Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamm - 18 Sa 984/14
Tenor
Der Kläger ist der eingelegten Berufung verlustig, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage mit den Anträgen zu 1) und 4) richtet.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 22.05.2014 - 2 Ca 1372/13 - wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage mit dem Antrag zu 3) richtet.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz im Wesentlichen über den Einbehalt von Steuern hinsichtlich einer Abfindungszahlung.
3Der Kläger war bei dem Beklagten - seinem Bruder - als Malergehilfe beschäftigt. Im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits schlossen die Parteien am 10.01.2013 einen Vergleich, der - soweit hier von Interesse - folgende Regelungen enthält:
4- 5
1. Die Parteien sind darüber einig, dass das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung vom 31.08.2012 mit Ablauf des 30.11.2012 sein Ende gefunden hat.
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2. Der Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis, sofern noch nicht erfolgt, ordnungsgemäß bis zum 30.11.2012 unter Berücksichtigung der tarifvertraglichen Rechte des Klägers ab und zahlt entsprechende Nettobeträge an den Kläger aus, sofern noch nicht erfolgt.
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3. Der Beklagte zahlt in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG für den Verlust des Arbeitsplatzes an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 15.000,00 € brutto. Die Abfindung ist einkommensteuerpflichtig.
Unter dem 25.02.2013 erstellte der Beklagte eine Abrechnung für den Monat November 2012. Die Abrechnung verhält sich über eine Abfindung in Höhe von 15.000,00 Euro sowie eine Abgeltung von 20 Urlaubstagen mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 1.869,78 Euro brutto. Ausweislich der Abrechnung sind auf die Abfindung 4.190,00 EUR Lohnsteuer, 377,10 Euro Kirchensteuer und 230,45 Euro Solidaritätszuschlag abgeführt worden. Den Nettobetrag der Abfindung zahlte der Beklagte an den Kläger aus.
11Mit der Klage hat sich der Kläger dagegen gewandt, dass der Beklagte vom Abfindungsbetrag Steuern einbehielt und an das Finanzamt abführte. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte schulde ihm noch die Zahlung des restlichen Abfindungsbetrages in Höhe von 4.797,55 Euro. Die Zahlung dieses Betrags an die Finanzbehörden erfülle nicht den Anspruch des Klägers. Bei der Abfindung handele es sich nicht um Lohn im Sinne des Steuerrechts, sondern um Schadensersatz für den Verlust des Arbeitsplatzes. Der Kläger habe die Versteuerung selbst und insbesondere unter Berücksichtigung des Fünftelungsprinzips vorzunehmen. Zudem sei die Abfindung erst im Jahr 2013 ausgezahlt worden, so dass die Versteuerung nicht so hätte vorgenommen werden dürfen, als wenn die Zahlung im November 2012 geflossen wäre. - Zwar sei der Abfindungsbetrag bereits im Vergleich vom 10.01.2013 tituliert. Der Kläger könne aus dem Vergleich jedoch nicht den Bruttobetrag vollstrecken. Hilfsweise sei daher festzustellen, dass dem Kläger die Auszahlung des gesamten Abfindungsbetrags ohne Abzug von Steuern zustehe. - Der Kläger hat zudem die Abgeltung von drei weiteren Urlaubstagen in Höhe von 313,81 Euro eingefordert und im Hinblick auf die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs auf die Abrechnung des Beklagten für den Monat August 2012 Bezug genommen, in der je Urlaubstag 104,60 Euro brutto abgerechnet worden waren. - Darüber hinaus hat der Kläger anteiliges Weihnachtsgeld in Höhe von 627 Euro eingeklagt.
12Der Kläger hat beantragt
131. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.797,55 EUR nebst Zinsen
14in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
1528.03.2013 zu zahlen.
162. Hilfsweise wird festgestellt, dass der Beklagten verpflichtet ist, an den
17Kläger gemäß dem gerichtlichen Vergleich vom 10.01.2013 des
18Arbeitsgerichts Rheine, Az. 4 Ca 1368/12, einen Betrag in Höhe von
1915.000,00 EUR auszuzahlen.
203. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitsentgelt in Höhe von
21313,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
22Basiszinssatz seit dem 26.03.2013 zu zahlen.
234. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger anteiliges Weihnachtsgeld
24für 2012 in Höhe von 627,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5
25Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.08.2013 zu zahlen.
26Der Beklagte hat beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Der Beklagte hat vorgetragen, die Abführung der Steuern auf die Abfindung an das Finanzamt entspreche der Vereinbarung im Vergleich vom 10.01.2013. Die Abrechnung sei auf das Jahr 2012 bezogen und stelle den Kläger so, als wenn ihm die Abfindung im Jahre 2012 zugeflossen wäre. Hierdurch entstehe dem Kläger kein Nachteil. - Der Beklagte habe die Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers korrekt abgerechnet. Weitere Ansprüche des Klägers bestünden nicht. - Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2012 zu, da das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeitpunkt gekündigt gewesen sei.
29Das Arbeitsgericht hat die Klage mit den Anträgen zu 1), 2) und 4) abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Klageantrag zu 1) sei unzulässig, da der Abfindungsbetrag bereits im Vergleich vom 10.01.2013 tituliert sei und der Kläger aus dem Vergleich die Zwangsvollstreckung betreiben könne. Der Feststellungsantrag sei jedenfalls unbegründet, da die Parteien im Vergleich klargestellt hätten, dass vor der Auszahlung der Abfindung an den Kläger die auf öffentlichem Recht beruhenden Abzüge vorzunehmen seien. Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit, von denen der Arbeitgeber die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn einzubehalten habe, zählten auch Entlassungsentschädigungen. Im Übrigen seien die Gerichte für Arbeitssachen nicht befugt, die Berechtigung der Abzüge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu überprüfen. - Im Hinblick auf das eingeforderte Weihnachtsgeld hat das Arbeitsgericht Ansprüche des Klägers sowohl aus tarifvertraglichen Vorschriften als auch aus betrieblicher Übung verneint, da der Kläger zum Stichtag am 01.12.2012 nicht mehr in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis gestanden habe. - Der auf Urlaubsabgeltung gerichteten Klage mit dem Antrag zu 3) hat das Arbeitsgericht unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 280,44 Euro stattgegeben. Dem Kläger stehe für jeden nicht genommenen Urlaubstag ein Betrag in Höhe von 93,48 Euro brutto zu, den der Beklagte in der Abrechnung für November 2012 zugrunde gelegt habe. Der darüber hinaus geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch sei unbegründet; der Kläger habe den Anspruch nicht nach den Regelungen des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk berechnet, sondern ohne nähere Begründung die Abrechnung des Beklagten aus dem Monat August 2012 zugrunde gelegt. Im Übrigen wird - auch zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes in erster Instanz - auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.
30Das erstinstanzliche Urteil ist dem Kläger am 10.06.2014 zugestellt worden. Er hat gegen das Urteil mit einem Schriftsatz, der am 09.07.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am 05.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
31Der Kläger vertritt die Auffassung, der Beklagte sei aufgrund des Vergleichs vom 10.01.2013 verpflichtet, eine Abfindung in Höhe von 15.000,00 Euro brutto zu zahlen. Durch die Kennzeichnung „brutto“ sei im Vergleich klargestellt worden, dass öffentliche Abgaben, insbesondere Steuern, auf diesen Betrag vom Kläger als Steuerpflichtigem zu entrichten seien. Der Beklagte habe vom Abfindungsbetrag zu Unrecht Steuern einbehalten. Die Entlassungsentschädigung sei nicht mit Einkünften aus selbstständiger Arbeit gleichzusetzten; vielmehr sei die Entlassungsentschädigung als weitere Einkunft neben den sieben Einkünften gemäß § 2 Nr. 1 - 7 EStG anzusehen. Die Vorschrift des § 24 EStG besage nichts anderes, sondern unterwerfe lediglich die Abfindung überhaupt der Steuerpflicht. Der Arbeitgeber habe Lohnsteuern für Rechnung des Arbeitnehmers allein vom „Arbeitslohn“ einzubehalten; die Abfindung stelle jedoch keinen Arbeitslohn dar. Darüber hinaus habe der Beklagte das Zuflussprinzip missachtet, indem die Abfindung zu dem Arbeitslohn hinzugerechnet worden sei, den der Kläger im Jahre 2012 erzielte; die Abfindungszahlung, die im Januar 2013 erfolgt sei, hätte auch zu diesem Zeitpunkt versteuert werden müssen. Zudem habe der Beklagte die Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht angewandt. Mit der Zahlungsklage habe der Kläger die Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages bzw. des gerichtlichen Abfindungsvergleichs durch den Beklagten geltend gemacht und den Klagebetrag als Schadensersatz beansprucht. Es sei nicht Sache des Klägers, sich mit dem Finanzamt um eine etwaige Rückzahlung von zu viel gezahlten Steuern auseinander zu setzen. Vielmehr habe der Beklagte den Vergleich ordnungsgemäß zu erfüllen und 15.000,00 Euro an den Kläger zu zahlen. Jedenfalls habe der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass ihm der Abfindungsbetrag von 15.000,00 Euro zusteht und es seine Sache ist, den erhaltenen Betrag nach der Fünftel-Regelung als Einkommen zu versteuern. - Im Hinblick auf die Urlaubsabgeltung hat der Kläger in der Berufungsschrift Folgendes vorgetragen: „Betreffend Urlaubsabgeltung hat das Arbeitsgericht für drei Urlaubstage lediglich einen täglichen Betrag von 93,48 Euro zugrunde gelegt und 280,44 Euro brutto errechnet. Demgegenüber hatte der Kläger gemäß der Abrechnung einen Urlaubstag mit 104,60 Euro bemessen, so dass für drei Urlaubstage 313,80 Euro zu beanspruchen sind und das Urteil des Arbeitsgerichts insoweit abzuändern ist“.
32Der Kläger hat in der Berufungsbegründung folgenden Antrag angekündigt: „Das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 22.05.2014, Az.: 2 Ca 1372/13, wird abgeändert insoweit als es über die Zusprechung von 280,44 Euro brutto nebst Zinsen hinaus die Klage abweist. Im Übrigen wird nach den Schlussanträgen erster Instanz erkannt.“
33Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 30.01.2015 hat der Kläger die Berufung zurückgenommen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage mit den Anträgen zu 1) und 4) richtet und im Übrigen Bezug auf die in der Berufungsbegründung angekündigten Anträge genommen.
34Die Beklagte beantragt,
35die Berufung zurückzuweisen.
36Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Entgegen der Auffassung des Klägers gebe es neben den sieben in § 2 EStG genannten Einkünften keine weitere Einkunftsart. Das bedeute, dass auch die vom Arbeitgeber zu zahlende Abfindung wie Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit zu versteuern sei.
37Im Übrigen wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
38Entscheidungsgründe
39I.
40Soweit der Kläger die Berufung zurückgenommen hat, waren die Wirkungen der Rücknahme gemäß § 516 Abs. 3 ZPO auszusprechen.
41Der Kläger hat die Berufung, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage mit den Anträgen zu 1) und 4) richtete, durch Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zurückgenommen. Die Zurücknahme der Berufung kann entsprechend der Möglichkeit, die Berufung von vornherein zu beschränken, auch bezüglich eines Teils des Streitgegenstandes erklärt werden (Heßler, in: Zöller, 30. Auflage 2014, § 516 ZPO Rdnr. 6). Es kann offen bleiben, ob die Berufung insoweit unzulässig war, weil der Kläger sie von vornherein nicht ordnungsgemäß begründet hatte. Auch eine unzulässige Berufung kann zurückgenommen werden (Heßler, a.a.O., Rdnr. 3); das entspricht dem zivilprozessualen Dispositionsgrundsatz.
42II.
43Die Berufung des Klägers ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage mit dem Antrag zu 3) richtet.
44Der Kläger hat die Berufung insoweit nicht ordnungsgemäß begründet. Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung genügen, soweit er sich gegen die teilweise Abweisung der auf Urlaubsabgeltung gerichteten Klage wendet, nicht den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.
45Nach dieser Vorschrift muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht (BAG, Urteil v. 12.08.2014 - 3 AZR 492/12, Urteil v. 16.05.2012 - 4 AZR 245/10). Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Rdnr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Daher hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für Unrichtig hält. Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt werden. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein. Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden Jedoch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG, Urteil v. 12.08.2014 - 3 AZR 492/12, Urteil v. 19.02.2013 - 9 AZR 543/11, Urteil v. 15.03.2011 - 9 AZR 813/09).
46Der Kläger hat sich in der Berufungsbegründung nicht näher mit der Frage befasst, wie die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs zutreffenderweise zu berechnen ist. Das Arbeitsgericht hat im angegriffenen Urteil unter I. 5. der Entscheidungsgründe Ausführungen zur Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs für jeden einzelnen Urlaubstag gemacht. Der Kläger ist dem nicht konkret entgegengetreten, sondern hat nur Bezug genommen auf sein erstinstanzliches Vorbringen zur Höhe des Anspruchs („demgegenüber hatte der Kläger gemäß der Abrechnung einen Urlaubstag mit 104,60 Euro bemessen“). Aufgrund welcher rechtlicher Erwägungen der Kläger diesen Betrag für richtig hält, erschließt sich nicht. Ausführungen des Klägers zu der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs fußt, fehlen. Der Kläger hat erstinstanzlich lediglich auf eine Abrechnung Bezug genommen, die der Beklagte für den Monat August 2012 erstellt hatte. Der Kläger hat kein Argument dafür vorgebracht, warum die Berechnung des Beklagten in der Entgeltabrechnung für den Monat August 2012 über das Urlaubsentgelt für vier Urlaubstage während des bestehenden Arbeitsverhältnisses die zutreffende Grundlage zur Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs ist, nicht jedoch die Abrechnung des Beklagten für den Monat November 2012, die sich über die Urlaubsabgeltung nach dem Austritt des Klägers verhält. Zur Begründung der Berufung reicht der (ohnehin nicht ausdrücklich formulierte) Hinweis darauf nicht aus, dass das Urlaubsentgelt für den Monat August 2012 höher ist als die Urlaubsabgeltung im Monat November 2012. Denn die unterschiedliche Höhe des Anspruchs folgt aus dem Referenzprinzip, das sowohl für die Urlaubsentgeltberechnung nach § 20 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk gilt (nach § 21 Nr. 4 b errechnet sich das Urlaubsentgelt aus dem Teil des im laufenden Kalenderjahr bis zum Urlaubsantritt verdienten lohnsteuerpflichtigen Bruttolohns) als auch nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG (danach bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat). Das Referenzprinzip bringt es mit sich, dass die Höhe des Urlaubsentgelts in Abhängigkeit von dem im Referenzzeitraum erzielten Verdienst schwanken kann.
47III.
48Soweit der Kläger sich gegen die Abweisung der Klage mit dem Antrag zu 2) wendet, ist die Berufung zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht nach § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet worden. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag zu Recht abgewiesen.
49Der Klageantrag zu 2) ist auf die Feststellung gerichtet, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Abfindungsbetrag in Höhe von 15.000,00 Euro, den die Parteien im Vergleich vom 10.01.2013 vereinbarten, in voller Höhe an den Kläger auszuzahlen. Dem Kläger steht indes kein Anspruch auf ungekürzte Auszahlung des Abfindungsbetrages zu. Der Beklagte war befugt, die Abfindungszahlung im Rahmen der Entgeltabrechnung zu berücksichtigen und vom Abfindungsbetrag Einkommenssteuern, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern an das Finanzamt abzuführen.
501. Der Beklagte war als inländischer Arbeitgeber gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG verpflichtet, die auf den Abfindungsbetrag entfallenden Steuern einzubehalten.
51a) Die Abfindungszahlung, die der Kläger vom Beklagten erhielt, zählt zu den einkommensteuerpflichtige Einkünften gemäß § 24 Nr. 1a EStG.
52Abfindungszahlungen, die vom Arbeitgeber im Zusammenhang mit der von ihm veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, sind Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden (BFH, Urteil v. 26.01.2011 - IX R 20/10, Urteil v. 14.04.2005 - XI R 11/04; FG München, Urteil v. 15.04.2014 - 12 K 2449/12). Zwar sind Abfindungszahlungen außerordentliche Einkünfte, die gemäß § 34 EStG eine steuerliche Privilegierung erfahren. Da es sich insoweit jedoch um einen Ersatz für die Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis, mithin für Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG handelt, ist auch die Abfindungszahlung selbst konsequenterweise als Einkunft aus nicht selbstständiger Arbeit anzusehen (dazu BFH, Urteil v. 03.10.1984 - I R 135/81): Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Dienstverhältnis und der Zuwendung besteht, werden Entlassungsabfindungen für die Beschäftigung gewährt. Die Ursächlichkeit ist zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige die Zuwendung nur deshalb erhält, weil er Arbeitnehmer eines bestimmten Arbeitgebers war oder ist.
53Nach diesen Grundsätzen erhielt der Kläger im Streitfall die Abfindungszahlung für seine Beschäftigung im privaten Dienst des Beklagten. Die Abfindungszahlung wurde zwischen den Parteien anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Sie sollte Verluste ausgleichen, die den Kläger dadurch entstanden, dass er rechtliche Positionen aufgeben musste, die er sich durch seine bisherige Tätigkeit erarbeitet hatte.
54b) Bei der Abfindungszahlung handelt es sich um Arbeitslohn im Sinne des § 38 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG.
55Nach §§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 EStG i. V. m. § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer- Durchführungsverordnung sind Arbeitslohn alle durch das individuelle Arbeitsverhältnis veranlasste Einnahmen in Geld oder Geldeswert; dazu zählen auch Abfindungen als Entlassungsentschädigungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 LStDV; BFH, Beschluss v. 12.12.2011 - IX B 3/11; BAG, Urteil v. 21.11.1985 - 2 AZR 6/85). Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. Die Vorschrift will sicherstellen, dass die Lohnsteuer dem Staat regelmäßig und unkompliziert zufließt, ohne dass die Finanzverwaltung sich im Hinblick auf die Steuerzahlung mit einzelnen Arbeitnehmern auseinandersetzen muss. Der Gesetzeszweck gebietet nicht nur den Lohnsteuerabzug bei der regelmäßigen Lohnzahlung, sondern auch bei Abfindungszahlungen. Gerade bei Zahlung einmaliger größerer Geldbeträge bestünde sonst die Gefahr, dass die Lohnsteuer, müsste das Finanzamt sie von einzelnen Arbeitnehmern einfordern, uneinbringlich wäre.
56Nach den einkommensteuerrechtlichen Vorgaben hat der Arbeitgeber nicht nur die Lohnsteuer, sondern auch die Kirchensteuern einzubehalten und abzuführen (§ 5 Kirchensteuergesetz NW). Das gleiche gilt für den Solidaritätszuschlag, der als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer erhoben wird (§ 1 Solidaritätszuschlaggesetz).
57c) Der Beklagte kam den Pflichten, die ihn aus § 38 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 EStG treffen, nach, indem er die Steuern von der Abfindung einbehielt und an das Finanzamt abführte.
58aa) Damit sind die Pflichten des Beklagten aus dem Vergleich vom 10.01.2013 gegenüber dem Kläger gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
59Mit dem Abzug und der Abführung von Lohnbestandteilen erfüllt der Arbeitgeber seine Zahlungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer (BAG, GS, Beschluss v. 07.03.2001 - GS 1/00, Urteil v. 30.04.2008 - 5 AZR 725/07). Einbehalt und Abführung der Steuern durch den Beklagten sind zwischen den Parteien unstreitig.
60bb) Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte habe die Steuern unrichtig berechnet und insofern einen zu hohen Betrag von der Abfindungszahlung einbehalten.
61Das Arbeitsgericht hat, der Rechtsprechung des BAG folgend (BAG, Urteil v. 30.04.2008 - 5 AZR 725/07), bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Gerichte für Arbeitssachen nicht befugt sind, zu überprüfen, ob der Arbeitgeber Abzüge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in zutreffender Höhe vorgenommen hat.
62Der Arbeitgeber erfüllt beim Lohnsteuerabzug öffentlich-rechtliche Aufgaben, die allein ihm obliegen. Der Arbeitnehmer kann die nach seiner Auffassung unberechtigt einbehaltenen und abgeführten Beträge nicht erfolgreich mit einer Vergütungsklage geltend machen. Er ist vielmehr auf die steuer- und sozialrechtlichen Rechtsbehelfe beschränkt. Etwas anderes gilt, wenn für den Arbeitgeber aufgrund der für ihn zum Zeitpunkt des Abzugs bekannten Umstände eindeutig erkennbar war, dass eine Verpflichtung zum Abzug nicht bestand. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Arbeitgeber war zum Einbehalt und zur Abführung der Lohnsteuer gemäß § 38 EStG dem Grunde nach verpflichtet, da es sich bei der Abfindung, wie bereits dargelegt, um Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit und um Arbeitslohn im Sinne des § 38 Abs. 3 EStG handelt.
63cc) Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers im Hinblick auf fehlerhafte Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuern durch den Beklagten ist nicht Gegenstand des Klageantrags zu 2).
64Mit dem Klageantrag zu 2) begehrt der Kläger lediglich im Wege einer Feststellungsklage eine gerichtliche Entscheidung über den Inhalt des Vergleichs vom 10.01.2013. Der Klageantrag ist allein darauf gerichtet, die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung einer (ungekürzten) Abfindung ich Höhe von 15.000,00 Euro an den Kläger festzustellen. Die Feststellung von Schadensersatzansprüchen begehrt der Kläger nicht. Auf den Gesichtspunkt des Schadensersatzes hat er lediglich den Zahlungsantrag zu 1) stützen wollen. In der Berufungsbegründung führt der Kläger dementsprechend aus (dort Seite 4, Bl. 219 der Akten), er habe „mit seiner Zahlungsklage die Schlechterfüllung des Arbeitsvertrages bzw. des gerichtlichen Abfindungsvergleichs durch den Beklagten geltend gemacht“. Die Berufung gegen die Abweisung des Zahlungsantrages zu 1) hat der Kläger jedoch zurückgenommen.
652. Der gerichtliche Vergleich vom 10.01.2013 enthält keine Bestimmungen, die im Hinblick auf die steuerrechtliche Behandlung der Abfindung von der Rechtslage abweichen, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften gilt.
66Unter Ziff. 3) des Vergleichs ist ausdrücklich die Zahlung der Abfindung als Bruttobetrag vorgesehen. Zudem wurde hervorgehoben, dass die Abfindung einkommensteuerpflichtig ist. Dadurch, dass der Vergleich unter Ziff. 2) eine Abrechnung des Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten vorsieht, haben die Parteien auch klargestellt, dass die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auf Zahlungen, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis erfolgen, Sache des Beklagten ist. Jedenfalls finden sich im Vergleich keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger solle - in Abweichung von den sonst geltenden gesetzlichen Vorgaben - Lohnsteuern auf die Abfindungszahlung selbst abführen.
67IV.
68Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
69Es bestand keine Veranlassung, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere wirft der Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
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