z.B. BVerfGE 75, 108; 121, 108).

42

Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum, sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Die Freiheit des Gesetzgebers im Steuerrecht wird hierbei allerdings durch zwei Leitlinien begrenzt, nämlich durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestandes folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 117, 1; 120, 1; BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010, I BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, a.a.O.).

43

Der Gesetzgeber unterliegt bei einer Ungleichbehandlung, die ihren Anknüpfungspunkt in der Person findet, zudem regelmäßig einer strengen Bindung (vgl. BVerfGE 88, 87; 98, 365; 121, 317). Die aus Art. 3 Abs. 1 folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 55, 72; 88, 5; 117, 272).

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Schließlich ist eine strenge Gleichheitsprüfung in den Fällen zu fordern, in denen der Gesetzgeber eine mit der sexuellen Orientierung von Personen zusammenhängende Differenzierung vornimmt (vgl. BVerfGE 124, 199). Die Entscheidung des Einzelnen für eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft ist kaum trennbar mit seiner sexuellen Orientierung verbunden (vgl. BVerfGE 124, 199). Von Bestimmungen, die die Rechte und Pflichten eingetragener Lebenspartner regeln werden typischerweise homosexuelle Menschen erfasst und von solchen, die die Rechte und Pflichten von Ehegatten regeln, heterosexuelle Menschen (vgl. BVerfGE 124, 199; BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010, I BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, a.a.O.).

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Da damit die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern durch § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. in Anknüpfung an die sexuelle Orientierung erfolgen kann, bedarf es hinreichend gewichtiger Unterschiede zwischen diesen beiden Formen einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft, um die konkrete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 124, 199; BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 I BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, a.a.O.).

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2. Rechtsprechung und Literatur zur aufgeworfenen Verfassungsfrage

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Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesfinanzhof haben bislang nicht entschieden, ob § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, als der Grundstückserwerb durch den eingetragenen Lebenspartner des Veräußerers nicht von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Das Finanzgericht Münster hat mit Beschluss vom 24. März 2011 (8 K 2430/09 GrE; Juris) eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur gleichen Vorlagefrage eingeholt (Aktenzeichen des BVerfG: 1 BvL 16/11), weil es der Auffassung ist, dass § 3 Nr. 4 GrEStG a.F.  insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, als der Grundstückserwerb durch den eingetragenen Lebenspartner des Veräußerers nicht von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Die Befreiungsvorschrift knüpfe an familienrechtliche Beziehungen an, die in einer Lebenspartnerschaft und einer Ehe in gleicher Weise bestünden. Das Lebenspartnerschaftsgesetz entspreche in vielen Bereichen - insbesondere bei den gegenseitigen Unterhalts- und Beistandspflichten - den eherechtlichen Regelungen. Es seien daher keine Gründe mehr dafür ersichtlich, die Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe steuerlich zu benachteiligen. Die für die Grundstückserwerbe bis Mitte Dezember 2010 wirkende Ungleichbehandlung zwischen Ehegatten und Lebenspartnern sei auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass nur aus einer Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen könnten. Denn die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. differenziere nicht zwischen kinderlosen Ehen und solchen, aus denen Kinder hervorgegangen seien (vgl. FG Münster, 8 K 2430/09 GrE, a.a.O.).

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Das Niedersächsische Finanzgericht vertritt in einem Beschluss vom 06. Januar 2011 (7 V 66/10, EFG 2011, 827) die Auffassung, dass § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. womöglich gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Für die Ungleichbehandlung zwischen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern fehlten hinreichend tragfähige Rechtfertigungsgründe.

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Im Schrifttum wird diese Frage – soweit ersichtlich – nicht vertieft erörtert. Zum Teil werden ernsthafte Zweifel geltend gemacht, ob die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Grunderwerbsteuerrecht mit Art. 3 GG vereinbar ist (vgl. Messner, DStR 2010, S. 1875 [1878]; Wenzel, DStR 2009, S. 2403 [2407]). Es wird ferner argumentiert, dass aus der rechtlichen Anerkennung und Regelung der Lebenspartnerschaften der Schluss gezogen werden könnte, dass Art. 3 Abs. 1 GG eine steuerrechtliche Privilegierung verlange. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 (1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, BVerfGE 103, 313) könne allerdings entnommen werden, dass es dem Gesetzgeber mit Rücksicht auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht verwehrt sei, diese gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen (vgl. Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007, § 3 Rn. 357 a). Teilweise wird angeführt, dass auch die ehebegünstigenden Normen im Steuerrecht ihre Berechtigung in der gemeinsamen Gestaltung des Lebenswegs der Ehepartner finden könnten. Dies gelte gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht und rechtfertige es, die Partner im Falle der Auflösung der Ehe durch Trennung oder Tod besser zu stellen als Menschen, die in weniger verbindlichen Paarbeziehungen zusammenlebten. Gehe aber die Privilegierung der Ehe mit der Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und dem mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar seien, rechtfertige der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe gemäß Art. 6 Abs. 1 GG eine solche Differenzierung nicht. Dies spreche dafür, dass der Ausschluss der Steuerbefreiung für Grundstückserwerbe von Lebenspartnern verfassungswidrig gewesen sei (vgl. Meßbacher-Hönsch in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl. 2011, § 3 Rdn. 375).

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3. Rechtsauffassung des Senats

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Nach der Überzeugung des Senats ist § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

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Aus diesem verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab folgt nach den obigen Darlegungen, dass die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern durch § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. hinreichend gewichtige Unterschiede zwischen diesen beiden Formen einer auf Dauer angelegten rechtlich gefestigten Partnerschaft verlangt, um sie verfassungsrechtlich zu rechtfertigen (vgl. insbesondere BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 I BvR 611/07, I BvR 2464/07, a.a.O.).

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Für die Schlechterstellung von eingetragenen Lebenspartnern gegenüber Ehegatten durch § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. bestehen aber keine Unterschiede von solchem Gewicht, die die Benachteiligung der Lebenspartner gegenüber Ehegatten rechtfertigen können. Diese Benachteiligung kann im Einzelfall - abhängig von der Höhe der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage - erhebliche wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Dies zeigt auch der Fall des Klägers mit einer festgesetzten Grunderwerbsteuer von 10.535 €.

54

Die Schlechterstellung von Lebenspartnern gegenüber Ehegatten kann nicht durch Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden. Diese Bestimmung stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, sie gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Geht jedoch die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht (vgl. BVerfGE 124, 199, BVerfG-Beschluss vom 12. Juli 2010 I BvR 611/07, I BvR 2464/07, a.a.O.).

55

Die Befugnisse des Staates, in Erfüllung seiner grundgesetzlichen Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 1 GG für Ehe und Familie tätig zu werden, bleiben also gänzlich unberührt von der Frage, inwieweit Dritte etwaige Gleichbehandlungsansprüche geltend machen können. Allein der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) entscheidet nach Maßgabe der vom Bundesverfassungsgericht hierzu entwickelten Anwendungsgrundsätze darüber, ob und inwieweit Dritten, wie hier den eingetragenen Lebenspartnern, ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit einer gesetzlichen oder tatsächlichen Förderung von Ehegatten zukommt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 I BvR 611/07, I BvR 2464/07, a.a.O.).

56

Die Grunderwerbsteuer ist als Verkehrssteuer ausgestaltet. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Grunderwerbsteuergesetz das Ziel, Grundstücksumsätze zu besteuern. Solche Umsätze stellen sich zwischen eingetragenen Lebenspartnern nicht anders dar, als zwischen Ehegatten. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. für Ehegatten beruht auf dem Familienprinzip. Der Gesetzgeber sah es als eine Benachteiligung der Ehegatten gegenüber Verwandten in gerader Linie an, wenn gerade familienrechtliche oder erbrechtliche Gesichtspunkte, die weitgehend auch für Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten maßgebend seien, bei Ehegatten nicht berücksichtigt würden (vgl. BT-Drucks. 9/251 S. 17 f.). Diese Gesichtspunkte gelten gleichermaßen für das familienrechtliche Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Das Familienprinzip kann deshalb eine Ungleichbehandlung gegenüber Ehegatten nicht rechtfertigen.

57

Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist ein familienrechtliches Institut für eine auf Dauer angelegte, gleichgeschlechtliche Paarbindung (vgl. BVerfGE 124, 199). Mit dem am 01. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG) vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266) wurden die Begründung und die Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie die persönlichen und vermögensrechtlichen Rechtsbeziehungen der Lebenspartner geregelt.

58

Nach § 2 LPartG sind die eingetragenen Lebenspartner einander zur Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet und tragen füreinander Verantwortung (vgl. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach § 5 Satz 1 LPartG in der Fassung vom 16. Februar 2001 (im Folgenden: LPartG a.F.) waren die Lebenspartner einander zu „angemessenem Unterhalt“ verpflichtet, nach § 5 Satz 2 LPartG a.F. die für Ehegatten maßgebenden Vorschriften zum Unterhalt entsprechend anwendbar. Der Trennungsunterhalt war nach § 12 LPartG a.F. demjenigen bei Ehegatten nachgebildet. Nach der in ihren Voraussetzungen einer Scheidung ähnlichen Aufhebung der Lebenspartnerschaft schuldete ein Lebenspartner Unterhalt, wenn der andere Lebenspartner nicht selbst für seinen Unterhalt sorgen konnte, § 16 Abs. 1 LPartG a.F. (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 I BvR 611/07, I BvR 2464/07, a.a.O.).

59

Durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3396), welches am 01. Januar 2005 in Kraft getreten ist, wurde das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaften weiter an das Eherecht angeglichen, wobei auf die Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Ehe in weitem Umfang Bezug genommen wurde. Das Gesetz regelt die Übernahme des ehelichen Güterrechts, die weitergehende Angleichung des Unterhaltsrechts, die Anpassung der Aufhebungsvoraussetzungen an das Scheidungsrecht, die Einführung der Stiefkindadoption und des Versorgungsausgleiches sowie die Einbeziehung der Lebenspartner in die Hinterbliebenenversorgung der gesetzlichen Rentenversicherung. Im zivilen Erbrecht stehen Lebenspartner Ehegatten nunmehr vollständig gleich, § 10 LPartG (vgl. BVerfGE 124, 199; BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 I BvR 611/07, I BvR 2464/07, a.a.O.).

60

Zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Ehegatten durch § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. kann auch nicht darauf verwiesen werden, dass die persönliche Lebensgemeinschaft zwischen Ehegatten von der gemeinsamen Teilhabe an den wirtschaftlichen Grundlagen und den gegenseitigen Unterhalts- und Beistandspflichten gekennzeichnet sei. Dies gilt in gleicher Weise auch für Lebenspartner (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 I BvR 611/07, I BvR 2464, a.a.O.; FG Münster, Beschluss vom 24. März 2011, 8 K 2430/09 GrE, a.a.O.).

61

Die Ungleichbehandlung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass nur aus einer Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen können. Die Ausgestaltung des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. zeigt, dass die Steuerbefreiung bei Ehegatten allein schon deshalb eingreift, weil sie rechtswirksam die Ehe geschlossen haben. Auf das Vorhandensein von Kindern nimmt weder der Gesetzestext noch die Gesetzesbegründung Bezug. Das Gesetz differenziert nicht zwischen kinderlosen Ehen und solchen, aus denen Kinder hervorgegangen sind (vgl. FG Münster, Beschluss vom 24. März 2011 8 K 2430/09 GrE, a.a.O.).

62

Schließlich lässt sich die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern gegenüber Ehegatten nicht dadurch rechtfertigen, dass man sich beim Erwerb eines Grundstücks für oder gegen den Erwerb entscheiden kann (so die Argumentation der Koalitionsfraktionen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages; BT-DruckS 17/3549, S. 12). Der Grundstückserwerb ist auch zwischen Eheleuten disponibel. Eine unterschiedliche Behandlung von eingetragenen Lebenspartnern rechtfertigt dieser Gesichtspunkt mithin nicht.

63

IV. Entscheidungserheblichkeit der Vorlage

64

Der Senat setzt das Verfahren aus und holt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Vorlagefrage ein, weil es für die Entscheidung des Streitfalls auf die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. ankommt (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, § 80 Abs. 1 BVerfGG).

65

1. Maßgeblichkeit des Verfassungsverstoßes für den Streitfall

66

Ist § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. verfassungsgemäß, ist die zulässige Klage als unbegründet abzuweisen. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid vom 07. Oktober 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2008 wäre dann rechtmäßig.

67

Der streitgegenständliche Erwerbsvorgang unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Danach unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstückes begründet. Ein solches Rechtsgeschäft liegt im Streitfall vor.

68

Nach dem notariellen Vertrag vom 08. August 2008 kann der Kläger von seinem eingetragenen Lebenspartner, Herrn A, dessen hälftigen Miteigentumsanteil an dem im Grundbuch eingetragenen Grundbesitz, gelegen in ... beanspruchen.

69

Die festgesetzte Grunderwerbsteuer von 10.535 € ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Steuer bemisst sich gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung.

70

In Nr. 1 Abs. 5 des Vertrags ist zwar bestimmt, dass eine Gegenleistung nicht erfolgt. Grunderberbsteuerlich ist aber nicht maßgebend, was die Vertragsparteien als Gegenleistung bezeichnen oder ansehen, sondern zu welchen Leistungen sie sich objektiv betrachtet vertraglich verpflichtet haben. Es kommt darauf an, was nach dem Vertragsinhalt Gegenleistung ist. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinn ist jede Leistung anzusehen, die der Erwerber als Entgelt  für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung empfängt. Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb müssen deshalb kausal verknüpft sein. Dabei ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Gegenleistung zwischen Grundstücksveräußerer und Grundstückserwerber ausgetauscht wird (vgl. Loose in  Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl. 2011, § 9 Rdn. 15 ff. m.w.N.).

71

Nach Nr. 2 Abs. 2 des Vertrages ist die Übernahme der in Abt. III des Grundbuchs eingetragenen Grundschuld und des durch sie gesicherten Darlehens durch den Kläger vorgesehen und zwar nach Möglichkeit schuldbefreiend. Beim Scheitern einer befreienden Schuldübernahme mangels Zustimmung der Darlehensgläubigerin ist eine Freistellungsverpflichtung des Klägers gegenüber seinem Lebenspartner hinsichtlich aller Ansprüche der Kreditgeberin aus der Darlehensverpflichtung in Nr. 2 Abs. 4 des Vertrags enthalten.

72

Die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung kann auch in der schuldbefreienden Übernahme von Darlehensverpflichtungen liegen, die durch ein Grundstück mittels Grundschulden gesichert sind. Die Übernahme der auf dem Grundstück lastenden Grundschulden durch den Erwerber stellt daneben keine weitere Gegenleistung dar (vgl. BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 II R 2/92, BFH/NV 1995, 638; vom 17. Juli 1985 II R 64/83, BFHE 144, 173, BStBl II 1985, 592). Bei der Übernahme grundpfandrechtlich gesicherter Darlehensverbindlichkeiten sind die Darlehensschulden mit ihrem wirklichen Wert anzusetzen. Nach § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) ist grundsätzlich vom Nennwert der Gegenleistung auszugehen, wenn nicht besondere Umstände - zum Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs - einen höheren oder geringeren Wert begründen. Beim Fehlen von besonderen Umständen im Sinne von § 12 Abs. 1 BewG ist somit auf den Valutastand der übernommenen Darlehensverbindlichkeiten abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 II R 2/92, a.a.O.).

73

Vorliegend hat der Kläger - jedenfalls im Innenverhältnis - die gesamtschuldnerischen Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der ...bank als grunderwerbsteuerlich zu berücksichtigende Gegenleistung für die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils am Grundstück übernommen. Die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils auf den Kläger war nach dem Vertragsinhalt kausal damit verknüpft, dass der Veräußerer von den gemeinsamen Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der finanzierenden Bank freigestellt wird. Diese Darlehensverbindlichkeiten valutierten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 08. August 2008 mit 602.000 €. Mangels Vorliegens besonderer Umstände für die Annahme eines hiervon abweichenden Wertes ist als Wert der Gegenleistung die Hälfte der Darlehensvaluta im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, mithin ein Betrag von 301.000 €, anzusetzen. Der Kläger und Herr A waren gemeinsam Darlehensnehmer und damit gemäß § 420 ff. BGB Gesamtschuldner der Darlehensrückzahlungsverpflichtung. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte waren die Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, sodass der Kläger Herrn A von der Hälfte der Darlehensverpflichtungen entlastet hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 17. Juli 1985 II R 64/83, a.a.O.).

74

Ausgehend von der Bemessungsgrundlage von 301.000 € und dem Steuersatz von 3,5 v.H. (§ 11 Abs. 1 GrEStG) hat der Beklagte die Steuer mit 10.535 € zutreffend berechnet.

75

Der Kläger ist als Erwerber gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG steuerpflichtig. Er schuldet die Steuer neben dem Veräußerer als Gesamtschuldner (§ 44 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO -). Es entspricht dabei einem pflichtgemäßen Ermessensgebrauch, wenn das Finanzamt – wie hier – zunächst den Erwerber zur Grunderwerbsteuer heranzieht, wenn dieser im Vertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat, und den Veräußerer erst dann, wenn die Steuer vom Erwerber nicht zu erlangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 1976 II R 187/72, BFHE 119, 188; BStBl II 1976, 579; Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl. 2011, § 13 Rdn. 58).

76

Der notarielle Vertrag vom 08. August 2008 ist nicht als Grundstückschenkung unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG (vollständig) von der Besteuerung ausgenommen. Im Vertrag ist eine Gegenleistung für den Anspruch auf die Grundstücksübertragung vorgesehen. Jedenfalls insoweit liegt keine freigebige Zuwendung unter Lebenden im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG vor. Sofern der Wert der Gegenleistung des Klägers hinter dem Wert des überlassenen Grundstücks zurückbleiben sollte, läge gegebenenfalls eine gemischte Schenkung vor. Die gemischte Schenkung ist von der Grunderwerbsteuer insoweit befreit, als das Geschäft unentgeltlich ist. Im Umfang der vereinbarten Gegenleistung ist das Geschäft entgeltlich und Grunderwerbsteuer zu erheben (vgl. Loose in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl. 2011, § 9 Rdn. 20).

77

2. Anwendbarkeit von § 3 Nr. 4 GrEStG a.F.

78

Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. greift im Streitfall nicht ein. Danach ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Besteuerung ausgenommen. Der Begriff des „Ehegatten“ ist eindeutig in dem Sinne, dass damit nur die Partner einer Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts gemeint sind (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 1982 II B 77/81, BFHE 173, 76, BStBl II 1983, 114; BFH-Urteil vom 25. April 2001 II R 72/00, BFHE 194, 462, BStBl II 2001, 610). Unter dem Begriff „Ehe“ ist nur die rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft zwischen Frau und Mann zu verstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört die Geschlechterverschiedenheit zu den prägenden Merkmalen der Ehe (vgl. BVerfG-Urteil vom 17. November 1992 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234; BVerfG-Beschluss vom 04. Oktober 1993 1 BvR 640/93, NJW 1993, 3058). Deshalb können die Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft nicht als „Ehegatten“ angesehen werden (vgl. BFH-Urteile vom 20. April 2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103; vom 26. Januar 2006 III R 51/05, BFHE 212, 236, BStBl II 2006, 515). Gleichgeschlechtliche Lebenspartner, die eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz begründet haben, sind von dem Gesetzeswortlaut mithin nicht erfasst. Eine unmittelbare Anwendung der Regelung auf gleichgeschlechtliche Lebenspartner scheidet deshalb aus (vgl. FG Münster, Beschluss vom 24. März 2001 8 K 2430/09 GrE, a.a.O.; Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl. 2007, § 3 Rn. 357 a; Franz in Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 4. Aufl. 2010, § 3 Rn. 213 f.).

79

Auch eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. auf Grundstücksübertragungen zwischen eingetragenen Lebenspartnern ist nicht möglich. Die analoge Anwendung einer Rechtsnorm setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus (vgl. etwa BFH-Urteil vom 26. Januar 2006 III R 51/05). Davon zu unterscheiden ist ein so genannter rechtspolitischer Fehler, der vorliegt, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber - gemessen an dem verfolgten Zweck - nicht als planwidrig unvollständig oder ergänzungsbedürftig erweist (vgl. BFH-Urteile vom 02. Juli 2005 III R 15/04, BFHE 210, 141, BStBl II 2005, 828; vom 26. Januar 2006 III R 51/05, a.a.O.).

80

Vorliegend fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke durch den Gesetzgeber. Dieser hat bewusst von einer rückwirkenden grunderwerbsteuerrechtlichen Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern zu Ehegatten abgesehen. Eine solche Gleichstellung erfolgt gemäß § 23 Abs. 9 GrEStG erst für Erwerbsvorgänge ab dem 14. Dezember 2010. Wie bereits dargelegt, ist im Gesetzgebungsverfahren die rückwirkende Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern zu Ehegatten beantragt und diskutiert worden, mit der Mehrheit der Stimmen der Koalitionsfraktionen aber abgelehnt worden. Es wurde als ausreichend angesehen, die Steuerbefreiung erst ab dem 14. Dezember 2010 auf eingetragene Lebenspartner auszudehnen. Damit hat der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck gebracht, dass von § 3 Nr. 4 GrEStG in der Fassung des JStG 2010 so genannte Altfälle gerade nicht erfasst werden sollten (vgl. FG Münster, Beschluss vom 24. März 2011 8 K 2430/09 GrE, a.a.O.).

81

3. Verfassungskonforme Auslegung

82

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. über dessen Wortlaut hinaus kommt nicht in Betracht. Eine solche Auslegung ist unzulässig, wenn sie im Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten würde oder der mögliche Wortsinn einer Vorschrift unmissverständlich ist (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 1996 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64; BFH-Beschluss vom 02. März 2011 II R 64/08, a.a.O.). Vorliegend lässt bereits der mögliche Wortsinn des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. nach den obigen Darlegungen eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf eingetragene Lebenspartner nicht zu. Zudem hat der Gesetzgeber nach seinem klar erkennbaren Willen in den Beratungen zum Jahressteuergesetz 2010 eine rückwirkende Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegatten durch eine dementsprechende Änderung des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. abgelehnt.

83

4. Abweichende Steuerfestsetzung gemäß § 163 AO

84

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Steuerfestsetzung unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 163 AO ist dann gegeben, wenn das nach dem Gesetz sich ergebende Ergebnis offensichtlich zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führt (vgl. BFH-Beschluss vom 02. August 2006 XI R 30/03, BFHE 214, 406, BStBl II 2006, 895 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil der Gesetzgeber - ausweislich der obigen Darlegungen - bewusst und gewollt die Grunderwerbsteuervorgänge bis zum 13. Dezember 2010 zwischen Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht unbesteuert lassen wollte (vgl. auch FG Münster, Beschluss vom 24. März 2011 8 K 2430/09 GrE, a.a.O.). Zudem könnte eine Verpflichtung zur Billigkeitsmaßnahme nicht in diesem Verfahren ausgesprochen werden. Die Entscheidung über eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO ist Gegenstand eines besonderen Verwaltungsverfahrens (st. Rspr. des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. September 2000 IV R 54/99, BFHE 193, 301; BStBl II 2001, 178; BFH-Beschluss vom 02. August 2006 IX R 30/03, a.a.O.).

85

5. Entscheidung des Senats bei Verfassungswidrigkeit von § 3 Nr. 4 GrEStG a.F.

86

Ist § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, muss der Senat zu einer anderen Entscheidung kommen. Sofern das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit von § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG ausspricht, darf die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr angewendet und laufende Verfahren müssen ausgesetzt werden, bis der Gesetzgeber eine nicht gleichheitswidrige Regelung in den Steuerbefreiungsvorschriften erlässt. Dies wäre eine andere Entscheidung als im Falle der Gültigkeit des Gesetzes (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07. November 2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1). Der Entscheidungserheblichkeit steht nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht bei einer Unvereinbarkeitserklärung die weitere Anwendung des bisherigen Rechts anordnen kann, auch wenn in diesem Fall der Rechtsstreit nicht anders zu entscheiden wäre als bei Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07. November 2006 1 BvL 10/02, a.a.O.).

87

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03. Juli 1992 1 Ws 552/92, NJW 1993, 411; Ruban, in: Gräber, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl. 2010, § 128 Rn. 13; Hömig, Grundgesetz, 8. Aufl. 2007, Art. 100 GG Rdn. 4).


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