Beschluss vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 4 Ta 377/18
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts Düsseldorf im Urteil vom 22.06.2018 abgeändert, soweit sie zugleich die Festsetzung der Gerichtsgebühren gem. § 63 Abs. 2 GKG betrifft.
Der Gerichtsgebührenwert wird für das erstinstanzliche Verfahren auf 51.460,86 € festgesetzt.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Beschwerde richtet sich gegen die arbeitsgerichtliche Festsetzung des Streitwerts für die am 01.03.2018 beim Arbeitsgericht eingereichten Anträge auf Zahlung von 22.770,30 € (Ruhegeld v. 01.11.2017 bis 30.04.2018 = 6 x volles Gehalt [3.795,05 €]) und auf Feststellung eines Anspruchs auf monatliches Ruhegeld ab 01.05.2018 iHv. 796,96 €. Das Arbeitsgericht hat den Wert für beide Anträge im Urteil "auch … für die Gerichtsgebühren gemäß § 63 GKG" auf das 42-fache von 796,96 €, nämlich 33.472,32 € festgesetzt. Die Beschwerde erstrebt zuletzt eine Erhöhung auf 51.460,86 €.
4II.
5Die zulässige Beschwerde ist begründet.
61.Die Beschwerde ist zulässig. Das Arbeitsgericht hat - entgegen der gesetzlichen Regelung (§ 63 Abs. 2 GKG) - den Streitwert für die Gebühren im Urteil festgesetzt. Statthaftes Rechtsmittel ist gleichwohl die Beschwerde gemäß §§ 68, 63 GKG. Die Beschwerde ist fristgerecht gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 iVm § 63 Abs. 3 Satz 2 eingelegt, zumal die gem. § 5b GKG bei der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren gebotene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben ist. Der beschwerdeführende Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist gem. § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG beschwerdebefugt. Die gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG erforderliche Beschwer von mehr als 200,00 € ist gegeben.
72.Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Die Festsetzuung des Gebührenwerts durch das Arbeitsgericht auf 33.472,32 € ist unzutreffend. Die mit der Klage verfolgten Anträge auf Zahlung sowie auf Feststellung der Pflicht zur Zahlung einer monatlichen Betriebsrente in Höhe von 796,96 € ab Mai 2018 sind für den Gebührenwert mit 51.460,86 € zu bewerten. Dabei hat der Zahlungsantrag zu 1. den Wert des bezifferten Betrags (22.770,30 €) und der Feststellungsantrag zu Ziff. 2 den Wert des 36-fachen Monatsbetrags (36 x 796,96 € = 28.690,56 €). Der Wert der Anträge ist zusammenzurechnen. Sie betreffen nicht dieselbe wiederkehrende Leistung. Aus demselben Grund ist auch die Hinzurechnung der bei Einreichung der Klage am 01.03.2018 fälligen Beträge hier nicht gem. § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GKG ausgeschlossen.
8a.Der Feststellungsantrag zu Ziff. 2 ist gem. § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG für die Gerichtsgebühren mit dem 36-fachen monatlichen Differenzbetrag zu bewerten. Der vom Arbeitsgericht angesetzte Wert des 42-fachen Monatsbetrags ist der gemäß § 9 Satz 1 ZPO allein für die Rechtsmittelbeschwer und nicht für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert.
9Ein Abschlag von 20 Prozent von diesem Wert wegen der geringeren Durchsetzungskraft von Feststellungsanträgen ist jedenfalls bei Klagen auf Betriebsrenten nicht angebracht. Für den Gerichtsgebührenwert ist maßgeblich, welchen wirtschaftlichen Wert der beantragte Anspruch hat. Dieser ist gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG mit dem 36-fachen Monatsbetrag beziehungsweise dem dreifachen Jahresbetrag anzusetzen. Die Norm unterscheidet nicht zwischen Leistungs- und Feststellungsklagen. Da Betriebsrentenansprüche gemäß § 7 BetrAVG gegen Insolvenz gesichert sind, scheidet auch ein - im Wege teleologischer Reduktion der Norm denkbarer - Abschlag wegen einer im Vergleich zum Leistungsantrag geringeren Durchsetzungskraft des Urteils aus (BAG 22.09.2015 - 3 AZR 391/13 (A), juris Rn. 6-12).
10Gegenstand des Rechtsstreits ist auch nicht lediglich eine rentenrechtliche Anwartschaft, für deren Feststellung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Abschlag in Höhe von 30 Prozent vorzunehmen ist (etwa: BAG 22.09.2015 - 3 AZR 391/13 (A), juris Rn. 14-15). Denn die Klägerin ist - jedenfalls aus ihrer insoweit maßgeblichen Sicht - bereits rentenbezugsberechtigt.
11b.Die Hinzurechnung des Wertes des bezifferten Klageantrags zu 1. (22.770,30 €) zu dem Wert des Feststellungsantrags zu 2. (28.690,56 €) ist nicht gem. § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GKG ausgeschlossen. Dies gilt auch für die bei Einreichung der Klage fälligen Ruhegelder aus November 2017 bis Februar 2018. Denn bei den Ansprüchen der Klägerin bis April 2018 (monatlich 3.795,05 €) handelt es sich insgesamt nicht um dieselben wiederkehrenden Leistungen wie bei den Ansprüchen ab Mai 2015 (monatlich 796,96 €).
12aa.Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ist bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen für die Gerichtsgebühren maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Abs. 3 Satz 1 der Norm bestimmt, dass die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge dem Streitwert hinzugerechnet werden (Halbs. 1), dies aber nicht in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen gilt (Halbs. 2).
13bb.Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen iSv. § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG sind solche, die sich als einheitliche Folgen aus einem Rechtsverhältnis ergeben (st.Rspr. des BGH zu § 268 ZPO, vgl. etwa BGH 19.11.2014 - VIII ZR 79/14, juris Rn. 33 mwN). Für diese durch Gleichförmigkeit geprägten, sich zugleich aber zu hohen Werten summierenden Ansprüche sieht die Norm eine Wertbegrenzung vor. Dabei ist unerheblich, ob die Ansprüche prozessual im Wege einer Klage auf künftige Leistung oder auf positive oder negative Feststellung der Ansprüche geltend gemacht werden (BAG 22.09.2015 - 3 AZR 391/13 (A), juris Rn 6 ff). Die Vorschrift erfasst daher auch solche Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen, die im Laufe eines Rechtsstreits fällig werden und prozessual von Feststellung auf Zahlung umgestellt werden. Der bei Einreichung der Klage gegebene Streitwert, der gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG für alle wiederkehrenden Leistungen auf höchstens den Dreijahresbetrag begrenzt ist, verändert sich dadurch nicht (BAG 10.12.2002 - 3 AZR 197/02 (A), juris).
14Dies gilt gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GKG nicht für die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge, die sog. Rückstände; diese sind dem Dreijahresbetrag aus § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG daher grundsätzlich unbeschränkt hinzuzurechnen. Hiervon macht der 2. Halbsatz der Norm jedoch für Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen eine Rückausnahme. Dies hat zur Folge, dass die Streitwertbegrenzung des § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG in Arbeitsgerichtsverfahren auch dann gilt, wenn zusätzlich oder ausschließlich die bis zur Klageeinreichung angefallenen Rückstände aus wiederkehrenden Leistungen eingeklagt werden (BAG 10.12.2002 - 3 AZR 197/02 (A), juris). Für die gebührenrechtliche Wertfestsetzung von gleichförmig wiederkehrenden Leistungen, die demselben Bezugsrecht entspringen, kann daher in Arbeitsgerichtssachen der Dreijahresbetrag nicht überschritten werden.
15cc.Bei einheitlicher Bewertung aller hier streitgegenständlichen Ruhegeldansprüche ergäbe sich ein Wert von 34.186,74 € (2 x 3.795,05 € zzgl. 34 x 796,96 €) und damit kein Gebührensprung. In dem dann gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG maßgeblichen Dreijahresbetrag wären die erhöhten Beträge der ersten zwei bei Einreichung der Klage am 01.03.2018 noch nicht fälligen Ruhegeldleistungen (März und April 2018) für den Gebührenwert zu berücksichtigen, da sie von Anfang an Streitgegenstand waren (§ 40 GKG). Die rückständigen Beträge aus November 2017 bis Februar 2018 würden dagegen gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GKG unberücksichtigt bleiben.
16Bei den hier betroffenen Ansprüchen auf Zahlung eines Ruhegeldes in Höhe eines Monatsgehalts von 3.795,05 € für die ersten sechs Monate einerseits und auf anschließende Zahlung eines Ruhegeldes in Höhe von 796,96 € ab Mai 2018 andererseits handelt es sich aber nicht um dieselbe, einheitlich zu bewertende wiederkehrende Leistung.
17Die monatliche Leistung bis April 2018 beträgt - anders als etwa bei einer bloßen rentenrechtlichen Anpassung - ein Vielfaches der nachfolgend zu erbringenden Leistung. Sie beruht außerdem auf einer anderen Anspruchsgrundlage (Ziff. VI.5. der Versorgungsordnung) und erfordert qualifizierte Voraussetzungen (Dienstzeiten). Bei diesem Bild kann unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Streitwertbegrenzung in § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht mehr von einer wegen ihrer Gleichförmigkeit als einheitlich zu bewertenden "wiederkehrenden Leistungen" bzw. "einheitlichen Folgen aus einem Rechtsverhältnis" iSd. Rechtsprechung die Rede sein. Vielmehr handelt es sich gebührenrechtlich um zwei unterschiedliche, jeweils selbständig zu bewertende Leistungen.
18III.
19Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gemäß § 68 Abs. 3 GKG ist das Verfahren gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
20Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 32 Abs. 1 RVG, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
21Quecke
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Referenzen
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- ZPO § 268 Unanfechtbarkeit der Entscheidung 1x
- § 40 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 AZR 391/13 3x (nicht zugeordnet)
- § 68 Abs. 3 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 AZR 197/02 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 9 Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen 1x
- § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG 9x (nicht zugeordnet)
- §§ 68, 63 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- BetrAVG § 7 Umfang des Versicherungsschutzes 1x
- § 63 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- RVG § 32 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren 2x
- § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- § 63 Abs. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- VIII ZR 79/14 1x (nicht zugeordnet)